Ich wollte nach GTA etwas spielen, das ich mag. Wie gelegen es mir da doch kam, dass Lynx mir gerade ohnehin ein Spiel aus unserem gemeinsamen Lieblingsgenre empfohlen hat: Mystery Visual Novels. Dabei handelt es sich um
PARANORMASIGHT: The Seven Mysteries of Honjo
Story?
Unter mysteriösen Umständen kommt es in einer Nacht zu mehreren Todesfällen. Ausgelöst werden diese durch Flüche, deren Ursprung mit den „Seven Mysteries of Honjo“ zu tun haben soll – einer Reihe an spirituell anmutenden Erzählungen aus der Edo-Zeit. Das Schicksal eines jungen Studenten, eines in die Jahre gekommenen Polizisten, einer trauernden Mutter und einer High School-Schülerin sowie deren Begleiter:innen ist eng mit dem sich entspinnenden Mysterium verzahnt, für das irgendjemand – oder irgendetwas - verantwortlich sein muss…
Das Spiel
PARANORMASIGHT ist eine Mystery-Visual Novel mit Adventure-Elementen. Es hat einen ganz eigenen Artstyle. Das Spiel lässt einen verschiedenste Protagonist:innen begleiten. Sowohl Erzähl- als auch erzählte Zeit sind dabei nicht extrem ausufernd. Während ich das Spiel an zwei Tagen beenden konnte und gut 9 Stunden hineingesteckt habe, erleben die Figuren des Stücks das Mysterium in 24 Stunden. In dieser Zeit passiert aber eine ganze Menge.
Da alle Protagonist:innen – wie erwähnt – Begleiter:innen haben, gibt es eine ganze Menge Dialoge. Zwischendurch kann man Entscheidungen treffen. Mal sind die nicht von großer Bedeutung, mal aber doch sehr. Auch andere interaktive Momente, bei denen storyrelevante Inhalte zu Mechaniken werden oder mit der Steuerung oder Menüführung gespielt wird, gehören dazu. Oft sieht man sich an den verschiedenen Schauplätzen innerhalb Honjos einfach um und erfährt auf diese Weise mehr über Hinter- oder Vordergründiges.
Auf diese Weise springt man per Flowchart durch die verschiedenen Narrativen, um sich einen Weg durch das Mysterium zu bahnen.
Wie war es denn nun?
Ich habe es oben bereits gesagt: Mystery Visual Novel sind ein Lieblingsgenre von mir. Sie sind deswegen aber noch lange kein Selbstläufer. Auch, weil mich das genrebezeichnende Mystery per se gar nicht zum Fan macht. Ich habe keine gesteigerte Freude daran, ein Rätsel zu lösen, Theorien anzustellen, damit im besten Fall richtig zu liegen und von Plottwists überrascht zu werden. Wenn eine Mystery-Narrative wirklich gut konstruiert ist, kann das alles vorkommen, und dann macht mir das auch Freude. Aber ich bin sicher kein ultimativer Detektiv. Meistens stelle ich bewusst keine Überlegungen an, weil ich merke, dass ich dafür mehr Notizen machen oder extrem genau lesen und kombinieren müsste. Ich weiß nicht, ob ich es gut könnte. Es ist mir von Vornherein zu anstrengend. Manchmal fliegt mir vielleicht per Geistesblitz eine Erkenntnis zu, doch im Vergleich zu manch anderer Person, die in den letzten 24 Stunden ein Review zu diesem Spiel in diesem Unterforum gepostet hat, bin ich ahnungslos.
Warum also mag ich das Genre überhaupt? Weil die besseren – respektive die mich mehr interessierenden – Vertreter dieser Zunft nicht nur durch Zufall auch oft sehr tiefe, dramatische Charakterstudien sind. Wenn die Charakterzüge, Motivationen und Schicksale von gut geschriebenen Figuren selbst zu einem Teil des Mysteriums werden, bin ich voll abgeholt.
Und genau daran habe ich bei PARANORMASIGHT anfangs etwas gezweifelt. Eventuell überschattet das übernatürliche Mysterium ja die Schicksale, an denen ich teil haben könnte – selbst wenn die durchaus dramatisches Potenzial bergen. Dafür sorgt das Setup des Mysteriums allein. Die Seven Mysteries of Hinjo, das Rite of Resurrection – die Möglichkeit, ein verstorbenes Wesen wieder ins Reich der Lebenden zu holen. Doch ein Whodunnit und ein von Twists durchzogenes Narrativ beherbergen immer auch das Potenzial, die persönlichen Feinheite der Charaktere zu überschatten.
Na gut. Lange Rede, kurzer Sinn: Das ist bei PARANORMASIGHT nicht der Fall. Zumindest meistens nicht. Das Spiel ist dramatisch und macht keinen Hehl aus seinen dramatischen Themen, die die Figuren zu Erstaunlichem motivieren könnten. Aber ich habe es trotzdem als sehr bodenständig empfunden – was bei einer so stark übersinnlich geprägten Erzählung schon ein Ding ist.
Ja, die Geschichte ist voll von Supernatürlichem. Und aus verschiedenen (und wie ich finde guten) Gründen glauben die Charaktere auch daran. Mal, weil das Übernatürliche ihnen schon mal begegnet ist. Mal, weil sie es am eigenen Leib erfahren. Und mal, weil sie einfach daran glauben wollen. Darüber hinaus sind sie aber vor allem menschlich. Auf besondere Offenbarungen reagieren sie immer authentisch. Das ist… durchaus anders als ich es von anderen Spielen des Genres – die ich sehr mag – gewöhnt bin. Gerade ein Danganronpa mit seinen absurden Charakteren spricht da eine ganz andere Sprache. PARANORMASIGHT ist anders. Das ist für sich genommen weder gut, noch schlecht, doch im Rahmen des Spiels ist es vor allem stimmig. Vor allem sorgt es dafür, dass ich alle Charaktere mag. Also… alle, die man mögen kann und „soll“. So sehr sogar, dass ich teils sogar ziemlich betroffen war, ein mal geweint habe und auch sonst häufiger gerührt war.
Noch dazu sieht das Spiel einfach toll aus. Der Stil passt voll zur Erzählung, trägt gleichzeitg das eerie mystery, aber auch den bodenständigen Appeal der Charaktere. Die Charakterdesigns sind cool und die Figuren strahlen auch in den Verbindungen, die sie vor allem zu ihren Begleiter:innen haben.
Ich bin nicht superhappy mit der endgültigen Auflösung – schlecht ist sie aber keinesfalls und deutet sich, wie alle Wendungen, auch an. Auf eine angenehme Weise. So dass man nicht denkt: „Woher kam der Twist denn jetzt plötzlich?“, doch auch nicht so, dass man den Käse meilenweit gegen den Wind riecht. Ich finde lediglich, dass alles am Ende etwas an Fahrt verloren hat und die interessantesten Charaktermomente eher im frühen Lategame zu verorten sind. Auch am Anfang hat es eben etwas gebraucht, bis ich an den Charakteren dran war und nicht nur slightly intrigued, was das Mysterium selbst betrifft.
Doch all das tut der Gesamterfahrung keinen Abbruch. Ich hatte Spaß und war froh, dass ich es heute zu Ende bringen konnte, da es sicher nicht einfach gewesen wäre, schlafen zu gehen, ohne das Rätsel entblättert zu haben.
Ich gebe 8 von 10 Mysteries an PARANORMASIGHT. Aber hey, die Seven Mysteries von Honjo sind auch eigentlich 9. Oder sogar noch mehr. Also wer weiß, ob diese 8 Punkte nicht mehr sind?
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