Hellblade: Senua's Sacrifice

System: Windows
Spielzeit: 7:56 Stunden
Beendet: 14.01.2024
Im Zeitalter der Wikinger macht sich eine gebrochene keltische Kriegerin geplagt von Visionen auf in die Hölle der Wikinger, um für die Seele ihres toten Geliebten zu kämpfen.
Witzigerweise habe ich das erste Hellblade bereits vor einem Jahr schon einmal angefangen, es dann aber abgebrochen, weil ich zu krank war, andere Spiele danach dazwischen kamen und mich ultimativ auch die kleinen Kämpfe sehr genervt haben. Also habe ich es mir nochmal zur Brust genommen und auch wenn ich die ersten 50% bereits kannte, hatte das Spiel noch ein paar spannende Überraschungen für mich übrig! Erstmal ist das Spiel sehr gut darin eine dichte Atmosphäre aufzubauen. Das Sounddesign, die Musik und auch die sehr hochwertige Grafik tragen alle dazu bei, dass man sehr in der Spielwelt versinkt. Zwar dachte ich zu keinem Zeitpunkt, dass ich mich genau wie Senua fühle, aber ich konnte sehr gut mit ihr mitfühlen. Ein großer Fokus des Spiels liegt nämlich darin die Traumata und die damit einhergehende Psychose von Senua darzustellen. Primär werden hier sehr viele Stimmen genutzt, die aus allen möglichen Richtungen kommen und einem Zweifel, schlechte Gedanken, aber auch mal übermütige Gefühle fast schon hin bis zu manischer Selbsterhöhung einreden. Das ist sehr gut gemacht, da die Stimmen sehr dynamisch klingen und man sich manchmal wirklich erschreckt davor, dass jetzt schon wieder von irgendwoher Stimmen im Kopf erscheinen.
Zudem nutzt das Spiel auch ganz gerne Mal Illusionen und zeigt einem Dinge, die so nicht da sind, welches auch nochmal die kritische Lage der mentalen Gesundheit der Protagonistin verdeutlicht. Mit absolut beeindruckenden Bildern werden hier Szenen geschaffen, in denen der psychologische Horror wirklich große Hochmomente feiert und einem schon gerne Mal die Kehle zu schnüren kann. Mir persönlich ist da vor allem eine Szene in Erinnerung geblieben, in der man von Bergen von verbrannten Leichen umgeben ist, welche sich zum Teil noch bewegen und man dann an diesen hochklettern muss, um jemanden zu finden. Diese Sequenz hat definitiv einen bleibenden Eindruck hinterlassen und ich fühlte mich während des Spielens extrem unwohl, was ich als großen Gewinn für das Spiel zähle.
Die Geschichte wählt sehr interessante Wege, um sich weiter zu entwickeln und schließlich zur Auflösung zu kommen. Hier eine kleine Spoilerwarnung, da ich über das Ende und dessen Bedeutung gerne schreiben würde. Außerdem folgen auch leichte Spoiler zur Silent Hill Reihe. Senuas Quest ist den Kopf ihres Geliebten Dillion nach Helheim, der Hölle der Nordmänner, zu bringen, da er von eben diesen an die Riesin Hela geopfert wurde und um seine Seele zurückzubringen, muss Senua seinen Kopf in die Hölle bringen. Sie betont sehr oft, dass sie hier ist um Dillion zu retten und nicht um ihre Vergangenheit aufzuarbeiten und doch tut sie das im Endeffekt. Wir spielen viele prägende Momente ihrer Vergangenheit in abstrahierter Form nach und erfahren so von rituellem Missbrauch, welcher ihr widerfahren ist, was natürlich sehr akkurat ist dafür wie Personen mit psychischen Erkrankungen damals wahrscheinlich behandelt wurden. Am Ende stellt sich jedoch heraus, dass sie ihre Traumata natürlich überhaupt erst entwickelt hat, weil ihr Vater sie von der gesamten Welt isoliert und sie absurden Ritualen ausgesetzt hat, nachdem er bereits ihre Mutter auf dem Scheiterhaufen verbrannte. Was irgendwie auch eine der Botschaften des Spiels zu sein scheint: Die Hölle Senuas wurde überhaupt erst durch ihren Vater geschaffen, da dieser ihr Leben in vielerlei Hinsicht ruinierte. Dies wird auch spielerisch sehr gut dargestellt, da unsere Protagonistin nach dieser neuerlangten Klarheit plötzlich in den Kämpfen gegen die Schatten viel stärker ist, die Stimmen in ihrem Kopf sind verstummt und auch wenn sie mal zu Boden geschlagen wird, steht sie direkt wieder auf. Sie ist den Qualen der Hölle nicht länger unterlegen und kann ihnen auf Augenhöhe begegnen. In dieser Hinsicht erinnert mich das Spiel doch sehr an Silent Hill, da die namensgebende Stadt in dem Franchise genau so funktioniert: Leute kommen dort hin, um den abstrakten Horror ihrer Psyche zu begegnen, damit sie diese letztendlich verarbeiten können. Die Hölle hat in Hellblade eine identische Funktion und ob diese als physikalischer Ort, zu dem Senua gekommen ist, um ihre Quest abzuschließen, ist hierbei zweifelbar.
Außerdem durchläuft Senua auf ihrer Reise die verschiedenen Phasen der Trauer und das merkt man auch stark. Am Ende mündet dies in einer Nachricht von Dillion und mit der finalen Trauerphase: Akzeptanz. Der Tod ist ein großer Teil des Lebens und nur durch diesen sind wir in der Lage die Welt und auch die Leute um uns herum überhaupt zu lieben, da wir wissen alles könnte jederzeit enden und dadurch schätzen wir die verbleibende Zeit, welche wir haben und verbringen sie mit den Sachen und Personen, welche wir am meisten schätzen und lieben. Senua kann am Ende akzeptieren, dass der Tod unausweichlich ist und sie diesen nicht umgehen kann. Sie lässt den Gedanken Dillion zurück holen zu können los und obwohl sie sich vorher sicher war, dass sie dann auch sterben will, da sie nichts mehr in der Welt übrig hat für das es sich zu leben lohnt, lädt sie uns ein mit ihr zu kommen, da sie noch eine weitere Geschichte erzählen will. Dies markiert das Ende ihres titelgebenden Opfers und zeigt, dass sie den Tod als Teil des Lebens wahrlich akzeptiert.
Im Gameplay hat mir gerade in der ersten Hälfte viel missfallen. Die Kämpfe sind leider anstrengend, nicht weil sie wirklich herausfordernd sind, die 4 Male, die ich gestorben bin, resultierten aus Rätselpassagen, aber weil sie immer nach demselben Schema arbeiten. So wirken sie schnell wie Fleißarbeit und als hätte man sie nur eingebaut, um die Spielzeit zu strecken, was das insgesamt doch kurze Spiel gar nicht nötig hat. Die Bosskämpfe haben mir wieder durchaus besser gefallen, da diese meistens Gimmicks genutzt haben, um dem Kampf auch eine Rätselkomponente zu geben. Zudem mochte ich sehr wie abwechslungsreich die Rätsel doch waren. Am Anfang hat sich alles noch sehr nach einer Formel angefühlt, aber vor allem die Prüfungen Odins haben sich abwechslungsreich angefühlt. Ansonsten macht das Gameplay nichts herausragendes.
Die Musik ist fantastisch, mein liebstes Stück ist wohl Hela, der gesamte Soundtrack lohnt sich definitiv anzuhören. Die Wahl für den Creditsong finde ich etwas fragwürdig, VNV Nation passt insgesamt nicht so sehr zur Zeit und zum Gefühl des Spiels. Allerdings kann man argumentieren, dass diese Geschichte auf vielerlei Arten doch sehr zeitlos ist und dementsprechend auch einen eher modernen Song nutzen kann. Ich finde die kurze Spielzeit des Spiels auch insgesamt gut, denn man hat zu keiner Zeit das Gefühl, das Spiel würde sich selbst hetzen. Es nutzt die Spielzeit echt gut und erzählt dabei alles was es erzählen will. Die Story wirft sehr viele philosophische Fragen auf und die letztendliche Interpretation ist dem Spieler selbst überlassen, oben befindet sich lediglich meine Sicht auf die Dinge. Ich könnte mich jetzt hier noch darin verlieren, wie extrem beeindruckend ich die schauspielerische Leistung von Melina Jürgens finde, vor allem da sie ursprünglich eigentlich nur für den Videoschnitt verantwortlich war und aufgrund von finanziellen Einschränkungen sie hier ihre erste professionelle Schauspielrolle übernahm. Oder was für ein Meilenstein es ist, dass viele Szenen in einem Take gedreht sind, keine einzige Szene nachvertont sondern nur den bei den Motion Capture Aufnahmen aufgenommenen Ton nutzt und das alles in dem Büro der Entwickler gedreht wurde statt in einem Studio und man diese Einschränkungen dem Spiel nicht anmerkt. Im Gegenteil, das Spiel wirkt sehr hochwertig und als hätte es einen großen Produktionswert gehabt. Und es wurde nicht an den falschen Stellen gespart, es wurden Leute als Berate hinzugeholt, welche selbst mit Psychosen leben und auch die ausufernden Lektionen über die nordischen Sagen und Geschichte sind sehr gut recherchiert. Alles hier zu erwähnen würde allerdings den Rahmen sprengen, ich kann nur empfehlen sich Dokus über die Entwicklung des Spiels anzuschauen, denn die ganzen widrigen Umstände machen es umso bewundernswerter, dass das Spiel so geworden ist, wie es ist. Ich persönlich würde Hellblade: Senua's Sacrifice eine Wertung von 8,5/10 Punkten geben.