2015, in meiner ersten eigenen Wohnung, an der von meinem Bruder geliehenen (und jetzt an mich abgetretenen, Dankeschön ) Playstation 3 habe ich zusammen mit MeTa Life is Strange gespielt.
Ich bin, war und werde niemals jemand sein, die Gaming auf der Couch dem sitzen vorm PC vorzieht, aber durch meine rosarote Nostalgiebrille sehe ich es noch sehr deutlich vor mir:
An wenigen Nachmittagen haben wir die Originalversion damals gemeinsam gespielt. Zusammen gute und schlechte Entscheidungen getroffen, die Entscheidungen des jeweils anderen angezweifelt. Doch was uns verbunden hat war, dass wir beide vom Ende ernüchtert waren. LiS war vielleicht nicht das erste Spiel seiner Art, aber es hat mich definitiv geprägt. Das Versprechen "Deine Entscheidungen werden Konsequenzen haben" hat mich nicht nur am Ball gehalten, sondern mich damals auch ungefähr so annoyed zurückgelassen wie das Ende der Mass Effect-Reihe wenig später in meinem Leben. Danach habe ich jahrelang kein DONTNOD Spiel mehr angefasst. Zu groß war meine (seltsam obsessive) Enttäuschung von einem Spiel, was mir doch eigentlich so gut gefallen hat. (Bis auf Chloe) Allem voran der Soundtrack und der allgemeine ~Vibe~ des Settings hat mir damals sehr viel gegeben.
Aber das war vor 9 Jahren. Ich bin älter geworden, das Spiel wurde grafisch aufgehübscht und noch viel wichtiger: Ich habe Tell Me Why gespielt.
Schlagartig war da wieder dieses Gefühl. Die verklärte Erinnerung an unser altes Wohnzimmer und der Wunsch, dies noch einmal erleben zu können.
Ich habe also meine Inspektoren Fertigkeiten genutzt und die Zeit zurückgedreht bis zu dem Tag an dem ich das erste Mal-
Halt. Nein. Ich will alles, aber nicht LiS noch einmal so spielen.
Ich habe mir allerdings während des gesamten Spieldurchlaufs immer wieder gedacht: Wie hat sich meine Sicht auf die Ereignisse im Spiel in den letzten Jahren verändert? Gibt es Dinge, die mir besser gefallen? Was ist schlecht(er)?
Meine Erinnerungen waren auch ohne wibbly wobbly, timey wimey shenanigans noch sehr deutlich in mein Hirn gebrannt. Im folgenden Text schreibe ich euch meine Gedanken und vor allem Gefühle auf.
Fangen wir an mit dem Offensichtlichen. Dem Unumgehbaren und der Sache, die uns zuerst ins Auge springt:
Die Grafik
Besonders in Erinnerung geblieben sind die herbstlichen Farben, der Bloomeffekt der ab und an eingesetzt wurde, um die malerische Kulisse Arcadia Bays ins Szene zu setzen, die wenigen aber wichtigen Schauplätze, einige Details wie Maxs Selfiewand und sogar an ein paar Schmierereien an den Wänden konnte ich mich erinnern. Auch, dass ich früher den Grafikstil sehr charmant und unaufdringlich fand. Ich wusste, DONTNOD sind ihrem Stil insgesamt über die Jahre sehr treu geblieben, aber einen Vergleich ziehen? Dafür reichte meine Erinnerung dann doch nicht aus. Natürlich sah das Spiel in seiner Originalfassung schwächer aus. Vor allem die Gesichtsanimationen und die Bewegung der Augen in Gesprächen und Nahaufnahmen sind mir sehr positiv aufgefallen, auch Haardetails, Maxines Sommersprossen und das GRAS (!) haben ein Lifting bekommen. Generell wurden viele Texturen aufgemotzt und auch die Belichtung wurde verändert. Alles ist ein bisschen crisper. Polierter. Bestimmt waren auch die Sequenzen in denen wir Arcadia Bay sehen früher weniger "schön", als ich erinnern kann. In den letzten zwei Episoden schwächelt das Spiel in der Hinsicht jedoch ein bisschen. Die Animationen der Charaktere werden weniger, die Umgebungen geben nicht mehr viel her, da alles sehr dunkel ist. Der Fokus liegt jedoch vor allem in EP 5 auch eher auf dem großen Ganzen, die Story wird beendet und es gibt keine neuen Schauplätze oder Charaktere mehr.
Ob es notwendig war, ein so junges Spiel zu remastern? Imho, nein. Es hat das Spiel nicht besser gemacht, auch wenn alles etwas stimmiger aussieht, ist der Grafikstil insgesamt sehr vergebend, wenn es um Alterserscheinungen geht.
LiS ist ein Adventure Game mit großem Fokus auf die Narrative. Die Story und Charaktere lernt man durch das Untersuchen der Umgebung und Multiple Choice Dialogen kennen, ihr kennt das wahrscheinlich. Die meisten Handlungen oder Aussagen, die man tätigt, können mit Maxs Fähigkeit die Zeit zu manipulieren rückgängig gemacht werden. Dadurch kann man als Spieler die Umwelt und andere Charaktere manipulieren und sich so die Welt machen, wie sie Maxine Caulfield eben gefällt. Bis man es nicht mehr kann. Einige Entscheidungen im Spiel sind nach dem Auswählen eben dieser unumkehrbar. Immer dann, wenn Max ihre Kraft überstrapaziert. Jede noch so kleine Entscheidung hat Einfluss auf die Welt und die Personen, die in ihr leben. Manchmal sofort, manchmal erst später, manchmal kann man dies erleben und manchmal passiert einfach gar nichts und die Spieler:innen bleiben ratlos zurück.
Die Rahmengeschichte bleibt jedoch immer die Gleiche. Am Ende steht man vor der einen Entscheidung, egal welche Verzweigungen man innerhalb der Geschichte gewählt hat: Rettet man eine Person, die für den Hauptcharakter sehr wichtig ist oder tut man das Richtige.
Das generelle Gameplay trifft mich genau da, wo ich es mag. Ich spaziere super gerne durch die Szenerien, spreche alles an, teste, was ich wie beeinflussen kann. Dieses Mal habe ich sogar alle möglichen nicht finalen Gesprächsmöglichkeiten genutzt, bis ich mich für die eine mir am besten erscheinende entschieden habe. In den meisten Fällen ist das auch die offensichtlich "Richtige", manche Menschen wollen aber die Welt einfach brennen sehen, I guess. Das Original LiS zu zweit zu spielen hat dem Gameplay auf jeden Fall damals nicht gutgetan. "Unsere" Max war einfach zu zweigesichtig, wie das nun mal ist, wenn man Engelchen und Teufelchen (fragt mich nicht wer wer war) auf seinen Schultern sitzen hat. "Meine" Max hatte ein klares Ziel: Mr. Jefferson, Chloe, Warren und Victoria zeigen, dass sie die Person ist, die alle manipuliert und nicht andersherum! Schnell ist mir aber klar geworden, wie schmutzig ich mich dabei gefühlt habe, die Antwort zu geben, die mich "Vor ran" bringt, auch wenn sie absolut nicht meiner eigentlichen Meinung entspricht. Das zog sich durch das gesamte Spiel und hat mich einmal sogar eine lange Pause einlegen lassen, weil ich nicht aufhören konnte daran zu denken, wie widerlich das im RL wäre.
Ich habe außerdem als guter Achievementhunter einen 100 % Run angestrebt (und durchgezogen), was mir den Fokus noch etwas mehr auf das Erkunden und Herumtüfteln gelegt hat. Achievements bekommt man durch Polaroids schießen und für diese muss man manchmal kleine Puzzle erledigen oder eben manipulieren. Das war süß, aber in manchen Fällen auch etwas nervig, weil es mich vor allem zum Ende hin aus der ✦ Mood ✦ gerissen hat. LiS bietet allerdings auch einen Modus, in dem man die Episoden einfach nachspielen kann, um eben diese Bilder gesondert zu sammeln, hab ich aber nicht genutzt.
Nur in EP5, in der allerletzten spielbaren Passage, war ich maximal genervt. Während man sich in Max Albtraum durch die diversen, auf ihre wichtigsten Merkmale heruntergebrochenen Schauplätze schleicht und von den diversen (antagonistischen) Charakteren gesucht wird, muss man immer und immer und immer wieder zurückspulen, um diesem zu entgehen. Wenn man das "Puzzle" für das finale Polaroid lösen möchte, ist es sogar noch wahnwitziger und macht halt einfach keinen Spaß. Danach rutscht man direkt in die letzte, eigentlich dramatische Szene des Spiels, begleitet von einer sehr unpassenden Art der Anspannung. Nämlich der genervten.
Die Charaktere
Max als Hauptcharakter fand ich im Jahre 2015 des Herrn schon nicht sympathisch, aber es ist schlimmer oder vielleicht bin ich auch einfach alt geworden.
Ich embrace den cringe (ew) im RL ziemlich gut, wenn junge Erwachsene allerdings Sprüche wie "fuck your selfie" (iconic Life is Strange-Zitat) oder "Are you cereal right now?" raushauen, bereitet es mir körperliche und seelische Schmerzen. Ansonsten ist die Art zu sprechen und chatten aber ziemlich authentisch 2013, inklusive meines heiß geliebten "XD". Viele Gespräche zwischen Max und vor allem unbenannten Charakteren sind ebenfalls unerträglich für mich gewesen. Sie wirkt so... unrelatable. Der Cast aus Antagonisten ist insgesamt jedoch gut geschrieben und macht das investigieren des Verschwindens von Rachel Amber, trotz meines Wissens um den/die Schuldigen spaßig genug. Dadurch, dass ich alle Optionen ausgereizt habe, habe ich ein paar Personen sogar etwas lieber gewonnen als ich gedacht hätte. Unter anderem David, Chloes paranoiden Stiefvater der in meinem ersten Run nicht gut weggekommen ist hat dieses Mal deutlich mehr geglänzt, genau so wie mein Verständnis für Victoria als hochnäsige Anführerin des Vortex Clubs und Nathan als psychisch labilen Komplizen des Haupttäters, mich selbst in manchen Situationen überrascht hat. Frank hatten wir damals sehr schnell antagonisiert afair, dieses Mal hat er es bis zum Ende geschafft und mir wichtige Infos geliefert.
Einiges ändert sich jedoch nie. Kate ist ein Goldstück, Warren könnte man einfach aus dem Spiel entfernen und es würde niemanden auffallen und... Chloe.
Es hat mich VIEL Mühe gekostet Chloe eine neue Chance zu geben. Mein "erstes Mal" mit ihr war, wie ich mir kein erstes Mal wünschen würde. Eine Katastrophe.
Das zweite Mal war allerdings nicht besser und ich sollte mich vielleicht einfach von ihr trennen. Wir haben allerdings noch gemeinsame Pläne: AITA wenn ich erst nach unseren nächsten Ausflug an die Westküste Schluss mache?
Ich habe mir zu Chloe drei Stichpunkte notiert:
Emotionaler Ballast, Manipulation, Max ist Chloes Caretaker.
Lasst mich erklären. Ich verstehe Chloe. Ich finde sie nachvollziehbar und gut geschrieben. Ich empfinde sie als massiv anstrengend und ungeeignet als Freundin oder sogar potentielles Love Interest. Ihr Leben war bis jetzt ziemlich scheiß. Sie hat jung ihren Vater verloren, hat Angst verlassen zu werden. Max zieht um. Rachel verschwindet. Aber Chloe ist nur wenig besser als Nathan, sie haben andere Ursachen aber ähnliche Probleme. Sie ist instabil, hat eine ausgeprägte kriminelle Energie (Erpressung, Drogen, Waffen, Diebstahl, Mordpläne, Totschlag wenn man sie nicht davon abhält) hat ein massives Aggressionsproblem und geht jeden an der ihr nicht das gibt was sie will, einschließlich Max. Chloe ist emotional so extrem abhängig von eben dieser, dass es mir als Spieler wirklich unangenehm wurde. Enabled wird das durch mich als Max auch ständig, weil das Spiel vorsieht, dass man sie mögen soll. Und das fiel mir mit meiner angehäuften Lebenserfahrung noch schwerer als damals. Für mich ist sie damit ein deutlich besser geschriebener Charakter als zum Beispiel Mr. Jefferson. Ein bekannter Fotograf und Tutor an der Blackwell Akademie der süchtig danach ist die Unschuld der Jugend in den Gesichtern von, unfreiwillig mit Drogen vollgepumpten, Teenagerinnen zu fotografieren. Weil ohne Drogen sind ihm die Posen zu "unnatürlich". Auch er soll uns das gesamte Spiel über als vertrauenswürdig und von Max zu Recht verehrt verkauft werden, aber er ist halt einfach sehr bland und auch später extrem unglaubwürdig geschrieben. Generell fand ich die Student:innen sehr viel glaubhafter dargestellt als die Lehrer, Eltern und den erweiterten Cast der "Erwachsenen".
Die Story
Um hier einen großen schwarzen Spoiler-Tag zu umgehen, versuche ich einfach nur meine Gefühle darzustellen, ohne zu sehr auf Details der Story einzugehen.
Der Fall um Rachel Amber und Maxs plötzlich auftretende "magische" Fähigkeit ist mit einer Priese suspense of disbelief spannend aufgebaut, weil mir als Spieler direkt viele Fragen aufkommen, die es zu beantworten gilt. Einige davon werden im Verlauf auch beantwortet, einige bleiben offen und regen auch nach dem letzten Schließen des Spielfensters noch offen. Und das ist in den meisten Fällen gut. Was für mich allerdings viel interessanter war: die einzelnen Verbindungen der Charaktere zueinander und die daraus entstandenen Fehden, Probleme und auch positiven Ereignisse. Das Netz, was eben diese Geschichte von zwei jungen Frauen, die an dieselbe Schule gingen und in eben dieses Netz hineingeraten sind, in Schwingung bleiben lässt. Es gibt von Beginn an schon viele Hinweise auf die Wahrheit, die unter dem Schutt der langsam sterbenden Kleinstadt Arcadia Bay begraben liegt, aber es ist niemals so in your face, dass man sich fragt, ob die Entwickler einen für dumm verkaufen wollen.
Fazit
Wie finde ich hier die richtigen Worte. Life is Strange Remastered hat mich selten überrascht. Das Spiel selber hatte auch wenig Möglichkeiten dazu, durch mein ausgeprägtes Vorwissen und meine negativen Erinnerungen in Bezug auf die Story und einige Charaktere. Spaß hat es mir in vielen Abschnitten trotzdem gemacht. Ich zähle mich zu den Spieler:innen, die selten zweite Spieldurchläufe startet in denen sie dann auch wirklich andere Entscheidungen treffen. Hier hat es sich jedoch zumindest um den Cast noch einmal neu kennen zu lernen doch gelohnt. LiS glänzt einfach mit seinem Setting, der Tiefe mancher Charaktere und den Verzweigungen untereinander.
Den Fall um Rachel Amber lückenlos zu lösen hat mir jedoch weniger Genugtuung gebracht als ich gehofft hatte, auch wenn ich schon wusste das am Ende "egal" ist, wie akribisch meine Detektivarbeit ist. Und da sind wir wieder bei der Crux: Ich bin nicht mehr wütend, über das Ende. Ich bin nur noch milde Enttäuscht und trotzdem dankbar, da mir viele (positive wie negative) Parallelen und zu meinem Storytelling aufgezeigt wurden. Und natürlich über die Musik ♥
So, damit ist Fall Nr. I zwar abgeschlossen, meinen Score bringt das allerdings nicht vorran~
Da ich im Anschluss direkt LiS: Before the Storm (auch Remastered) anfange.
Und das blind...