Scarlet Nexus
Story?
Kasane und Yuito sind Mitglieder der OSF, einer militärischen Organisation, die vor allem für eines da ist. Die Menschheit vor den Others (kulturwissenschaftlich interessante Namensgebung) zu beschützen – absurden Monstern, die vor den Mauern der Stadt ihr Unwesen treiben und gelegentlich auch innerhalb der Mauern den vermeintlichen Frieden stören.
An der Seite von anderen Soldat:innen geraten die beiden in Kämpfe und Verschwörungen, die längst nicht mehr nur die Others betreffen und sich kreuz und quer durch Raum und Zeit spannen.
Das Spiel
In Scarlet Nexus spielt man wahlweise Yuito oder Kasane. Je nach Wahl erlebt man Details der Story und die Zusammensetzung der Begleiter:innen unterschiedlich, doch grundsätzlich ist das Spiel das gleiche.
Es handelt sich um ein Action RPG von den Bandai Namco Studios und Keita Iizuka. Studioname und die Producer-Verwandschaft zu Code Vein legen den Gedanken an ein Soulslike nahe, aber das ist nicht wirklich der Fall. Scarlet Nexus hat ein doch sehr eigenes, hack’nslayiges Kampfsystem, das maßgeblich aus zwei Komponenten besteht. Quasi-Nahkampf und den Superkräften. Während alle Soldat:innen im Spiel eben solche haben und sich darin unterscheiden, verfügen beide Protagonist:innen über Psychokinesis-Fähigkeiten; sie können schwere Gegenstände heben und auf Gegner schleudern.
Zusätzlich dazu lassen sich die Fähigkeiten der Begleiter:innen anzapfen, um allerlei fesche Kombis aus dem Hut zu zaubern. Das alles passiert in Levels, die von dem inspiriert ist, was in japanischen Action-RPGs nach Nier Automata eben so sein muss: Urbane, größtenteils zerstörte und von Flora zurückeroberte Straßen- und -gebäudezüge. Abwechslung ist so lala gegeben. Immerhin ist das Zentrum der fiktiven Stadt (Namen spielen keine Rolle) aber auch von normalen Menschen belebt, was doch eine kleine Abwechslung darstellt. Denn es soll in der Geschichte ja auch darum gehen, die Welt zu einem wieder besseren Ort zu machen.
In eben dieser Welt passiert nämlich so einiges. Dazu später mehr. Die Begleiter:innen kämpfen mit einem in den Auseinandersetzungen, die man so hat. Man lernt an ihrer Seite ihre Geschichte und die Geschichte der Welt kennen und kann in Bonding Events die Verbindung zu einzelnen Mitgliedern des Teams stärken, ihnen Geschenke machen und so weiter und so fort. Sehr vielversprechend also für jemanden wie mich, der Gruppendynamiken in Spielen und auch NPC-Interaktionen sehr zu schätzen weiß…
Wie war es denn nun?
Scarlet Nexus erzählt die Geschichte von Verlust, Verrat und Erinnerung. Feinfühlig bewegt es sich auf der Trennlinie zwischen gelungenem Action-RPG und Charakterstudie. Mit dem Pinsel einer Göttin müssen Charakterdialoge und die Hauptstory verfasst worden sein, denn…
Pff, nee!
Ich musste viel lachen. Scarlet Nexus hat vielleicht die bescheuertste Geschichte aller Zeiten. Und damit meine ich nicht mal nur die Geschichte (die ich eh nur bedingt verstanden habe, aber viel Zeitreise), sondern wie sie erzählt wird. Die Lokalisierung ist daran ausdrücklich nicht schuld – sie ist gut. Aber alles andere ist so dermaßen albern.
Die Top 500 Anime Betrayals? Ich habe sie alle erlebt, kondensiert auf gut 20 Stunden in diesem Spiel. Es passieren einfach ständig Dinge. Dinge, die vollkommen aus dem Nichts kommen, weil Twists hier so funktionieren, dass man einfach lange genug im Dunkeln gelassen wird bis PLÖTZLICH ein Großereignis stattfindet. Dinge, zu denen ich auch keinen emotionalen Bezug haben kann, weil alle Charaktere Abziehbilder von Abziehbildern sind und sich auch in Bonding Episodes keinerlei Mühe gegeben wird, ihre Dilemmata nachvollziehbar zu zeichnen.
Ja, in Scarlet Nexus geht es um Verlust. Aber ich bin mir fast sicher, dass keiner der verantwortlichen Writer Verlust kennt – denn das Thema wird so stiefmütterlich und phrasenhaft abgedödelt, dass es schon weh tut. Das gleiche gilt quasi für alle anderen Emotionen. Dialoge sind stellenweise so blöd, dass ich fast auf drastische Übersetzungsfehler gehofft habe – aber nein, dazu fügen sich die Dialoge zu perfekt ins übertrieben dumme Charaktergeschehen ein. Diverse Charaktere werden dir siebzehnmal versprechen, dich nicht zu verraten, um es sechzehnmal doch zu tun. Und während sie einander töten wollen, sind sie halt trotzdem noch irgendwie Freunde und wollen das eigentlich gar nicht und treffen sich in Cafes, um sich zu sagen, dass sie sich ja eigentlich mögen, aber wenn sie sich das nächste mal sehen, werden sie sich doch mit allen Mitteln bekämpfen und AAAAAH!
Ich bin frustriert von dieser Geschichte. Maßgeblich deswegen, weil ich das Spiel gerne nicht alleine gespielt hätte. Denn dann wäre es nicht einfach nur schlecht gewesen, sondern man hätte sich gemeinsam über die Absurdität der Ereignisse und den Pathos darin lustig machen können und die Zeit seines Lebens gehabt. Jedes Trinkspiel, das auf die Verratsquote, dämliche Dialoge oder sonst irgendeinen Quatsch abzielen würde, der in diesem Spiel allgegenwärtig ist, würde binnen Minuten umbringen.
Eigentlich mag ich es ja, wenn Spiele sich voll und ganz ernst nehmen – auch wenn sie dem qualitativ eigentlich nicht ganz gerecht werden können. Aber hier war das doch mehrere Spuren drüber.
Aaaaber… es geht ja auch nicht nur um die Story. Die nimmt zwar eine Menge ein und unterbricht ständig das Kampfgeschehen, aber genau das soll ja auch im Zentrum stehen. Und in Kritiken wurde Scarlet Nexus durchaus viel für sein Gameplay gelobt. Und ich verstehe wieso.
Das Spiel hat eine Menge Potenzial. Die Abwechslung zwischen Nahkampf und Psychokinesis funktioniert wirklich cool und sehr dynamisch. Allerdings ist das a) nur zu Beginn relevant und wird b) auch da selten voll genutzt.
Die verschiedenen Gegnertypen fordern nämlich ein, dass man die Kämpfe mit anderen Mitteln bestreitet und werden auch zu schwer, um nur auf herkömmlichem Stein-in-die-Fresse-Schwert-in-die-Fresse-Weg bewältigt zu werden. Man braucht das SAS, mit dem man sich die Kräfte der anderen Charaktere ausleihen kann. Und das ist ja nicht unbedingt schlecht, denn auch die sind cool und lassen nice Combos zu. Oder? ODER?
Ja, ABER die Spaß bringenden, interessanten Fähigkeiten-Combos kann man in 80% des Spiels dennoch nicht einsetzen. Denn je nach Charakterwahl wird man, bis sich im Endgame alle vereinen, von anderen Charakteren begleitet, die eben nur bestimmte Fähigkeiten haben. Dass ausgerechnet die dann keine besonders coole Synergie miteinander haben, ist seltsam und bescheuert. Aber leider der Fall. Erst im Lategame schnetzelt und schmeißt und ballert es sich dann so richtig schön durch die Gegnermassen. Zumindest so lange, wie man nicht auf die immer-gleichen Tricks zurückgreifen muss, um bestimmte Gegnertypen zu besiegen, die schier endlos wiederkehren. Es wird stellenweise so viel geprügelt, dass einem selbst die Lust vergehen würde, wenn das alles besser aufgehen würde.
Noch nie hat ein Spiel Emotionen von mir so sehr eingefordert und sie gleichzeitig so wenig bekommen. Ich bin dahingehend wirklich keine hart zu knackende Nuss, aber auch der in entsprechenden Momenten plötzlich einsetzende Tearjerker-OST hat mich da nicht über die Schwelle getragen.
Es ist alles total egal.
4 von 10 Malen, die ich verraten worden bin und im Anschluss doch wieder allen alles glaube.
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ACHIEVEMENT UNLOCKED!
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