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Ritter
Nachdem die letzte Empfehlung so eingeschlagen hat, habe ich wieder ein empfohlenes Spiel gespielt. Wenn es auch in eine sehr andere Richtung geht. Und ich durchaus meine Vorbehalte hatte.
The House in Fata Morgana
Dass ich bei diesem Titel nur die reinste, feinste Gute-Laune-Bubblegum-Atmosphäre zu erwarten hatte, wird beim Booten des Spiels ja schnell klar, wenn dieser freudig-farbenfrohe Schriftzug begrüßt.

Natürlich hält das Logo nicht ganz, was es verspricht. Denn The House in Fata Morgana ist kein buntes Spiel. Vielmehr ist es ein Spiel der Schwarzen Romantik. Genauer genommen könnte man den Wikipedia-Eintrag zu Schwarzer Romantik einfach löschen und dieses Spiel stattdessen einsetzen und man würde nichts vermissen. Es geht um Tod, Blut, Schaurigschönes, das Nebulöse, Ungewisse, um Schicksalshaftes, Mystisches, um unsichtbare Mächte und um menschliche Abgründe.

Meine Vorbehalte haben all das noch nicht berücksichtigt. Denn ich wusste schlichtweg nicht, um was für ein Spiel sich handelt. Der Artstyle, den die Steam-Storepage zu vermuten ließ, sagte mir aber nicht sonderlich zu. Doch darin habe ich mich geirrt.
Denn The House in Fata Morgana ist durchaus reichlich faszinierend. Und das muss es auch sein, denn das ist die romantische Essenz. Für die Faszination, dafür, dass man wirklich in die Erzählung gesogen werden kann, sorgt – meiner Ansicht nach – maßgeblich die Präsentation. Die Musik sei hier gesondert herausgehoben. Diese wiederholt sich zwar ständig, besteht aus den immergleichen Stücken, doch hat wirklich oft eine melancholisch-ätherale Sprache. Einige der Stücke werden von inhaltlich schwer nachzuvollziehenden Gesängen begleitet, die die bittersüße Tragik noch mehr herauszukitzeln wissen und sich, gerade durch ihre Repetition, vom Gehörgang bis tief in den Körper schleichen und dort festsetzen wollen. Und auch der Artstyle ist dann eben doch gut. Nicht (immer) hübsch, aber eben faszinierend. Ob die mal gewöhnlicheren, mal grotesken Charakterporträts oder die Hintergründe, die in Ölgemälde-Optik nur verschwommen eine Szenerie präsentieren.

Wenn ich jetzt also sage, dass ich The House in Fata Morgana überhaupt nicht mag, dann ist das nicht der handwerklichen Umsetzung geschuldet. Wenigstens nicht der visuellen und/oder auditiven. Doch das Spiel ist zuforderst eine Visual Novel und besteht aus reichlich, reeeeichliich Text.
Das Spiel führt durch verschiedene historische Zeiten und die Sprache ist dem nicht immer ganz angemessen. Ohnehin fühlt sich das Spiel wie aus einem Guss an, was ich in diesem Fall nicht positiv meine. Unabhängig davon wer gerade intradiegetisch erzählt, klingen die Erzählungen immer gleich. Twists – und davon gibt es eine Menge – liegen immer in dem, was bewusst vorenthalten wird. Und das ist alles nicht mal mein eigentliches Problem. Denn obwohl das alles nicht gerade clever ist, kann es trotzdem als (schwarz-)romantisch gelten. Denn in diesem Genre können Narrativen, Zeiten und Informationen ja durchaus verschwimmen.
Doch unter all dem leidet am Ende auch das, worum es in dem Spiel doch vermeintlich gehen soll: die Menschen.
Die Schwarze Romantik hat die Grausamkeit des Menschen „wiederentdeckt“. Und mit wiederentdeckt ist – würde ich ganz frech behaupten – eigentlich „narrativ konstruiert“ gemeint. Das Menschenbild ist ein zutiefst grässliches, schlechtes. Und das gilt eben nicht nur für das Genre, sondern auch für dieses Spiel. Die Tragik läuft in sämtlichen Geschichten absurd aus dem Ruder, verkommt zu einer Körper- und Seelenfolter. Und auch wenn das Spiel es am Ende anders aussehen lassen möchte, ist die Hoffnung, Besserung, die Wiedergutmachung und das Schöne an der Menschlichkeit am Ende so viel weniger konkret, so viel abstrakter und hintergründiger als die Grausamkeit und Brutalität. Twists existieren maßgeblich ihrer selbst wegen und treten den Figuren dabei noch mal auf die zerschundenden Körper und Geister. Das Spiel begreift ihr Schicksal als unausweislich und kann auch hierauf letztlich nur eine Pseudo-Antwort finden. Spannende Gedanken ( bspw. davon wie Rassismus und Othering zu internalisiertem Selbsthass führen kann) gehen in weiteren und weiteren Twists unter, bis sie keinerlei Bedeutung mehr haben. Der Mensch ist dem Weltenlauf und auch den eigenen Emotionen schutzlos ausgeliefert.
Ob ich vielleicht zu hart mit dem Spiel ins Gericht gehe? Ich würde sagen: Nur höchstens ein Hundertstel so hart wie es mit seinen Figuren umgeht. The House in Fata Morgana will (angeblich) an den entlegendsten Orten und auch anhand der tugendlosesten Personen Würde finden (und Letzteres wäre eigentlich ein tolles Vorhaben), doch entwürdigt Figuren pausenlos, der Tragik und ihres Genusses wegen.
In den Kulturwissenschaften existiert die Annahme über die patriarchale Theorie der Separaten Sphären. Dahinter verbirgt sich keine sonderlich komplizierte Sache, sondern die altbekannte, historisch gewachsene Behauptung, Männer würden in die öffentliche, politische Sphäre gehören und Frauen in die familiäre, domestische. Zu Grunde liegen dieser Ideologie maßgeblich (oft religiöse) Vorannahmen über die „Natur“ von Männern und Frauen. Frauen seien reine Wesen, die von der Außenwelt lediglich verunreinigt werden könnten und durch ihre Reinheit auch dazu befähigt wären, die Erziehung der Kinder zu übernehmen, Und auch The House in Fata Morgana macht dieses Thema auf.

Oberflächlich soll es dabei aussehen als würde das Spiel die Umstände, in denen Frauen sich befinden (oder befunden haben) bekümmern und verurteilen. Und vielleicht tut es das auch, doch es versteht gleichzeitig nicht ganz, dass es zu eben dieser Stigmatisierung seinen Teil beiträgt. Frauen in diesem Spiel sind oft „divine“, „childlike“, ihre Stimmen und Präsenzen „soothing“. Sie werden zu subalternen Objekten, die auch narrativ eigentlich nie über ihre historischen Rollen herauswachsen können und deren Geschichten gerne von Männern geschrieben und verändert werden. Ihre Augen sind wie Edelsteine, ihr Äußeres allgemein im besten Fall puppenhaft oder wie ein Gemälde und der schlimmste Gedanke ist, dass sie hässlich sterben könnten. Es ist fast erstaunlich, denn – wie gesagt – lässt The House in Fata Morgana keine seiner Charaktere mit ihren Bedürfnissen unversehrt davon kommen, doch natürlich geht es noch mal ein ganzes Stück härter mit seinen Frauen um.
Dazu ließe sich sicher noch viel mehr schreiben und – Gott, könnte man dieses Ding in einer Close Analysis auseinandernehmen. Aber dafür ist das hier natürlich nicht der Rahmen und ja auch gar nicht mein Anliegen. Ich verstehe die Faszination an Schwarzer Romantik und auch an diesem Spiel. Aber ich kann nicht ignorieren, was es über die Welt und über Menschen sagt und habe mich davon auch konstant abgestoßen gefühlt.
Ich gebe The House in Fata Morgana 3,5 von 10 Augen, die verdammtnochmal keine Edelsteine sind.
*****
Aber ich habe auch noch ein Review im Gepäck
A Plague Tale: Requiem
Dieses Spiel habe ich im Verlauf des letzten halben Jahres als Let’s Play für Lynx gespielt. Ich beschäftige mich dementsprechend schon eine ganze Weile damit und so konnte in mir auch etwas heranreifen, was mit der Zeit klarer und klarer wurde.
Normalerweise geht es mir – wie mein Review zu The House in Fata Morgana ja zeigt – oft um Ideologiekritik. Ein Spiel kann handwerklich voll in Ordnung sein, Spaß machen und andere Checkboxen erfüllen und wird mich trotzdem verlieren oder verärgern, wenn es eine Weltsicht repräsentiert, die mich stört. Gottseidank ist das bei A Plague Tale: Requiem nicht der Fall. Aber… oops, es ist aus einem ganz bestimmten Grund nicht der Fall.
Denn der Nachfolger von A Plague Tale: Innocence, einem guten, aber auch durchwachsenen Spiel, könnte gar nicht an den Punkt kommen, an dem es irgendetwas über seine Ideologie zu sagen gibt. Vielleicht nur über die Meta-Ideologie: „Scheiß drauf! Wir machen GAR nichts. Die Story schreibt die KI und wir holen uns das Cash.“

A Plague Tale: Requiem ist wunderschön. Ich meine: Guckt doch mal, diese Landschaft. Wie hübsch! Ja, aber alles, was in Plague Tale irgendwie hübsch ist, ist einfach nur Kulisse und nie Spielwelt. Und das, für sich genommen, wäre nicht schlimm, doch die oberflächliche Schönheit der Umgebung steht gleichzeitig auch für den narrativen Verfall des Spiels. Es ist absurd, wie oft man durch blumige Landschaften und andere schöne Szenerien läuft, nur damit im Anschluss etwas ganz, ganz Grausiges passiert. Es ist wahrhaft unglaublich, wie oft das Spiel diesem berechenbaren Muster folgt, es besteht förmlich nur daraus!
Die Charaktere haben im Original für den ein oder anderen kleinen Höhepunkt gesorgt, waren nicht total überlegt geschrieben, aber hatten doch intime Momente miteinander, die wirklich gewirkt haben. Ihre Reise war eigentlich auch abgeschlossen – und das scheinen die Schreiber (also die KI) hinter dem Sequel exakt genau so zu sehen. Denn es gibt keine Erzählung zu ihnen. Was nicht heißt, dass sich nicht das ganze Spiel um sie dreht, aber es wird alles und damit nichts zu ihnen gesagt.
Amicia gerät aufgrund der psychischen Belastungen der vielen notwendig gewordenen Kämpfe in eine psychologische Ausnahmesituation, rastet aus und bringt in einem Anfall wahllos Soldaten um. Amicia tut alles für Hugo. Amicia tut nichts für Hugo. Amicia ist sein Anker, damit er nicht abdriftet. Amicia ist das größte Problem für ihn. Amicia ist ihm ein schlechtes Vorbild. Amicia will aufhören mit dem ganzen Mist. Amicia will niemals aufhören.
Die Erzählung rast durch diese und viele weitere, teils gegensätzliche Ansätze von Handlungssträngen, ohne sie jemals zu beenden. Dabei sind sie auch nicht gegensätzlich, weil gerade aus dieser Gegensätzlichkeit irgendwas gewonnen werden soll. Sie sind manchmal zufällig gegensätzlich, weil es einfach gerade mal so ist (und die KI es so geschrieben hat). Es ist alles so himmelschreiend dumm und beliebig, dass ich nicht mal die richtigen Worte dafür finde und mich schon darüber ärgern muss. Es hat keinerlei Identität. Es ist absolut sinnlos.

Im Übrigen ist das Spiel auch gar nicht so hübsch. Also ja, die kulissenhaften Landschaften sind es oft, doch die Charaktere und ihre Gesichter sehen hässlicher aus als im Vorgänger. Und nicht nur das – sie sehen auch… jedes Mal etwas anders aus. Teils jünger als sie im Original waren, obwohl die Erzählung eindeutig danach spielt, verschwinden dann einige Zeit aus der „Handlung“ und kehren leicht anders aussehend zurück. Gesichtsanimationen haben sie so einigermaßen, aber auch die sind uncanny und hässlich. Und zwar nicht auf die Art, wie sie uncanny und hässlich sein wollen.
Auch das Gameplay ist komplett egal. Weil es schon im ersten Teil eher genervt hat und nichts Neues damit gemacht wird. Statt nur ihrer Schlinge verfügt Amicia im Verlauf des Spiels auch über eine Armbrust, die Bolzen verschießt, mit denen menschliche Gegner zerhauen werden können. Doch die Munition ist stark begrenzt und da sie mit ihrer Schlinge keine Gegner töten kann, die Helme tragen, sehen die meisten dieser Kämpfe so aus, dass man durch das Areal läuft, an langsam laufenden Gegnern vorbei, bis man einen Bolzen findet, den man dann verschießt. Das wiederholt man so lange bis die Gegnerwelle vorüber ist. Oder man schleicht durch ein Gebiet. Hat aber nichts, um vorherzusehen, wo Gegner sein könnten, also wird man entdeckt, muss sich wieder verstecken und… ODER man rennt gleich durch und zur nächsten Tür, die niemand hinter einem öffnen kann. Es ist – erneut – absurd, wie egal auch das Gameplay in diesem Spiel ist. Also im besten Falle – im schlechtesten ist es frustrierend.
Ach, ich spare mir weitere Worte zur Pseudo-Bildgewalt bestimmter Szenen, die eigentlich nur hanebüchen sind und die Performance des Spiels gleichzeitig in die Knie zwingen. Und so viele andere Dinge, die ich sagen könnte, aber die aus meiner Feder gar nicht so richtig klar machen könnten, wie dumm sie sind. Wie das neue Gameplay-„Feature“, welches daraus besteht, dass eine Begleiterin einen kleinen Taschenspiegel dabei hat. Und wenn die Sonne (oder der Mond) darauf trifft und man Ratten in der Nähe hat, dann… lassen die einen in Ruhe. Weil das ist ja total die verlässliche Lichtquelle. Also bitte, KI. Du willst die Zukunft sein?
Ich bin eigentlich wirklich amüsiert, wie wenig A Plague Tale: Requiem ist. Wie absurd es sich verweigert, irgendwas zu sein. Spiel, Kunst, Erzählung – nichts. Es passiert einfach und dann ist es vorbei und man hat nichts mitgenommen. Wäre es kein Let’s Play gewesen, hätte ich es nicht beendet – und das heißt in meinem Fall durchaus Einiges. Aber wie gesagt – so war es reichlich amüsant, sich über das Ding lustig zu machen.
Weniger amüsant ist dabei, dass es aus irgendeinem Grund gute Scores auf den üblichen Seiten hält. Das sagt wirklich viel über die Medienkompetenz der Menschen aus. Denn ich schwöre, und würde das selten so klar sagen: A Plague Tale: Requiem hat das nicht verdient.
Ich gebe dafür 1 von 10 blumigen Wiesen, die gleich in Verderben getaucht werden.
Immerhin kriege ich für diese beiden Spiele Buchstaben geschenkt!
Geändert von MeTa (22.02.2025 um 20:26 Uhr)
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