Lunar: The Silver Star (Remaster)
Die Lunar-Spiele waren noch eine der großen Bildungslücken von mir. Als das Remaster angekündigt wurde, war ich sehr froh, da es mir die Arbeit abnahm, zwischen einer der Versionen zu wählen und auf dem Emulator spielen zu müssen.
Ich war mir schon vorher sicher, dass ich die Spiele mögen würde, da sie ja in gewisser Weise die spirituellen Vorgänger von Grandia sind und ich diese Abenteuer-RPGs mit einer (zunächst) lockeren Grundstimmung ohnehin sehr gerne mag.
Ein solches Abenteuerfeeling hat auch schon von Anfang an eingesetzt, weshalb ich gleich entzückt war. Die Geschichte ist zwar urklassisch (Prämisse: "MC will ein Held werden"), aber setzt sehr stark auf lebhafte Interaktionen zwischen den Figuren, einen farbenfrohen Cast und ein detailverliebtes Worldbuilding. So gibt es nicht nur NPC-Monologe, sondern auch Dialoge. Im Grunde das, was ich auch an Grandia und Trails in the Sky so mag. 1992 war das in dem Ausmaß ziemlich selten, man kann Lunar also sicher als Vorreiter der charaktergetriebenen RPGs bezeichnen.
Die Figuren sind größtenteils Stereotypen. Alex als Hauptcharakter ist ein Stück Brot und ein Großteil seiner Dialoge wird von seinem frechen Drachenbegleiter Nall übernommen. Tatsächlich spricht er auch in der Hauptstory nur sehr selten. Begleitet wird er von Luna, die gerne und viel singt und garantiert keine Verbindungen zur Schöpfungsgöttin Althena hat, und von Ramus, einem pummeligen, aber relativ feigen und schwachen Jungen. Später kommen noch ein überheblicher Magieschüler, eine schüchterne Magierin, eine Tomboy-Priesterin und ein Weiberheld-Bandit dazu.
Die Figuren wachsen selten über ihre Stereotypen hinaus und machen auch nicht furchtbar viel Entwicklung durch. Stattdessen lebt das Spiel von einem sehr lebendigen Miteinander. Interaktionen zwischen allen Figuren gibt es reichlich, und es kommt schnell ein starkes Gruppengefühl auf.
Wie später auch in Grandia (und Trails in the Sky) wird die Gruppe zudem oft durchgemischt. Figuren verlassen die Party, neue stoßen hinzu oder die Gruppe teilt sich auf. Das sorgt für abwechslungsreiche Dynamiken und das mag ich in all diesen Spielen sehr gern. Phasenweise hat man sogar deutlich mächtigere Nebenfiguren auf Level 99 in der Party.
Die Pixel-Optik ist damals wie heute sehr hübsch, auch die Sprites und vor allem die Drachen. Das Remaster ändert nicht viel an ihr. Es gibt auch ein paar handgezeichnete Hintergründe, die nicht so gut skalieren, aber eben nur eine Handvoll davon. Und den standardmäßig aktivierten Pseudo-Depth-of-Field-Filter à la Octopath Traveler, der einen Blur-Effekt auf die Bildschirmränder haut, habe ich direkt ausgeschaltet, wer will so etwas bitte? >_> Unterm Strich aber ein gelungenes Remaster.
Auch musikalisch weiß es zu gefallen, wenn auch Noriyuki Iwadare hier imo noch nicht die Höhen seiner Grandia-Zeiten erreicht.
Das Setting ist klassische 90er-Jahre-Anime-Fantasy, gemischt mit ein paar ethnischen Elementen. Diese ethnischen Elemente findet man auch in zahlreichen Designs wieder und sie sind generell sehr prägend für die Serie.
Die Handlung setzt größtenteils auf mittlerweile sehr bekannte Tropes, von denen ich einige aber durchaus auch heute noch zu schätzen weiß. Gegen Ende des Spiels kommt beispielsweise heraus, dass ein „böses Volk“ eigentlich nur aus der Not heraus so agiert, da es von der Göttin zu einem Dasein in einem komplett unfruchtbaren Teil der Welt verdammt worden war. Das ist recht gut ins World Building eingeflochten und hat mir gefallen.
Ich bin sehr froh, das Remaster gespielt zu haben, denn im Original müssen die Dungeons eine ziemliche Geduldsprobe gewesen sein. Denn neben der Suche nach Schatztruhen kämpft man vor allem gegen SEHR. VIELE. GEGNER. Schon im ersten Dungeon wird man regelrecht mit Gegnern zugespammt: zig Encounter mit bis zu sieben Gegnern. Im Verlauf wird das nicht besser, wenn auch zumindest nicht groß zäher.
Lunar ist auch ein Paradebeispiel dafür, dass Zufallskämpfe manchmal besser als sichtbare Encounter sind, denn hier hat man es oft in engen Gängen mit Gegnerhorden zu tun, die einen verfolgen und denen man in den meisten Fällen nicht entgehen kann.
Glücklichweise besitzt das Spiel eine Auto-Funktion, die im Remaster sogar sehr brauchbar ist. Zudem lässt sich das Kampftempo erheblich beschleunigen. Die Auto-Funktion kann rudimentär konfiguriert werden, ist aber von Haus aus schon ziemlich schlau: Sie handelt ökonomisch und kämpft sogar ein bisschen strategisch. Normale Kämpfe schlägt sie vermutlich genauso effizient wie ein menschlicher Spieler, und sogar die meisten Bosse bewältigt sie recht gut.
Ich habe das Spiel also größtenteils als Auto-Battler gespielt und bereue das absolut nicht. Das hat mir viele Stunden stupider Encounter erspart und auf diese Weise sogar halbwegs Spaß gemacht. Nur bei den stärkeren Bossen im Spiel (vor allem den beiden letzten) musste ich selbst Hand anlegen.
Hervorzuheben ist außerdem die Lokalisierung. Es wurde die alte von Working Design übernommen und ein paar unpassende popkulturelle Witze entfernt. Gelegentlich schießen die Dialoge in ihrem Witz immer noch übers Ziel hinaus, aber man muss Working Design definitiv zu Gute halten, dass sie sprachlich wirklich was aus den Dialogen machen, denn die sind wirklich extrem lebendig. Großes Lob dafür! Gar kein Vergleich zu den größtenteils recht platten Lokalisierungen der damaligen Zeit. Es ist schade, dass Working Design (wie Moyse) oft auf diese wenigen Gags reduziert wird, die tbf echt unpassend sind, aber halt nur einen winzigen Teil des Ganzen ausmachen.
tl;dr: Lunar ist auch heute noch ein sehr sympathisches Spiel mit charmanten Figuren und einer urklassischen, aber liebevoll erzählten Geschichte, das mich vor allem im ersten Drittel sehr abgeholt hat, als das Abenteuerfeeling noch im Vordergrund stand. Durch die Komfortfunktionen im Remaster ist es auch trotz der absurden Gegnermassen in den Dungeons relativ schmerzlos spielbar, wenn auch nicht furchtbar reizvoll.
Mit Eternal Blue habe ich auch schon angefangen. Das wurde insgesamt weniger überarbeitet und das merkt man auch direkt – mehr dazu dann.
Spielzeit: 16:00
Wertung: 7/10
Challenge-Achievements:
Spiele 12 RPGs (12/12)
Beende 8 Neuerscheinungen (7/8)
Beende 6 Retro-Klassiker (1/6)