Fall III: Life is Strange: True Colors
Inspector Kaia
Schatten? Schatten!
Wo ist diese mysteriöse Stimme nur, wenn ich sie brauche...
Oh! Was... das Aufnahmegerät läuft ja. Huch. Hr-hm. Dann eben so.
Es ist ein wenig Zeit vergangen, seit dem ich die Akte RA geschlossen habe. Ich konnte mich wahrlich ein wenig erholen. Neben meinen Mehr oder weniger entspannten Ausflügen in die Welt der Voice Actor und dem Aufbau eines Sticker Imperiums habe ich mich zwischenzeitlich ebenfalls erneut in die griechische Unterwelt begeben und mir dort einen Namen als neuer Gott gemacht. Aber kommen wir zum heutigen Fall, der zum Glück, genau so wundervoll war wie die Vervollständigung der Prophezeiungen im Haus von Hades.
Meine Notizen für Life is Strange: True Colors sind etwas durcheinander, mal schauen ob ich es schaffen irgendwas mit Sinn und Verstand aufzuschreiben.
Ich bin mit viel Hoffnung und wenig Vorwissen in das Spiel eingetaucht. Hard Facts an die ich mich erinnern konnte während das Spiel installiert hat waren folgende:
- Es gibt eine übernatürliche Fähigkeit, welche die MC Alex beherrscht
- Dem Spiel wird vorgeworfen, LGBTQIA+ pandering zu betreiben und "woke" zu sein (was auch immer damit gemeint sein soll)
- Es soll wunderschön aussehen
Ich habe natürlich auch einige Steam Reviews gelesen, ohne mich groß spoilern zu lassen. Zum Glück.
Aber, um jemanden sehr geliebtes zu zitieren, wie war es denn nun?
Die Grafik
Mein PC ist jetzt schon ein paar Jahre alt und hat ab und zu Schwierigkeiten Texturen schnell genug zu laden. Das ist hier leider ab und zu passiert, rechne ich dem Game aber nicht negativ an. Kann es ja nichts für, dass meine Hardware mal geupgradet werden muss. Ich hab trotzdem alles auf Ultra gelassen. Und was soll ich sagen? Es sieht phänomenal aus.
Die Kleinstadt Haven in seiner spätfrühlingshaften Blütenpracht, umgeben von monumentalen Bergketten und satten grünen Wäldern hat mich sofort abgeholt.
DIe Charaktere sehen, dem Franchise entsprechend, wieder sehr gut aus und ,den Krähen sei Dank, es sieht absolut nicht so aus wie die Remasters. Die blockigen Cartoon-Haare sind zwar in verbesserter Form zurück, dafür sind Mimik und Gestik der Charaktere wirklich on point und hundert Mal besser als vorher. In keinem Moment dachte ich "wtf warum guckt der/die jetzt so?!". Es hat sich alles einfach gut angefühlt und mich extrem an Tell Me Why erinnert, der Grund warum ich dieser Spielreihe überhaupt noch eine Chance gegeben habe. ♥ Die Grafikeffekte (all hail the bloom) passen auch einfach zur sanften Stimmung der Stadt.
Gameplay
Das Grundprinzip ist und bleibt gut. Herumlaufen, Leute anquatschen, Dinge untersuchen, der Inneren Stimme des MCs lauschen wie sie über die unterschiedlichsten Dinge denkt und über diesen Weg die Geschichte der Stadt, ihrer Charaktere und Alex selber kennen lernen. Tried, tested and still approved. Was in True Colors neu dazu kommt ist Alex vorher bereits erwähnte Superkraft ~ Empathie ~. Ich schreibe das so, weil es imho sehr viel mehr ist als die in negativen Reviews so oft verspottete Power, aber dazu später mehr. Mit Alex Kraft können wir anhand der Aura der Bewohner und stark aufgeladener Gegenstände in Haven sehen, was diese fühlen oder welche Emotionen und erinnerungen diesen inne wohnen. Unterschieden wird am Anfang des Spiels zwischen: Angst, Wut, Trauer.
Anhand dieser Beobachtung öffnen sich neue Gesprächszweige und natürlich ruht die gesamte Story auch auf eben dieser Kraft. Es wirkt jedoch nie so, als würde das Spiel in weiten Teilen nicht auch ohne diese Mechanik auskommen, was sich sehr angenehm anfühlt.
Natürlich bleibt auch das Entscheidungssystem gleich.
Entweder oder. Die blaue oder die rote Pille. Bis auf eine Entscheidung schien mir mein Weg immer klar und auch "richtig". Wenn man das bei diesen Spielen überhaupt so sagen darf.
In manchen Abschnitten hat mich True Colors dann aber doch noch einmal mit kleinen Gameplay Gimmicks überrascht. Das LARP-Event ♥
Die Charaktere
In Haven lernen wir relativ schnell einen Illustren Cast an Einwohnern kennen, zu denen ich persönlich sehr schnell eine Bindung aufbauen konnte. Böse Zungen behaupten, dass die Persönlichkeiten oberflächlich wären oder das Spiel sich wenig Mühe gibt interessante Charaktere zu schreiben. Ich behaupte:
Personen mit dieser Meinung, haben keine Empathie für die Menschen von Haven und deren Geschichten, wenn sie nicht relaten können. Denn der Cast von True Colors hat ziemlich alltägliche Probleme, aber nicht unbedingt die Art, die man als normaler negativer Steam-Reviewer in seinem Leben bis jetzt erleben konnte/musste.
In True Colors liegt der Fokus auf einer Community an Leuten, die sich seit vielen Jahren, manchmal sogar Jahrzehnten kennen. Ihren Kindern, den wenig Zugezogenen und natürlich uns, im Körper von Alex Chen. Ich schreibe hier ein wenig zu den für mich interessantesten Charakteren, denn es gint theorethisch zu jedem etwas zu sagen. Aber ich möchte diesen Post auch irgendwann mal abschicken~
• Alex: Ich empfand sie das gesamte Spiel über als nachvollziehbaren, spannenden Charakter die ihre Freiheit sucht aber riesige Angst vor den Konsequenzen ihres Handelns hat. Dies gilt nicht nur im Umgang mit ihrer Kraft sondern auch in normalen sozialen Interaktionen mit ihrer Umwelt. Vieles davon spielt sich in ihrer (herausragenden) Mimik und Gestik ab und wird nicht immer ausgesprochen. Vor allem in den späteren Kapiteln konnte ich mich tief in Alex hineinfühlen. Sie hat einen großen Bruder, genau wie ich. Wir beide haben ein (auf unterschiedliche Weise) zerrüttetes Familienleben. Die Streitigkeiten zwischen ihrem Vater und ihrem Bruder, dass sie das Gefühl hatte sie müsse den Frieden bewahren, haben mich so extrem an meine Vergangenheit erinnert, dass ich meine Tränen nicht zurück halten konnte.
• Gabe: Alex großer Bruder. Eine fast schon engelsgleiche Gestalt. Sorry, so hab ich mir das notiert. Mmmh... obwohl nein. Wortgetreu habe ich "Big bro from paradise?" aufgeschrieben. Man lernt sehr schnell seine Freunde kennen und wird eigentlich sofort in diesen Freundeskreis integriert. Er hat von Alex erzählt und ist ganz aufgeregt sie wieder zu sehen. All das macht den Verlust nur noch schmerzhafter zu beobachten, wie sehr es allen um Alex herum weh tut, als er nicht mehr da ist. Dass sie selber gar nicht so sehr in ihren eigenen Emotionen ist wird klar, als sie zunehmend anfängt die der Menschen um sich herum zu analysieren und in einen Bearbeitungsmodus zu rutschen. Bloß nicht selber fühlen, sondern lieber verdrängen und den anderen helfen die Geschehnisse zu verarbeiten. Als man Gabe dann später widertrifft war ich zuerst massiv verwirrt, da ich mich sehr an Chloe und ihre Vater-Halluzinationen zurück erinnert gefühlt habe. Mit etwas Abstand glaube ich jetzt aber, dass Gabe keine Halluzination darstellen sollte, sondern sein Geist wirklich noch bei Alex war. Bis sie ihn erlöst hat und Abschied von ihm nehmen konnte.
• Steph & Ryan: Steph, ja die aus LiS: BtS, ist Gabes beste Freundin und mittlerweile Besitzerin des besten Ortes der Stadt. Dem Plattenladen. Sie ist charakterstark, immer noch extrem nerdy, musikalisch, extrovertiert und lesbisch. Ups, ist das schon woke? Ryan ist Gabes bester Freund und neben der Tatsache, dass er ein cuter nerd ist der gerne Vogelgesänge auf CD hört, auch noch introvertiert, Typ Holzfäller, verständnisvoll und definitiv nicht lesbisch- eh schwul. Die beiden sind die möglichen Love Interest für Alex und ich hab mich sehr schwer getan jemanden auszusuchen, habe mich dann aber für Ryan entschieden, da er neben der Tatsache, dass er ein cuter nerd ist der gerne Vogelgesänge auf CD hört, auch noch introvertiert, Typ Holzfäller, verständnisvoll und unglaublich sanft ist. Ja, sanft.
Spielt das Spiel. Ihr werdet mich verstehen.
Beide stehen Alex während der Geschichte zur Seite, ob nun ge-romanced oder nicht und es fühlt sich einfach gut an, dass sie so loyale Freunde hat. Ich habe mich immer mal wieder an meine Freunde erinnert und lo' and behold, es hat sich gut angefühlt.
• Eleanor, Jed & Ducky: Relativ schnell fiel mir auf, dass True Colors nicht davor scheut alte Menschen als wichtige Charaktere einzubauen und nicht nur als Set-dressing. Personen im Hintergrund. Unwichtige Nebencharaktere. Vergessene Gestalten. Mir fallen nur wenige Spiele ein, wo ich ein ähnliches Gefühl hatte. (Spielt Spiritfarer!) Die drei hier genannten haben alle ihren Teil zur Geschichte beizutragen und vor allem Eleanors Geschichte hat mich schlucken lassen. Die Szene im Blumenladen, wo man ihr Geheimnis erfährt, puh. Ich habe etwas Hintergrund Wissen zu dem Thema und die Angst die sie spürt, vor sich selbst und der Meinung der anderen war sehr real.
Ich hatte nie das Gefühl, dass die Geschichten der Charaktere oberflächlich oder weniger tief waren, als in anderen LiS Teilen. Alex war als Solo-Protagonistin immer genug für mich und auch eine wirklich willkommene Abwechslung nach Chloe und Raaaaaachel.
Die Story
Die Geschichte spielt sich im bereits genannten Haven Springs, Colorado, ab. Einer Kleinstadt die vor allem für die Nähe zu diversen Mienenschächten bekannt ist. Dort trifft sie nach Jahren ihren Bruder Gabe wieder. Die beiden wurden getrennt, als dieser nach einem Autodiebstahl in Jugendarrest musste und Alex im Heim gelandet ist. Was mit ihren Eltern passiert ist, erfährt man im Verlauf der Geschichte genauer. Schnell wird in Gesprächen mit den Einwohnern klar, Haven Springs hat ein Problem und dieses Problem heißt Typhon Mining. Das tangiert uns/Alex zunächst jedoch nicht, da wir uns erst einmal einleben und all die bereits genannten Charaktere (und noch mehr) kennen lernen dürfen.
Bis ein Unglück nach dem anderen geschieht und Alex zusammen mit ihren neuen Freunden Typhon investigiert.
Die Story ist nicht unfassbar deep wenn man sich nicht wenigstens ein bisschen für die Geschichten der Charaktere interessiert und zwischen den Zeilen ließt, was die Anwesenheit einer Firma wie Typhon mit einer beschaulichen Kleinstadt wie Haven anrichten kann. Oder was sie auch Gutes bringen könnte. Viel interessanter ist daher natürlich Alex Umgang mit ihrer Kraft, wie sie eingesetzt wird, was sie über sich und ihre Umwelt lernt.
Fazit
Fangen wir beim offensichtlichen an: Ich mag Life is Strange: True Colors sehr gerne. Es wird nicht mein neues Lieblingsspiel, aber ich hatte Spaß, habe viel über die Charaktere und mich nachgedacht. Und das macht Life is Strange doch aus oder? Sich als Spieler von den kleinen und großen Geschichten mitreißen lassen zu können, Emotionen und Gedanken zu haben die tiefer gehen als "hm ja so ist das wohl".
Das Pacing war die ~10h die ich gespielt habe immer gut, auch wenn die ersten 2 Episoden relativ Gameplayarm waren und sehr viele Sequenzen hatten. Außerdem fand ich die Zeitsprünge manchmal schwierig nachzuvollziehen. Der Anfang der Story passiert innerhalb von 2 in-game Tagen und danach vergehen Wochen ohne das es wirklich klar ersichtlich ist, wenn man nicht ein bisschen suspension of disbelieve walten lässt. Vor allem die letzte Szene vor dem Epilog fand ich unglaublich stark. Sie wird mich wahrscheinlich noch einige Zeit begleiten.
Ob man das Spiel jetzt aufgrund der Tatsache, dass es einen lesbischen Charakter, die Wahl die man als Spieler über Alex sexuelle Ausrichtung hat (hetero-, homo- oder bisexuell (pan?)) oder die Stellung gegen Großkonzerne die Kleinstädte unterwandern und übernehmen wollen "woke" nennen sollte, spoiler: nö. Ich fand die Themen wunderbar normal in das Spiel eingewoben und zu keinem Moment aufgezwungen. ♥
Und damit sage ich mit stolzer Brust: 1/12 Fällen beendet und lege die Akte Life is Strange... zu den Akten. Smooth.
Ich öffne nun aber lieber mal mein Fenster und lege ein paar selbstgebackene Macarons auf das Brettchen... vielleicht kommt mein mysteriöser Schatten ja zeitnah vorbei um mit mir über diesen Fall zu sinnieren.
Aufnahme Ende.