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Ritter
Heute komme ich mal wieder mit einem Doppelpack um die Ecke.
Dreamy Planet
Story?
Haruka und Shiina sind Kindheitsfreundinnen und treffen sich kurz vor der 30 wieder. Sie wagen einen Trip nach Dreamy Planet, einen inzwischen stillgelegten Vergnügungspark, an dessen aktive Zeiten sie schöne Erinnerungen haben. Doch schon bald wird klar, dass zwischen den beiden unausgesprochene Worte liegen und vor allem Haruka nicht wirklich befreit in das Treffen geht…
Das Spiel
Ich fasse mich kurz. Dreamy Planet ist eine Yuri-Kinetic Novel. Sie ist/war für mich deswegen interessant, weil sie wieder mal von der guten ebi-hime geschrieben wurde, meiner Lieblings-VN-Autorin in spé.
Wie war es denn nun?
Aufgrund der genannten Autorin waren die Erwartungen zumindest erst mal gesetzt. Und das Writing hat mich auch von Beginn an wieder überzeugt. Ich weiß nicht genau, was es ist. Aber ebi macht das einfach irgendwie auf eine Art, die mich total kriegt.
Doch da war bald auch viel Skepsis. Denn Haruka und Shiina haben anfangs irgendwie nicht so richtig Chemie, reden aneinander vorbei und nehmen einander teils auch gar nicht voll ernst. Zumindest kann das so wirken. Sie sind jeweils interessant, funktionieren zusammen aber nicht gut. Dass das durchaus in einer Weise beabsichtigt ist und meine Skepsis unangebracht ist, fiel mir erst mit der Zeit auf. Denn Haruka hat Probleme. Mit ihrem Leben und ihrem zukünftigen Mann, vor allem aber mit sich selbst. Zu Beginn dachte ich noch: Wow, das ist aber echt ein bisschen zu viel Introspektion. Doch immer mehr macht das auf Basis von Harukas Selbstbild total Sinn und ich beginne zu verstehen. Auch, wie dieses Selbstbild dann mit der Romanze zu Shiina verbunden wird, ist gut. Nie der ganz große Wurf wie bei Lynne, wo der Selbsthass und der Stress mir viel drastischer und körperlicher deutlich gemacht wurden, aber dennoch gut.

Mehr als gut ist die NSFW-Szene der beiden. Weil auch die gekonnt, mit einer guten Balance aus besagter Introspektion, Gefühlen und Körperlichkeit geschrieben ist und ebi einfach weiß, was sie tut. Ich bin wirklich froh, dass ich für die Steam-Version in weiser Voraussicht den 18+-Patch geladen habe, weil ich die entsprechenden Szenen in anderen VN für die Erotik zwar nicht brauche, aber gleichzeitig schon öfter darauf gestoßen bin, dass das „Einfach rausschneiden ohne Ersatz“-Prinzip, nach dem bei Steam da vorgegangen wird, doch etwas von der Gesamterfahrung nimmt.
Dreamy Planet ermöglicht mir, eine Wertung vorzunehmen, die dieses Jahr noch nicht vorkam. Und das, obwohl sie eigentlich eine recht übliche Wertung für gute, aber nicht krasse Spiele bei mir ist: 7 von 10 Tassenkarussells.
*****
Das zweite Spiel, das ich mitgebracht habe, ist ein GANZ anderes Kaliber…
Finding Paradise
Story?
Dr. Eva Rosalene und Dr. Neil Watts, ihres Zeichens Angestellte der Sigmund Corp., ziehen wieder aus, um einem sterbenden Mann per Erinnerungsreise und -manipulation seine Regrets zu nehmen. Sie kommen dafür in die Altersresidenz von Colin Reeds, mit dessen konkreten Wünschen es sich aber etwas schwieriger gestaltet als bei ihren früheren Assignments.
Das Spiel
Finding Paradise ist der Nachfolger von To the Moon (und A Bird Story) und funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Es handelt sich um ein RPG Maker-Adventure, bei dem man die meiste Zeit mit einer der beiden Protagonist:innen durch die Welt läuft und Point of Interests anklickt, um Memory Links zu finden, mit denen man per sogenannten Mementos – besonders zentralen Fragmenten der Erinnerung des Patienten – in eine andere Erinnerungszeit reisen kann. Beim Aktivieren dieser Mementos gibt es kleine Puzzles zu lösen, die aber nicht überfordern dürften. Und noch dazu hat sich Finding Paradise im Spielverlauf auch ein paar weitere kleine Gameplay-Einwürfe überlegt.
Wie war es denn nun?
Warum ist Finding Paradise jetzt ein ganz anderes Kaliber?
Weil es nichts ist, was ich mal eben so habe spielen können. To the Moon hat mich seiner Zeit in eine kleine Sinnkrise gestürzt und mich gut ein halbes Jahr mental ziemlich beschäftigt. Das lag sicher auch zum Teil daran, dass ich zu dem Zeitpunkt in wirklich keiner besonders guten Verfassung war, ABER auch nicht nur. Das Thema hat es in sich. Der Tod, das Sterben, Reue und Versäumnisse – all das sind Konzepte und Gedanken, mit denen ich mich allgemein schwer tue, aus abstrakten wie auch sehr konkreten Gründen.
Mir war immer klar, dass ich auch Finding Paradise spielen will. Aber eben auch, dass ich davor doch ziemlich viel Angst habe. Weil ich mental inzwischen zwar viel, viel gesünder bin, aber doch nicht ganz vergessen habe, wie sehr mich der Vorgänger überfahren hat. Zwischendurch habe ich irgendwann auch mal das zumindest für sich stehend nicht so schlimme, weil anders gelagerte A Bird Story gemeistert, doch auch das hat mir nicht den Mut geschenkt, es zu probieren. Und heute war dann einfach der Wille da, mich meinen Ängsten zu stellen und endlich diesen Knopf zu drücken. *cue in beliebigen motivierenden Anime-OST*

Schon früh im Spiel war dann klar: Ja, auch Finding Paradise trifft mich an meiner Schwachstelle. Nicht mehr auf eine Weise, die ich wie damals befürchten muss, aber doch hart. Es ist toll geschrieben und zieht einen langsam in Colins Dilemma, legt dabei auch einige falsche Fährten, hat aber ein super Pacing und setzt an den richtigen Stellen früh emotionalere Punkte, die dann auch gekonnt mit gutem Comic Relief-Banter abgewechselt werden. Stets genug, um nicht konstant die Tränendrüsen offen zu halten, aber nicht zu viel. Dabei sei auch noch mal das Setup gelobt:
Dass Finding Paradise einerseits (natürlich) sehr persönlich mit Colin umgeht, die Geschichte aber nicht wirklich aus seiner Perspektive erzählt, sondern durch die Augen von Eva und Neil folgen lässt, ist eine nicht zu unterschätzende Nuance. Eben weil sie gleichermaßen die berufliche Distanz, für die eher Eva steht, als auch die Tendenz der Empathie und Identifizierung eines Neils ermöglichen.
Für mich war die erwähnte Distanz dabei ein besonders wichtiger Faktor. Denn ich war, wie eine bekannte Pop-Punk-Band meiner Jugend sagen würde, bald „in too deep“. Dabei hat es nicht gerade geholfen, dass das Spiel mich auf eine (falsche) Fährte geführt hat, die mir das aber auch noch mehr ermöglichte. Ich hatte bald das Gefühl, dass Finding Paradise sehr bewusst und gezielt zu gerade mir spricht. Einerseits hatte ich davor große Angst, doch gleichzeitig habe ich mich auch nach der Katharsis gesehnt, die das ganze mir verspricht.
Als es diesen Umstand dann aber auflöst und als roten Herring entlarvt, habe ich mich erst beraubt gefühlt. Darum, dass da gerade ein Stück weit eine persönliche, weil „meine“, Geschichte erzählt wird und es dann doch in eine andere Richtung geht. Doch Colins Realität hat mich erneut eingeholt. Weil die endgültige Offenbarung seiner Wirklichkeit einerseits gar nicht so weit von dem entfernt ist, was ich als meine Geschichte begriffen habe und andererseits auch auf eine ganz andere Art einen Nerv von mir trifft. Und der dritte, letzte und physischste aller Nerven ist letztlich natürlich getroffen, wenn ich dann auch noch Laura Shigiharas Stimme höre.
Vor ein paar Jahren hätte ich Finding Paradise ab einem bestimmten Punkt sicher nicht weiter spielen können. Oder zumindest nicht sollen. Heute hat es mir zwar reichlich Heulkopfschmerzen bereitet und mich auch traurig gemacht, aber mir gleichzeitig auch noch mehr gegeben. Es wird mich noch eine ganze Weile begleiten – und ich bin mir sicher, dass es das dieses mal auf eine bessere, gesündere Weise tun wird als sein Vorgänger. Und gerade weil es sich so persönlich anfühlt und nicht nur weil ich in einer besseren Verfassung bin, finde ich Finding Paradise auch NOCH stärker als To the Moon.
Wie stark ich es insgesamt letztendlich finde, ist eine andere Frage, mit der ich gerade struggle. Eine Frage, an die man natürlich immer wieder stößt, wenn man an Zahlenbewertungssystemen festhalten will. Auch wenn ich mir sicher bin, dass ein starker Eindruck bleiben wird, weiß ich natürlich noch nicht, ob er auch mit verstreichender Zeit so gut bleibt wie er jetzt gerade ist. Aber ich kann in diesem Moment eben auch nur von diesem Momenteindruck Gebrauch machen und der ist ein ganz, ganz, ganz herausragender und persönlicher.
Finding Paradise verdient sich fürs Erste vorsichtige, aber auch echte 9,5 von 10 dem Wind trotzenden Papierfliegern.
(Das ärgert mich eigentlich, weil ich schon fest davon ausgegangen bin, dass meine GOTY-Liste richtig spannend wird und ich zwischen den ganzen 9 out of 10-Titeln wählen darf. Aber welp, die Erfahrung war es wert.)
Geändert von MeTa (26.11.2024 um 22:22 Uhr)
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