Immortality

Ehrlich gesagt: Ich fand es schon vor 15+ Jahren massiv seltsam, wenn Leute diskutiert haben, ob das Videospielmedium als "Kunst" durchgeht oder nicht. Weil ... How? Wie war das jemals eine ernst gemeinte Frage? Und während ich mit etwas Abstand zumindest diskursmäßig verstehen kann, wie das damals durch einige Köpfe geschwirrt ist (Viele kannten nun mal nur drei Spiele, und eins davon war Pong?), gibt es anno 2023 auch einfach Sachen wie Immortality.

Und weil Immortality zu großen Teilen ein Mysterium ist, hier ein Review in drei Stufen.


Stufe 1: Komplett spoilerfreie Werbeeinblendungen

  • Immortality ist von Sam Barlow. Wer Her Story oder Telling Lies mochte, weiß wahrscheinlich sowieso schon, dass er ohne Bedenken zugreifen kann.
  • Immortality ist ein FMV-Spiel mit den Production Values einer guten (!) Hollywood-Produktion. Die Schauspielenden sind durchgängig atemberaubend, die Videos nur dann cheesy oder lächerlich, wenn sie es explizit sein wollen. Es gibt praktisch NICHTS Vergleichbares in diesem Subgenre! =O
  • Immortality hat eine konzeptuelle Tiefe, eine Unmenge an verschiedenen Ebenen, über die man wahrscheinlich jahrelang reden, die man unendlich interpretieren könnte, ohne jemals in Bullshit abzurutschen. Es fühlt sich im Gesamtbild ernsthaft nach einem "Opus Magnum" an.
  • Immortality ist nicht nur ganz klassisch "Kunst", es ist auch ernsthaft artsy, wenn auch immer mit einer klaren Intentionalität. Damit muss man klarkommen. ^^
  • Immortality ist ein richtiges Fest für Filmfans!

Wenn das reicht, sollte man nicht weiterlesen! Es ist ein ganz typischer Fall von "je weniger man weiß, desto besser"! Es folgen leichte Spoiler für die Grundkonzepte.


Stufe 2: Was IST dieses Spiel?

Wir haben mal wieder Videoschnipsel, die wir mit einer sehr hakeligen, "physischen" Steuerung untersuchen, die das Gefühl simulieren soll, sich durch alte Filmrollen zu wühlen, in verschiedenen Geschwindigkeiten, mit Rewind-Funktion usw. Ich habe diese Steuerung ehrlich gesagt bis zum Ende nicht 100%ig verstanden, aber hey. Außerdem können wir die Videos stoppen, um Dinge zu untersuchen, was uns zu neuen Videos bringt, und das ist dann auch schon der Großteil des Gameplays.
Recht schnell wird deutlich, dass wir hier drei Filme aus verschiedenen Genres und Jahrzehnten vor uns haben, mal mit fertigen Szenen, mal mit Rehearsals und mal mit Cast-Interviews oder kleinen Privatvideos. Verbunden werden sie durch die Hauptdarstellerin Marissa Marcel, und schon bald fragen wir nicht mehr nur, was die Handlung der Filme ist, sondern auch: Wer IST diese Marissa Marcel? Und was zur Hölle ist mit ihr – und ihren Filmen – passiert?



Und da beginnen auch schon die Ebenen des Spiels: Nach ein paar Stunden können wir uns das eine oder andere Bild machen, immer massiv abhängig von der beinah zufälligen Reihenfolge, in der wir neue Videos entdecken. Und wir realisieren, dass wir eigentlich noch überhaupt nichts wissen ... aber auch, dass wir es wissen KÖNNEN, wenn wir nur bereit sind, genügend Zeit und Energie in die Suche zu stecken ...!
Und ja, all das ist komplett faszinierend und einnehmend. Die Filme selbst sind durchaus spannend, aber der Rahmen und die ganzen Hintergründe sind IRRE in ihrer menschlichen Tiefe und Vielseitigkeit. Schon hier überschlagen sich die Vermutungen und Befürchtungen in unseren Köpfen, selbst ohne das Spiel auf irgendeinen Metalevel zu heben – was man aber problemlos machen kann, denn natürlich geht es hier um die Filmindustrie, um Filme und am Ende des Tages um Kunst. Und das in einem Videospiel!

Und noch immer haben wir nicht von wirklichen Spoilern geredet ... Hier sollte man spätestens mit Lesen aufhören, wenn man auch nur mit dem Gedanken spielt, Immortality zu spielen!


Stufe 3: Abgründe



Abschließend ...

Ich kann niemandem versprechen, dass die Story am Ende gefällt oder auch nur Sinn macht. Aber man spürt die konzeptuelle Energie, diese abartig lebendige Komplexität von Figuren und Beziehungen, und am Ende des Tages einfach die bloßen fucking Ideen in Immortality, ganz unabhängig von der Frage, was man davon hält.
Wenn man sich drauf einlässt, gibt es in diesen Medien nichts wirklich Vergleichbares – und vor allem nur wenig, was Filme und Videospiele so lebendig und intuitiv verbindet.

Mir werden auf jeden Fall so EINIGE Szenen in Erinnerung bleiben.





[FMV Gang]
Immortality / Simulacra

ACHIEVEMENT UNLOCKED!