I Was a Teenage Exocolonist

Story?

An Bord eines Raumschiffs geboren, erreicht Sol im Alter von 10 Jahren das Ziel: Ein fremder Planet, auf dem ein Haufen an Flüchtenden von der kriegsgeplagten Erde Schutz suchen. Hier entsteht eine neue Kolonie. In den kommenden zehn Jahren werden die Herausforderungen zahlreich sein. Sol muss sich den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens stellen, aber auch den speziellen Bedingungen des neuen Planeten; der unbekannten Flora, Fauna und den politischen Entscheidungen der Älteren.

Das Spiel

Im Wesentlichen ist I Was a Teenage Exocolonist eine Lebenssimulation. Nachdem man sich anhand einiger Presets seine:n Sol erstellt, wacht man bald im Medbay des frisch gegründeten Settlements auf. Die Monate vergehen und jeden Monat kann Sol sich einer von mehreren Aufgaben widmen, die den verschiedenen Stationen der Siedlung entsprechen; der Anbau von Nahrung in den Geoponics, dem Lernen von notwendigstem Wissen im Engineering Bay, dem Sport im Garrison oder der Verwaltung im Command Centre.

Die zwölf Skills, die in die Unterkategorien Social, Intellectual und Strength aufgeteilt sind, steigen entsprechend der gewählten Aufgaben. Das gibt Sol nicht nur bald ein Profil, sondern auch die Möglichkeit(en), in entsprechenden Situationen auf Basis eines weit genug gesteigerten Skills angemessen zu reagieren, aber auch, sich besonders gut mit einer Person aus seiner Freundesgruppe zu verstehen – anderere Kinder, die auf der langen Reise zur neuen Heimat zur Welt kamen und ihre ganz eigenen Bedürfnisse, Werte und Eigenschaften haben. Denn ja; wie es sich für eine gute Life Sim gehört, gibt es natürlich auch Freundschaften, die vertieft und verändert werden und aus denen sich auch Romanzen entwickeln können.

Man kriegt viel zu lesen, denn jedes Event und jede Entscheidung kommt nicht nur mit harten Zahlen, sondern auch mit einer Menge Fluff. Neben Skills, bringen Sol gemachte Erfahrungen außerdem Karten ein. Denn I Was a Teenage Exocolonist ist außerdem ein Deckbuilding-Game. Die Karten, die man zu bestimmten Events bekommt heißen zu Beginn „Crawling“, „Learning to Walk“ und Co. und spiegeln entsprechende Momente im Leben Sols wieder. Man kann sie mit der Zeit vergessen, um Platz für neue Erfahrungen zu machen und sollte das auch tun. Denn Karten mit hohen Ziffern sind von Vorteil, wenn nicht nur Skills, sondern eben auch Erfolg in den Kartenspielproben über das Gelingen einer Sache entscheidet.



Nach und nach schalten sich im Spiel mehr Möglichkeiten frei. Mehr Dinge, die es zu tun gäbe. Selbst lehren, den Planeten erkunden, immer mehr über die Charaktere und die Spielwelt erfahren, mit immer mehr unabwendbaren Entwicklungen konfrontiert werden…

Wie war es denn nun?

I Was a Teenage Exocolonist funktioniert auf allen Ebenen ziemlich gut. Weil es sehr genau weiß, was es will und weil es das auch toll umsetzt. Die Mischung aus individuell gestaltbarer Coming of Age-Geschichte, süchtigmachendem Lifesim-Loop mit Romance-Options und Deckbuilding-Game geht wirklich auf.

Man fühlt mit Sol und den anderen Teenagern mit, deren Leben in der Exokolonie kein Einfaches ist. Denn während die Themen des Aufwachsens und der Kolonisierung eines fremden Planeten (mit aller Brutalität, die zum kolonialen Prozess so gehört) zwei ganz eigene sind und sich manchmal vielleicht sogar ein bisschen im Weg stehen, kommen sie in einer Hinsicht doch gut zusammen: Erwachsene kreieren Sphären, die für junge Menschen vermeintlich geeignet und ungeeignet sind. Und mehr und mehr bemerken die jungen Menschen das. Zwischen „die sind zu jung, um x zu tun“ und „irgendwann müssen sie anfangen, y zu machen, wenn sie zu unserer frisch entstanden Gesellschaft mit all ihren Problemen etwas beitragen wollen“ entsteht ein sehr gut auf das Setting adaptiertes Spannungsfeld. Nicht zuletzt ist die Frage nach Loyalität (zu Erwachsenen bzw. der Kolonie als solchen) oder Rebellion im Inneren des Charakteres ein zentrales, auch durch einen entsprechenden Pegel dargestelltes Thema im Spiel.

Auch funktioniert das alles aber, weil die Charaktere – allen voran die Freunde Sols – wirklich gut geschrieben und sehr divers sind. Ich habe früh meine Wahl getroffen, an wem Sol interessiert ist und bin davon auch nicht abgerückt, doch hatte durchaus häufiger das Bedürfnis, mich auch auf andere einzulassen, weil mir gleich mehrere Figuren auf ihre jeweilige Art sehr gefallen haben. Zum Glück gibt es dafür ja die Möglichkeit eines Replays, für das sich das Konzept natürlich hervorragend anbietet.

Weil ich ein Nitpicker bin, möchte ich aber auch ein bisschen Kritik üben.

1. Ich habe zwar gesagt, dass so ziemlich alles gut geschrieben ist und sehr viel zulässt. Das stimmt auch. Gerade wenn ein Spiel so viele Freiheiten lässt, ist es aber besonders spannend, zu sehen, wo genau es das eben nicht tut. In dieser Hinsicht sind mir ein paar Details sauer aufgestoßen. Immer dann, wenn ich das Gefühl hatte, dass das Spiel doch eine etwas zu genaue Vorstellung davon haben will, was Teenagersein generell eigentlich sein und bedeuten soll. Vielleicht sehe ich das zu streng und auf irgendeine Art muss sich ein Spiel mit so vielen Texten ja auch beschränken, aber mir kam es eben gelegentlich doch einen kleinen Hauch zu voreingenommen vor. WEITAUS weniger voreingenommen als wohl 98% aller anderen Spiele, aber gerade weil es offensichtlich der Anspruch von IwaTE ist, das nicht zu sein, ist mein Maßstab auch ein anderer.

2. Ich habe es bereits angeteast. Die Mischung an Genres ist eigentlich superspannend und findet manchmal auch gut zusammen. Manchmal aber auch nicht. Im exokolonialen Setting kommt es früher oder später zu Spannungen, die der Coming of Age-Geschichte etwas ihren eigenen Drive nehmen, sie hier und da überlagern und eigentlich interessanten, gut beobachteten Momenten den Raum nehmen. Es gibt ein Maß an externer Eskalation, das der Introspektive irgendwie entgegensteht. Und oft auch ein bisschen zu sehr mit dem Holz- oder Stahlhammer verkauft werden.

Dazu kommen Aspekte, die ich selbst gar nicht so gut einschätzen kann, wo ich aber zumindest eine Grundskepsis habe. Die – meiner Einschätzung nach – eigentlich hervorragende Unterbringung von nonbinären Geschlechtsidentitäten wird hier eben auch mit Sci-Fi-Themes vermengt. So gibt es einen Trans-Charakter im Freundeskreis Sols (im Übrigen mein Love Interest), die – durch entsprechend versciencefictionisierte technologische Möglichkeiten - bereits bei Ankunft auf dem Planeten eine vollständige Transition durchgemacht hat und sich im Laufe der Zeit doch erneut unwohl mit ihrem Körper fühlen wird. Nicht, weil ihr das Geschlecht nicht passen würde, sondern weil sie überhaupt nicht gerne auf einen menschlichen Körper reduziert ist. Wie gesagt – ich kann überhaupt nicht einschätzen, ob das irgendwas trifft oder doch weird ist. Es ist mir nur aufgefallen und eher in die zweite Kategorie gefallen, weil ich teils auch aus akademischen Gründen Trans-/Posthumanismus nicht so pralle finde und das hier eindeutig impliziert und eben mit der Körperdysphorie vermengt wurde.

3. Die Länge des Spiels ist ein kleines Problem. Einerseits gut, sich für all das viel Zeit zu lassen. Immerhin spielen sich zehn Jahre nicht im Rausch weg, vor allem wenn man jung ist. Doch ich habe elf Stunden gebraucht und bin nicht bekannt für meine langsame Les- und Spielweise. Das ist für ein Spiel, dass sehr wohl und sehr deutlich häufig gereplayt werden möchte, reichlich lang und die Längen machen sich hier und da auch bemerkbar. Nicht schlimm, aber doch etwas.

Damit habe ich aber auch genug gemeckert und mein leichtes Mitteilungsbedürfnis befriedigt. I Was a Teenage Exocolonist ist wirklich ein tolles Spiel, geht an sich auch toll mit Representation um und sieht auch ziemlich schick und cute aus. Ich habe den zweiten Playthrough schon gestartet und bin gespannt, was ich an Sol und allem/n anderen noch Neues entdecken werde.

Dafür vergebe ich stolze 8 von 10 süße, gnubbelige Tierwesen, die man als Pet halten kann und die man natürlich „Kaia“ nennen muss.