Liebe Leute, ich lade ein auf eine Reise ... voller Wizardry! 8D
Dabei stellt sich gleich die erste Frage!


Wo geht die Reise hin?

Die Original-Serie hat acht Teile, wobei Teil 1-7 zwischen 1981 und 1996 von einem amerikanisch-kanadischen Studio veröffentlicht wurden. Das heißt, all das ist 2 Jahre vor Baldur's Gate passiert! Teil 8 kam dann 2001 raus, so als stolperndes Nesthäkchen. Und ja, "Wizardry" als Namen hat man wahrscheinlich schon mal gehört, wenn man mit Videospielen zu tun hat, auch wenn die meisten Millenials - so wie ich - wahrscheinlich nie eine tatsächliche Berührung mit der Reihe hatten. Wizardry ist halt Videospielgeschichte und sonst was für alte, bärtige Männer.
... zumindest im Westen! Denn während das Franchise hier ausgelaufen ist, sind in Japan seit 1991 ganze 39 (in Worten NEUNUNDDREISSIG!) offiziell lizensierte Wizardry-Titel erschienen, und zwar auf allen möglichen Plattformen vom Game Boy über die Playstation 2 bis hin zum iPhone. Manche davon sind Story-Spin-Offs, manche Standalone-Titel, manche MMOs und einige haben definitiv irgendwas mit Teenie-Zauberschülern an einer Zauberschule zu tun. Außerdem gibt es da drüben wohl auch Light Novels, Comics, eine OVA ... den ganzen Kladderadatsch eben. Der neueste Titel Wizardry Variants Daphne ist für 2023 angekündigt.
Soll heißen: Wizardry ist sehr lebendig, nur eben nicht hier.

Am Rande, es gibt ein süßes Interview mit Robert Woodhead (einem der Wizardry-Köpfe) und Yuji Horii (Schöpfer von Dragon Quest), die sich mit Komplimenten überhäufen und nebenbei ein fluffiges Bisschen über die japanische Wizardry-Faszination plaudern. Ich habe das Interview einfach mit der Übersetzungsfunktion von Chrome gelesen.


Was packen wir in den Koffer?

Spielen kann man Wizardry natürlich trotz allem noch! ... zumindest theoretisch. Praktisch gibt doch schon einige Hürden, beginnend mit der Recherche: WAS spielt man eigentlich, und WIE? Man muss also die richtigen Voraussetzungen mitbringen, und ich teile einfach mal meine Erfahrungen.

Ganz ehrlich, direkt zu Beginn: Wizardry I bis V habe ich kaum angespielt. Es tut mit leid, aber ich weiß, dass es Grenzen an "ALT" gibt, die ich bei Videospielen einfach nicht mehr überwinden möchte, und "es ist wortwörtlich vor dem NES erschienen" gehört definitiv dazu, Interesse hin oder her ... xD' Es gibt von den frühsten Hauptteilen tausend verschiedene Varianten, die teilweise MASSIV unterschiedlich aussehen und funktionieren, aber Grafik, Steuerung etc. sind hier nicht die einzigen Probleme. Wie man 1981 Rollenspiele gespielt hat - selbst Dungeon Crawler! -, ist rein emotional doch schon noch etwas ganz Anderes als heute. Und das endet natürlich nicht mit Teil 5.
Wirklich angefangen habe ich also mit der Steam-Variante von Wizardry VI. Die war nett als Einstieg, weil man gleich zu Beginn die typischen Hürden der Zeit überwinden muss: Das Spiel erklärt nichts. Das Spiel erwartet, dass du die Anleitung liest. Die Anleitung sagt dir NICHTS darüber, wie die Kernmechanismen wirklich funktionieren, geschweige denn, ob Entscheidung XY bei der Charaktererschaffung eine gute Idee ist. Teilweise musste ich googeln, um Teile des Interfaces zu finden (!). Und dann habe ich aufgehört und bin zu Wizardry VII übergegangen.
Denn auch wenn diese alten Teile irgendwo noch spielbar sind ... Ich will auch aus akademischem Interesse nicht acht Spiele aus einer (am Ende des Tages) sehr repetitiven Reihe spielen, und meiner Erfahrung nach würde ich das auch allen empfehlen, die erstmal nur einen Blick auf Wizardry werfen wollen. Ich denke, die wenigsten nostalgiefreien Menschen anno 2023 werden genügend Zugang finden, um von Teil 1 bis Teil 8 durchzuspielen.
Die Fans im Internet unterdessen sind sich reeeeelativ einig, dass Teil 7 der beste Hauptteil ist. Dazu gleich mehr!

Abschließend, nach Teil 7, habe ich dann noch Wizardry: Labyrinth of Lost Souls eingeworfen, ebenfalls in der Steam-Variante, um einen japanischen Ableger auszuprobieren. Das lag u.a. an meinem Geiz, denn Wizardry: The Five Ordeals war deutlich teurer, obwohl beide Spiele ursprünglich PS2-Games aus den 2000ern sind. Ich vermute allerdings, dass das eine falsche Entscheidung war, gemessen an den Internet-Meinungen!

Okay, jetzt zu den zwei Spielen, die ich wirklich gespielt habe.



Sehenswürdigkeiten aus der Vergangenheit
Wizardry VII: Crusaders of the Dark Savant



Wizardry VII kommt offensichtlich aus dieser Zeit, in der Fantasy und Sci-Fi liebend gern in einen Topf geworfen wurden, garniert mit einem Hauch von Lack-und-Leder-Bikini. Die Hintergrundgeschichte, die am Anfang erzählt wird, klingt ein wenig nach Star Wars, oder, wenn wir ehrlich sind, doch eher nach Spaceballs. Oder noch besser: nach Flash Gordon! Cheesy as fuck auf jeden Fall. Wir sind hier noch weit entfernt von den organischen Settings und den lebendigen Charakteren der späteren West-RPGs; all das ist allem voran ein pragmatischer Hintergrund, vor dem ein großes Abenteuer stattfinden soll. Und das tut es tatsächlich!



Ich bin jedenfalls froh, dass ich vor Teil VII andere Wizardrys angespielt habe. Mit diesen ersten Eindrücken und Frustrationen hatte ich hier nicht nur die richtige Erwartungshaltung, sondern auch noch ein angenehmes Polster an Vorwissen für das Spiel- und Charaktersystem. Denn solang man viel Geduld mitbringt, ist Crusaders of the Dark Savant auch 2023 noch eeeinigermaßen verständlich - und tatsächlich ist dieses Durchdringen des Spiels auch heute noch ein großer Reiz, mit einem richtigen Sense of Wonder! Man lernt die Spielwelt kennen, arbeitet sich Feld für Feld voran, versteht was die Befehle im Kampf tun, wie die einzelnen Zauber wirken und wo man vorsichtig sein sollte. Und das ist faszinierend!
... bis es nicht mehr faszinierend ist. Kennt ihr das? Ihr habt Spaß an einem Spiel, baut eure Charakter auf, immer auf ein Ziel hinarbeitend, und irgendwann ... ist es vorbei. Man hat das Spiel einigermaßen durchschaut, die Ziele haben sich verflüchtigt, die Ecken und Kanten des System sind deutlich geworden und fangen plötzlich an, richtig zu stören. Und meine Fresse, hat selbst dieses Wizardry noch tiefgreifende Ecken und Kanten! Teilweise erwachsen sie aus - heutzutage - sehr eigenen Systemen: In Dialogen muss man selbst die richtigen Tippkommandos finden. (Coole Idee, die den ganzen Bullshit, der damit kommt, keinesfalls wert ist!) Das Skill-System hat ein paar richtige spezielle, individualisierende Ideen. (Aber sobald man es versteht, wird klar, dass man eine MENGE falsch machen kann; und dass ganze Skills kompletter Quatsch sind!) Das Magie-System ist faszinierend komplex. (Bis es irgendwann nur noch nervt, sich in jeder Kampfrunde durch die Sub-Menüs zu klicken!) Teilweise fehlen diesem Spiel aber auch einfach 30 Jahre Genre-Erfahrung. Es gibt einfach sooo viel, das man heute aus gutem Grund nicht mehr tun würde, und wenn man das realisiert, verpasst es der Motivation einen harten Dämpfer. Man denkt: "Oh, ich spiele gerade ein schlechtes Spiel!" Und da habe ich dann aufgehört.
Hin und wieder ist, was glänzt, aber auch einfach Gold: Diese absurd abwechslungsreichen Mini-Spiele für Fallen und Schlösser etwa will ich heute gerne mal wieder sehen!



Was auch dann noch bleibt, ist der Reiz des Grinds. Das Vorankommen, das Erkunden und Überleben der Dungeons ist - auch 2023 - spannend. Man save-scummed natürlich, als gäbe es keinen Morgen, aber das gehört einfach dazu. (Ich wünschte mir nur, das LADEN ginge simpler. @_q'') Und auch die megaseltsam dargestellten Städte und Umgebungen guckt man sich weiterhin gerne an.
Trotz allem dominiert irgendwann der besagte Eindruck: "Ich spiele gerade ein schlechtes Spiel." Man weiß zwar, dass vieles davon der Zeit geschuldet ist ... aber wir haben nun mal 2023. Abseits von Nostalgie lässt sich da nicht viel machen, und so hat Wizardry VII dann irgendwann auch einfach gereicht. So als wirklich spannender, historischer Eindruck eines reizvollen Spiels, zumindest bis man es verstanden hat.



Backpacking in der Ferne
Wizardry: Labyrinth of Lost Souls



Okay, ein Rant zu Beginn: Es ist SO schwer, herauszufinden, wie man dieses Spiel spielt! Zum Einen erklärt es fast nichts - wie die anderen Wizardrys -, aber zum anderen gibt auch das Internet - im Gegensatz zu den Wizardrys! - nicht viel her. O_ô Labyrinth of Lost Souls war im Westen offensichtlich ein Nischenprodukt, und das macht es wirklich nicht einfacher.
Ein Beispiel: Meine Version hatte drei frei begehbare Dungeons. Ich wusste nicht, dass zwei davon Teil eines bereits inkludierten DLCs (?) waren, und so wusste ich nicht, in welcher Reihenfolge man da rein soll! Was kind of okay ist (Dann wird halt viel probiert!), aber irgendwann hatte ich dann 100% des Story-Dungeons erkundet ... und habe mich gewundert, wo die Story ist? Die Erklärung war, dass ich zu weit gekommen war, bevor ich eine bestimmte Quest bekommen habe. So musste ich die Story dann in den letzten 10 Minuten durch wildes Herumteleportieren "nachholen" ... =_=''

Und sowas kann öfter passieren, allem voran mit den Charakteren und ihrem weirden Klassensystem! Was schade ist, weil Labyrinth of Lost Souls in mancherlei Hinsicht ein sehr viel moderneres Spiel ist. Vergessen sind die außergewöhnlichen, aber auch dysfunktionalen Grundmechanismen von Teil VII, die Kämpfe sind ziemlich rundgeschmirgelt (wenn auch VÖLLIG unberechenbar in ihrer Schwierigkeit!) und abgesehen von der weirden PS2-Steuerung spielt sich dieses Spiel eigentlich wie ein moderner Dungeon Crawler. Es gibt sogar eine gute Menge an Quality-of-Life-Features, auch wenn das schnelle, problemlose Laden des Spielstands unverständlicherweise ImMeEr NoCh NiChT dAzUgEhÖrT?!
Das heißt allem voran: Labyrinth of Lost Souls macht auch dann noch Spaß, wenn man es durchschaut hat! Ich gehe sogar einen Schritt weiter: Es macht dadurch mehr Spaß, einfach weil die Systeme grundlegend funktionieren. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass sich dieses Spiel relativ niedrige Ambitionen setzt. Es will Dungeon Crawlen, Dungeon Crawlen und dann noch etwas Dungeon Crawlen. Die Außenwelt (heißt: das Stadt-Menü), die Quests und die Story bieten zwar ein wenig Flavour und haben mir in diesem Sinne ganz gut gefallen, aber es ist definitiv ein Nebengedanke. Und das ist okay! Stumpfe, gedankenlose Spiele sind auch cool. Ich habe mir Youtube-Videos angeworfen, Dungeons gecrawlt und war dann irgendwann beim Abspann, was ich mit den anderen Teilen nicht geschafft habe. Nur das Klassensystem ist und bleibt albern.

Besonders hervorheben möchte ich noch die Konzeptualität des Spiels, und damit zusammenhängend seine Grafik! Zwar ist alles absolut minimalistisches 2D mit herumfliegenden jpgs, aber der konsistente Manga-Stil und das klar definierte Setting lassen diesen Teil sooo viel lebendiger wirken als Wizardry VII. Selbst die Story passt in dieses Gesamtbild!



Also ja: Das stumpfere, simplere Spiel ohne allzu viele (positive ...) Überraschungen, aber es macht halt irgendwo Spaß, auf genau diese Art und Weise. ^^



Wie geht es weiter?

Ich hatte letztlich ein wenig Frust und eine Menge Spaß mit diesem kleinen Ausflug! Vor allem habe ich das Gefühl, mein Lieblingsgenre wieder ein bisschen besser zu verstehen, und mindestens dafür kann ich die Wizardry-Reihe empfehlen.

Auf der Wishlist stehen jetzt noch Wizardry VIII und Wizardry: The Five Ordeals, aber die probiere ich irgendwann, wenn ich mal wieder Bock auf dieses Art von Spiel habe. Und den neuen Teil gucke ich mir auch an, wenn er draußen ist! Wenn IHR allerdings Empfehlungen oder Erfahrungen mit Wizardry oder anderen Reihen aus dieser Generation habt, bin ich durchaus offen für Empfehlungen! =]