Affogato
Story?
Die titelgebende Affogato ist eine Witch – eine menschliche Person, die durch einen Pakt mit einem Dämon übernatürliche Kräfte erlangt hat. Dierotmagentahaarige Hexe zieht nun in die belebte Columbia Street, um dort an der Seite ihrer Dämonenfreundin Mephista einen Coffeeshop aufzumachen und den von dämonischer Besessenheit geplagten Bewohner:innen der Stadt zu helfen.
Das Spiel
Durch Affogato (den Charakter) lernt man im Verlaufe der kleinen Geschichte verschiedene Schicksale kennen, die im Visual Novel-Stil erkundet werden. Nebenbei lässt sich die Columbia Street zu verschiedenen Tageszeiten erkunden. Man kann hier Läden besuchen, um Werte zu steigern (die den Zugang zu Nebenquests ermöglichen), wichtige NPCs ansprechen oder mit der Witch Vision auf Dämonensuche gehen, um die geplagten Seelen in Reverse-Tower Defense-Minigames von ihrer Besessenheit zu heilen.
Auch in der Hauptstory und den Nebenquests ist dieses Spiel der Weg zum Erfolg. Darin setzt man per Tarotkarten Einheiten mit verschiedenen Werten und Eigenschaften auf eine Bahn und kann an Kreuzungen die Richtung bestimmen, die die Figuren gehen. Auch die Feinde haben verschiedene Eigenschaften. Dazu gibt es bestimmte Regeln, Stretch Goals und auch weitere Mechaniken, die nach und nach eingeführt werden.
Als Abwechslung zu diesem konzentrationsfordernden Gameplay dienen die Quatsch-Episoden des Spiels, in denen man für die Charaktere als Barista gerne auch mal eine Kaffee-Kreation zaubern darf. Das funktioniert ähnlich wie in vielen Cozy-Games, in dem man (hier ohne Zeitdruck) eine bestimmte Handlungsabfolge an den verschiedenen Gerätschaften vornimmt.
Wie war es denn nun?
Affogato ist ein wirklich sehr schönes und sympathisches Spiel. Die Hauptstory ist nichts Besonderes, aber sowohl Affogato selbst als auch viele der NPCs sind durchaus likeable. Man wird in den Dialogen oft Zeuge von einem angenehmen Humor und der Spielflow klappt durch die kürzere Spieldauer und die Abwechslung aus Kaffeezubereitung, Quatschen, Erkunden und Tower Attacken hervorragend.
Sehr gefallen hat mir auch die Themen, die so untergebracht wurden. Die NPCs, denen Affogato sich im Verlauf der Story so hat widmen müssen, haben allesamt irgendwelche Probleme, die dazu führen, dass sie sich überhaupt an einen Dämon gewendet haben, um diese zu lösen. Während das Ausnutzen der Notsituation durch dämonische Mächte also ein Teil des ganzen ist, sind die zu Grunde liegenden Probleme ein anderer. Und die haben fast immer irgendwas mit ökonomischen Zwängen zu tun, die nicht von irgendwelchen Personen kommen, sondern einfach da sind. Angesichts dessen, dass Kapitalismuskritik in den meisten populären Medien – und auch Games – oft nicht strukturell angegangen wird, ist das wirklich erfrischend. Auch wenn das Spiel sich nicht ganz offen und explizit positioniert: Das ganze schwingt eher im Subtext mit. Und so ist das auch gut.
Das Design des Spiels ist ebenfalls ziemlich hübsch. Die Columbia Street und andere Locations, die sich aufsuchen lassen, sind allesamt schick designt, auch das Innere des Coffee Shops sieht – je nachdem welches Layout man aussucht – sehr schick aus und die Charaktere existieren jeweils in niedlichen Chibi-Varianten und am Rande der Dialogfenster in ebenfalls ansehnlichen und kreativen Zeichnungen.
Ganz frei von Kritik soll dieses Review aber auch nicht sein. Zwei Punkte gäbe es, die ich anmerken würde.
Erstens bin ich, das habe ich bestimmt auch schon mal irgendwo geschrieben, wirklich kein Taktiker. Nicht dass ich es nicht könnte, aber in aller Regel will ich nicht. Ich will mich nicht lange mit den Mechaniken auseinandersetzen, mir keine ausführlichen Gedanken über Stärken und Schwächen der Einheiten machen und mehr. Ein erweitertes Grundverständnis bringe ich mit und das muss dann auch reichen. So spiele ich einfach und nur wenige Spiele haben es geschafft, mich diese Comfort Zone verlassen zu… lassen. Affogato ist keines davon und das kann ich dem Spiel auch nicht vorwerfen. Dafür, dass es aber verschiedene Schwierigkeitsgrade anbietet und ich den niedrigsten gewählt habe, fande ich es an ein paar wenigen Stellen aber dann doch schon ziemlich knackig und auch dementsprechend frustrierend. Ich kritisiere konkret nicht, dass Affogato schwer ist – das ist eine legitime Entscheidung -, sondern dass der Schwierigkeitsgrad „Easy“ mir wie ein leichter Etikettenschwindel vorkam. Oder ich war wirklich schwer von Begriff. Anyway, das ist nur ein sehr kleiner Punkt.
Zweitens: Affogato hat ja durchaus einen Mix an verschiedenen Dingen, die es einen machen lässt und das funktioniert soweit auch alles. Es ist auch nicht zu kurz, sondern hat eine angenehme Länge (und mich wird man wohl eh kaum schreiben lesen, dass ein Spiel zu kurz wäre), ABER es wirkt doch in der ein oder anderen Hinsicht irgendwie unfertig. Als wären da Ideen drin, die eher der Start von etwas sind als das eigentliche Spiel. Als würde man in bestimmten Mechaniken nie über das Intro hinauskommen.
Einige Beispiele:
Das Level-System ist so minimal-existent, wie es nur sein kann. Es gibt drei Werte und eigentlich keinen Grund, sie nicht nur durch das Hot Pot-Essen zu steigern. Das steigert nämlich alle drei auf einmal und spart damit eine Menge Zeit, die eine wichtige Ressource ist. Geld ist auch eine Ressource, aber eine, die im Überfluss vorhanden ist, wenn man sich nicht dagegen sträubt.
Das Kaffee-Craften ist cool, aber kommt auch echt wenig vor. Mehr hiervon wäre schon irgendwie interessanter. Man tut das eigentlich nur, wenn Charaktere in Quests etwas trinken wollen. Sobald man als Zeitvertreib den Coffeeshop-Betrieb wählt (was man eigentlich selten tut, weil andere Sachen mehr Benefits haben), wird der Zeitslot einfach übersprungen und es passiert rein gar nichts. Warum an der Stelle kein Cozy Coffee-Minigame stattfindet, ist mir ein Rätsel.
Das Haupt-Gameplay-Ding, die Reverse Tower-Defense-Kämpfe gegen Dämonen, funktioniert super. Allerdings spielen sich die meisten Kämpfe auch gleich. Es kommen nach und nach zusätzliche Mechaniken hinzu, die aber auch nicht so viel mit dem Prinzip anstellen. Es ist nicht so, dass da was fehlt, weil das Spiel ja auch wirklich nicht lang ist, aber auch hier wäre zumindest viel mehr möglich.
Das alles tut dem Spielspaß und der Faszination aber keinen Abbruch.
Also bestelle ich 7,5 von 10 Americanos.