Seedsow Lullaby

Bei Seedsow Lullaby handelt es sich um eine Visual Novel, auf die ich durch Sylverthas‘ Review aufmerksam geworden bin und in die ich mich dabei direkt verliebt habe. Die Eindrücke, die ich beim Lesen (oder aus Spoilergründen, besser: Überfliegen) gewonnen habe, stimmen auch. Wenigstens zum Teil.

Das Spiel ist erst mal wirklich schön und teils auch sehr aufwändig. Es gibt unheimlich viele CGs für die teils kreativen, fantastischen Handlungsorte und -charaktere. Ich kann dem Stil viel abgewinnen, der darüber hinaus auch durch eine Menge Animationen bereichert wird. Auch das Voice Acting fand ich besser als in üblichen J-VN. Die Musik hat mich dann aber nicht so ganz abgeholt und klang oft wie sie in vielen Spielen klingt, beinahe als könnte sie auch aus irgendwelchen Free Music Libraries sein.

Auch Letzteres tut der Emotionalität, die das Spiel gerne und oft entwickelt, aber keinen Abbruch. Schon in den ersten 10 Leseminuten habe ich heftig geheult und fand sofort auch das Fingerspitzengefühl toll, mit dem das Spiel erzählt, was es erzählt. Dazu kommt es im Verlauf dann auch noch öfter, auch wenn es leider wirklich nicht immer bei diesem Fingerspitzengefühl zeigt. Oft ist es auch eher der emotionale Holzhammer, der ausgepackt wird. Und so mäandern die Aussagen und dramatischen Höhepunkte des Spiels auch zwischen interessanten Gedanken zum Themenkomplex Familie und doch auch öfter konventionellem Kitsch.



Seedsow Lullaby fängt dabei bodenständig an, entwickelt sich aber auch bald zu einer fantastischen, ghibliesken Abenteuergeschichte. Diese ist reichlich metaphorisch, fast alles in der Welt der Götter spiegelt in irgendeiner Art und Weise einen Umstand, mit dem die drei zentralen Figuren, die ein Trio aus Großmutter, Mutter und Tochter sind, irgendetwas anfangen können. Auch das gelingt mal besser – beispielsweise wenn anhand der Faceless erzählt wird, dass Familie eigentlich vor allem performativ ist -, aber auch mal schlechter. Letzteres liegt meiner Einschätzung nach vor allem daran, dass das Spiel auf einen großen Twist im dritten Drittel hinarbeitet, der viele Dinge ein wenig untergräbt und mich mehr genervt hat als alles andere. Auch der wird genutzt, um dann wieder ein anderes Ding über Mutterschaft zu erzählen. Zum einen finde ich das Ding aber gar nicht mal so toll und zum anderen zerstört er nebenbei mehr als dass das einbringt.

Und oft zieht sich das Spiel auch sehr. Gerade in Momenten der Verzweiflung werden Dinge zwanzig mal wiederholt, um nach Hause zu hämmern, wie aussichtslos denn etwas ist, nur um dann doch ein „Aber!“ anzuschließen. Die Halbwertszeit von diesem erzählerischen Mittel ist einfach recht kurz und spätestens nach dem dritten Mal, wo das passiert, habe ich verstanden. Aber es geht genau so weiter.

Ich habe also sehr gemischte Gefühle, was Seedsow Lullaby betrifft. Weil die Präsentation oft echt schön ist, aber auch viel Tell statt Show drinsteckt. Weil manche der Botschaften und Repräsentationen schön und wichtig sind, andere aber wieder auf den gleichen konventionell-konservativen Pfaden laufen, über die man gerade beim Familienthema wirklich genug hört. Denn ich finde schon, dass sich das Spiel oft genug zu Anliegen positioniert und ein Normativ (re-)produziert.

Bevor ich also zum Abschluss komme, noch ein paar random Gedanken zu eben diesen Dingen:


Es ist also echt nicht leicht, eine abschließende Meinung zu Seedsow Lullaby zu formulieren. Will ich auf jeden Fall nicht gemisst haben, aber ist am Ende doch unter den Erwartungen geblieben, die das frühe Spiel noch mitkreiert hat. Ich vergebe 7 von 10 zeitreisende Mütter.