Ja, die Erwartungen dürften bei dem Spiel ne Menge ausmachen. Ich spiele das Franchise schon FÜR die Superhelden, wo töten oder nicht ja praktisch DER cookie-cutter "Konflikt" schlechthin ist (aber s.u.). Und wenn man mit einem üblichen Story-Modus á la 10 Arcade-Kämpfe plus Standbild rechnet bzw. das Ganze daran misst, kann der pure Aufwand der Inszenierung natürlich ordentlich reinhauen! Das hatte ich bspw. eher bei Teil 1, wo es noch ungewöhnlicher war.


Civil War erklärt ziemlich gut, was in Injustice 2 das Problem ist:

1. "Sollte es die Todesstrafe geben?" ist praktisch ein typisches Erörterungs-Thema für die 9te Klasse: nicht ohne seine Komplexitäten und mit vielen schönen Argumenten, aber letztlich überschaubar. Und obwohl das "Abtöten" von Dingen, die man als zu gefährlich wahrnimmt, als absolute Power-Fantasie jenseits der üblichen Moral natürlich sehr schön in die Cowboy-Frontier-Mentalität des Genres greift, geht es hier letztlich nur um Abstufungen; DASS Superhelden extreme Gewalt anwenden dürfen, steht außer Frage, und wenn wir ehrlich sind, ist der gesamte Töten-Konflikt mehr so eine Nebelkerze für diesen Umstand. Batman darf dich immer noch mit seinem Panzer kielholen und dann mit Raketen auf dich schießen. Praktisch geht es um ein spezifisches Detail der persönlichen Moral, denn Superhelden funktionieren mit oder ohne Töten (wie man ja auch an ihrer Varianz und ihrer Geschichte sieht). In Civil War dagegen geht es darum, ob Superhelden das Gewaltmonopol brechen dürfen oder ein Teil des Staatsapparates sein müssen -- was nicht nur eine realweltlich sehr viel verwinkeltere Frage mit mehreren Dimensionen ist, sie stellt auch den tatsächlichen Kern des Genres infrage! Denn Superhelden sind fast schon per Definition "Vigilantes", und genau das ist auch der Reiz daran: Gesetz und Gerechtigkeit in die eigene Hand zu nehmen, unabhängig von den Komplexitäten der Gesellschaft. Töten ist davon nur der extremste Teil.

2. Civil War verbindet seine Charaktere außerdem besser mit dem Hauptkonflikt. Bei den Nebenfiguren ist das zwar auch da eher so "lala", aber immerhin kriegen wir von den meisten einen iiirgendwo glaubwürdigen Grund, der im Zusammenhang mit dem Gesamtthema steht: Black Widow kommt aus einem totalitären System, Ant-Man ist ein Krimineller, der praktisch vom System ausgenutzt wird, und Spider-Man ein fucking Superhelden-Fanboy, der all diese Komplexitäten überhaupt nicht versteht. (Der Tiefpunkt von Injustice 2 dagegen ist vielleicht, dass die elementare Naturgewalt Swamp Thing erst irgendwelche Drogen-Thugs in ihrem Sumpf köcheln lässt und sich dann durch ein "Hey, wir beschützen deinen Sumpf besser!" vom Gegenteil überzeugen lässt. Schlimmer ist aber, dass ein HAUFEN Charaktere überhaupt keine Internalität bekommen.)
Wirklich entscheidend ist der Unterschied dann bei den beiden Hauptfiguren als "Konfliktträgern", denn die sind in Civil War TIEF mit der Prämisse verbunden: Captain America ist nun mal das "alte" Amerika in seiner bestmöglichen Version, die Romantik der Frontier. Tony Stark dagegen ist der industriell-militärische Komplex, in dem Staat und private Macht zusammenkommen. Beides ist zutiefst amerikanisch, beides ein wenig naiv und einseitig, aber auch zweifelsohne reizvoll. Baron Zemo spielt sie so erfolgreich gegeneinander aus, WEIL es einen inhärenten Konflikt in der DNA der Superhelden-Idee gibt, und WEIL er ein Opfer dieser Idee geworden ist.
In Injustice 2 wiederum ... hat der Joker Lois Lane getötet. Superman ist entweder durchgedreht, handelt aus bloßem Trauma oder war schon immer ein kleiner Autoritärer, der nur einen "letzten Push" gebraucht hat. Was zumindest in meinen Augen nicht wahnsinnig glaubwürdig, aber allem voran auch nicht wahnsinnig spannend für einen ideologischen Konflikt ist. Zumal sich Batman halt auch WIRKLICH nicht als der Poster Boy für kompromisslose Moral eignet, den das Spiel gerne hätte. Und Brainiac? Der ist einfach nur der große Feind, für den man sich verbünden muss. Seine Verbindung zum Hauptkonflikt müsste man sich herbeiinterpretieren, denn obwohl da Potenzial war, versucht es das Spiel nicht mal wirklich.

Es gab für mich tatsächlich genau einen Moment, der eine gewisse Emotionalität hatte, und das war das Gespräch zwischen Bats und Supes vor dem Endkampf -- Aber auch diese Emotionalität kam nicht aus dem ideologischen Konflikt im tatsächlichen Spiel, sondern ausschließlich aus einer zerstörten Freundschaft, die wir praktisch aus dem DC-Mythos mitbringen müssen; das Spiel zeigt sie nicht, und es erklärt auch nicht wirklich glaubwürdig, warum die Differenzen so unüberwindbar wären.
Das macht es übrigens auch so edgy: Redet doch mal miteinander, Leute! Und vor allem: Ich nehme es euch nicht ab! Der gesamte Konflikt und der "Umkehren" der Standpunkte, beides kommt hier offensichtlich von außerhalb. Die Leute wollten an erster Stelle ein Spiel mit einem faschistischen Superman und miteinander kämpfende Helden; deshalb haben sie sich eher erfolglos überlegt, wie sie es zusammenbringen. Und das SPÜRT man.
Das Gegeneinanderkämpfen ist also kein ideologischer Konflikt, sondern allem voran ein Gegeneinanderhauen von Action-Figuren. (Siehe auch Byders Kommentar! )


Letztlich beschreibst du den Reiz des Spiels aber auch selbst eher als Potenzial, und da bin ich durchaus bei dir! Deshalb fand ich Teil 1 auch besser; denn der stellt seinen Figuren hier und da wenigstens ein paar Fragen zum Konflikt. In Injustice 2 als tatsächlich existierendem Videospiel kann ich die Dinge, die du daran wertschätzt, persönlich nicht so wirklich erkennen. Die müsste ich alle aus meinem eigenen Kopf holen.