Wir bewerten heute nicht nur den ersten Fall von Ace Attorney Chronicles. Nein, wir gehen die Sache an als würde dieses Spiel im Abitur dem historischen Kontext zugeordnet, Was der Autor Shu Takumi mit diesem Werk bezwecken wollte, welche Hürden dem Werk gerade in Japan entgegengesetzt wurden und warum das Spiel kurz davor war niemals einen 2. Teil zu erhalten.
Wir gehen hier der Reihe nach vor.
Heute beschäftigen wir uns erstmal mit dem Vorwort und dem ersten Fall des Spiels.
Vorwort Teil 1:
"Von Apollo Justice und der Demontage eines Gentleman"
Shu Takumi wollte schon in Apollo Justice eine komplett neue Geschichte ohne Phoenix Wright erzählen, da seiner Meinung nach die Geschichte abgeschlossen war. Und da kann man dem Mann schon recht geben. Die Trilogy bringt in der Theorie Phoenix Geschichte zu einem Abschluss. Doch sein Team hat ihn überstimmt und Phoenix musste in irgendeiner Form noch vorkommen. So musste Phoenix in Apollo Justice eine tragende Rolle spielen und man merkt der Geschichte an, dass dieses Anhängsel so gar nicht in Shu Takumis Idee von AJ passte. Man merkte dem Spiel gerade in den beiden mittleren Fällen an, dass keine wirkliche Lust bestand diese Fälle zu schreiben, denn von der inheränten Logik der Fälle sollte bis dato kein AA Fall so tief fallen wie 4-2 und 4-3. Mit diesen Ketten im Schlepptau wurde dieses Spiel released und wenn man den Hintergrund bedenkt merkt man dem Titel die Einschränkungen und den Widerwillen schon an.
Ein charakterloser, absolut inkompetenter Protagonist ohne einen Hauch von Persönlichkeit
Viel Suspension of Disbelief, dass Phoenix 2 Wochen nach 3-5 seine Anwaltsmarke verliert und von all seinen Freunden keinerlei Unterstützung bekommt und regelrecht verbannt wird
7 Jahre? Phoenix hatte in der ersten Woche seiner Untersuchung genügend Beweise um seine Anwaltsmarke zurückzuholen, warum so lange warten
In der Strafanstalt sind Kameras, wer den Laden besucht wird dokumentiert.
Aber damit beschäftigen wir uns 2028, wenn ich mal bei AJ ankommen sollte
Danach hat Yamazaki die Ace Attorney Reihe zunächst mit einem Miles Edgeworth Spinoff übernommen und danach mit Dual Destinies die Hauptreihe weitergeführt.
Shu Takumi hingegen hat sich an ein Ace Attorney Spin off mit Professor Layton ran gesetzt und viele Mechaniken die dort eingeführt wurden haben später noch einen Weg in TGAA gefunden.
Phoenix Wright hat es dort nach England verschlagen und gelangt nach seinem ersten Fall in eine Parallelwelt mit Magie und Zeugenständen mit mehreren Zeugen gleichzeitig.
Man konnte von nun an Zeugenaussagen unterbrechen und so die Reaktionen der benachbarten Zeugen beobachten und anprangern. Ironischerweise war die Mechanik in PW VS AA deutlich ausgereifter und komplexer als sie in TGAA jemals sein wird.
Und nun fangen wir an.
Daten des Falls
Länge: 4 Stunden (Längster Einführungsfall der AA-Serie)
Segmente: Trial Part 1-3 (Ein Fall, der nur im Gerichtssaal und im Beschuldigtenzimmer stattfindet)
Zeitpunkt des Verbrechens: 19. November 1897
Zeitpunkt der Verhandlung: 22. November 1897
Tatort: Das Restaurant La Carneval
Vermeintlicher Täter: Ryonosuke Narohodo
Verteidiger: Ryonosuke Narohodo
Opfer: John H. Wilson
Staatsanwalt: Taketsuchi Auchi (Paynes Vorfahre)
Wir beginnen den Fall mit einer kurzen Einführung der Szenerie. Japan hat seine Handelsbeziehungen mit England vertieft und steht gerade inmitten wichtiger diplomatischer Verhandlungen. Natürlich sollte zu so einer wegweisenden Zeit keine Unannehmlichkeiten vorfallen. Doch wie das Schicksal so will wird ein Englischer Professor während eines Restaurantbesuchs erschossen. Hauptverdächtiger ist ein Anglistikstudent im zweiten Jahr namens Ryonosuke Naruhodo der auch noch die Tatwaffe in den Händen hält. Es macht es nicht einfacher, dass ihn angeblich 3 Zeugen auf frischer Tat ertappen.
Mit diesen Fakten aus dem Intro gehen wir in den Fall rein. Ryonosuke ist natürlich ziemlich nervös, denn dieser Fall wird vor dem höchsten Gericht Japans abgehalten und nur altgediente Militärveteranen und andere hohe Tiere dürfen der Verhandlung beiwohnen. Man will den Fall so diskret und schnellstmöglich über die Bühne bringen um eventuelle Spannungen mit England zu vermeiden.
Die Fallhöhe für Ryonosuke ist dementsprechend besonders hoch. Nicht nur wird er des Mordes beschuldigt---nein, nein...--sein bester Freund Kazuma Asogi, selber nur ein Anwaltsstudent im 2. Semester möchte seinen Fall übernehmen. Kazuma wird als das Aushängeschild der Strafverteidigung dargestellt und soll einige Monate später einige Zeit in Englang verbringen um soviel wie möglich über das Englische Rechtssystem herauszufinden und dort zu lernen. Anschließend soll er das gelernte in Japan anwenden um dort das Rechtssystem zu reformieren. Spoiler: Wenn wir uns AA 1 ansehen, scheint das nicht so gut funktioniert zu haben, im Gegenteil, die Verhandlungen in der Zukunft die Phoenix führt geht es wesentlich gnadenloser her als damals. xD
Tja, jetzt kommt noch ein forensischer Professor hinzu, der es gar nicht gut findet, dass Kazuma diesen Fall übernimmt und Ryonosuke darauf einstimmt seine Verteidigung selbst zu übernehmen. Kazuma soll nur ein Assistent/Beisteher sein.
Joa, lange Einführungsgeschichte.
Wir haben uns noch gar nicht mit dem eigentlichen Fall beschäftigt. Und hier fällt schon etwas auf, was sich durch ganz Chronicles zieht. Das Pacing. Ace Attorney Chronicles nimmt sich Zeit, eine Menge Zeit. Gerade der erste Teil ist berüchtigt für seine langgezogenen Dialoge die in ewige Wiederholungen münden um den Leser klar zu machen was gerade ansteht. Das binnen 20 Minuten die Charaktere 2-3 Mal das Gleiche in einer anderen Formulierung sagen will anscheinend niemanden wirklich auffallen. Obendrein ist das Erscheinen des Textes in Chronicles am langsamsten in der Reihe in der Hauptreihe war. Anschließend wird der Flow des Textes durch eine langezogeneAnimation weiter strapaziert. Der Fall muss anscheinend auf Teufel komm Raus in die Länge gezogen werden. Anschließend wird ein simpler Fall noch durch absurde Zufälle weiter in die Länge gezogen und dann macht das Spiel eine sehr interessante Andeutung.
Etwas was angeblich Ryonosukes spezielle Fähigkeit sein soll. POWER OF OBSERVATION!!! But Araki forgot....
Hier wird direkt etwas etabliert, was in den 9 anderen Fällen keinerlei Relevanz hat. Ryonosuke hat in Fall 1 eine Art fotographisches Gedächtnis und kann Details die den Tatort betreffen sehr genau wiedergeben und beschreiben. In späteren Fällen leidet Ryonosuke an Demenz und wird nie wieder von dieser "Fähigkeit" gebrauch machen. Nie wieder. Keine Ahnung warum es überhaupt eingeführt wurde. Natürlich nicht weil Takumi mit seiner endlosen fast schon einer stundenlangen Debatte über ein Steak sich gegen die Wand geschrieben hat und eine billige Lösung brauchte da raus zu kommen. Nein, auf keinen Fall. Aber wir starten frisch in den Fall. Auchi, der Staatsanwalt des Falles präsentiert seinen Fall und es scheint ziemlich eindeutig. Ryonosuke ist der Täter. Zunächst werden die 2 ersten Zeugen hinein gebeten. Ein altgedienter, armer Militärsoldat und ein zitternder Antiquitätenhändler sollen die Tat beobachtet haben. Beide Zeugen geben ihre Aussage gleichzeitig ab.
Anders als in vorherigen Teilen soll sich die Art der Aussage und des Kreuzverhörs mechanisch deutlich weniger komplex anfühlen.
In Fall 1 gibt es nur eine Art von Kreuzverhör: "Jede Aussage nachhaken bis man ein neues Beweisstück bekommt, was man dann in der Aussage präsentieren muss, variiert durch veränderte Aussage oder Reaktion"
Niemals darf man ein Beweisstück direkt zu Beginn präsentieren, es gibt keine Variation oder Komplexität. Man macht stur immer das Gleiche. IN JEDEM FALL VON ADVENTURES
Sobald man dies bemerkt ist klar, dass im Vergleich zur Hauptreihe keinerlei Wille darin besteht eine Art Puzzle für den Spieler einzuführen und Kreuzverhöre eigentlich ungewolltes Beiwerk sind.
Der Flow ist diesmal unerträglich. Ein Kreuzverhör dauert ewig und zu jedem Mist muss jeder Charakter seinen Senf dazu geben. Während man im Vorgänger manchmal 3-4 Aussagen hintereinander bekommt und man die nach und nach demontiert und eine Art befriedigendes Gefühl entsteht einen Zeugen auseinander zunehmen. Das gibts in Chronicles nicht. Nach einem Einspruch entsteht eine 20-30 minütige Diskussion bevor es zur nächsten Aussage kommt. Part 3 der Verhandlung hat gar keine Aussagen mehr, es wird nur noch um ein Steak geredet. LANGE.
Es ist das einfachste Ace Attorney. Jeder der sagt Dual Destinies ist das leichteste AA soll das mal nachvollziehbar erklären. Nur weil man jetzt ewig lange Debatten in einem Kreuzverhör lesen muss macht es das Spiel weder komplex noch schwerer. Man bekommt hier alles vorgekaut.
Payne, oder Auchi ist sogar ziemlich kompetent. So wie er den Fall zu Beginn darstellt und bis zum letzten Drittel Einsprüche einlegt macht er gar keine schlechte Figur. Keiner seiner Einsprüche sind zunächst unbegründet, später verliert er, zugegebenermaßen gerechtfertigt, den Faden wenn sich herausstellt dass alle Zeugen nur Mist erzählt haben. Der Richter bestraft sogar Auchi ab einem Punkt, da er nicht wirklich beweisen kann, dass Ryonosuke der Täter ist. Also Schuldig bis man einen anderen Täter dingfest gemacht hat wie in AA1 gibt es anscheinend nicht. England war vielleicht doch keine so gute Idee. xD
Denn Ryonosukes "Power of Observation" sagt ihm klipp und klar, dass noch eine Frau am Tatort war. Diese wird aber vom Inspektor Hosonaga verheimlicht. Hosonaga hat eine Soba-Allergie, isst es aber gerne und spuckt daher in regelmässigen Abständen Blut. Der Typ ist eine Klasse für sich, doch auch dieser Charakter fällt dem "Araki forgot"-Meme zum Opfer. xD
Ryonosuke ist zunächst sehr nervös, seine Augen zittern und wandern wild umher. Anstatt "Einspruch" kommt erstmal nur ein schwaches "Yes!" entgegen.
Hier muss ich auch sagen, dass der erste Einspruch wirklich gut umgesetzt war.
Seht ihr wie langsam die Textgeschwindigkeit diesmal ist?
Und so hält sich der Fall die Waage. Es gibt Momente wie diesen hier, die richtig gut umgesetzt sind und es gibt Momente die hätten gestrichen werden können und nichts an Wert wäre verloren gegangen. Part 3 der Verhandlung hätte wegfallen können und der Fall selber wäre deutlich besser gewesen. Weniger wäre hier mehr gewesen.
Am Ende des Tages finde ich den Einführungsfall auf einer Seite ziemlich gelungen, da er die typische AA Atmosphäre von Hoffnungslosigkeit und dem Zurückkämpfen gut einfängt, doch will dieser Fall durch seine langgezogenen Debatten die nichts mit dem Fall an sich zu tun haben unnötig verwässert.
Zu vielen Dingen wie Hosonaga und Ryonosukes Fähigkeiten werden Andeutungen gemacht, die einen Payoff versprechen aber dann nie wieder in der Serie angesprochen werden.