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  1. #35
    Final Fantasy XVI



    [schon im August durchgespielt und daher nicht Teil der Square-Enix-Challenge]

    Auf Final Fantasy XVI hatte ich mich im Vorfeld gefreut, wenn auch nicht überschwänglich. Ich war mir nicht sicher, wie sehr es meinen persönlichen Geschmack treffen würde, war aber zuversichtlich, dass es zumindest ein rundes Spiel werden würde.

    Nach dem Durchspielen würde ich dem nur noch bedingt zustimmen. Im Grunde genommen gilt für jeden Aspekt des Spiels: Es ist weder herausragend gut noch katastrophal schlecht – und das macht Final Fantasy XVI fast schon ein bisschen langweilig zu besprechen. Es ist ein bisschen ironisch: Alle haben sich nach Final Fantasy XV denke ich ein runderes, fertigeres Spiel gewünscht. Hier bekommen wir es und ich bin fast ein bisschen wehmütig, wie glattgeschliffen und ohne Kanten alles ist.

    Deshalb konzentriere ich mich mal auf den Teil, über den man ein bisschen ranten kann (): Als RPG ist Final Fantasy XVI ein Totalausfall.

    Die RPG-Elemente sind ohnehin schon relativ stark reduziert, aber darüber hinaus gaukelt einem das Spiel vor allem oft vor, dass sie da und relevant wären – in der Praxis haben sie aber kaum Bedeutung.

    1) Das „Skillsystem“ ist vorhanden, aber sehr rudimentär: Man kann neben ein paar Startskills eine Handvoll neuer aktiver Skills pro Eikon freischalten, einmal verstärken und schließlich für andere Eikons zugänglich machen. Passive Fähigkeiten oder sonstige Anpassungsmöglichkeiten gibt es nicht – lediglich welche Skills man mit in den Kampf nimmt, kann angepasst werden.

    2) Level Ups machen keinen großen Unterschied. Die Statuswerte steigen immer nur marginal. Sicherlich summiert sich das, aber rein vom Gefühl her machen selbst 10 Level mehr oder weniger einen Kampf nicht signifikant schwerer bzw. leichter. Dabei gibt es im ersten Durchgang sogar nur 50 Level.

    3) Man kann normale Gegner quasi komplett ignorieren. Das Spiel wirft einen so viele Pflichtkämpfe vor, dass es im Grunde keinen Mehrwert hat, sich bei der Erkundung auch noch vielen Kämpfen zu stellen. Klar, ein paar Level Ups sind so sicher drin, aber der Belohnungseffekt ist denkbar gering.

    4) Was auch daran liegt, dass Gegner im Grunde nur Trash droppen – Gegenstände, die man zu hunderten und tausenden anhäuft. Von Anfang bis Ende des Spiels droppen die meisten Mobs dieselben Sachen, von individuellen Drops keine Spur. Dasselbe gilt für die Dinge, die man beim Erkunden findet: Entweder es sind Potions (die man zumindest gebrauchen kann) oder auch Trashloot – selbst in vielen Schatztruhen. Auch Geld (wovon man eh fast immer genug hat) droppen Gegner kaum und auch beim Erkunden enthält der Zufallsloot oft Sachen wie „4 Gil“ oder „8 Gil“ – es fühlt sich an wie eine reine Beschäftigungstherapie.

    5) Wie schon beim FF7-Remake steht der Aufwand, den ein Kampf kostet, in keinem Verhältnis zur Belohnung. Fette Mobs, für die man zwei Minuten braucht, droppen kaum mehr Erfahrung als irgendwelche Wildtiere, die man mit zwei Schlägen kleinkriegt. Das nimmt einem auch die Motivation, die größeren und stärkeren Gegner überhaupt zu erledigen. Es lohnt sich aus RPG-Sicht schlicht und ergreifend nicht.

    6) Das Crafting-System ist sehr rudimentär. Man kann im Verlauf der Story eine Handvoll Waffen und Ausrüstung schmieden, die in der Regel lediglich ein leichtes Stärke-Upgrade im Vergleich zum vorherigen Gegenstand bieten. Ausrüstungsgegenstände haben auch keine sonstigen Effekte – lediglich die Accessoires bieten ein paar passive Effekte, die ein bisschen RPG-Gefühl reinbringen – allerdings ist das Spiel selbst in der Hinsicht reduziert.

    7) Es gibt keine Zustandsveränderungen in den Kämpfen und Elementarschwächen etc. spielen, wenn ich das richtig gesehen habe, keine große Rolle (oder gar keine?)

    Zusammenfassend: Man kann die RPG-Elemente, die einem das Spiel vorwirft, komplett ignorieren und es ändert sich nicht viel. Es wirkt fast so, als wären sie nie Bestandteil des Designs gewesen, sondern notdürftig nachträglich rangepappt worden, weil man von einem Final Fantasy ja gewisse RPG-Elemente erwartet. Das erzeugt aber falsche Erwartungen und im Verlauf des Spiel wuchs meine Ernüchterung stetig.

    Hätte mir Final Fantasy XVI ganz ohne RPG-Elemente mehr Spaß gemacht? Gute Frage, ich tendiere trotz allem zu nein. Ich ziehe ein gewisses Wachstumsgefühl selbst dann vor, wenn es mehr oder weniger vorgegaukelt ist. Aber wirklich Freude daran hatte ich nicht. In jedem Fall sehr enttäuschend.



    Ein paar ungeordnete Gedanken zum sonstigen Spiel:

    • Die Story hat mich größtenteils kalt gelassen, aber sie hatte ein paar coole Momente, wie (SPOILER!) Cids Tod und Jills Rache-Arc oder das meiste, was mit Joshua zu tun hatte.
    • Es war sehr cool, wie vorm letzten Kampf das Final Fantasy Main Theme gespielt wird – dort hatte ich zum ersten Mal dann wirkliche FF-Vibes.
    • Das Ende fand ich ziemlich befriedigend – serientypischen war es toll inszeniert und auch sehr bittersüß.
    • Die Antagonisten fand ich durch die Bank schlecht. Besonders schlimm war Kupka, der einfach nur ein Arschloch war. Die Versuche, ihm etwas Tiefe zu geben, haben bei mir auch überhaupt nicht funktioniert. Dasselbe gilt für Benedikta.
    • Ich fand das politische Wirrwarr recht unübersichtlich. Das Spiel muss sich selbst des Öfteren einer Karte bedienen, um die verschiedenen Parteien und ihre Stakes zu erklären. Ich fand es schwer, da groß Interesse zu entwickeln, da man diese ganzen Länder kaum bis gar nicht kennt. Es ist ein bisschen wie bei FFXII: Die eigentliche Handlung spielt sich gefühlt viel zu oft offscreen ab.
    • Das Writing selbst war gelegentlich zu dick aufgetragen. Die Sklaventhematik war interessant, aber damit es auch noch jeder letzte Spieler kapiert, wurde sie wirklich extrem oft und bisweilen auch plump verdeutlicht. Zumindest die Sidequest mit dem toten Sklavenmädchen hat mich dann aber doch etwas kalt erwischt.
    • Das Spiel ist voller Symbolik und durchaus auch politisch. Die Gleichung Kristalle = Öl (in unserer Welt) fällt am offensichtlichsten ins Auge. Das macht zumindest die Konflikte an sich durchaus interessant.
    • Das Spiel will erwachsener sein und zeigt mehr Blut, Sex und derbe Sprache als die Serie bisher – wirkt dabei manchmal aber auch etwas krampfhaft bemüht. Es muss nicht jeder Charakter einmal pro Minute „Fuck“ sagen.
    • Das Pacing ist arg durchwachsen. Das Spiel ist zu lang für das, was es zu erzählen hat, und füllt die Zeit damit, dass man immer wieder neue Gebiete erkundet, die die Story aber jeweils kaum voranbringen.
    • Die englische Lokalisierung ist erstklassig – sprachlich mit viel Flavor und echt auf einem extrem hohen Niveau, das auch konstant beibehalten wird.
    • Die Eikon-Kämpfe waren zwar episch, aber auch denkbar stumpf. Gerade die späteren fand ich auch eindeutig zu lang – besonders die gegen Kupka. Da hätte mir ein glorifiziertes ATE besser gefallen, was nach max. 5 Minuten vorbei ist.
    • Unterm Strich sind die Kämpfe aber doch besser als in Final Fantasy XV – alles ist etwas involvierter und man kann durchaus verlieren.
    • Allerdings bin ich bis zum Schluss mehr oder weniger dieselbe Taktik gefahren und musste nie groß variieren.
    • Sobald man die Limit Breaks freischaltet, wird das Spiel durch den Heileffekt auch deutlich einfacher.
    • Sidequests sind spielerisch durch die Bank enttäuschend und absoluter Genremüll – reine Spielzeitstreckung. Zumindest narrativ gibt es hier und da mal eine interessante mit gutem World Building oder Fokus auf Charakteren.
    • Abseits der Kämpfe gibt es quasi kein anderes Gameplay – schade.
    • Die Musik empfand ich insgesamt als gefällig bis gut – viel blieb aber nicht hängen. Ein paar Stücke werden aber sicher in meine Sammlung wandern.


    Und dann noch eine Sache, die mich in Anbetracht der Production Values besonders genervt hat: Das Spiel ist visuell echt reizlos.
    Klar sehen die Modelle gut aus und alles ist aufwändig desigt. Aber die meisten Umgebungen wirken vom Design sehr austauschbar. Im Gegensatz zu vielen anderen Titeln der Serie fehlen mir hier echt die einzigartigen Ideen. Die düstere Farbpalette tut ihr übriges, dass alles mehr oder weniger zusammenfließt. Man kann auch dunkle Settungs durchaus stilisieren! Wieso der Hang zum reizlosen Realismus?

    Unterm Strich kann ich leider echt nicht behaupten, dass Final Fantasy XVI ein Schritt in die richtige Richtung ist. Ich sehe ehrlich gesagt auch schwarz für die Serie, solange sie sich bemüht, dauerhaft so ernst zu sein und sich um Realismus zu bemühen (visuell aber auch bei der Physik etc.) – besonders wenn sie (wie hier) darin nicht einmal wirklich aufgehen kann. Und das ist extrem schade, denn zugleich wurde quasi alles über Bord geworfen, was teils auch an den letzten Teilen noch gut war. Über Final Fantasy XV müssen wir nicht reden, aber die XIII-Trilogie hatte wenigstens ein durchdachtes Kampfsystem und XII war ein komplexes und sehr gut durchdachtes RPG. Final Fantasy XVI ist einfach nur ein reizloses Actionspiel ohne Tiefe, Anspruch oder nennenswerte RPG-Elemente. Und das ist wirklich ein Jammer.

    Und falls das vorher noch nicht klar war: Naoki Yoshida ist eben kein Messias und erst recht kein „Auteur“, sondern einfach nur ein guter Produzent. Ich schätze ihn als Entwickler durchaus, aber halt eher für seine Hingabe und seinen realistischen Blick auf alles, weniger für seine kreativen Leistungen. Und in Final Fantasy XVI hat er die Prioritäten imo falsch gesetzt.

    tl;dr: Mittelmäßiges und vor allem reizloses Spiel, das zwar nichts völlig vor die Wand fährt, aber eben auch nichts wirklich gut macht – meine Enttäuschung des Jahres.
    Geändert von Narcissu (17.12.2023 um 10:06 Uhr)


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