Detroit: Become Human
Ach, David Cage, du alter Schlawiner.
Ich habe ja eine Schwäche für Fahrenheit: Indigo Prophecy. Also auch nach dem starken, stimmungsvollen Anfang, wenn es komplett albern und supernatürlich wird. Und auch Heavy Rain hat seine Spuren in meiner Gaming-Historie hinterlassen. Es hat aber auch Fehler und ist sicher nicht so gut gealtert. Hat mir aber Momente mitgegeben, an die ich mich immer erinnern werde. Momente, die kein anderes Spiel so heraufbeschworen hat. In oder nach denen ich pausieren und den Controller erst mal bei Seite legen musste, um durchzuatmen.
David Cage kann eine Sache richtig gut. Und das ist Inszenierung. Das zeigt auch der Beginn von Detroit: Become Human ganz wunderbar auf. Man spielt Connor, einen Android, der einen Fahrstuhl hinauffährt. Als sich die Türen öffnen, wird er Negotiator genannt. Er findet ein Familienporträt auf dem Nachtschrank. Die Mutter wird abgeführt und schreit. „Was? Ein Android soll in diesem Fall vermitteln? Meine arme Tochter!“ Mit wirklich krass inszenierten Szenen, aber auch minimalem Aufwand wird sämtliche notwendige Information an einen hinangetragen. Ich war nie so schnell gebannt und abgeholt wie hier, war direkt investiert und wollte es unbedingt richtig machen.
Und so geht es dann auch erst mal weiter. Man lernt die drei Protagonist:innen kennen. Allesamt Androiden. Allesamt mit sehr spannenden Aussichtslagen. Und ja, es gibt sie wieder. Diese Szenen, bei denen mir der Puls binnen Sekunden hoch geht, weil ich wirklich nicht will, dass etwas Schlimmes passiert. Die Androiden zeigen Zeichen von Menschlichkeit und ich begleite sie dabei – oder entscheide sogar, in welchem Raum und Rahmen sie das tun. Natürlich ist das kein neues Thema, aber wenn es mit Feingefühl und Empathie umgesetzt wird, ist es ein schönes.
Feingefühl ist nur leider nicht David Cages zweiter Vorname. Das Spiel ist teils wahnsinnig hübsch und, wie gesagt, durchaus in der Lage, emotionale Höhepunkte mit einer maßvollen Inszenierung zu setzen. Nur ist der „Writer & Director“ dieses Spiels auch absolut unfähig, seine Darlings zu killen. Er ist vernarrt in die ganz großen Bilder und hat einen zu großen Hang zu übertriebener Eskalation, die ab einem bestimmten Punkt doch wieder ihre Glaubwürdigkeit verlieren kann.
Das ein oder andere Logikloch lässt sich dabei verzeihen. Schwieriger zu verzeihen ist wiederum, dass manche Bilder einfach zu (gezwungen) „cool“ sind und vor Pathos und Kitsch triefen. David Cage liebt auch große Symbolik, vor allem christliche. Von einer Jesusfigur über biblische Namen von Personen, Orten und mehr. Nicht nur an Religion bedient er sich aber fleißig. In der Geschichte, die sich um die gesellschaftliche Freiwerdung von intelligenten Maschinen dreht, zieht Detroit: Become Human auch ein bisschen zu oft und ein bisschen zu deutlich historische Parallelen. Zum Civil Rights Movement und auch zur Shoah. Das ist oft eine Nummer drüber und mutet auch ein ganz klein wenig revisionistisch an.
Was mir auch etwas sauer aufstößt: Cage bleibt letztendlich doch etwas an der Oberfläche, was das Menschlichkeitsthema angeht. Die Bekenntnisse diesbezüglich funktionieren im Rahmen des Spiels (meist) irgendwie, sind aber auch mehr Wirkung als Substanz. Und so ganz viele Gedanken macht er sich dann eben leider nicht.
Ein Beispiel ist, wie so oft, das Thema Geschlecht und damit verwandte Topiken. Androids werden in Detroit in aller Regel männlich oder weiblich konstruiert und gelesen. Männlich gelesene Androids sind tendenziell eher in archetypischen Männerdomänen zu finden, weiblich gelesene kümmern sich mehr um Kinder, sind Haushaltshilfen oder arbeiten in Stripclubs. So weit, so verständlich – aber auch das Writing selbst kann sich von einem gegenderten Verständnis von diesen Androiden nicht lösen. Die "weibliche" Android-Protagonistin entdeckt im Laufe des Spiels ihre Muttergefühle, die Männer sind aktiv in der politischen Welt und werden zu Schlüsselfiguren des Widerstands. In einer Nebenstory wollen zwei weiblich gelesene Androids, weil sie sich lieben, gemeinsam abhauen. Das Spiel versteht sie (das wird zwar nicht explizit so gesagt, aber schwingt eindeutig genug mit) als lesbisch. Weil die weibliche Bauweise dann doch ihr Geschlecht bestimmt? Das ist absurd, weil die ganze Story sich ja eben darum dreht, dass die Androids sich ihrer ursprünglichen Programmierung in werweißwievielen Wegen widersetzen. Aber nein, biologisches Geschlecht ist natürlich trotzdem in Stein gemeißelt. Ugh!
Einige weitere Probleme dieser Art gibt es also doch immer wieder. Als spielbarer Film funktioniert Detroit: Become Human darüber hinaus aber gut. Weil sich die verzweigenden Storypfade, die jeweils auf Basis der getroffenen Entscheidungen beschritten werden, tatsächlich so anfühlen als wären sie unterschiedlich. Und vor allem: Als wären sie konsequent. Dabei aber auch immer fair. Man wird selten hart für kleine „Fehl“entscheidungen bestraft und meist ist es (anders als bspw. bei Spielen der Dark Picture Anthology) recht offensichtlich, welcher Weg wohin führen könnte. Das bringt aber auch ein kleines Dilemma mit sich, das gerade vor dem Hintergrund des Themas ironisch ist. Denn wenn ich Detroit: Become Human spiele, fühle ich mich meist nicht, als würde ich als eine komplexe, emotionale Figur handeln. Trotz Zeitlimits und Stressfaktor versuche ich eigentlich immer, die Entscheidung zu treffen, die auf Basis einer bestimmten Handlungsmaxime für das bestmögliche Ergebnis sorgt. Ich werde, beim Spielen von Androids, also beinahe selbst zum Android, weil ich mit Wahrscheinlichkeiten rechne, statt aus einem Charakter heraus zu agieren.
Am Ende des Spiels, wenn die Credits rollen, bleibt leider Enttäuschung zurück. Enttäuschung, weil David Cage zeigt, dass er etwas schaffen könnte, was mich emotional tief rührt und was sich geschmackvoll entwickelt. Weil er genau das zu Beginn ja auch tut und mich so Emotionen für seine Charaktere fühlen lässt. Das Problem ist für mich (neben den ideologischen Missständen, die ich angesprochen habe) also eher die kreative Entscheidung des Directors, sein Spiel zu einem atemberaubenden Actionblockbuster werden zu lassen, der all die Fallstricke von actiongeladenen Blockbustern mit sich bringt.
Nach gut 2-3 Stunden hätte das Spiel für mich eine 10 von 10 werden können. Aber so lande ich dann doch bei guten, aber ernüchternden 7 von 10 Buddy-Cop-Tropes mit Androiden.
D!