Sakura Wars

Kleines Intro: Sakura Wars (Sega Saturn, 1996) ist eine Mischung aus Dating-Sim und Mecha-Strategiekämpfen, mit ein bisschen Erkundung oben drauf. Der Protagonist ist ein Soldat, der im Steampunk-Japan der Taisho-Ära eine Theatergruppe aus jungen Frauen anführen soll – in Wahrheit jedoch handelt es sich bei der Blütentruppe ("Hanagumi") um eine kaiserliche Eingreiftruppe zur Bekämpfung von Dämonen.
Die Reihe hatte es außerhalb Japans immer schwer, und der erste Teil hat vor einiger Zeit endlich einen guten Fan Patch für die englische Sprache bekommen. Abgesehen davon kann man eigentlich nur Sakura Wars 5: So Long My Love und das neue Shin Sakura Wars (2019) spielen. Allerdings sind diese Teile auch nur vernünftige Einstiege in die Reihe, wenn man nichts "zu Passendes" erwartet. Hier mein Text zum neusten Teil! Die Alternative wären diverse Anime- und Manga-Adaptionen, aber afaik sind selbst die nicht so ganz problemlos zu empfehlen. *sigh*

In diesem Sinne ...


Kann man Sakura Wars (1996) im Jahr 2023 spielen?

Erstmal: Sakura Wars als Reihe hat einfach was ...! Die wilde Mischung von Setting und Spielkonzept? Die Figuren und ihr Design? Die Hardcore-Anime-Inszenierung? Einfach die gesamte romantische Mentalität (mehr dazu unten)? Das ist alles ziemlich einzigartig und eingängig und herzerwärmend, oder zumindest immer ein bisschen süß und vor allem ursympathisch. Selbst die Kämpfe machen oftmals Spaß in ihrer Klarheit und Einfachheit – es ist hier halt nur ein Genre von mehreren, und das ist wirklich eine nette Abwechslung zu den ganzen megakomplexen Genre-Vertretern. Und das alles ist zeitlos.
Aber gerade Teil 1 ist auch anstrengend. Es ist ein spürbar altes Spiel, und das ist deprimierend, wenn man weiß, wie viel besser sich schon Teil 2 spielt. Besonders schlimm sind die ständigen Mini-Ladezeiten und die ganzen Seltsamkeiten in der Inszenierung zwischen Standbildern, Anime-Mini-Sequenzen und komisch designten Dialogszenen. Auch die Kämpfe könnten kompakter, präziser designt sein.
Abgesehen davon ist das Spiel aber auch weird im negativen Sinne. Ich meine, klar, Harem AHOI, mit einem fragwürdigen Level an Fan Service und beizeiten ebenso fragwürdigen Charakterbeziehungen (Iris ...), aber vor allem trifft das Spiel auch WEIRDE Entscheidungen, was den Verlauf der Handlung angeht: Die Mädels könnten wirklich mehr Aufmerksamkeit vertragen. Was zum Fick geht mit der gääähnend langweiligen und lächerlichen Mission in dem verlassenen Haus? Und letztlich, die Antagonisten und alles, was im letzten Viertel des Spiels passiert? Meine FRESSE!



just in case ...



Attack, my weeb warriors four!



A Tale of Romance

Vielleicht ist es der Deutschlehrer in mir, aber ich mag ja total die Vieldeutigkeit des Wortes "Romantik"; und Sakura Wars hakt hier wirklich alle Boxen ab! <3
Es ist nicht nur eine Romanze im modernen (Harem-)Sinne, inklusive individueller Szenen für die Mädels und sogar einem Anime-Snippet und einer kompletten Collage für best girl am Ende! Es hat auch eine absolute Abenteuermentalität, eine gewaltige Emotionalisierung und Glorifizierung von so ziemlich allem, und es spielt seine Handlung übertrieben und – passenderweise – fast schon ein wenig theatermäßig, sei es durch Humor, Tragik oder archetypische Charaktere. Früher hätte mich das vielleicht eher gestört, gerade bei den albernen Schurken, aber inzwischen weiß ich das Gesamtbild auch als ein Genre zu schätzen. Tatsächlich dreht sich das Spiel ganz am Rande sogar um Moderne und Traditionalität sowie um die nationale Identität Japans (Stichwort "Westernization", Yamato, Erdbeben etc).
Allerdings ... hier und da ist es dann doch zu viel, ein bisschen zu fragwürdig. XD Sei es die pure Menge an archetypisch bösem Lachen oder die absolut-religiöse Hingabe, mit der sämtliche Goons den Oberschurken hinterherschmachten, oder die anstrengende Weißbrotigkeit der namensgebenden Hauptheldin; man muss sich schon SEHR auf all das einlassen, um nicht genervt zu sein. Selbst der Harem-Part wäre effektiver, wenn man sich hier und dort ein bisschen zurückgehalten hätte. Und letztlich wird der Hauptplot auf eine Art und Weise gelöst, die auch 1:1 in ein Propaganda-Video der japanischen Rechten passen würde: Blinder Zusammenhalt und Selbstaufopferung im Extremen. (Es gibt wortwörtlich eine Kamikaze-Szene ...) Der Tiefpunkt allerdings war für mich das umfangreiche und "dramatische" Sterben von Hauptfiguren und die direkt darauf folgende Wiederbelebung durch göttliche Intervention vor dem Endkampf. Das habe ich zwar schon öfter in anderen Medien erlebt, aber praktisch nie so ... schlecht. ^_~




Fazit

Nostalgie ist schon ziemlich zentral für Sakura Wars, besonders für Teil 1. ABER nicht unbedingt im Sinne von "Man muss das Franchise von früher kennen!", sondern vielleicht auch im Sinne dieser romantischen Verklärung und Überhöhung: Die Reihe liebt ihre klassischen Genres, sie liebt ihre archetypischen Figuren, sie liebt ihr pseudohistorisches Japan (vielleicht ein bisschen zu sehr?) und sie liebt ihre Emotionen, ihre ganze Dramatik. Es hat wirklich was von einem Anime-Theaterstück! Und wenn das gut für einen klingt, gerade im Kombo-Pack mit dem sehr eigenen Setting und den netten Strategiekämpfen, kann es durchaus spannend sein, einen Fuß in diesen Ozean zu tauchen. Man sollte sich nur bewusst sein, dass das Wasser anfangs sehr kalt ist.

Am Rande: Ich habe gerade im Internet gesehen, dass das Spiel VIER Mini Games hat. Wieso zum Fick habe ich nur eins davon gefunden?! O_ô The fuck ...



Letztlich kann man nur hoffen, dass das Militär niemals eine ethische Untersuchung anordnet ...