Ich denke und finde auch, das steht und fällt mit dem Writing. Das Problem vieler Visual Novels dieser Art ist, dass sie darauf geschrieben sind, einzelne Routen darzustellen, aber trotzdem erfordern oder wollen, dass man mehrere spielt. Positive Beispiele (wie eben von dir genannt Spike Chunsoft Games) wissen um letzteren Umstand und schreiben sich auch genau darauf, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden oder die Repitition zum Teil der Geschichte zu machen. Ich mag das Konzept von vielen Routen und einem True oder Hidden Ending eigentlich, aber ein Spiel sollte sich im besten Falle eben auch darauf verstehen, das Erleben dann nicht zu einem Skipfest zu machen.
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In other news:
Spiritfarer (Farewell Edition)
Story?
Man übernimmt die Kontrolle über Stella, die anfangs nicht näher beleuchtete Protagonistin, die den Job des griechischen Unterweltfährmann Charon erbt. Mit einem Schiff, das weit mehr ist als ein kleines Fährboot, reist man über die See und zu verschiedensten Inseln, um ruhelose Spirits einzuladen, noch ein bisschen Zeit auf besagtem Fährhotel zu verbringen, bis die letzte Reise zur sogenannten Everdoor ansteht.
Das Spiel
‚Spiritfarer‘ ist ein narratives Spiel. Aber auch ein sogenanntes Cozy-Game. Cozy soll daran das Management-Prinzip sein. Stella ist Herrin des Bootes. Sie umsorgt ihre Gäste mit Lebensmitteln, Umarmungen und all dem, was auch immer sie sich sonst so wünschen. Dafür muss sie Samen anpflanzen, fischen, kochen, Sternschnuppen fangen, Landgänge auf Inseln machen, Botengänge machen, neue Häuser auf das Boot bauen, Erze zu Metallen gießen, Metalle in der Schmiede verarbeiten, aus Holz Planken machen, Hühner für Eier umsorgen, Käse reifen lassen, Blitze einfangen, fischen, kochen, Erze zu Metallen gießen, Botengänge machen, Schafe scheren, Kühe melken, Blitze einfangen, fischen, kochen, Sternschnuppen fangen, fisch… und viel mehr. Belohnt wird man dafür gelegentlich mit Dialogen, die Licht auf die Vergangenheit und/oder Gefühlswelt der Gäste werfen. Wenn die Spirits lange Zeit auf dem Schiff verbracht hat und alle ihre Quests erfüllt sind, begleitet man sie auf dem Weg zur Everdoor, um dort mit einer letzten Umarmung Abschied zu nehmen.
Wie war es denn nun?
Ich bin und war ehrlich gesagt ein bisschen sauer und habe das in der vergangenen Woche auch häufig meckernder Weise kund getan.
Ja, mir war bewusst, dass Spiritfarer ein "cozy game" ist - auch wenn ich mich frage, was an dem Grind, bei dem ständig irgendetwas zu tun ist, cozy sein soll. Denn mich hat es total gestresst. Aber das soll nicht mal mein Punkt sein. Trotz vermeintlicher Cozyness, Management-Gameplay und der Länge des Spiels habe ich mir trotzdem keinen akkuraten Begriff davon gemacht, wie viel Zeit ich mit dem ganzen Kram verbringen werde und wie belanglos er sich anfühlt. Nichts ist gameplaytechnisch anspruchsvoll. Und das muss und soll es auch nicht sein. Aber ich MUSS ja trotzdem sehr viel davon machen. Denn um Spirit X zufrieden zu stellen, brauche ich dieses und jenes Essen. Und dafür brauche ich zwei Zutaten. Die eine ist auf dieser einen Insel. Die andere... auf der anderen. Aber da komme ich noch nicht hin, weil dafür brauche ich erst mal eine Schiffserweiterung, für die ich wiederum das eine Material brauche, das ich aber erst kriege, wenn ich die Questline des anderen Spirits weit genug vorangetrieben habe. Alles daran ist Arbeit. Und zwar immergleiche Arbeit. Dass man mit der Zeit mühselig Materialien und Geld anspart, um das Schiff schneller von A nach B fahren zu lassen, macht das ganze nur geringfügig besser. Ich habe Spiritfarer bewusst nicht mit Guide gespielt, weil ich das zu oft mache und Angst habe, dass es eine tolle Spielerfahrung beeinträchtigt. Aber hier wünschte ich mir im Nachhinein doch, dass ich es getan hätte, um zu wissen, wo ich was herkriege, damit dieses Fegefeuer an Spiele-Loop wenigstens etwas kürzer wäre. Denn meine ca. 38 Stunden Spielzeit sind ja so schon nicht wenig, haben sich aber nach noch viel mehr angefühlt.
Okay, es ist also nicht mein Spiel, nicht mein Gameplay. Objektiv ist daran gar nichts schlecht. Und mit einem anderen Mindset findet man das ganze vielleicht sogar wirklich cozy. Schön und gut. Enttäuscht sein, abhaken, nächstes Spiel, könnte man meinen. Also warum bin ich sauer?
Weil ich das Gefühl habe, so viel zu verpassen. Die Charakterdesigns sind herzallerliebst und durchdacht. Die Monologe und Hintergründe der Spirits ergreifend und abwechslungsreich, die Themen könnten tief nachdenklich stimmen und werfen verschiedenste Blicke und Perspektiven auf das Thema des Sterbens, was mir sehr viel geben und mich sehr tief berühren könnte. Und ja - in manchen der seltenen Momente, in denen man einen dieser Spirits zur Everdoor bringt und ein letztes Mal mit ihm spricht, bin ich für einen Moment zu Tränen gerührt gewesen. Aber eben nur kurz und nur wegen des pointierten, fantastischen Writings. Und kurz danach ist alles vergessen. Die Gedanken, die die von mir gehende Figur gerade geteilt hat und die mich zum Nachdenken anregen könnten, tun das nicht. Weil ich mit ihr - über diesen Moment hinaus - auch gar nicht so richtig connecten konnte. Weil sie Bittsteller:in war und ich mich arbeitsam durch die Questline geschaufelt habe. Ich habe für diesen Charakter so viel grindiges Management betrieben, dass ich gefühlt dazu gezwungen werde, ihn als Questgeber in einem langweiligen Spiel wahrzunehmen. Nicht als die tolle, vielschichtige Person als die sie geschrieben wurde. Ich habe vielleicht 2 Stunden mit den Charakteren und ihren Geschichten verbracht. Und 36 damit, ihre Wünsche zu erfüllen. Die zwar in ihrer Geschichte verankert sind, aber deren Umsetzung mich dennoch nur davon ablenkt.
Es tut mir Leid. Für mich. Für das Spiel. Für die tollen Writer. Aber so bleibt Spiritfarer für mich 1.000 Seemeilen hinter seinem großen erzählerischen Potenzial. Cozy Shmozy!
Dafür bekommt das Spiel 4 von 10 tumorhaft aus dem Kopf eines Seedrachen wuchernde Erze.
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Als würde Spiritfarer mir aufzeigen wollen, wie wenig es und ich zueinander passen: Es passt auch zu keinem meiner Achievements. Ich hatte mir irgendwann mal vorgenommen, alle Achievements zu holen, aber der Grind hat mich dann doch davon abgebracht. Das ist aber auch gar nicht schlimm. Immerhin habe ich ein gutes Tempo drauf und bin zuversichtlich, dass ich in Bälde wieder echten Progress in Sachen Challenge mache.