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Ritter
Ich mag keine Mainstream-Spiele. Weil sie selten eine gute Geschichte erzählen, weil sie oft Konventionen folgen, die ich nicht besonders mag (z.B. Open World), weil sie gameplaywise zwar oft sehr convenient, aber selten kreativ oder gar spannend sind.
Genau deswegen habe ich ja auch ein Achievement aufgenommen, das mich zum Spielen eines Mainstream-Games verpflichtet. Als Challenge, als Verlassen der Comfort-Zone.
Meine Wahl ist nach einiger Überlegung doch recht klar ausgefallen:
GTA IV
Warum?
Mehr Mainstream als GTA geht kaum. Ich muss mir also nicht vorwerfen, einen easy way out genommen zu haben – etwas, was nicht so richtig in die Kategorie passt.
Außerdem habe ich mir tatsächlich viel von diesem Spiel versprochen. Ich finde GTA V ziemlich mittelmäßig. Es spielt sich gut (oder – siehe oben – convenient), aber hat drei schrecklich unsympathische Protagonisten. Und unsympathische Charaktere sind in dieser Reihe zwar an der Tagesordnung, aber das muss sie nicht gleichermaßen uninteressant machen (und, once again, zynisch betrachten).
GTA San Andreas hat diese Mischung seiner Zeit wirklich großartig hinbekommen und eine Geschichte erzählt, die mich mitgenommen hat und die jederzeit eine klare Struktur hatte. Die Missionen waren hier und da etwas quirky, teils sackschwer und gelegentlich ein bisschen unfair. Aber das hat mich nicht davon abgehalten, CJ und seinen Rise to Fame heiß und innig zu lieben und die Verräter in seinen Reihen zu verabscheuen. Ich will nicht sagen, dass ich die Geschichte heute nicht auch anders bewerten würde, doch nach einem Replay vor ein paar Jahren kam es mir doch vor, als wäre San Andreas für meine Begriffe recht gut gealtert.
Von allem, was ich über GTA IV wusste, war ich recht optimistisch gestimmt, dass es mehr wie San Andreas als wie Teil V ist. Und das hat dann auch den Ausschlag gegeben, es für das „Too Big To Enjoy“-Achievement auf die Liste zu packen.
Story?
Der Jugoslawe Niko Bellic kommt mit einem Schiff nach Liberty City. Ihn locken die Versprechen des Amerikanischen Traums; von Geld, Freiheit und schönen Frauen – wie es ihm sein Meme gewordener Cousin Roman berichtet. Doch ihn motiviert vor allem die Suche nach jemandem. Nach einem Verräter. Einem von zwei in Frage kommenden alten Weggefährten, der Freunde von Niko in den Jugoslawienkriegen verraten haben soll. Niko hat Dinge gesehen, die er nicht vergessen kann und die ihn verändert haben. Und genau deswegen schwört er seine Rache.
In Liberty City erwartet ihn nicht der versprochene Reichtum. Viel eher ein schäbiges Apartment und ein Cousin, der sich mit einem Kleingewerbe über Wasser hält, dabei aber von einem kleineren Gangster schikaniert wird und das bisschen Geld, das er erwirtschaftet, durch seine Spielsucht wieder in den Äther wirft. Zeit, dass der robuste, fest entschlossene Niko dafür sorgt, dass es den beiden besser geht.
Das Spiel
Eine große, offene Welt erwartet einen in GTA IV. Die Welt von Liberty City. Sprich: Einer vergamifizierten, zusammengestauchten Nachbildung von New York.

Man wird viele Orte finden, die man auch als ortsfremde Person kennt. Bereisen tut man diese Stadt dabei vorwiegend mit den titelgebenden Automobilen, die man in aller Regel – titelgebend – stiehlt. Für erkundungsfreudige Menschen ist Sightseeing also durchaus eine Option. Auch kleinere Tätigkeiten und Events wie Minigames (Billard, Dart & co.) oder der Besuch von Cabaret- sowie Stripshows bieten sich an.
Im Zentrum der Story stehen aber Missionen, die man von diversen NPCs kriegt. Zu Beginn des Spiels wird man sich eher mit Kleinkriminellen rumschlagen und Fahrdienste anbieten. Doch je mehr Niko sich durch die Ränge der Unterwelt schuftet, desto heikler und brutaler werden auch die Aufträge. Drogendeals, Entführungen, Massenmord. Niko ist (fast) kein Auftrag zu schade, um an Kohle und Informationen zu kommen.
Die Mehrheit des Spiels ist man auch auf den Missionen damit beschäftigt, von A nach B zu fahren. Und wenn man bei B ist, dann ballert man in der Regel viel. Man schaltet parallel zu Nikos krimineller Erfolgsstory immer fettere Waffen frei, denn auch die Mobs, die man bekämpft, werden besser ausgerüstet sein.
Eine Minimap, die man durch einen simplen Menüklick vergrößern kann, hilft bei der Orientierung. Der Weg zu aktiven Quests oder von eigener Hand markierten Zielen wird durch einen Routentracker vereinfacht, der einem – arguably – immer den schnellsten Weg zeigt. Und das ist auch nötig, denn die Straßen von Liberty City sind, wie die von New York, reichlich unübersichtlich.
Wie war es denn nun?
Ich habe mich gefragt, und frage mich immer noch, warum Liberty City so ein beliebter Ort für das Stattfinden von GTA-Handlungen ist. Denn durch die Inselstruktur New Yorks ist die Stadt äußerst unangenehm zu befahren. Jeder Weg kann ewig dauern, weil man oft über Brücken auf eine andere Insel muss. Dadurch sieht man auch selten Abwechslung, sondern fährt meistens die gleichen Strecken entlang. Vielleicht fehlt mir die Faszination für diesen Aspekt des Spiels: Dafür, in einer Stadt zu sein, die NY so ähnlich ist, an der man an vielen Orten die vielleicht bekannteste Stadt der Welt wiederzuerkennen vermag.
Aber auch die Geschichte, die GTA IV erzählt, lässt mich meistens kalt. Sie könnte dabei wirklich halbwegs interessant sein. Was stellen traumatische (Kriegs-)Erfahrungen mit einem Menschen an? Wie realistisch ist der American Dream? Bringt Rache Closure oder perpetuiert sie nur weitere negative Emotionen? Klar, das sind alles keine wirklich tiefen Fragen. Aber Fragen, die für und in ein(em) Mainstreamspiel trotzdem auf interessante Weise erkundet werden könnten. Das passiert aber nicht. Die einfachste Antwort muss reichen. Gelegentlich gibt es ein bisschen fehlplatzierten Pathos, der kein Stück authentisch ist. Und sowieso verliert sich alles in so einer schieren Flut an auftraggebenden Charakteren und Missionen, das nichts hängen bleiben will.
Diese Menge und Länge der Story-Missionen hat gleich zwei Probleme. Erstens schwächen sie Niko als Protagonisten ab. Denn er soll zwar reichlich kompromisslos sein – ein Mann der Tat, der auch vor schrecklichen Dingen nicht zurückschreckt. Doch er hat seine Prinzipien. Er ist loyal und ein Mann seines Wortes. Also… außer, wenn er es halt gerade nicht ist, weil eine Mission das Gegenteil erfordert. Dann wird das kurz totgeschwiegen, um in der nächsten Mission wieder darauf zu hinten, dass Niko bestimmte Dinge ja nicht tun würde.
In der ganzen Missionsstruktur ist auch.. äh, ja… überhaupt keine Struktur. Ich wusste nie, wo in der Story ich gerade bin, habe einfach Aufgaben für X, Y und Z abgearbeitet. Dann lange nichts von einer Person gehört und irgendwann kam sie wieder und ich dachte: „Ach, den gibt’s ja auch noch.“ Die Charaktere sind allesamt Klischees und Schablonen. Aber hihi, die sind so lustig homophob. Und der eine ist voll die Tunte. Und der eine Mafiaboss sieht ein bisschen aus wie Al Pacino und spricht auch so. Woah, voll die coole Anspielung. Richtig krass, was die sich da einfallen lassen.
GTA San Andreas hat seine Charaktere auch oft zu Witzfiguren gemacht. Aber es hat sie gleichzeitig trotzdem ernst genommen und ihnen wirkliche, echte Motive gegeben. GTA IV tut das nur gelegentlich. Hauptsache man lolt gut ab, wenn der Rastafari wieder so Englisch spricht, dass es niemand versteht.
Okay, ich mag die Charaktere und ihre Geschichte(n) also nicht. Genau so wenig mag ich auch die „freien“ Entscheidungen, die die Story einem gibt. Die belaufen sich auf nichts als „töte X oder Y“ oder „töte X oder töte X NICHT“ und haben selten eine Konsequenz. Und wenn sie eine haben, dann auch nur eine nichtige. Das könnte (und will vielleicht sogar) clever den Finger in die Wunde legen. A la „wenn man einmal im Kreislauf der Gewalt und des Verrats ist, dann kommt man nicht wieder raus, egal wie man sich entscheidet“. Aber es ist nicht clever.
Ich komme zum zweiten Problem der Missionen. Sie sind wirklich IMMER gleich. Wie bereits erwähnt. Fahr von A nach B und lege Q um. Wenn eine Mission beinhaltet, dass man nur „etwas beobachten“ soll, kann man sich sicher sein – und ist es auch -, dass es eskalieren wird. Denn sonst hätte man ja nichts zu tun. Die Geschichte weiß schon selbst gut genug, dass sie nicht genug zu bieten hat, weswegen sie sich auch nicht vertraut und immer noch eine Ballerei oder eine Verfolgungsjagd dazwischenschaltet. Das ist das Schicksal von Mainstreamspielen, schätze ich.
Das Problem ist hier nur, dass das Gameplay nicht geil ist. Für ein Spiel, dessen Hauptaugenmerk auf Fahrten und Ballereien liegt, fahren sich die Autos erstaunlich schlecht. Sie wiegen quasi nichts. Es kann manchmal Spaß machen, wenn man eine halbe Stunde vor der Kreuzung die Handbremse anzieht, ins Schlittern gerät und es – mehr oder weniger – zufällig genau so abgepasst hat, dass der Wagen perfekt um die Kurve und durch zwei andere Fahrzeuge hindurch schlittert. Aber meistens fährt man entweder langsam, damit nichts passiert, oder ständig gegen irgendetwas.
Das gleiche gilt für Schießereien. Nicht geil. Ohne Auto-Aim ist das Fadenkreuz viel zu sensibel, um akkurat zu sein. Mit (voreingestelltem) Auto-Aim funktioniert es aber auch nicht so wirklich gut. Nicht fürchterlich, aber dafür, dass auch das ein Fokus der Missionen ist, eben wirklich nicht gut. Das ist aber noch nicht mal das größte Problem am Missionsdesign. Viele davon beinhalten NPCs, denen nichts passieren darf. Oder Feinde, denen zumindest bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nichts passieren darf. Vorsicht ist also geboten, schön und gut. Das nervt an sich schon etwas, ist aber manageable. Naja, zumindest solange nicht komplett unberechenbare Dinge passieren. Denn nicht alles ist in diesen Missionen gescriptet, NPCs treffen dumme Entscheidungen, ohne dass ich taktischen Einfluss darauf habe und dann ist die Mission gescheitert. Wenn ich beim nächsten mal exakt gleich handle wie zuvor, kann das von Erfolg gekrönt sein, weil dieses mal nicht zufällig etwas total Dummes passiert ist. Das frustriert unheimlich – auch und vor allem, weil man zwar eine „Replay Mission“-Option hat, die Rücksetzpunkte dafür aber schrecklich sind. Vor allem in längeren Missionen ist das ein Graus. Von diesen Momenten gibt es unzählige. Und die Steuerung tut ebenfalls ihr Übriges, dem reibungslosen Erfolg im Wege zu stehen. Ich könnte ewig weiter machen damit, Dinge daran zu kritisieren. Aber ich sollte zum Ende kommen und meine vielen Worte lieber dem nächsten wirklich guten Spiel widmen.
Ich gebe GTA IV 4 von 10 total gesellschaftskritischen Gesellschaftskritiken.
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