Baldurs Gate 3

Es gab seit Witcher 3 vermutlich kein Spiel mehr, dass mit derart überragenden Kritiken förmlich erschlagen wurde. Für fast alle das Spiel das Jahres, für nicht wenige das Spiel des Jahrzehnt. Ich bin ein großer Fan der Baldurs Gate Reihe. Der zweite Teil gehört zu meinem all-time favorits. Ich habe mir immer einen dritten Teil gewünscht und mit Pathfinder habe ich meinen legitimen Nachfolger im Grund schon vor einigen Jahren erhalten. Und nun habe ich auch den echten dritten Teil der Serie hinter mir. Was ich jedoch schon sehr früh feststellen musste: Es ist viel weniger Baldurs Gate als ich es erwartet hatte. Eigentlich hat es mit den ursprünglichen Spielen abgesehen von den Namen und natürlich einigen Charakteren nur wenig gemeinsam. Divinity Original Sin 3 wäre der deutlich passendere Name gewesen, einfach weil es spielerisch genau das ist. Und das ist irgendwie ein wenig schade, weil ich allein dadurch das Spiel irgendwie deutlich weniger gefühlt habe als erwartet und gehofft. Es ist ein geniales Spiel, gar keine Frage; spielerisch und erzählerisch top. Aber es fühlt sich für mich nicht an wie ein Baldurs Gate.
Bei den Divinity Spielen hatte ich immer das Problem, dass das Kampfsystem ab einem bestimmten Punkt quasi immer Nach Schema F abläuft. Sobald man alle Fähigkeiten hat, nutzt man auch immer nur die selbigen. Daher habe ich Teil 2 damals auch nie beendet. Das ist bei Baldurs Gate 3 nicht so ganz so schlimm, aber auch hier ist es so, dass sich die Kämpfe manchmal einfach extrem in die Länge ziehen. Ich habe die Mod genutzt, um mehr Charaktere im Team haben zu können; dadurch waren die Kämpfe zum einen etwas leichter und zum anderen nicht ganz so langwierig. Ich glaube nicht, dass ich mit den nur 4 vorgesehen Charakteren ähnlich viel Freunde an den Kämpfen gehabt hätte. Insbesondere im Late Game stelle ich mir das wahnsinnig anstrengend und auch frustrierend vor. Dafür hat die Erweiterung der Charaktere eine andere Schwäche des Spiels verstärkt. Die KI der eigenen Mitstreiter. Ich hätte mir aus Frust manchmal am liebsten in die Hand gebissen, nachdem einige Charaktere komplett willkürlich in bereits entdeckte Fallen oder in irgendwelche Angriffszauber aus dem beendeten Kampf gerannt sind (Dolchwolke lässt grüßen). Eine Pausenfunktion wäre hier wahrlich hilfreich gewesen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Kameraführung in Gebäuden. Ich bin zwar sehr froh, dass ich das Spiel am PC mit Maus und Tastatur gespielt habe, aber sobald es in irgendwelche Gebäude ging und ich wieder mal die Tür geschlossen, statt den Raum zu betreten, hab ich mir ein Gamepad gewünscht.
Das sind aber letztlich die einzigen Kritikpunkte an einem ansonsten insgesamt genialen Spiel. Es ist nicht das "Meisterwerk", dass ich nach all den Kritiken erwartet habe und es fühlt sich auch nicht wie ein Baldurs Gate der alten Tage es, aber es ist dennoch ein wahnsinnig tolles Abenteuer mit starken Charakteren, einer klasse inszenierten und bis zum Schluss spannenden Story und vor allem sehr viel Entscheidungsfreiheit. Gefühlt jede Entscheidung hat Einfluss auf die Handlung, die Welt und die späteren Sidequests. Da ist schon überragend. Auch den Kampf gegen den Teufel mit epischer musikalischer Untermalung muss ich al mein persönliches Highlight kurz hervorheben. Mit Sicherheit jetzt schon ein großer Anwärter auf mein Spiel des Jahres. Bei der Wertung schwanke ich zwischen 8,5 und 8,75, entscheide mich aber erstmal für 8,5/10. Vielleicht korrigiere ich das mit ein wenig Abstand aber nochmal nach oben.