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  1. #16
    Clair Obscur: Expedition 33



    Clair Obscur war ein Titel, um den seit seiner Enthüllung ein gewisser Hype herrschte. Ich war wie immer skeptisch, wenn es um bombastisch inszenierte Titel kleiner Studios geht (vgl. Lost Soul Aside). Die Rezeption war zum Release dann aber so überwältigend positiv, dass ich es mir – zum fairen Preis von 45€ – dann auch direkt zu Erscheinungstag gekauft habe, obwohl ich eigentlich keine Zeit für ein RPG hatte.

    Diesem Umstand ist auch geschuldet, dass es mit einer sehr langen Pause mittendrin gespielt habe, die das Spiel gar nicht verdient hat. Als ich es nach dem Ende des ersten Akts (ca. 10h Spielzeit) dann wieder aufgenommen habe, habe ich es auch sehr schnell durchgezogen.

    Clair Obscur hat eine wirklich ganz eigene Identität. Die Prämisse, der Artstyle, die Atmosphäre, die Musik und das World Building ergeben ein Gesamtbild, das unverkennbar Clair Obscur ist, und das allein weiß ich schon sehr zu schätzen.

    Schon in der ersten Spielstunde hat es mir den emotionalsten Moment beschert, den ich seit Längerem in einem RPG erlebt habe. Durch das ganze Spiel zieht sich eine poetische Schwermut und Tragik, die ich sehr einnehmende fand. Zugleich mischt es sich aber auch mit fantastischen und leichtherzigen Momenten und nimmt sich nicht durchgehend ernst, was ich ja gerade an AAA-Spielen oft kritisiere. Ich war also von Anfang an ziemlich gehooked.



    Das Kampfsystem finde ich unterm Strich sehr gelungen, in erster Linie aber als rundenbasiertes Kampfsystem mit komplexem Micromanagement über Skills und Ausrüstung. Die Quicktime-Elemente sorgen zwar für eine fordernde Lernkurve. Bei den Angriffen sind sie aber zu simpel, beim Abwehren und Ausweichen hingegen fand ich das Timing bei sehr vielen Gegnern dann doch nicht besonders intuitiv. Man wird zwar durch wiederholte Versuche besser, aber so richtig befriedigend fand ich das nicht.

    Alle Charaktere haben ihre eigenen Mechaniken und ich muss zugeben, dass mir diese oft zu komplex waren. Die Lernkurve ist bei den zahllosen Begriffen, Synergien und Icons gewaltig. Im Endeffekt habe ich mich langsam vorangetastet und diese Systeme gar nicht so sehr ausgelotet.

    Stattdessen habe ich mich mehr auf die Ausrüstung und Pictos konzentriert. Pictos sind quasi passive Effekte, die wie in Final Fantasy IX funktionieren: Sie sind an Ausrüstung gekoppelt, aber können permanent gelernt werden, wenn man genügend Kämpfe bestreitet, was dann aber AP kostet, die sich wiederum beim Level Up bzw. durch Items erhöhen.

    Von diesem Pictos gibt es unzählige und viele haben sehr mächtige Effekte, die man wunderbar miteinander kombinieren kann, z.B.:

    • 50% increased Base Attack damage.
    • Base Attack has 1 extra hit.
    • After a Free Aim hit, Base Attack damage is increased by 50% for 1 turn.
    • First hit dealt and taken deals 50% more damage.
    • 50% increased damage on the first hit. Once per battle.


    Lange war mein Setup so ähnlich, dass ich Gustave darauf optimiert habe, mit normalen Angriffen maximalen Schaden anzurichten, während die anderen Charaktere eher Supporter waren. Das hat auch relativ lange gut funktioniert, gegen die späteren Bosse hat es dann aber nicht mehr allein gereicht.

    Es ist wirklich sehr viel mit diesem System möglich und es ist sehr befriedigend, die Ergebnisse dieser Tüfteleien dann im Kampf zu sehen und normale Kämpfe zu minmaxen.



    Die Erkundung im Spiel ist ein zweischneidiges Schwert. Schätze sind in der Regel nützlich, aber die Gebiete doch insgesamt zu groß dafür, dass sie relativ wenige Gegner und Interaktion bieten. Besonders an Orten, die auch visuell sehr gleichartig sind, fällt das auf.

    Obwohl Clair Obscur einen schönen und eigenen Artstyle und fantasievolle Locations hat, leiden einige Orte doch an dem recht düsteren und SFX-lastigen Stil, bei dem alles ein bisschen ineinander übergeht. Das ist aber Meckern auf hohem Niveau.

    Sehr erfreut war ich über die Weltkarte mit fixer Kamera, die neben zahlreichen optionalen Locations auch normale Gegner, optionale Bosse, Schätze und diverse Formen des Traversal (Laufen, Schwimmen, Fliegen) bietet und eine schöne Hommage an klassische JRPGs ist, die ich in so einem Spiel nicht erwartet hätte.



    Die Dialoge sind ausgesprochen gut geschrieben: sprachlich schön und nuanciert, mal mit Witz, mal mit Poesie, und ebenso gut vertont. Auch das Schauspiel und Motion Capturing ist wirklich 1A, da braucht sich Clair Obscur nicht hinter AAA-Spielen verstecken. Hut ab dafür!

    Zugleich merkt man dem Spiel die französischen Wurzeln auch eindeutig an. Das beginnt beim Belle-Époque-inspirierten Setting und erstreckt sich bis zu den Charakternamen. Es gibt sogar ein bisschen augenzwinkernde Selbstpersiflage bei einem optionalen Outfit:



    Generell bin ich Fan der Welt, die das Spiel aufbaut. Besonders hervorzuheben sind die Gestral, die eine Mischung aus grotesk und niedlich sind und etwas Märchenhaftes haben. Mit ihnen gibt es viele lustige, aber auch bittersüße Momente.

    Die Musik ist natürlich auch sehr stark. Hohe Production Values, viel Gesang, sehr viel Variationen (z.B. eigenes Battle Theme für jedes Gebiet) und alles fühlt sich sehr wie aus einem Guss an. Manchmal vielleicht etwa zu sehr, gerade weil es immer die gleiche Singstimme ist, die u.a. bei allen Character Themes zum Einsatz kommt. Aber auch das ist Meckern auf hohem Niveau, der OST ist insgesamt nämlich wirklich richtig gut.



    Die Story fand ich am Anfang und am Ende am stärksten, doch auch dazwischen gibt es zahlreiche tolle Momente.

    Zudem hat das Spiel es auch geschafft, einen Trope, den ich so gar nicht mag (Achtung, Endgame-Spoiler! „Es war alles nur ein Traum/eine Fantasie“), so zu nutzen, dass er mir gefallen hat. Wobei ich zumindest kritisieren muss, dass man sehr lange Antagonisten (und Protagonisten) hinterherläuft, die offenbar alles wissen, aber nur bedeutungsschwanger kryptische Andeutungen machen, sodass das zentrale Mysterium des Spiels etwas künstlich gestreckt wird.

    Extrem mutig finde ich, dass das Spiel sich getraut hat, (FETTER SPOILER) den Protagonisten im ersten Akt permanent sterben zu lassen) – dazu auch noch sehr wirkungsvoll inszeniert mit entsprechendem Nachspiel.

    Von den Charakteren sind mir vor allem Gustave und Maelle ans Herz gewachsen. Auch Verso mochte ich am Ende ziemlich gern. Lune fand ich sympathisch, Sciel war mir recht gleichgültig, und Monoco war cool, insbesondere auch durch seine Vorgeschichte mit Verso. Insgesamt ein starker Cast mit einigen ebenfalls sehr coolen Nebenfiguren wie Esquie.



    Trotz allem hatte ich zwischendurch öfter das Gefühl, dass das Spiel es eigentlich verdient hätte, dass ich es noch lieber mag. Es hat mich durchaus auch emotional mitgerissen, aber – vielleicht auch wegen meiner langen Pause – nicht immer ganz so sehr, wie ich es mir nach dem sehr intensiven Anfang erhofft hatte.

    Zum Ende: Es gibt zwei Ausgänge und beide enden mit einem bitteren Beigeschmack, was ich passend finde. Ich habe mich dafür entschieden, dass Maelle in ihrer Fantasiewelt bleibt, weil ich das einfach konsequenter fand. Auch wenn ihr Glück dort von begrenzter Dauer ist, erschien es mir das Richtige.

    tl;dr: Clair Obscur wird seinem Hype durchaus gerecht. Es ist wunderbar geschrieben, bietet ein durchdachtes Kampfsystem, hervorragendes Schauspiel, eine tragisch-melancholische Grundstimmung, zahlreiche emotionale Highlights und eine ganz eigene Welt. Unbedingt spielen!

    Ich hoffe, dass die Wellen, die das Spiel geschlagen hat, die großen Publisher davon überzeugt, dass rundenbasierte RPGs auch im AA(A)-Bereich durchaus einschlagen können.


    Spielzeit: 30:00h
    Wertung: 8,5/10

    Challenge-Achievements:
    Spiele 12 RPGs (13/12)
    Spiele 8 Neuerscheinungen (8/8)
    Geändert von Narcissu (04.09.2025 um 18:36 Uhr)

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