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  1. #1
    Freut mich, dass die Sentinels angeschlagen haben!

    Zitat Zitat
    Am besten ist das Spiel für mich zu Beginn der letzten 3-4 Stunden (der Story, wohlgemerkt). Dann, wenn die einzelnen Geschichten in ihrem jeweiligen Höhepunkt kulminieren, die Charaktere zu ihren Sentinels finden und durch das durchweg hervorragende Writing auch die Gelegenheit bekommen, noch mal zusammenzufassen, wofür sie stehen, was ihnen wichtig ist und/oder worum es bei ihnen eigentlich ging.
    Da gebe ich dir total recht! Ich habe auch mehrmals überlegt, ob das Spiel ohne ein Wählen von Charaktersträngen etc. noch besser gewesen wäre, weil man dann punktgenauer auf Pacing und sowas hätte setzen können. … Bin aber letztendlich zu dem Schluss gekommen, dass nein, wäre es wahrscheinlich nicht. Ich nehme lieber dreimal etwas WILD ambitioniert-komplexes als etwas, das einfach nur funktioniert.

    Über den Exocolonist hatte ich übrigens auch nachgedacht, es dann letztlich aber (prioritätsgeleitet ^^) gelassen. Danke für den Eindruck!

  2. #2
    Heute komme ich mal wieder mit einem Doppelpack um die Ecke.

    Dreamy Planet

    Story?

    Haruka und Shiina sind Kindheitsfreundinnen und treffen sich kurz vor der 30 wieder. Sie wagen einen Trip nach Dreamy Planet, einen inzwischen stillgelegten Vergnügungspark, an dessen aktive Zeiten sie schöne Erinnerungen haben. Doch schon bald wird klar, dass zwischen den beiden unausgesprochene Worte liegen und vor allem Haruka nicht wirklich befreit in das Treffen geht…

    Das Spiel

    Ich fasse mich kurz. Dreamy Planet ist eine Yuri-Kinetic Novel. Sie ist/war für mich deswegen interessant, weil sie wieder mal von der guten ebi-hime geschrieben wurde, meiner Lieblings-VN-Autorin in spé.

    Wie war es denn nun?

    Aufgrund der genannten Autorin waren die Erwartungen zumindest erst mal gesetzt. Und das Writing hat mich auch von Beginn an wieder überzeugt. Ich weiß nicht genau, was es ist. Aber ebi macht das einfach irgendwie auf eine Art, die mich total kriegt.

    Doch da war bald auch viel Skepsis. Denn Haruka und Shiina haben anfangs irgendwie nicht so richtig Chemie, reden aneinander vorbei und nehmen einander teils auch gar nicht voll ernst. Zumindest kann das so wirken. Sie sind jeweils interessant, funktionieren zusammen aber nicht gut. Dass das durchaus in einer Weise beabsichtigt ist und meine Skepsis unangebracht ist, fiel mir erst mit der Zeit auf. Denn Haruka hat Probleme. Mit ihrem Leben und ihrem zukünftigen Mann, vor allem aber mit sich selbst. Zu Beginn dachte ich noch: Wow, das ist aber echt ein bisschen zu viel Introspektion. Doch immer mehr macht das auf Basis von Harukas Selbstbild total Sinn und ich beginne zu verstehen. Auch, wie dieses Selbstbild dann mit der Romanze zu Shiina verbunden wird, ist gut. Nie der ganz große Wurf wie bei Lynne, wo der Selbsthass und der Stress mir viel drastischer und körperlicher deutlich gemacht wurden, aber dennoch gut.



    Mehr als gut ist die NSFW-Szene der beiden. Weil auch die gekonnt, mit einer guten Balance aus besagter Introspektion, Gefühlen und Körperlichkeit geschrieben ist und ebi einfach weiß, was sie tut. Ich bin wirklich froh, dass ich für die Steam-Version in weiser Voraussicht den 18+-Patch geladen habe, weil ich die entsprechenden Szenen in anderen VN für die Erotik zwar nicht brauche, aber gleichzeitig schon öfter darauf gestoßen bin, dass das „Einfach rausschneiden ohne Ersatz“-Prinzip, nach dem bei Steam da vorgegangen wird, doch etwas von der Gesamterfahrung nimmt.

    Dreamy Planet ermöglicht mir, eine Wertung vorzunehmen, die dieses Jahr noch nicht vorkam. Und das, obwohl sie eigentlich eine recht übliche Wertung für gute, aber nicht krasse Spiele bei mir ist: 7 von 10 Tassenkarussells.


    *****


    Das zweite Spiel, das ich mitgebracht habe, ist ein GANZ anderes Kaliber…


    Finding Paradise

    Story?

    Dr. Eva Rosalene und Dr. Neil Watts, ihres Zeichens Angestellte der Sigmund Corp., ziehen wieder aus, um einem sterbenden Mann per Erinnerungsreise und -manipulation seine Regrets zu nehmen. Sie kommen dafür in die Altersresidenz von Colin Reeds, mit dessen konkreten Wünschen es sich aber etwas schwieriger gestaltet als bei ihren früheren Assignments.

    Das Spiel

    Finding Paradise ist der Nachfolger von To the Moon (und A Bird Story) und funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Es handelt sich um ein RPG Maker-Adventure, bei dem man die meiste Zeit mit einer der beiden Protagonist:innen durch die Welt läuft und Point of Interests anklickt, um Memory Links zu finden, mit denen man per sogenannten Mementos – besonders zentralen Fragmenten der Erinnerung des Patienten – in eine andere Erinnerungszeit reisen kann. Beim Aktivieren dieser Mementos gibt es kleine Puzzles zu lösen, die aber nicht überfordern dürften. Und noch dazu hat sich Finding Paradise im Spielverlauf auch ein paar weitere kleine Gameplay-Einwürfe überlegt.

    Wie war es denn nun?

    Warum ist Finding Paradise jetzt ein ganz anderes Kaliber?

    Weil es nichts ist, was ich mal eben so habe spielen können. To the Moon hat mich seiner Zeit in eine kleine Sinnkrise gestürzt und mich gut ein halbes Jahr mental ziemlich beschäftigt. Das lag sicher auch zum Teil daran, dass ich zu dem Zeitpunkt in wirklich keiner besonders guten Verfassung war, ABER auch nicht nur. Das Thema hat es in sich. Der Tod, das Sterben, Reue und Versäumnisse – all das sind Konzepte und Gedanken, mit denen ich mich allgemein schwer tue, aus abstrakten wie auch sehr konkreten Gründen.

    Mir war immer klar, dass ich auch Finding Paradise spielen will. Aber eben auch, dass ich davor doch ziemlich viel Angst habe. Weil ich mental inzwischen zwar viel, viel gesünder bin, aber doch nicht ganz vergessen habe, wie sehr mich der Vorgänger überfahren hat. Zwischendurch habe ich irgendwann auch mal das zumindest für sich stehend nicht so schlimme, weil anders gelagerte A Bird Story gemeistert, doch auch das hat mir nicht den Mut geschenkt, es zu probieren. Und heute war dann einfach der Wille da, mich meinen Ängsten zu stellen und endlich diesen Knopf zu drücken. *cue in beliebigen motivierenden Anime-OST*



    Schon früh im Spiel war dann klar: Ja, auch Finding Paradise trifft mich an meiner Schwachstelle. Nicht mehr auf eine Weise, die ich wie damals befürchten muss, aber doch hart. Es ist toll geschrieben und zieht einen langsam in Colins Dilemma, legt dabei auch einige falsche Fährten, hat aber ein super Pacing und setzt an den richtigen Stellen früh emotionalere Punkte, die dann auch gekonnt mit gutem Comic Relief-Banter abgewechselt werden. Stets genug, um nicht konstant die Tränendrüsen offen zu halten, aber nicht zu viel. Dabei sei auch noch mal das Setup gelobt:

    Dass Finding Paradise einerseits (natürlich) sehr persönlich mit Colin umgeht, die Geschichte aber nicht wirklich aus seiner Perspektive erzählt, sondern durch die Augen von Eva und Neil folgen lässt, ist eine nicht zu unterschätzende Nuance. Eben weil sie gleichermaßen die berufliche Distanz, für die eher Eva steht, als auch die Tendenz der Empathie und Identifizierung eines Neils ermöglichen.

    Für mich war die erwähnte Distanz dabei ein besonders wichtiger Faktor. Denn ich war, wie eine bekannte Pop-Punk-Band meiner Jugend sagen würde, bald „in too deep“. Dabei hat es nicht gerade geholfen, dass das Spiel mich auf eine (falsche) Fährte geführt hat, die mir das aber auch noch mehr ermöglichte. Ich hatte bald das Gefühl, dass Finding Paradise sehr bewusst und gezielt zu gerade mir spricht. Einerseits hatte ich davor große Angst, doch gleichzeitig habe ich mich auch nach der Katharsis gesehnt, die das ganze mir verspricht.

    Als es diesen Umstand dann aber auflöst und als roten Herring entlarvt, habe ich mich erst beraubt gefühlt. Darum, dass da gerade ein Stück weit eine persönliche, weil „meine“, Geschichte erzählt wird und es dann doch in eine andere Richtung geht. Doch Colins Realität hat mich erneut eingeholt. Weil die endgültige Offenbarung seiner Wirklichkeit einerseits gar nicht so weit von dem entfernt ist, was ich als meine Geschichte begriffen habe und andererseits auch auf eine ganz andere Art einen Nerv von mir trifft. Und der dritte, letzte und physischste aller Nerven ist letztlich natürlich getroffen, wenn ich dann auch noch Laura Shigiharas Stimme höre.

    Vor ein paar Jahren hätte ich Finding Paradise ab einem bestimmten Punkt sicher nicht weiter spielen können. Oder zumindest nicht sollen. Heute hat es mir zwar reichlich Heulkopfschmerzen bereitet und mich auch traurig gemacht, aber mir gleichzeitig auch noch mehr gegeben. Es wird mich noch eine ganze Weile begleiten – und ich bin mir sicher, dass es das dieses mal auf eine bessere, gesündere Weise tun wird als sein Vorgänger. Und gerade weil es sich so persönlich anfühlt und nicht nur weil ich in einer besseren Verfassung bin, finde ich Finding Paradise auch NOCH stärker als To the Moon.

    Wie stark ich es insgesamt letztendlich finde, ist eine andere Frage, mit der ich gerade struggle. Eine Frage, an die man natürlich immer wieder stößt, wenn man an Zahlenbewertungssystemen festhalten will. Auch wenn ich mir sicher bin, dass ein starker Eindruck bleiben wird, weiß ich natürlich noch nicht, ob er auch mit verstreichender Zeit so gut bleibt wie er jetzt gerade ist. Aber ich kann in diesem Moment eben auch nur von diesem Momenteindruck Gebrauch machen und der ist ein ganz, ganz, ganz herausragender und persönlicher.

    Finding Paradise verdient sich fürs Erste vorsichtige, aber auch echte 9,5 von 10 dem Wind trotzenden Papierfliegern.

    (Das ärgert mich eigentlich, weil ich schon fest davon ausgegangen bin, dass meine GOTY-Liste richtig spannend wird und ich zwischen den ganzen 9 out of 10-Titeln wählen darf. Aber welp, die Erfahrung war es wert.)
    Geändert von MeTa (26.11.2024 um 23:22 Uhr)

  3. #3
    Danke auf jeden Fall für Deine sehr persönliche Schilderung zu Finding Paradise, das war interessant zu lesen - auch wenn man natürlich, ohne Deine Situation zu kennen, eher nur abstrakt vermuten kann, was von der Geschichte besonders gesessen hat. Ich muss zugeben, dass ich nach dem Durchspielen eher etwas ernüchtet von dem Spiel war. Wobei mir dann beim darüber Nachdenken immer mehr positive Sachen aufgefallen sind und diese Geschichte, dass ein Mensch auf seinen letzten Tagen einfach einen alten Freund wiedersehen will, ist schon unglaublich stark.
    Ich würde sagen, Finding Paradise hat bei mir eher im Nachhinein gezündet, während To the Moon ein direkterer Gutpunch war. Hat sich auch dadurch bemerkt gemacht, dass ich beim Ending eher noch ein wenig zwiegespalten war, was ich davon halten soll, dass er seine imaginäre Freundin noch mal wiedersehen wollte und es nun getan hat. Das ist natürlich eine recht flache Sichtweise und je länger ich drüber nachgedacht habe, umso mehr war klar was das eigentlich aussagen will. Auch das Ending hat mich danach bei erneutem Anschauen doch noch mal heftig getroffen (und ja, da blieben die Augen auch nicht trocken).

    Als Kritikpunkt sehe ich aber hier trotzdem - im Vergleich zu To the Moon - dass die absurden Comic Relief Einlagen es doch etwas zu sehr übertrieben haben. Das sind auch die Elemente, die ich eher ausblenden muss, damit sie keinen Schatten auf Collins Story werfen. Generell bin ich bei der Reihe eher ein Fan von den persönlichen Geschichten und nicht so vom Technobabble, auch wenn man sich da durchaus einige Gedanken gemacht hat.

  4. #4
    Zitat Zitat von Sylverthas Beitrag anzeigen
    Als Kritikpunkt sehe ich aber hier trotzdem - im Vergleich zu To the Moon - dass die absurden Comic Relief Einlagen es doch etwas zu sehr übertrieben haben. Das sind auch die Elemente, die ich eher ausblenden muss, damit sie keinen Schatten auf Collins Story werfen. Generell bin ich bei der Reihe eher ein Fan von den persönlichen Geschichten und nicht so vom Technobabble, auch wenn man sich da durchaus einige Gedanken gemacht hat.
    Spannend. Ich fand sie hier wirklich gar nicht störend und immer sehr geschmackvoll in den Erzählflow eingewoben. Was auch gar nicht selbstverständlich ist, weil ich normalerweise viel häufiger meine Probleme mit Comic Relief-Elementen habe. Liegt aber vielleicht auch wirklich daran, dass ich hier ganz besonders auf sie angewiesen war und eh so tief mitgefühlt habe und "drin" war, dass mich nichts dergleichen hätte raus holen können. Ich stimme aber zu, dass mich der Rest auch nicht so sehr interessiert hat, inklusive Technobabble. Auch die ganze Geschichte um den Konzern, Neils gestohlene Maschine und was da im Hintergrund noch so läuft. Ich habe ja noch etwas aus der Serie vor mir und werde dieses Statement womöglich zurückziehen müssen, wenn ich da dann lerne, warum das wichtig ist. :x

    *****

    Es geht dann aber auch direkt weiter mit dem Thema: Spiele, vor denen ich Angst hatte. Auch wenn die Angst hier wahrlich eine andere ist.

    AI: THE SOMNIUM FILES – nirvanA Initiative

    Story?

    Ryuki und Mizuki werden als Mitglieder von ABIS vor einen neuen Fall gestellt, der Japan schockt. Die sogenannten Half Body Killings, in denen an verschiedenen Orten halbe Leichen auftauchen, die anscheinend auf molekularem Level vertikal in der Mitte durchgeschnitten worden sind. Bizarre Webvideos tauchen auf, die kryptische Nachrichten enthalten. Schnell stellt sich heraus: Die HB Killings scheinen eng mit Naix, einer Geheimorganisation, die an die Simulationsthese glaubt, verwoben zu sein. Über eine Zeitspannen von sechs Jahren hinweg forschen die beiden nach der Wahrheit.

    Das Spiel

    nirvanA Initiative unterscheidet sich in seiner Art nicht extrem von seiner Vorgängerin. Es ist ein Visual Novel, bricht das Klicken und Lesen aber oft genug auf. An Tatorten, beim Befragen von Zeug:innen oder beim abschweifenden Investigieren kann man per Cursormenü verschiedenste mal zielführende, mal alberne Fragen stellen, Verstecktes aufdecken oder sonstwie Erkenntnisse gewinnen. Das tut man dieses mal an der Seite von mehr als einem Protagonisten. Neben den detektivischen und laberreichen Passagen verfügt das Spiel über einige spezielle Passagen. Dazu gehören:

    1. Action-Sequenzen, die sich in ihrer Ausgestaltung schon etwas von denen aus dem ersten Teil unterscheiden. Sie sind zahlreicher und vor allem Quick Time Event-iger, bestehen meistens aus mal mehr und mal weniger absurden Prügeleien und weniger aus (ebenfalls absurden) Shootouts, bei denen ballistische Bedingungen von der im Auge sitzenden AI perfekt berechnet werden.

    2. Somniums, in denen man in die „Träume“ verschiedenster Charaktere eindringt, um dort Geheimnisse aufzudecken, die in ihrem (Unter-)Bewusstsein versteckt sind. Die können absurd werden, erfordern die Interaktion mit verschiedensten Objekten im Setting des jeweiligen Somniums und sind hier auch einfacher und mehr straightforward als im ersten Teil.

    3. Reenactment-Passagen, die tatsächlich neu sind. Sie sind gameplaytechnisch aber auch nicht extrem speziell. In ihnen rekreiert der jeweilige Charakter mit der jeweiligen AI-Begleiterin das Geschehen an Tatorten oder anderen Plätzen von Bedeutung, um aus den Umgebungsspuren eine Geschichte zu kreieren.




    Wie war es denn nun?

    Der Grund dafür, dass nirvanA Initiative mir Angst gemacht hat und ich bis vor einiger Zeit sogar überlegt habe, ob ich es überhaupt jemals spielen soll? Ich liebe AI: The Somnium Files. Und wie es eben so ist, mit Spielen die man liebt: Sequels sind immer etwas Schwieriges. Ich bin allgemein jemand, der eine gute Geschichte gerne beendet weiß. Das gilt und galt insbesondere auch hier.

    Weil AI: TSF ein sehr spezielles Spiel ist und in seiner Besonderheit auch von seiner Einzigartigkeit lebt. Es ist absurd, grotesk, lustig, regt zum Kopfschütteln an, hat seine weirden, peinlichen Momente und Momente, die so weird und peinlich sind, dass sie überhaupt nicht mehr weird und peinlich sind, sondern stattdessen ganz fantastisch. Es hat den besten Epilog der Videospielgeschichte und Charaktere, die trotz aller Absurdität des Spiels, teils unheimlich liebenswert und auch bodenständig sind.

    Dabei hat es nicht geholfen, dass ich von vornherein wusste, dass Mizuki eine zentrale Rolle spielen wird, als eine von mehreren Protagonist:innen. Mizuki ist ein wundervoller Charakter und die Route, die in AI:TSF ihr Verhältnis mit Date erkundet, für mich klar das emotionale Highlight des Spiels. Auch wenn diese Route nicht das True/Canon Ending des ersten Teils ist, gehört es doch irgendwie dazu und auch das True Ending ist ja ziemlich famos. Ich mag den Status Quo, den das Spiel erreicht hat und hätte nicht mehr gebraucht…

    Aber die Neugier hat eben doch zugeschlagen. Oder das Vertrauen in Uchikoshi oder, oder, oder. Jedenfalls habe ich nun also nirvanA Initiative gespielt. Und nach gut 5 Stunden Spielzeit war mir klar: Mein Review steht eigentlich schon. Hier mein Fazit nach eben dieser Zeit:

    Das ist nicht mehr mein AI. Weil es zum Teil auch zu sehr mein/sein/dein/ihr AI sein will. Halb-alberne Musikstücke mit eigenwilligen Tänzen, mehr als im Vorgänger? Check! Die Obvious-Innuendo-Quote, an der noch mal mehr geschraubt wurde, so dass es wirklich weh tut und schrecklich nervt? Check! Einen Cast an Charakteren, von denen man einen Teil bereits kennt und einen Teil nicht, während es aber natürlich mehr um die Neuen geht, die gleichzeitig nicht so interessant wie die Alten sind? Check! Langweiligere Somniums mit weniger absurden Traumlogik-Mechanismen? Check! Noch dazu wirkt alles ein bisschen billiger. Die Optik, der Sound, das Writing – ich weiß nicht. Auch der neue Protagonist ist seltsam. Weil er einerseits total langweilig ist und andererseits random absurd. Gleichzeitig eine bleiche Erscheinung, andererseits zusammen mit seiner AI der Haupgrund warum alles noch viel pseudosexueller ist. Argh!

    Meine Review stand also schon. Und ich war erheblich erleichtert. Meine Angst war besiegt. AI: The Somnium Files – nirvanA Initiative ist tatsächlich schlecht. Nicht so schlecht, dass es eine Qual wäre, es bis zum Ende weiter zu spielen, ABER schlecht genug, dass ich konstatieren kann: Dieses Spiel ist für mich kein Sequel, das existiert. Ich kann es einfach ignorieren.

    Ja. Und dann habe ich weiter gespielt. Und mit jeder Stunde, die vergeht, wird es besser. Die Highlight-Passage vor der Häflte des Spiels, d.h. vor dem Charakterwechsel, hat es stimmungsmäßig richtig in sich. Einige Somniums sind richtig cool (Mames Quizshow, Iris' Pokemon-Mockup, Gens Kochduell). Dann flaut es kurz ab und die Angst kehrt zurück, denn jetzt kommt Mizuki und ich will nicht, dass Mizuki versaut wird. Aber… wird sie nicht. Mizuki ist cool. Ein geschundener, nachvollziehbarer, aber auch unheimlich empathischer Badass. Und auch der Fall bleibt spannend und die Schicksale der neuen Charaktere beginnen mich mehr und mehr zu interessieren. Sie rühren mich, belustigen mich und lassen mich dann auch wieder mitwippen, wenn zum x-ten mal eine Reiteration eines Liedes gespielt wird, das irgendwie schlecht, aber irgendwie halt auch so gut ist.

    Das ist alles unheimlich faszinierend. Nicht nur, weil ich das Spiel wirklich schon vollkommen abgeschrieben hatte – und aus Erfahrung weiß, dass es unheimlich schwer ist, mich noch zu begeistern, wenn ich das tue -, sondern weil das bei AI: TSF ja AUCH schon der Fall war. AI 1 hat mich nie SO genervt wie es nirvanA Intiative zu Beginn tat und hatte für mich auch höhere Höhen, aber es hat mich eindeutig auch erst mit der Zeit so erobert wie es das getan hat. Mich förmlich weichgeklopft, teils mit Herz, teils mit Repetition. Und das beherrscht wirklich auch die Nachfolgerin, wenn nicht ganz auf dem gleichen Niveau.

    An der Stelle möchte ich erwähnen, dass gegen Ende des Spiels ein paar Auflösungen und Twists absurd sind – und das in dem Fall nicht in einem guten Maße. Ich schlucke wirklich viel, aber da hat mich das ein oder andere doch mit dem Kopf schütteln lassen. Anderes funktioniert wieder besser und ohnehin interessiert mich das ja nicht so. Wie in meinen Reviews mit Sicherheit wiederholt erwähnt, geht es mir mehr um die Schicksale der Charaktere und ihre Geschichten. In der Hinsicht ist es gut, dass AIs Twists oft charakterbezogen sind, aber weniger gut, dass sie manchmal nicht wirklich mit den Charakteren zu tun haben, sondern mehr auf der Ebene von „X ist eigentlich verwandt mit Y“ ablaufen. Das überstrapaziert nirvanA Initiative etwas. Aber die Reihe ist vermutlich auch die einzige der Welt, die absurde, seltsame Kopfschüttel-Twists irgendwie trotzdem wieder mit dem Charme voller Überzeugung besprenkeln kann. Und es sei auch gesagt, dass es auch einige ganz hervorragende Offenbarungen gibt. Zu denen zählt auch das Secret Ending und was genau das vermitteln möchte. Und yay, wer ist bitte kein Fan von genretypischer, bedeutungsschwerer Pseudowissenschaft?

    AI: THE SOMNIUM FILES – nirvanA Initiative ist reichlich irritierend und ähnlich begeisternd, auf eine wieder mal verquere Art. Ich fühle mich fast ein bisschen outplayed. Als hätte das Spiel meine Erwartungen gekannt, sie erfüllt und mir erst all das gegeben, was ich befürchtet habe, um mich dann doch wieder zu packen. Wild.

    Dafür verdient es sich 9 von 10 (ehemals 8,5 von 10) Schmetterlingsträume.
    Geändert von MeTa (19.12.2024 um 20:38 Uhr)

  5. #5
    Zitat Zitat
    AI: THE SOMNIUM FILES – nirvanA Initiative ist reichlich irritierend und ähnlich begeisternd, auf eine wieder mal verquere Art. Ich fühle mich fast ein bisschen outplayed. Als hätte das Spiel meine Erwartungen gekannt, sie erfüllt und mir erst all das gegeben, was ich befürchtet habe, um mich dann doch wieder zu packen. Wild.
    Lustigerweise hat dein Post einen ähnlichen Effekt! Ich habe nur das Fazit gelesen, weil das erste Spiel für mich SEHR davon profitiert hat, möglichst wenig zu wissen ... und durch das Wissen, dass dieses hier auch wieder irgendwo unerwartete Dinge tu dürfte, habe ich abermals mehr Bock drauf!


    Ein klassisches Rollenspiel, reduziert auf den Zauber des alten Genres: Wortgewaltige Sprache. Fordernde Kämpfe. Drei, die einen Drachen töten – und was sie dazu führen mag ...
    Jetzt für 2€ auf Steam, werft mal einen Blick drauf! =D

  6. #6
    Affogato

    Story?

    Die titelgebende Affogato ist eine Witch – eine menschliche Person, die durch einen Pakt mit einem Dämon übernatürliche Kräfte erlangt hat. Die rotmagentahaarige Hexe zieht nun in die belebte Columbia Street, um dort an der Seite ihrer Dämonenfreundin Mephista einen Coffeeshop aufzumachen und den von dämonischer Besessenheit geplagten Bewohner:innen der Stadt zu helfen.

    Das Spiel

    Durch Affogato (den Charakter) lernt man im Verlaufe der kleinen Geschichte verschiedene Schicksale kennen, die im Visual Novel-Stil erkundet werden. Nebenbei lässt sich die Columbia Street zu verschiedenen Tageszeiten erkunden. Man kann hier Läden besuchen, um Werte zu steigern (die den Zugang zu Nebenquests ermöglichen), wichtige NPCs ansprechen oder mit der Witch Vision auf Dämonensuche gehen, um die geplagten Seelen in Reverse-Tower Defense-Minigames von ihrer Besessenheit zu heilen.



    Auch in der Hauptstory und den Nebenquests ist dieses Spiel der Weg zum Erfolg. Darin setzt man per Tarotkarten Einheiten mit verschiedenen Werten und Eigenschaften auf eine Bahn und kann an Kreuzungen die Richtung bestimmen, die die Figuren gehen. Auch die Feinde haben verschiedene Eigenschaften. Dazu gibt es bestimmte Regeln, Stretch Goals und auch weitere Mechaniken, die nach und nach eingeführt werden.

    Als Abwechslung zu diesem konzentrationsfordernden Gameplay dienen die Quatsch-Episoden des Spiels, in denen man für die Charaktere als Barista gerne auch mal eine Kaffee-Kreation zaubern darf. Das funktioniert ähnlich wie in vielen Cozy-Games, in dem man (hier ohne Zeitdruck) eine bestimmte Handlungsabfolge an den verschiedenen Gerätschaften vornimmt.

    Wie war es denn nun?

    Affogato ist ein wirklich sehr schönes und sympathisches Spiel. Die Hauptstory ist nichts Besonderes, aber sowohl Affogato selbst als auch viele der NPCs sind durchaus likeable. Man wird in den Dialogen oft Zeuge von einem angenehmen Humor und der Spielflow klappt durch die kürzere Spieldauer und die Abwechslung aus Kaffeezubereitung, Quatschen, Erkunden und Tower Attacken hervorragend.

    Sehr gefallen hat mir auch die Themen, die so untergebracht wurden. Die NPCs, denen Affogato sich im Verlauf der Story so hat widmen müssen, haben allesamt irgendwelche Probleme, die dazu führen, dass sie sich überhaupt an einen Dämon gewendet haben, um diese zu lösen. Während das Ausnutzen der Notsituation durch dämonische Mächte also ein Teil des ganzen ist, sind die zu Grunde liegenden Probleme ein anderer. Und die haben fast immer irgendwas mit ökonomischen Zwängen zu tun, die nicht von irgendwelchen Personen kommen, sondern einfach da sind. Angesichts dessen, dass Kapitalismuskritik in den meisten populären Medien – und auch Games – oft nicht strukturell angegangen wird, ist das wirklich erfrischend. Auch wenn das Spiel sich nicht ganz offen und explizit positioniert: Das ganze schwingt eher im Subtext mit. Und so ist das auch gut.

    Das Design des Spiels ist ebenfalls ziemlich hübsch. Die Columbia Street und andere Locations, die sich aufsuchen lassen, sind allesamt schick designt, auch das Innere des Coffee Shops sieht – je nachdem welches Layout man aussucht – sehr schick aus und die Charaktere existieren jeweils in niedlichen Chibi-Varianten und am Rande der Dialogfenster in ebenfalls ansehnlichen und kreativen Zeichnungen.



    Ganz frei von Kritik soll dieses Review aber auch nicht sein. Zwei Punkte gäbe es, die ich anmerken würde.

    Erstens bin ich, das habe ich bestimmt auch schon mal irgendwo geschrieben, wirklich kein Taktiker. Nicht dass ich es nicht könnte, aber in aller Regel will ich nicht. Ich will mich nicht lange mit den Mechaniken auseinandersetzen, mir keine ausführlichen Gedanken über Stärken und Schwächen der Einheiten machen und mehr. Ein erweitertes Grundverständnis bringe ich mit und das muss dann auch reichen. So spiele ich einfach und nur wenige Spiele haben es geschafft, mich diese Comfort Zone verlassen zu… lassen. Affogato ist keines davon und das kann ich dem Spiel auch nicht vorwerfen. Dafür, dass es aber verschiedene Schwierigkeitsgrade anbietet und ich den niedrigsten gewählt habe, fande ich es an ein paar wenigen Stellen aber dann doch schon ziemlich knackig und auch dementsprechend frustrierend. Ich kritisiere konkret nicht, dass Affogato schwer ist – das ist eine legitime Entscheidung -, sondern dass der Schwierigkeitsgrad „Easy“ mir wie ein leichter Etikettenschwindel vorkam. Oder ich war wirklich schwer von Begriff. Anyway, das ist nur ein sehr kleiner Punkt.

    Zweitens: Affogato hat ja durchaus einen Mix an verschiedenen Dingen, die es einen machen lässt und das funktioniert soweit auch alles. Es ist auch nicht zu kurz, sondern hat eine angenehme Länge (und mich wird man wohl eh kaum schreiben lesen, dass ein Spiel zu kurz wäre), ABER es wirkt doch in der ein oder anderen Hinsicht irgendwie unfertig. Als wären da Ideen drin, die eher der Start von etwas sind als das eigentliche Spiel. Als würde man in bestimmten Mechaniken nie über das Intro hinauskommen.

    Einige Beispiele:

    Das Level-System ist so minimal-existent, wie es nur sein kann. Es gibt drei Werte und eigentlich keinen Grund, sie nicht nur durch das Hot Pot-Essen zu steigern. Das steigert nämlich alle drei auf einmal und spart damit eine Menge Zeit, die eine wichtige Ressource ist. Geld ist auch eine Ressource, aber eine, die im Überfluss vorhanden ist, wenn man sich nicht dagegen sträubt.

    Das Kaffee-Craften ist cool, aber kommt auch echt wenig vor. Mehr hiervon wäre schon irgendwie interessanter. Man tut das eigentlich nur, wenn Charaktere in Quests etwas trinken wollen. Sobald man als Zeitvertreib den Coffeeshop-Betrieb wählt (was man eigentlich selten tut, weil andere Sachen mehr Benefits haben), wird der Zeitslot einfach übersprungen und es passiert rein gar nichts. Warum an der Stelle kein Cozy Coffee-Minigame stattfindet, ist mir ein Rätsel.

    Das Haupt-Gameplay-Ding, die Reverse Tower-Defense-Kämpfe gegen Dämonen, funktioniert super. Allerdings spielen sich die meisten Kämpfe auch gleich. Es kommen nach und nach zusätzliche Mechaniken hinzu, die aber auch nicht so viel mit dem Prinzip anstellen. Es ist nicht so, dass da was fehlt, weil das Spiel ja auch wirklich nicht lang ist, aber auch hier wäre zumindest viel mehr möglich.

    Das alles tut dem Spielspaß und der Faszination aber keinen Abbruch.

    Also bestelle ich 7,5 von 10 Americanos.

  7. #7
    Ich finds total spannend, wie bei Affogato die Meinungen auseinander gehen, gerade was das "Kampfsystem" angeht. Es ist halt schon etwas spezieller und ja, ich kann mir auch ein paar Szenarien vorstellen, die auch auf Easy nicht absolut trivial sind.

    Als ichs damals gespielt habe war ich ja schon geflashed, wie *viel* Gameplay das Spiel tatsächlich hat. Bin da mit der Einstellung rangegangen, dass das halt ne Visual Novel ist, und das Gameplay eher zweitranging. Witzigerweise kam Klunky genau von der anderen Perspektive an das Spiel ran, und fand, dass das Gameplay nicht ausgefuchst genug ist. Da merkt man auch einfach, wie sehr die Erwartungshaltung den Eindruck beeinflusst!

    Die Reverse Tower Defense Schlachten sind schon ein Kernelement, was viel genutzt wird. Dass es nicht so viel mit dem Prinzip anstellt, da weiß ich nicht, ob da der Schwierigkeitsgrad nicht schon was beeinflusst. Ich fand schon, dass gerade die Wasserlevel sich schon sehr anders gespielt haben. Die Bombenlevel hingegen, da kann ich irgendwie zustimmen - die waren doch recht ähnlich und in den meisten Fällen musste man nur nen Weg finden, die Bombe so spät wie möglich aufzusammeln. Fand aber die letzten Level dann ganz cool, wenn man nicht alle zur Verfügung hatte.
    Und ja, ich denke auch, dass es schön wäre, wenn das Team noch einen Teil davon machen würde - weil das Gameplay definitiv noch nicht ausgekostet ist, da geht sicher mehr. Ähnlich siehts auch bei den anderen Sachen aus, die Du ebenfalls ansprichst, wie Kaffee zubereiten (ist halt ein netter Change of Pace, mehr nicht) oder das Zeit Management.

    Letztendlich mochte ich Affogato, Mephista und alle die anderen Charaktere einfach supergerne und hab gerne Zeit hier verbracht. Zeigt auch sehr gut, dass ein Spiel nicht in allen Kategorien spitze sein muss, um trotzdem nen Eindruck zu hinterlassen und erinnerungswürdig zu sein.

  8. #8
    Zitat Zitat von Sylverthas Beitrag anzeigen
    Letztendlich mochte ich Affogato, Mephista und alle die anderen Charaktere einfach supergerne und hab gerne Zeit hier verbracht. Zeigt auch sehr gut, dass ein Spiel nicht in allen Kategorien spitze sein muss, um trotzdem nen Eindruck zu hinterlassen und erinnerungswürdig zu sein.
    Absolut. Und wieder ein Beispiel dafür, dass kreative Spiele, die irgendwie einen eigenen kreativen Geist atmen und dafür nicht perfekt ausbalanciert sind, doch oft einen besseren Eindruck hinterlassen als rundere Spiele, die sich aber zu konventionell anfühlen.

    *****

    Neo Cab

    Story?

    Lina erreicht in der Nacht das große Los Ojos, um ihre beste Freundin Savy wieder zu sehen. Nebenbei sammelt sie als Neo Cab-Driverin Kund:innen auf, um sich finanziell über Wasser zu halten. Doch nicht bloß läuft das Wiedersehen mit Savy anders als geplant, auch Capra – der Großkonzern, der große Teile der Infrastruktur Los Ojos‘ fest im Griff hält – stellt eine konstante Bedrohung da. Für Linas Freiheit, Linas Sicherheit, Linas Job. Es gilt, das Mysterium um Savy zu lüften. Doch es gilt auch, Capra mit allen Mitteln Einhalt zu gebieten.

    Das Spiel

    Neo Cab ist ein Visual Novel mit etwas anderer Oberfläche.



    Die meiste Zeit sitzt man hinter dem Steuer von Linas Neo Cab, sieht sie, aber auch die Fahrgäste und kann den Dialogen folgen, die geführt werden – und sie durch zahlreiche Auswahloptionen beeinflussen.

    Darüber hinaus spielt man in Neo Cab eben auch eine Uber-Fahrerin im futuristischen Setting. Man kann sich mehrmals pro Nacht auf einer digitalen Map potenzielle Fahrgäste auswählen, um diese von A nach B zu bringen und spannende Gespräche zu führen. Einerseits lernt man dabei mehr über die verschiedensten, teils kuriosen Individuen von Los Ojos. Einen Fotografen, der versehentlich in die Rebellion gegen Capra stolpert. Eine Statistikerin, die aus Leidenschaft in alternative Realitäten abdriftet. Eine Teenagerin, die die meiste Zeit ihrer bisherigen Jugend in einem Keuschheitsanzug aus Metall verbracht hat, weil ihre Mutter das so wollte. Andererseits kämpft man um das eigene ökonomische Wohl und sein neo Cab-Rating, muss diesen Leuten also auch gefallen, um nicht aus dem Business auszuscheiden.

    Dabei folgt das Spiel einem Emotionssystem. Ein Spektrum, auf dem farblich codiert zu jeder Zeit angezeigt wird, wie es Lina geht, verändert sich wenn sie eine bestimmte Emotion durchlebt und bestimmt auch darüber, welche Antwortmöglichkeiten überhaupt anwählbar sind. Ist Lina wütend, kann sie in speziellen Situationen nicht beruhigend oder einfühlsam reagieren. Ist sie deprimiert, fehlt ihr die Energie, um mit Leidenschaft und Feuer auf etwas zu reagieren.

    Wie war es denn nun?

    Neo Cab hat eine kleine Weile gebraucht, um mich in seinen Bann zu ziehen. Dann jedoch kann es wirklich faszinierend sein. Das Worldbuilding funktioniert unglaublich gut. Obwohl – oder vielleicht gerade weil – man das Neo Cab eigentlich nie verlässt, Lina neu in Los Ojos ist und nur über ihre Fahrgäste – „Pax“ genannt – von der Stadt und ihren Hintergründen erfährt. Das ist spannend – auch weil sich die Informationsdichte durchaus davon abhängig macht, wen man mitnimmt und wie man mit den Personen interagiert.

    Will man etwas mehr erfahren, muss man vielleicht auch bestimmte Knöpfe bei den Passagieren drücken. Doch das wiederum könnte das Rating negativ beeinflussen und zukünftige Fahrten schwer zugänglich machen. Ich habe es selten über mich gebracht, nicht nett zu den Leuten zu sein (es sei denn, sie haben es verdient) und hatte dementsprechend meistens ein fabelhaftes Rating, vielleicht aber auch nicht so viele Informationen, wie ich am Ende hätte benötigen können.

    An sich ist das cool und der Uber-Simulator, mit all den kuriosen Figuren, die man mitnimmt und die so eine cyberpunkige Großstadt zu bieten hat, funktioniert. Einiges daran hat für mich aber auch gar nicht funktioniert.

    Konsequenzen: An jeder Ecke und jedem Ende erwarten Konsequenzen des eigenen Handelns. Ich verstehe, dass das aus Spielsicht Sinn macht und spannend ist. Es kann aber auch reichlich frustrierend sein, wenn aus den kleinsten Dingen – und das bei ALLEM – noch ein Strick gefertigt wird. Und nicht nur das. Das eigentliche Problem ist nicht mal der Frust. Viel mehr stört mich daran die schicksalsökonomische Weltsicht. Alles muss einen Vor- und einen Nachteil haben, für etwas Gutes bezahlt man immer mit etwas Schlechtem. Das ist ein tief sitzendes Narrativ und – wie gesagt – vor dem Hintergrund von Fictional Game Design auch nachvollziehbar, aber weder sonderlich kreativ, geschickt, noch meine ideologische Tasse Tee.

    Ähnliches gilt auch für das Emotionssystem, gerade in der Verbindung mit den Konsequenzen. Es lässt sich sehr schwer beeinflussen, wie die Emotionen sich entwickeln. Weil vieles von außen auf Lina einprasselt und sie dann eine bestimmte Stimmung einnehmen lässt – bis diese sich durch etwas anderes eben wieder ändert. Das Spiel schickt den Disclaimer voraus, dass keine Option wirklich schlecht ist. Aber so fühlt es sich dann doch nicht an. Ständig sind Optionen nicht anwählbar und es heißt sowas wie „I was too angry to reason with them!“ oder so. Das ist, abermals, frustrierend und gefällt mir auch weltanschaulich nicht. Hinter diesem Gameplay-Einfall steckt ein Affektdeterminismus, den ich problematisch finde. „Du bist deinen Emotionen vollends ausgeliefert und kannst sie nicht überwinden.“

    In ungefähr diesem Zeichen steht auch das Finale des Spiels – zumindest war es im meinen Durchlauf das Finale. Und während ich bis dahin eigentlich recht positiv gestimmt war, hat es mich dann doch auch etwas verloren. Die hitzige Diskussion mit Savy ist so seltsam formularisch und erzeugt einen ganz komischen Loop. Noch dazu ist Savy eine ganz, ganz schlimme, toxische Person. Das SOLL sie auch sein, aber genau deswegen verstehe ich nicht, warum mir an ihr und dem Klären MIT ihr irgendetwas liegen soll. Vielleicht ist das für Leute, die sich und ihnen bekannte Mechanismen in toxischen Beziehungen darin irgendwie wiedererkennen. Aber für mich ist es nichts. Ich finde es auch undurchsichtig, was am Ende zu dem Ergebnis geführt hat, das daraus resultierte. Und das hat meine Faszination gen Ende schon deutlich gedämmt.

    Nichtsdestotrotz werde ich Neo Cab wohl noch mal einen zweiten Anlauf gönnen, um in den möglichen Genuss eines weiteren, vielleicht ja glücklicheren Spielverlaufs zu kommen. Bis dahin drückt sich die finale Ernüchterung aber auch in meiner Bewertung aus.

    Ich vergebe 6,5 von 10 Fahrerinnen, die vielleicht Roboter sind.

  9. #9
    Und weil das ja nun gerade im Trend ist und das Jahr sich zügig dem Ende neigt, möchte auch ich meinen Thread offiziell ab- und mit meiner persönlichen Game of the Year-Liste beschließen.

    Ich habe in diesem Jahr 40 vollwertige Spiele (durch)gespielt. (39 davon sind in diesem Thread zu finden. Das Puzzlespieljuewel ‚Miss Neko‘ war mir hingegen keine Erwähnung wert)

    Das ist ein persönlicher Rekord und macht mich sehr stolz. UND froh, denn unter den 40 Spielen waren gleich einige, die mir richtig, richtig gut gefallen haben. Es war also, trotzt einiger Spiele, die mir reichlich missfallen haben, auch ein echt hochwertiges Spielejahr.

    Nicht zu vergessen ist darüber hinaus, dass ich über diese Reihe an Spielen hinaus ja auch mit anderem digitalen Gut beschäftigt war. Ich habe mehrere Playthroughs Hollow Knight gespielt und sowohl mit dem ritterlichen Käfer als auch bei und mit Celeste alle Steam-Achievements geholt. Ich habe in Hades weitere Runs gemacht und Achievements geholt, sporadisch und wie es mein Handgelenk erlaubte zwischendurch intensive Zeit mit Valorant verbracht, natürlich unzählige Stunden der Liebe und Leidenschaft in meine große Liebe Genshin Impact gesteckt und zum Ende des Jahres hin auch noch die ein oder andere ausgiebige Session im Genshin-verwandten Infinity Nikki verbracht. Ich tracke (leider) keine Spielzeit, aber kann sagen, dass ich allein durch Genshin äußerst umtriebig war und meine insgesamte Spielzeit sich mit Sicherheit auf eine vierstellige Summe beläuft.

    ABER in diesem Thread geht es nun mal vorrangig um Ersterfahrungen mit Spielen. Und weil das so ist, will ich mich diesen auch widmen. Ein wenig Platz muss vor den Games of the Year aber noch sein.

    Without further ado fangen wir also mit meinen Honorable Mentions an.
    Ohne großes Trara werde ich an dieser Stelle, semi-abhängig von meiner Wertung die Spiele nennen, die ich entweder gerne in die erlesene Top 10 aufgenommen oder die trotz einer weiteren Entfernung von eben jener trotzdem irgendetwas in und an mir bewegt haben.

    Dazu zähle ich LISA, weil es sehr speziell, sehr hart und sehr kompromisslos war. In Sachen Kompromisslosigkeit hat es, gerade was Entscheidungen angeht, sogar neue Maßstäbe für mich gesetzt, auch wenn die aufgrund der Präsentation nicht ganz so stark einschlagen konnten wie in anderen Spielen.

    Auch PARANORMASIGHT: The Seven Mysteries of Honjo muss Erwähnung finden. Es ist mir leider nicht sonderlich gut in Erinnerung geblieben, doch an sich hat hier eigentlich alles gestimmt. Präsentation, Atmosphäre und die coole, stimmungsvolle Einbindung der verschiedenen, folkloristisch anmutenden Legenden hat echt gewirkt. Aus dem Genre sticht es für mich nicht heraus, zeigt aber dennoch so ziemlich alle Stärken auf.

    Start;again funktioniert noch ein bisschen besser und bleibt auch eher in Erinnerung. Gleichzeitig will es aber auch nicht ganz so viel, ist – für mich - emotionaler, aber auch in jeder Hinsicht kleiner und einfacher. Ganz in die Top Ten hat es sich aufgrund der starken Konkurrenz nicht bringen können, aber ich muss echt noch mal herausstellen, dass es in den letzten Jahren auch GOTY-Listen gab, die Start;again eventuell hätte anführen können.

    Doki Doki Literature Club + wird zu einer Honorable Mention. Es ist eben zu großen Teilen ein mir sehr bekanntes und sehr nahes Spiel. Und obwohl die Zusatzepisoden fantastisch sind und als zusätzlicher Content auch in meinen Top 10 stehen könnten, sind sie emotional eben auch sehr an das Hauptspiel gebunden. Deswegen, und weil ich einfach gerne einen Platz mehr in der runden Top 10 frei haben will, wird DDLC Plus nur hier genannt.

    Und zu guter Letzt: Disco Elysium ist das Spiel, das am knappsten an meiner Top Ten vorbeigeschrammt ist. Und Gott, habe ich dafür eigentlich verdient, dass man mich wüst als Gaming-Pleb beschimpft. Denn Disco Elysium ist natürlich ein wirklich, wirklich fantastisches Spiel und hätte jeden ersten Platz verdient. Aber das Genre ist eben überhaupt nicht meins und umso mehr hat DE eigentlich Awards verdient, dass es mich überhaupt SO abholen und begeistern konnte.

    Und damit komme ich zu meinen GOTY.





















    Und damit schließe ich dieses Jahr ab. Das nächste wird wohl nicht ganz so spielereich wie dieses – zumindest ahne ich voraus, dass mir etwas weniger Zeit zur Verfügung stehen wird. Doch ich bin motiviert, am Ball zu bleiben und auch eine weitere Challenge zu starten. Vielleicht kommt da ja dann die nächsten Tage noch mehr dazu.

    Vielen Dank für all die stillen Mitleser und die Aktiven. Insbesondere Sylverthas, dessen Perspektive meine Erfahrungsberichte immer richtig, richtig wertvoll bereichert hat. Aber auch Kael für die Organisation des übergeordneten Challenge-Konzepts (auch wenn ich dem J-RPG-Geiste wenig entspreche). Und eben an alle, die das zu einer schönen, interaktiven Erfahrung machen. Ihr wisst ja wer ihr seid!
    Geändert von MeTa (22.12.2024 um 14:48 Uhr)

  10. #10
    Irgendwie während der Feiertage den Thread komplett übersehen. Erstmal Glückwunsch zu so viele erfolgreichen Titeln!

    Und danke, dass Du mich dran erinnerst, dass Nirvana Initiative immer noch halb durchgespielt auf Steam liegt *g*
    Ich fands echt gut (aber, wie Du auch, Teil 1 doch noch n Stück besser), aber irgendwie kam dann wieder was anderes Glitzerndes und dann wars aus dem Sinn
    Und yay, one more Omori in der Top 10

    I Was A Teenage Exocolonist war ich kurz davor, es auf meine Wishlist zu nehmen, bis ich dann "Deckbuilder" gelesen hab, dann wars aus xD

    Aber hey, immerhin habens ja 3 JRPGs in die Top 10 geschafft

    Btw. weil Du auch Deine Scores gut auflistest, hier der Vergleich zu ein paar anderen Teilnehmern (auch wenn sich Deine Vergleichseinheit ja von Review zu Review ändert ):




  11. #11
    Oooh, ich bin offenbar leicht zu begeistern oder zumindest zufrieden zu stellen. xD
    Ist ja super, danke für die grafische Veranschauung!

  12. #12
    Hui, sehr interessant, das alles so im Vergleich zu sehen. Ich muss wohl echt mehr schlechte Spiele spielen Und mehr sehr gute!
    Danke fürs Zusammenstellen!


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