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Mirokurator

Prey (2017)
Prey hat zwei weirde Probleme und ist ansonsten (ähnlich wie bspw. Hades) die Kulmination eines ganzen Genres. 
Namentlich geht es um die "Immersive Sim", die nicht immer ganz leicht zu definieren ist, sich durch ihr eigenes Feeling aber definitiv eine solche Kategorie verdient. Vereinfacht gesagt bewegen wir uns hier in der First-Person-Perspektive durch eine riesige Raumstation und können unsere Ziele sehr unterschiedlich erreichen: Mit Skills für Schusswaffen, Stealth, Traversal, technische Fertigkeiten, Superkräfte ... Es gibt viele Möglichkeiten für "XY only" Runs, und ganz viele kleine und größere Entscheidungen zu treffen, die uns dann auch zu unterschiedlichen Endings führen.
Storytechnisch wurde diese Raumstation von fremdartigen Aliens unterwandert, die gestaltwandelnden Mimics voran, und dann ging alles den Bach runter. Offenbar gehören wir eigentlich zur Führungsetage einer urkapitalistischen Firma, zusammen mit unserem Bruder, der immer noch an seinen Zielen festhält. Und jetzt geht es nicht nur um die Frage des Überlebens, sondern auch darum, wie es weitergehen soll (mit der Menschheit), oder eben nicht.
Problem #1
... ist sehr subjektiv, tatsächlich nicht sonderlich relevant für die Qualität des eigentlichen Spiels, aber imho trotzdem sehr wichtig!
Hot Take: Videospiele in der Zeit um 2010 rum hatten oftmals einen ziemlich langweiligen Vibe. Ich bin mir 100% sicher, dass das andere anders sehen, aber für mich war diese Generation ein absoluter Tiefpunkt der Branche, in dem selbst solche Charakterbirnen wie Halo oder Gears of War millionenschwere Reihen mit brennenden Fans werden konnten. Von Call of Duty und GTA IV + V reden wir mal gar nicht. Arkane als Studio hat da auch gut mitgemischt, denn Dishonored hat mich in den ersten Stunden so sehr mit seiner Charakterlosigkeit gelangweilt, dass ich da nie weit gekommen bin. (Ja, röstet mich. I'll take it!)
Und nun kommt Prey (2017), und wirkt nach außen hin erstmal VOLL wie ein Spiel dieser Generation. Auf Screenshots und in Videos sieht es nicht nur uninspiriert und steril aus, wie Space-und-Gänge-Shooter Nummer 38, selbst die Publicity-Bilder zwingen mich regelrecht dazu, das Interesse zu verlieren. Der passendste Vergleich ist ein äußerst schneidender: Wenn man nicht genau hinguckt, wirkt Prey erstmal wie Starfield. (Uuuuh.)
Der Witz ist: Ich rede hier wirklich nur von der Außenwirkung. Zugegebenermaßen, der Grafikstil und das Design erreichen auch im Spiel nicht den Charakter eines Bioshocks (um einen faireren Vergleich zu bemühen), aber sie haben durchaus Charakter! Und im Gegensatz zu Dishonored war ich hier innerhalb der ersten Stunde voll drin. Mehr zu den Gründen gleich, aber praktisch ist Prey viel mehr ein Anti-Starfield!
Warum ist das nun wichtig? Dieses Spiel hat finanziell enttäuscht, und gilt auch heute oft noch als Geheimtipp, was MASSIV schade ist! Ein ulkiges Detail dabei ist, dass Arkane wohl gezwungen waren, den Namen von Prey (2006) zu benutzen, was einerseits das wonkigere, objektiv schlechtere Spiel ist, andererseits mit seinem "Indianer vs. Genozid-Aliens" Vibe instant eine gewisse Faszination zu bieten hatte, die Prey (2017) erstmal abgeht, so sehr man es mit den Mimics als Werbeträger auch versucht hat. Und genau deshalb kriegt Prey (2017) in diesem Beitrag auch nur ein -- enttäuschendes, inspirationsloses -- Bild. Hngh!
Prey ist GUT!
Der eigentliche Charakter von Prey erwächst tatsächlich, ganz klassisch, aus den inneren Werten.
Allem voran hat dieses massive, komplexe Spiel beeindruckenderweise ein überaus rundes Konzept! Der Überlebenskampf gegen die Typhon auf einer scheiternden Raumstation, mit ihrer ganz eigenen Geschichte und Funktion, vor dem Hintergrund menschlicher Konflikte und Beziehungen ... Und in der Mitte unsere Hauptfigur, deren Rolle nie ganz klar ist, offen, was sich natürlich perfekt in dieses Genre einpasst. All das PASST! Das Gameplay kann vielleicht nicht ganz mit polierteren Spielen mithalten, und natürlich gibt es endloses Potenzial für Bugs, wie immer im Genre; aber dafür macht Prey auch gleich fünfmal so viele Dinge wie andere Spiele, und alles davon funktioniert irgendwie.
Der erst heimliche und später sehr offensichtliche Höhepunkt ist allerdings das Setting: Talos I fühlt sich real an, durchdacht, erschaffen von fucking Space Nerds. Gigantisch, lebendig, voll mit Geschichte, und natürlich wirklich, WIRKLICH angsteinflößend, wenn man schließlich mit dem Raumanzug von Schleuse zu Schleuse gleitet, mit der Dunkelheit des Weltalls im Rücken. Die Menschheit hier ist kreativ und zäh, aber sie ist auch fehlerhaft, gierig und hoffnungslos überfordert, ein Blip in der Weite des Universums ... menschlich eben, und selten habe ich das so deutlich gespürt. Nicht zuletzt übrigens im Finale des Spiels, denn ... meine Fresse! 8D
Und das Ende hat mir ebenfalls ganz gut gefallen.
Auch im Subtilen reißt Prey eine Menge raus: Es gibt viel zu lesen, und gerade an den wichtigen Stellen merkt man die geübte Autorenstimme von Chris Avellone & Co. Unserer Bruder Alex beispielsweise ist eine beeindruckende, vielschichtige Figur, aber eigentlich kriegen selbst die Toten einen Charakter, in ihren Briefen und Aufnahmen, und sogar in der Position ihrer Leichen. Überhaupt gibt es viele sympathische Details, im Charaktersystem (ein Skill erhöht das mögliche Lebensalter!
), im Inventar und in den Waffen, in den teilweise überraschend coolen Rätseln und Geheimnissen, und letztlich, abermals, in der Bereitschaft, den Spieler auch mal sein Ding machen zu lassen. Es fühlt sich wirklich offen an, frei, trifft also EXAKT den Reiz des Genres!
Noch mehr als in anderen Spielen macht man sich hier sein eigenes Prey.
Problem #2
Immersive Sims haben schon immer mit Balance und Schwierigkeit zu kämpfen ... Was auch irgendwo Sinn macht, denn wenn man eine Situation auf dreizehn grundlegend unterschiedliche Arten bewältigen kann (und die Entwickler nur an sechs davon gedacht haben!), gibt es nun mal nur SO viel Spielraum für Erwartungen an die Spielenden; vor allem, weil das alles traditionsgemäß ja auch noch mit einem Skill-System interagiert, weil man Soft Locks und allzu harte Bugs dann doch hin und wieder vermeiden möchte ... und so weiter. Und tendenziell ist das auch okay! Ich würde sogar sagen, das Ungleichgewicht ist oftmals ein wichtiger Reiz des Genres, denn wenn es zu punktgenau, zu balanciert wird, spielen die Entscheidungen auch keine Rolle mehr, die Sim verliert an Realitätsgefühl.
Prey allerdings versucht es, und ich würde sagen, ihm gelingt die Balance über weite Strecken ganz ordentlich! Natürlich gibt es Exploits, das ist essenziell wichtig in diesem Genre, aber in den ersten ~15 von 30 Stunden habe ich in manchen Situationen echt geschwitzt und überlegt, wie ich herangehen sollte. Das Problem ist, dass diese Kurve irgendwann eine Klippe herunterstürzt. Und ironischerweise kann ich auch ziemlich genau den Finger auf das Problem legen: Die Neuromods, mit denen man neue Skills erlernt, können hergestellt werden, und ihr Preis ist zu niedrig. Vielleicht müsste dieser Preis zusammen mit dem Schwierigkeitsgrad deutlich ansteigen, oder einfach exponentiell mit jeder hergestellten Neuromod. Denn ehrlich gesagt: In der ersten Hälfte war ich vorsichtig mit meinen Ressourcen, meiner Munition, später war ich völlig überladen. Und das sorgt natürlich dafür, dass ich meine überschüssigen Ressourcen in Level Ups stopfen kann und irgendwann überhaupt keine relevanten Entscheidungen mehr treffen muss, weil ich einfach alles kann.
Und das ist halt ärgerlich, weil Prey a) es schon versucht und b) es wirklich größtenteils hinkriegt! Da müssten sich nur ein paar Details, ein paar Zahlen ändern, und auch die höchsten Schwierigkeitsgrade wären spannender als einfach nur "Ups, instant death!" in den Kämpfen ... Ärgerlich.
Fazit
Aber, um das eindeutig klarzumachen: Die Kritikpunkte ärgern mich nur so sehr, WEIL das Spiel so gut, so überaus beeindruckend ist! Wie gesagt, es perfektioniert ein traditionell schwieriges Genre regelrecht, und entwickelt dabei eine Menge an Charakter, mit der nur ganz wenige Spiele mithalten können. VOLLSTE Empfehlung, gerade auch dann, wenn es einen von außen erstmal nicht anspricht.
Den Roguelike-DLC Mooncrash habe ich übrigens auch gespielt, aber der war nicht meins. Gut gemacht, aber das Zeitlimit ist imho genau die falsche Art und Weise, um hier die Schwierigkeit zu erhöhen. Der Reiz des Genres liegt im Methodischen, Überlegten, nicht im Herumhetzen.
Ein klassisches Rollenspiel, reduziert auf den Zauber des alten Genres: Wortgewaltige Sprache. Fordernde Kämpfe. Drei, die einen Drachen töten – und was sie dazu führen mag ...
Jetzt für 2€ auf Steam, werft mal einen Blick drauf! =D
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