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Ritter
Nach einer echt fast zweimonatigen Thread-Pause, in der ich viel Genshin, Valorant und League of Legends gespielt habe, melde ich mich zurück. Mit gleich zwei Spielen, wobei eines davon eigentlich kein Review verdient hat und ich mich dementsprechend kurz halte:
Tropical Liquor
Erwartet habe ich eine Alternative zu HuniePop, einem wirklich coolen Spiel. Bekommen habe ich deutlich weniger. Statt des Puzzle-Gameplays gab es im Wesentlichen ein leicht verändertes Memory. Statt interessanten Charakteren wurde nach dem Überlegen eines gängigen Anime-Tropes einfach aufgehört. Das Spiel ist weniger hübsch, weniger gut vertont und in jeder Hinsicht geschmackloser als sein Vorbild. Ich habe ursprünglich eigentlich alle Achievements holen wollen, damit es mir wenigstens in meiner Challenge hilft – aber auch das war mir dann doch zu viel Aufwand in einem Spiel, das so wenig bietet.
3,5 von 10 alkoholgeschwängerte Abende sind dafür alles, was ich geben kann.
*****
Das zweite Spiel auf meiner Liste, das ich gestern Abend beendet habe, ist dafür ein echter Brocken. Es ist keine kleine Herasuforderung, dafür ein Review zu schreiben. Aber hey, ich habe in den letzten Tagen Zeit mit einem Tanz-Minigame des Grauens verbracht, also werde ich das auch geschaukelt bekommen.
Yakuza 0
Story?
Ende der 1980er. Das Schicksal von Kiryu und Majima ist eng mit den Yakuza verbunden. In der Unterwelt und den Unterhaltungsvierteln von Tokio und Osaka fristen die beiden ein anstrengendes Dasein. Der eine von Yakuza-Größen in Sotenbori gefangen gehalten, der andere gefangen in einer Verschwörung, in der ihm ein Mord angehängt wird, den er nicht begangen hat. Während die beiden durch ihre Städte streifen, Probleme lösen und Geld scheffeln, dringen sie allmählich immer tiefer zum gefährlichen Kern der Wahrheit vor. Und alles nur wegen dem Empty Lot, einem kleinen augenscheinlich unbedeutenden Hinterhof, der doch von großer Wichtigkeit für die Yakuza ist.
Das Spiel
Was für ein Spiel ist Yakuza 0 nicht? Das wichtigste Gameplay-Element sind wohl die Kämpfe. In kleinen, an die Oberwelt angepassten Arenen hauen Majima und Kiryu ihren Feinden auf die Fresse. Dafür lassen sich die Umgebung und ihre unterschiedlichen Gegenstände gebrauchen. Auch Waffen können mitgebracht werden, um das Kampfgeschehen zu beeinflussen. Mit der Zeit werden beide Protagonisten ihre Fähigkeiten verbessern, neue Specials und Combos freischalten, um sich noch besser verteidigen zu können.
Darüber hinaus ist Yakuza 0 aber noch so viel mehr. Man erkundet, je nach Charakter, eine von zwei Städten, in denen es Zahlreiches zu tun gibt. Man kann Dart oder Pool spielen, sich mit Mahjong herumärgern, am Tanzen verzweifeln, wundervolle Karaokesongs singen (oder Damen beim Singen unterstützen, in dem man unmusikalisch dazwischen schreit), in Telefonclubs mit Damen konversieren, um mit denen dann ein Date zu haben oder Telefonkarten von Frauen sammeln, deren luftballonlastige Live-Action-Videos man in kleinen Erotikschuppen auch anschauen kann. Auch ein größer angelegtes Real Estate- und ein Cabaret-Club-Managementspiel (inklusive Dress-Up-Komponente) sind Teil von Yakuza. All das ist meist verpackt in mal mehr, mal weniger gut designte Minispiele. Dann gibt es unzöhlige Nebenquests und dann sind 15 Stunden rum, in denen man sich nicht ein mal mit der Main Story befasst hat…

Wie war es denn nun?
Wo fang ich an und wo hör‘ ich auf?
Ich verstehe Yakuzas krasses Standing schon nach meinem ersten Serieneintrag. Es will viel und es macht auch viel. Zu viel, könnte man sagen. Denn ich, für meinen Teil, tue mich schwer damit, Spielcontent links liegen zu lassen, wenn es ihn gibt. Ich will erleben, was das Spiel anbietet – auch wenn es dafür eigentlich stundenlang nicht weitergeht. In Yakuza bin ich dabei nicht nur mit zahlreichen Substories und Minigames beschäftigt. Sondern auch mit Grinding. Mit dem x-tausendsten Besiegen eines Mr. Shakedowns, um genug Kohle zu haben, um zu leveln. Nicht dass leveln nötig wäre. Denn die schwierigsten Kämpfe sind gegen Mr. Shakedown. Für die Hauptstory braucht man überhaupt nicht stark sein – zumindest nicht auf den niedrigeren Schwierigkeitsgraden. Das ganze ist also irgendwie ein Gameplay-Perpetuum-Mobile. Lange Zeit habe ich mir in den Kopf gesetzt, eventuell mehr zu completen – vielleicht sogar alles. Yakuza 0 passt in keine meiner anderen Kategorien, also alle Achievements vielleicht? Das ist natürlich ein absurdes Unterfangen. Auch wenn ich weit gekommen bin, wäre dafür immerhin mindestens noch ein Playthrough nötig und – nein! Ich hatte viel Spaß und viel Frust und wünsche mir fast, ich hätte früher die Entscheidung getroffen, nicht alles (oder fast alles) machen zu wollen. Dann wäre mir dieser Zwangsneurosen-Loop erspart geblieben, der mich anleitet, das eine noch machen zu müssen, was dann wieder mehrere Stunden kostet. Naja…
Ein großer Posten ist das schon. Und in Anbetracht der Spielzeit auch ein angemessen großer. Aber trotzdem ich kein Freund von langen Spielen – und vor allem Spielverlängerungsspiralen – bin, kann ich darüber hinwegsehen, wenn die Story, die Atmosphäre und alles weitere stimmen.
Und die Atmosphäre stimmt sowas von. Kamurocho und Sotenbori sind lebhafte, blinkende, schöne und gleichzeitig fürchterliche Schauplätze. Ohne dass ich große Ahnung von der entsprechenden Kultur hätte, hat es sich für mich immer authentisch angefühlt. Zumindest in dem Maß, in dem es sich authentisch anfühlen soll. Die Illusion eines Zeitgeistes der späten Achtziger in japanischen Entertainment- und Schmuddelvierteln jedenfalls war voll da. Und auch wenn das alles für meinen Geschmack vielleicht etwas zu romantisiert dargestellt ist, fand‘ ich es trotzdemm cool.
Unentschlossener bin ich da, was die Protagonisten angeht. Ich mag Kiryu und Majima, aber ich schiebe das fast auf die Inszenierung und emotionale Manipulation. Denn eigentlich finde ich sie nicht mal besonders gut geschrieben. Sie sind ein bisschen sowas wie eierlegende Wollmilchsäue. Auf der einen Seite coole, edgy Antihelden, die sich gegen etablierte Ordnung stellen, brutal und krass kämpfen können. Auf der anderen Seite haben sie aber starke moralische Prinzipien. Laut ihnen ihre eigenen, aber eigentlich ist das nicht wirklich wahr. Sie sind auch Helden, strahlende Figuren, die den Drangsalierten zu Hilfe eilen und den konservativen Status Quo nie so wirklich gefährden. Das ist eine gefährliche Mischung, die mich alles in allem sehr gestört hat. Den Yakuza 0 wie auch seine beiden Protagonisten haben fast einen Rockstar-Appeal. Unangepasst, verrückt und eigenwillig. Aber letzten Endes sind sie alle sehr konservativ. Moralische Urteile beziehen sich immer auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und sind hochgradig anachronistisch. Es wird viel nach oben, doch auch eine Menge nach unten getreten.
Die Story hat wirkliche Glanzmomente. In den besten Augenblicken fühlt man sich wie ein Spielball einer riesengroßen Verschwörung. Gerade in der Mitte der Hauptstory und vor allem in Majimas Storyline gibt es echte Highlights, die auch durchaus unterschiedlich sind. Angefangen bei einem ruhigen Gespräch mit einem unsympathischen Boss an einem Takoyaki-Stand, bei dem er einen Auftrag an Majima heranträgt. Bishin zu der folgenschweren Explosion eines Vans. Das ist superspannend und wäre es bestimmt noch mehr, wenn zwischen den einzelnen Storymissionen nicht semi-selbstverschuldete Stunden liegen würden. Aber sorry, ich muss meine Girls im Club Sunshine ja auf Vordermann bringen.
Allerdings ist das nicht immer so. Mindestens lowkey spannend ist der Plot zu jeder Zeit, aber ich lasse mich nicht immer gleichermaßen mitreißen. Nachdem ich schon in Substories zum x-ten Mal gehört habe, wie im dramatischen Background eines NPCs seine Eltern, Geschwister, Freunde oder sonstwas gestorben sind und ihn das auf die schiefe Bahn geführt hat, geht das zuletzt in der Hauptstory weiter. Tell, don’t show. Alle Leute erzählen mir mit gebrochener Stimme von dramatischen Erfahrungen. Die liegen immer in Schicksalsschlägen in der persönlichen Biografie, nie in den eigentlich augenscheinlichen strukturellen Problemen der Spielwelt. Noch dazu erzählen mir böse alte Männer in Anzügen Weisheiten, an die ich dann auch glauben soll. Sie kriegen nahezu alle Redemption-Stories und dürfen teils sogar noch heldenhafte Momente haben und irgendwie ihren Willen verwirklichen.
Und wer darf das nicht? Frauen! Es ist schon albern, wie wenig Agenda Yakuza 0 seinen weiblichen Figuren gibt. Kiryu und Majima bestätigen ständig das schlimme, schlimme Frauenbild ihrer Welt. Sie selbst sind gut zu Frauen – also wenn gut heißt, dafür zu sorgen, dass ihnen möglichst kein Schaden zukommt. Eigene Entscheidungen zu treffen, die dann auch ernst genommen werden, ist aber ein anderes Ding. Frauen sind Opfer, Damsels in Distress, die von den einen benutzt und von den anderen gerettet werden. Selbst als das Spiel seine wichtigste weibliche Figur endlich mal explizit einen Wunsch aussprechen lässt und Majima kurz davor ist, ihn zu erfüllen, kommt ein wichtiger Yakuza im weißen Anzug und sagt: „Nene, das machen wir jetzt mal nicht, weil das ist ja EIGENTLICH nicht gut für sie. Ich weiß das, weil ich bin ein Mann!“
Das ganze ist frustrierend. Und hat dafür gesorgt, dass ich im Lategame – wo ich endlich nicht mehr viel an Sidequests zu erledigen hatte – zunehmend zynischer umgegangen bin. Noch eine plötzliche Offenbarung. Noch ein Typ, der viel reden und Weisheiten loswerden darf, obwohl er schlimm ist. Noch ein Patriarch, der behauptet, er hätte bis dahin einfach alles genau so geplant wie es durch viel Chaos und eigentlich unberechenbare Umstände gekommen ist. Noch mal Kuze, der zum fünften Mal auf die Fresse kriegt.
Ich schreibe mich in Rage. Das alles macht Yakuza 0 nicht wirklich zu einem schlechten Spiel. Es stört mich nur so gewaltig, weil sich das Spiel eigentlich auf eine Weise aufbaut, die so viel mehr sein könnte. Es ist so nah dran, kluge Erkenntnisse zu produzieren. Aber läuft dann immer krachend gegen die Wand und schreit „SO GEHT DAS!!!“ Es sieht alles toll aus, die Präsentation ist großartig, auch Musik und Lokalisierung stechen positiv heraus. Und ich hatte zeitweise großen Spaß und sehe extrem viel Potenzial. Aber ich kann und will dem Spiel auch nicht verzeihen, wie misyogyn und nervig es ist. (Und LOL, passt beim Telefonclub auf. Wenn ihr nicht richtig hinhört, habt ihr statt einem Date mit einer hübschen Frau vielleicht eines mit einem MANN, der sich als Frau verkleidet. Und solche Leute sind ja IMMER übergriffig!)
Man, Yakuza. Mach doch nicht diesen!
Unentschlossene 6,5 von 10 Pistolen, die nur effektiv sind, wenn die Story es gerade braucht, ist mir diese Odyssee wert.
*****
Zwei Spiele, so viele Stunden und leider kein Achievement. Demnächst wird das hier sicher wieder produktiver.
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