Liebe Freunde des lesbischen Films,
ich war nicht untätig in den letzten drei Jahren, im Gegenteil: Ich habe mir fleißig weitere exklusiv-weibliche Romanzen reingezogen, die Guten wie die sehr Schlechten. Ferner könnte man erwähnen, dass ich alle Reviews in diesem Thread sowie viele weitere mittlerweile in ein Youtube-Format umgewandelt habe, falls man lieber hört als liest. Das ist eher im low effort-Bereich angesiedelt, findet aber ganz gut Abnehmer. Aktuell sind es 25 Reviews/Videos.
Aber auch mit Texten möchte ich nicht fernbleiben, so dass ich meine XX-Chromosom-Küss-Kinoerfahrungen der letzten Jahre hier teile. (In Reihenfolge der Veröffentlichung/Des Anschauens)
8/10 damals, mittlerweile hochgestuft auf 9/10
Anm: Den Film hab ich vor kurzem auf DVD ein zweites Mal gesehen und fand ihn diesmal so tiefenentspannt-unschuldig-berührend-schön, dass ich ihn auf 9/10 hochgestuft und nochmal einen Podcast drüber aufgenommen habe. Den sollte man gucken!!
"Mom always told me, the fences are the walls of her womb. Said she can only protect me if I stayed inside. Away from everyone, from everything."
Die 16 jährige Claudia lebt nach dem Ertrinktod ihrer Mutter allein und verborgen in ihrem
Landhaus weit weg von allem, unfähig, zu handeln oder zu gehen. Nur die
ebenfalls 16 jährige Grace aus der Stadt, welche das tragische Ereignis beobachtet hat,
findet sie, und beschließt, sich um sie zu kümmern.
My first summer ist ein wundervoll-stiller, feinfühlig-ausbalancierter und audiovisuell
starker Indie-Film über Verlust, Verlorenheit, Freundschaft und natürlich auch Liebe.
Mit seinen 80 Minuten Laufzeit ist der australische Streifen dabei kurzweilig
auf den Punkt gebracht, wirkt aber an keiner Stelle gehetzt oder auch nur sparsam.
Dabei ist diese Geschichte ebenso Drama wie Romantikentwicklung: Claudia, die ihre Mutter
verliert und selbst nur knapp überlebt, die Umgebung ihres Hauses noch niemals verlassen
hat und mit PTSD sowie Panikattacken zu hadern hat und Grace, die aus einem desolaten
Haushalt stammt, unbeliebt ist und sich gefangen fühlt. Beide Protagonistinnen bekommen
ohne Probleme mehr als vier Kreuze im Tragische Teenagerlesben-Bingo, und der Grund, dass
das nicht die ganze Stimmung des Filmes drückt, liegt in ihrer Chemie.
Grace nimmt sich Claudia an, auch wenn man zunächst ebenso wie über die Umstände des
Ertrinkens Claudias Mutter nicht genau weiß warum, und merkt schnell, dass diese nicht nur
ganz und gar weltfremd sondern auch überaus zuwendungsbedürftig ist. Sie bringt ihr bei,
wie die Finger ihrer Hände heißen, wofür man den Mittleren benutzt und wie Erdbeermilch
schmeckt.
Dieses Unterfangen ist einerseits vom typischen Verhalten junger Mädchen, aber eben auch
von der liebenswert-karikativen Unbeholfenheit Claudias geprägt, welche wie ein Kätzchen
auf die Wunder reagiert, welche Grace ihr offenbart. Und auf der anderen Seite hilft sie
ihr, die Traumta ihres Verlustes und ihres isolierten Lebens zu überwinden. Beide
Mädchen werden im Rahmen der Erzählung herausragend gespielt von Markella Kavenagh(Claudia)
und Maiah stewardson(Grace). Zwar neigt Kavenagh gelegentlich zum geringen Oceracten,
doch passt dies einfach zu ihrem Charakter - Was stellenweise in Claudias Gesicht vorgeht,
wenn ihre Augen und ihre Lippen in Sekunden Geschichten erzählen, ist ganz großes
Schauspiel.
Der Rest des Castes ist, und das ist weder in Teenagerdramen noch lesbischen Romanzen
ungewöhnlich, ein glorifizierter Haufen Pappaufsteller. Das spielt aber keine Rolle,
weil so mehr von den beiden Mädchen in die 80 Minuten Romanze passt.
Und für den Romantik-Part fällt angenehm auf, wie es über weite Strecken beim Aufbau einer
Freundschaft bleibt, bis tiefere Gefühle ins Spiel kommen und man authentische
Teenagerliebe beobachtet. Dabei mag es auszählbare Baustein-Szenen geben -
Gemeinsames Schwimmen, Darf ich dein Herz berühren, komm in die Wanne -
aber ebenso gibt es clever-kriselnde Momente, die man nicht so schnell vergisst, und
die im Film kleine Höhepunkte darstellen. Stichwort Ist es besser? und Lippenstift.
Den Rahmen des Ganzen bildet ein malerisches, von einer harmonischen Lichststimmung
begleitetes, naturnahes Iyll, das sich aus tieferen Gründen oder nur der Ästhetik wegen
langen Nahaufnahmen von Blumen, goldenen Hauttönen und Grünumgebungen hingibt.
Wie so vielen Filmen des Genres hätten leider auch my First summer 2-3 Indie-popsongs
weniger gut getan, gerade in extren-intimen Szenen, in denen sie einfach nicht nötig sind.
Dass sie aber zumeist doch nicht wirklich stören, liegt daran, dass sie hervorragend zum
Geschehen passen und wenig-aufdringlich wirken.
My first summer hält sich frei von forciertem Storydrama, wird nur da ernst wo es
nachvollziehbar ist, und schlittert so natürlich auf ein letztes Drittel zu, das von
Anfang an erwartet wird, dennoch weh tut und fühlbar macht, wie stark man bereits mit
den Heldinnen hadert. Und ohne zu viel verraten kann man sagen, das hier ein
leidlich-beliebter Trope lesbischer romanzen vermieden wurde, stattdessen erfährt man eine
Ambivalenz, die vor allem eines bewirkt - der sehnliche Wunsch nach mehr. Mehr Zeit mit
Claudia und Grace. Mehr dieser funkelnden Chemie. Ein zweiter Teil. Die Chancen darauf
dürften sich so auf 0 belaufen, doch falls es doch mal dazu kommt, hier ein paar
Titelvorschläge: Our first summer, My second summer, my first winter, Our Storm.
My first summer ist im kern ein kurzweiliger, erfrischend-positiver, lebensbejahender,
jugend und erwachsenengeeigneter, wunderhübscher und feinfühlier Film über zwei sehr
besondere Mädchen, die ein sehr besonderes Band zueinander aufbauen.
Von mir gibt es dafür 8 von 10 purple promises - Ein genrestarker Ausflug, der in keinster
Weise zum Genre dazugerechnet werden MUSS.
4/10
Das lesbische Reliogionsdrama scheint beinahe schon wieder ein eigenes
Sub-Genre der exklusiv-weiblichen Romantik zu sein, so dass man diese
Verknüpfung von Erzählelementen etwa bei Filmen wie "Kiss me kosher" oder "Disobedience" hatte.
Auch You can Live Forever macht sich eine solche Geschichte zur Aufgabe, in der die Teenagerin Jaime von ihrer Mutter für einige Zeit in eine Jehova's Zeugen-Community geschickt wird, wo sie auf Marike trifft, welche wiederum
ihr Herz ganz tief trifft. Der Rest ist abzählbar und klischeehaft.
Filme wie Disobedience und You can live Forever sind im Genre der Lesbischen
Romanze eigentlich eine Mogelpackung. Es wäre entschieden ehrlicher zu
sagen, dass es Religionskritik-Dramen mit zufälligem lesbischen Glitter
sind. Zwar ist You can live Forever bei weitem nicht so trist, zäh, leblos
und trostlos wie Disobedience - doch ebenso wie dieser Film wird die Handlung
KOMPLETT vom Konflikt unterdrückt. Stellenweise wirkt das hier wie ein glorifizierter Werbefilm für die Vorzüge der Zeugen Yehovas, während im nächsten Moment wieder Gefangenschaft, Unterdrückung und fehlende Individualität an der Tagesordnung sind. Das ist summa sumarum ein äußerst
anstrengendes und frustrierendes Seherlebnis, das sich mit seinen 96
Minuten wie die doppelte Lauflänge anfühlt.
Auch ist es schade, dass die aufkeimende Romanze zwischen Jaime und Marike
eher eine Behauptung bleibt - Schauspielerinnen Anwen O'Driscoll und June Laporte fehlt es bis zum Schluss an jeglicher Chemie oder bedeutungsvollen
Szenen, stattdessen bekommen wir die Indoktrination der Zeugen vor Augen geführt und sehen den typische Montagen-Zeitraffer mit vielen kleinen Momentaufnahmen, in denen die Heldinnen sich vermeintlich näher kommen.
Mangelhaft. Es bereitet kaum Freude, ihren Gefühlen beizuwohnen. Während
Jaime's Akteurin eine gute Austrahlung und ein volles Charisma besitzt,
verblasst Marike als graue Maus. Und ebenso der restliche Cast. Bei manchen Charakteren fragt man sich gar, warum und mit welcher Funktion sie im Film waren. Hallo Nathan.
Es ist dann leider auch kein schöner Film - Das subtil-gesetzte Setting der 80er nutzt Kleinstadtlandschaften, farbreduzierte Innenräume und allen voran
zahlreiche dunkle, triste Töne. Das mag wohl Intention sein, aber das mag
ebenso nichts am Film aufwerten. Die Musik ist hintergründig und vergesslich,
hier und da gibt es mal starke Einsätze wie etwa die Creditmusik, aber insgesamt ist auch in dieser Abteilung Flaute.
Das Ende ist ebenso wie die 90 Minuten davor irritierend und trotz der klaren
Intention der beiden Regisseure schlichtweg unbefriedigend. Und das ist nochmal doppelt schade, weil You can live Forever einfach 10 Minuten früher hätte aufhören können, um ein emotionales und vielleicht Befreiungsschlag-
würdiges Finale in Bezug auf die Religionskritik zu erreichen. Pustekuchen.
You can Live Forever ist kein desaströser Film, aber er ist hauptsächlich ein
spröder Blick ins Innere der Zeugen Jehovas, mit einer reizlosen lesbischen
Romanze, die in einem kargen Umfeld und mit wenigen Lichtblicken inszeniert wird. Wer sich für die Genremischung interessiert, ist hier deutlich besser
beraten als mit Kiss me kosher oder Disobedience, allen anderen würde ich
zu anderen Genrevertretern raten.
4 von 10 Autogurte für You can Live Forever.
Wenn man eine Review-Reihe über Filme mit lesbischer Romanze im Fokus aufzieht, hat man im Jahre 2023 auch manchmal das Glück, einen vollkommen atypischen Genre-Vertreter behandeln zu können, der noch einen ganz anderen Schwerpunkt mit der weiblichen Liebe kuppelt.
In happiest season ist das nun offensichtlich Weihnachten, und während es in der ersren Hälfte so wirkt, als wäre dies eher eine heitere Weihnachts-Romcom, ist es in der Zweiten doch vielmehr ein Romantik-Drama. Also alles dabei.
Harper und Kate sind schon länger zusammen. Harper liebt Weihnachten, Kate nicht. Aber Kate liebt Harper, also erklärt Kate sich dazu bereit, dieses Jahr Weihnachten bei Harpers Familie zu verbringen, nicht ohne das heimliche Ziel, ihr bei diesem festlichen Anlass gleich noch einen Heiratsantrag zu bereiten. Der Haken an der Sache: Harper hat ihrer konservativen und alles andere als gewöhnlichen Familie vielleicht doch nicht von Kate erzählt. Oder davon, dass sie lesbisch ist.
Happiest season lullt einen wie erwähnt in eine klassisch-kuschlige Weihnachtsstimmung, die sich in feinsinniger Romantik zwischen Harper und Kate zeigt und mit gelungenen Gags gewürzt wird. Man sollte jedoch ganz deutlich sagen, dass das hier kein feeld good Weihnachtsfilm zum runterspülen mit Glühwein und Marzipankartoffeln ist. Während zuerst das klassische „They pretend theyre not fucking“-Familiensetting zelebriert wird, und das genretypisch unterhaltsam, zeigt sich Kate im Verlauf dieser 5 Tage mehr und mehr, dass ihre Partnerin eine Lüge an die nächste reiht, und so eine lange Kette an Zweifeln aufreiht, an deren Ende eine bitterkalte Wahrheit steht: Sie steht nicht dazu, lesbisch zu sein, und steht nicht zu ihrer Beziehung.
Das führt zu Konflikten, das führt zu Drama, und das führt zu Emotion. Mehr sollte man gar nicht sagen, denn Happiest Season ist erstaunlich unvorhersehbar. Man denkt an bestimmten Knotenpunkten der Handlung immer wieder, zu wissen, wie es jetzt weitergeht, weil der Film große Bestandteile (lesbischer) Rokmanzen persifliert – Die attraktive Ex-Partnerin die wieder auftaucht, die sich entfremdenden Heldinnen, die alte Sommercamp-Jugendliebe… aber dann gibt es doch wieder einen erzählerischen U-Turn, und man wird abermals überrascht.
Dabei hat Happiest Season so viel mehr zu bieten als Weihnachtsstimmung und Frauenromantik – gibt es beides. Aber dazu noch gutes Drama, gelungene Emotionen, Ab und Zuneigungen zu fast allen Charakteren, die auch stark wechseln, schöne Bilder, raffinierte Schmunzler, Kommentare auf soziale Muster die uns nur zu bekannt vorkommen wie etwa die alles für Instagram pedantisch fotografierende Mutter, und einen Konflikt, vielschichtig und authentisch genug beleuchtet, dass wir ihn am Ende vollständig nachvollziehen können und beide Ausgänge verstehen würden. Hut ab!
Die Hauptcharaktere schwanken. Kristen Ein-Gesichtsausdruck Belle darf hier auch mal zeigen, dass sie nicht nur wie eine depressive Künstlerin auf einem Valium-Trip gucken sondern sogar manchmal lächeln kann, und überzeugt im Film mit am meisten. XXX als Harper ist bedeutend schwächer und bietet dem Zuschauer eine geringere Projektionsfläche, das liegt aber auch an Harpers Rolle im Film. Die anderen Rollen sind gut bis comichaft überzeugend wie Harpers etwas, wie würde man sagen, merkwürdige Schwester XX. Die vermutlich beste schauspielerische Leistung im Film liefert wenig überraschend Alison Brie als scheinbar-perfekte große Schwester von Harper ab, deren creepy Zwillinge ebenso zum Schmunzeln und Runzeln bringen.
Was man hier gar nicht erwarten darf, sind erotische oder sexualisierte Szenen in irgendeiner Weise. Ein kuss ist das höchste Der gefühle, und zumindest mehr persönliche und harmonische szenen zwischen Harper und Kate hätten dem Film unbedingt gut getan, vor allem um die Fallhöhe im zweiten Akt abzufedern. Aber das hier ist vor allem ein Familien-Beziehungs-Weihnachtsfilm, der ein möglichst breites Spektrum ansprechen soll und als Kernthema das Stehen zur eigenen Identität präsentiert, da verwundert das wenig.
Ich habe von happiest season nur einen kuschelweichen Weihnachta-Werbefilm erwartet, wusste nicht mal von den lesbischen Heldinnen, habe am Ende aber etwas bekommen, das mich zuerst amüsiert und eingelullt und dann auch erzählerisch gepackt und mit einem verdienten und starken Ende in die Credits entlassen hat, welche vielleicht einen der wenigen Momente darstellen, in denen ich instagram auch positive Aspekte abgewinnen kann.
Ihr werdet sicherlich überrascht, werdet Spaß haben und eine Menge fühlen.
Vielleicht ja auch eine Handvoll Weihnachtsstimmung.
7 von 10 geklaute Goldketten für Happiest Season.
4/10
Dieses Filmchen hat kaum mehr als eine halbe Stunde, um seine sogenannte Geschichte zu erzählen, daher möchte ich mich auch eher kurz halten. Positiv ausgelegt ist Camp Belvidere die Quintessenz der lesbischen Romanze in 30 Minuten komprimiert, negativ ausgelegt ist es ideenlos und ein wenig überflüssig.
Es geht um zwei Frauen in den 50ern, welche im sogenannten Camp Belvidere wohl eine verbotene Romanze zueinander eingegangen sind. Die eine Frau ist die erfahrene Veteranen-Lesbe, welche die moralischen Bedenken an den Tisch bringt, die andere ist das naive aber leidenschaftliche Liebchen, das unbedingt mehr als nur eine Nacht will. Wir steigen voll ins Geschehen ein, was vorher war oder im fehlenden Endteil passiert, erfahren wir nicht, überhaupt fehlt es an Kontext. Der Film ist eine Aneinanderreihung kurzer, altbekannter Dialogszenen mit ein paar Küssen und HypernahAufnahmen-Sexszenen zum Schluss. Dazu eine aufdringlich-warme Farbgebung, ein Weichfilter hier und da und kitschig-theatralische Musik in beinahe jeder Szene.
Camp Belvidere ist über seine kurze Lauflänge nicht langweilig, und die beiden Stereotypen nicht unsympathisch. Irgendwie ist das Ganze ja schon süß, und so kurzweilig. Und wie ich sagte, findet ihr hier viele Bestandteile aus längeren Genrefilmen gelungen verarbeitet. Aber dann auch wieder fragt man sich, was nun eigentlich der Sinn hinter diesem Kurzfilm war. Denn weder gibt es ein starkes Script, noch eine gekonnte Idee oder liebevoll-gestaltete Romantikszenen.
Etwas mehr Fleisch Vorne und Hinten hätte helfen können, oder zumindest kreativere 38 Minuten.
So ist Camp Belvidere eine Art mittelmäßiger Trailer für das Lesbian Romance-Genre, bei dem ihr von allem ein bisschen aber nichts so richtig bekommt. Aber dafür ist er komplett auf Youtbe verfügbar! Also schaut doch gleich mal rein.
Von mir gibts für Camp Belvidere 4 von 10 Krankenschwestern.
4/10
Oftmals ist es angenehm, wenn Filme einen überraschen. Wenn sie noch besser sind als erwartet, eine unvorhersehbare Wendung nehmen oder die Genres wechseln. Aber dann und wann ist es auch mal akzeptabel, schlicht und einfach das zu bekommen, was drauf steht.
Wer von einem Film namens Room in Rome, auf dessen Cover sich zwei unbekleidete Frauen in einer Wanne wälzen, das nächste Portrait einer jungen Frau in Flammen erwartet hat, ist vermutlich eher enttäuscht von dem 105 Minuten langen, glorifizierten Kunst-Softporn. Wer hingegen mit viel Nacktheit und noch mehr Melodramatik rechnet, liegt in etwa Richtig, aber dann auch wieder ist es etwas komplizierter als das.
Die Zusammenfassung liest sich wie eine Nationalitätenfetish-Fanfiction: Wir befinden uns im nächtlichen Rom, wo die spanisch-griechische Lesbe Alba, welche aus Saudi-Arabien stammt, die vor ihrer Vermählung stehende Russin Natasha in einer Bar kennenlernt und in ihr Hotelzimmer verschleppt. Beide erleben eine leidenschaftiche, emotionale aber auch tiefgehende Nacht des Kennenlernens miteinander, die zuerst vollkommen zwanglos erscheint und dann doch ernstere Folgen haben könnte.
Es gibt genau zwei Aktivitäten respektive Szenen-Arten, welche sich in Room in Rome beinahe perfekt abwechseln: Dialog und Sex. Natasha und Alba, welche im übrigen beinahe über die gesamte Lauflänge nackt sind und das Hotelzimmer kaum verlassen, reden über ihre tragischen Vergangenheiten, gestorbene Kinder und – natürlich – misshandelnde Männer, ehe sie keine zwei Minuten später bereits wieder aneinander rumspielen und Weinflaschen zweckentfremden.
Untermalt wird das Ganze von durchgehend warmen Farben und einer spärlich-beleuchteten Kulisse, die während gewichtigen Dialogmomenten schonmal in dramatischen Kamera-Einstellungen präsentiert wird, die bei aller Liebe zur Theatralik etwas… künstlich wirken. Theatralisch und künstlich sind auch die italienischen Operngesänge, die sich durch den gesamten Film ziehen, neben einem fürchterlichen Schnulzsong, der sech oder sieben Mal eingespielt wird und die lyrische Komplexität eines Glückskeks-Zettels aufweist. Auch die Kunstgemälde, die Albas Hotelzimmer mit ihrer Präsenz dominieren und Inhalt einiger Gespräche sind, wirken in der Erzählung eher als prätentiöses Konstrukt, um die Erotik aufzuwerten, denn als tiefere Botschaft.
Room in Rome ist oftmals unfreiwillig komisch und ohne Wertung sei gesagt, dass es sich eher wie ein erotisches Theaterstück als wie ein richtiger Spielfilm anfühlt. Das kommt auch von der hochgestochenen und literarischen Art, wie sich die Charaktere unterhalten. Niemand würde jemals so reden, aber es kommen hübsche Zitate dabei heraus.
Ist Room in Rome denn dann nur prätentiös und albern? Überhaput nicht. Die Schauspielerinnen Elena Anaya und Natasha Yarovenko haben eine Chemie zueinander, die überschäumt und kocht, wenn ich das mal so sagen darf. Der ungezwungene, aber auch intelligente, italienische Humor, der zwischen den beiden immer wieder die Stimmung auflockert, ist so charmant und sympathisch, dass man gegen Ende definitiv mindestens etwas mit den beiden mitfühlt. Dass sie sich nicht nur auf Englisch, sondern auch auf spanisch und russisch unterhalten ist eine coole Idee, die sogar als narratives Mittel eingesetzt wird. Der einzige andere Charakter, der Hotelservice Max ‚Maximus‘, welcher Alba und ihre nächtlichen Abenteuer schon länger zu kennen scheint und deswegen auch angestrengt überlegt, ob eine Gurke ihrer Anfrage nach einem Vibrator ebenfalls entspräche, ist ein herrlich-absurdes Comic Relief-Element, das für ein paar irrsinnig-unangenehme aber auch im Sinne des Films so ungezwungen-humoristische Szenen verantwortlich ist.
Und ich wiederhole mich – die beiden Heldinnen haben eine absurde Killerchemie miteinander, und das nicht wegen dem halben Dutzend Sexszenen. Darum ist es insgesamt eher ein bisschen schade als wirklich frustrierend, dass Room in Rome eben trotzdem nur das ist – Ganz viel Sex in einem Hotelzimmer mit teilweise kruden Dialogen zwischendrin, die seltsamerweise auch immer wieder dramatische Twists nehmen müssen, die das Ganze – ich wiederhole mich – wie ein kitschiges Theaterstück wirken lassen. Der Film ist mit 105 Minuten deutlich zu lang für sein Konzept, und die intimen Szenen wiederholen sich schnell. Jeder, der Room in Rome als Softporn bezeichnet, hat nicht unrecht. Aber wenn man einen lesbischen Softporn mit manchmal guten, wenn auch gestelzten Dialogen, einem gelungenen Humor und guten Schauspielerinnen möchte, warum nicht?
Ich mochte zudem, dass eine sehr kleine Szene zum Schluss das Ende offen lässt. Ich mochte zudem die kreative und auch irgendwo geringfügig-epische Schlussszene.
Ob Room in Rome jetzt ein guter Film ist? Keine Ahnung… ich habe mich definitiv im Mittelteil gelangweilt, und mochte den ganzen Sex auch nicht sonderlich. Wenn das aber euer Ding ist, viel Spaß damit.
Von mir bekommt Room in Rome 4 von 10 gekochte Gurken.
8/10
Imagine Me and You ist eine britische Liebes-Komödie durch und durch, mit allen Stärken des Englischen Films, und während die Target Audience des 2005 erschienenen Feelgood-Movies sicherlich eher die breite Masse als die Genrefans waren, ist das in meinen Augen ein Film, der im Genre als Vorbild gelten sollte.
Imagine Me and You hat eine perfekte Spielzeit von 90 Minuten, die ohne eine einzige Länge in jedem Moment unterhaltsam, witzig, überzeugend federleicht vorübergehen. Optisch, schauspielerisch, inhaltlich und humoristisch bekommt man starke Kost geboten, ohne irgendetwas wirklich Neues zu sehen. Weder für damals noch heute, aber das Spielt keine Rolle – Weil Imagine Me and You in seiner Feelgood-Komfortzone sicherlich eine der besten FemRomanzen des Genres verkörpert.
Rachel und Heck kennen und lieben sich seit ihrer Jugend, und nun steht endlich die glückliche Hochzeit an. Dort lernt Rachel auch die Floristin Luce kennen, welche die Blumen bereitgestellt hat. Was als witzig-unverfängliche Bekanntschaft anfängt, entwickelt sich in eine eine tiefere Freundschaft bishin zu, na ja, „Ich wusste es nach 3 Sekunden“. Das kennen wir alles, ein Heteropärchen heiratet, ein Homohorror stolziert hinein und bringt alles zum Einstürzen.
Meist ist das gepaart mit viel Negativität, unangenehmen und forcierten Drama, Anti-Establishment-Statements gegen dreckige Hetero-Männer und einer Chemie zwischen zwei Frauen, die sie nach zwei Szenen und 20 Minuten Laufzeit in die Horizontale zwingt.
Nicht so in Imagine Me & You. Das ist, war endlich mal wieder ein Film, bei dem sich alles organisch und langsam entwickelt. Nachvollziehbar. Rachel und Grace lernen sich nach und nach besser kennen, und obwohl sie sofort merken, dass sie eine teuflische Chemie miteinander haben, dauert es so um die 40 Minuten, bis sich auch beide den Implikationen wirklich bewusst sind. Das heißt nicht, dass der Film langatmig oder gestreckt wirkt – Der bissig-britische Humor, der allen Charakteren in beinahe jeder Dialogzeile aus den Mündern tropft, ist einfach fantastisch und meistens zum Wegschmeißen. Der Film ist verdammt witzig, ja, aber er kann auch entsprechend ernst und zurückgenommen sein, wenn es an die emotionaleren Szenen geht. Beides funktioniert, und zwar soweit, dass man zutiefst mit allen beteiligten Personen mitfühlt.
Da wir gerade dabei sind – Heck ist der herzensgute, etwas naive, aber empathische Ehemann, der Rachel am liebsten die ganze Welt schenken würde. Wie gesagt ist es in diesem Genre nicht selten, dass Hetero-Ehemänner oder Partner eher als Störfaktor oder Symptom der Gefangenschaft dargestellt werden. Arschlöcher und Sexisten allesamt. Heck nicht. Heck ist ein großartiger, komplexer und sensibler Charakter, an dem wir als Zuschauer bis zuletzt genau so sehr wie an den beiden sympathischen Damen hängen, um ihm das Beste zu wünschen. Das liegt sicher auch daran, dass er vom charismatischen Matthew Goode gespielt wird, während Luce Game of Thrones Fans als Lena Headey bekannt vorkommt.
Ach abgesehen vom Lesbischen Glück in spe, die durchgehend eine tolle Chemie in jeder Szene haben, ist der Cast voll mit starken Charakteren. Da ist Rachels kleine Schwester H, die kuriose Fragen stellt und noch kuriosere Fakten kennt, aber auch als emotionaler Anker fungieren kann. Oder Rachels Eltern, die sich ein bisschen hassen und ein bisschen mögen. Keiner weiß, was mehr. Oder Luce Mutter, die selbst gerne nochmal das Feuer der Liebe entzünden würde. Oder Hecks Best Buddie British-Dollarstore-Barney Stinson, welcher den schmalen Grad zwischen Britisch und Vulgär hier am meisten (Und urkomischsten) ausreizt. So könnte man weitermachen, und da wir gerade bei Eltern waren – Sehen wir uns Genrekonkurrenten wie Saving Face an, betrachten wir eine lesbische Romanze mit Eltern-Generationen-Mutter-Will-Auch-Daten-Elementen, die fürchterlich integriert sind und dem Rest des Films enorm schaden. Beäugen wir dann Imagine Me & You, so bemerken wir, wie es richtig gelöst wird: Mit nicht immer sympathischen aber nahbaren und unterhaltsamen Eltern, die ihre Kinder lieben. Es kann manchmal sehr einfach sein.
Ich könnte noch weiter ins Detail gehen, aber die Wahrheit ist, dass Imagine Me & You sich eigentlich auch sehr kurz faziten lässt: Es ist so wirklich, wirklich herzlich, ehrlich lustig, gekonnt berührend, geeignet für die ganze Familie, smart und respektvoll allen Charakteren und den Zuschauern gegenüber. Guckt den Film. Man kann ihm sogar verzeihen, dass auch er in gewissem Maße die Flughafen-Karte zieht, denn schließlich ist auch das Ende vom Ende, ohne zu viel zu verraten, ein echter Lacher, der respektvoll bleibt und den Zuschauer mit einem breiten Grinsen in die Credits entlässt. Hach ist das schön, auch mal wieder einfach was lobpreisen zu können.
Von mir gibt es für Stell dir mich und dich vor, oder der atomar-anale offiziele deutsche Titel „Hochzeit zu dritt“, 8 von 10 Blumensträuße. ‚Nur‘ 8, weil der Film eben abgesehen von seiner durchgehenden Unterhaltsamkeit nichts Besonderes ist und euch nicht jahrelang im Gedächtnis bleiben wird. Aber er ist kantenlos. Und das ist in diesem Genre viel wert.
4/10
Saving Face ist mal wieder einer dieser Filme, die eigentlich gar nicht viel mit einer weiblichen Romanze am Hut haben, sondern diese nur als Aufhänger für die eigentliche Handlung nutzen – Ein chinesisches Familien und Clash of Cultures-Comedy Drama. Als solches ist der Film aus 2004 auch eher ein mittelmäßiges Einschubs-Produkt, das wenige Stärken in sich vereint.
Wilhelmina Wil Pang ist eine arbeitstüchtige, amerikanisch-chinesische Chirurgin mit großen Ambitionen und wenig romantischen Aussichten. Ihre Mutter und vor allem ihr terror-traditioneller Chinese Grandpa würden sie doch so gern mit einem strammen Herrn verheiratet sehen, doch da haben sie die Rechnung ohne Vivian Shing gemacht – Denn in Saving Face erfahren wir ein weiteres Mal pikante Details über das Paarungsverhalten von homosexuellen Frauen – Sie werfen sich einen Blick zu, haben Sex mit ihren Augen und behandeln sich in der nächsten Szene bereits so, als würden sie sich seit Jahren kennen und am liebsten mit den Händen sofort da weitermachen, wo die Augen gerade aufgehört haben. Das wäre ja in Ordnung – schließlich ist die Chemie zwischen den beiden Traditions-Verweigerinnen ausreichend stark – leider folgen über die 91 Minuten wenige romantische oder intime Szenen. Stattdessen geht es um die chinesischen Familienbilder, die neugierigen Nachbarn, die verurteilenden Bubbles, die Bemühung, das Gesicht zu wahren, so dass der Filmtitel hält, was er verspricht. Hat man eigentlich das Bedürfnis, die gefühlten Hauptcharaktere einer solchen Geschichte im Fokus zu sehen, verschwimmen diese über weite Strecken des Films gar zu Nebenfiguren, wenn wir uns eher dem Liebesleben von Wils Mutter, oder dem Gesundheitszustand ihres Großvaters widmen.
Dass wir so viel Zeit mit mit dem Umfeld von Wil und Vivian verbringen, ist vor allem darum problematisch, weil ein Großteil davon wie der Film als Ganzes nicht so gut gealtert ist. Staubgelbe Klischees, rassistische Untertöne und insbesondere so unangenehm-störisch-egoistisch-ignorante Traditions-Auflagen, dass man die Mutter und den Großvater eigentlich permanent stummschalten möchte. Und selbst Wils lockerer, afroamerikanischer Freund scheint nur im Film zu sein, um eine Slapstick und Culture-Clash-Funktion zu erfüllen.
Optisch und musikalisch ist Saving Face leider deutlich in die Jahre gekommen – Der Film hat 12 Sommer auf dem Buckel, und das sieht man. Er hat auch klare Stärken, oder besser gesagt, eine Große – Der über allem stehende, bissig-nonchalante Humor hält das Ganze zusammen und rettet die Geschichte davor, bitter-unsympathisch vor sich hin zu dümpeln, dennoch habe ich mich mehrmals im Film gelangweilt, was ich eben hauptsächlich auf den fehlenden Fokus fürs Liebespaar schiebe. Dennoch, er ist in manchen Momenten sehr witzig, das sei ungenommen.
Gegen Ende werden dann noch ein paar Urzeit-Bomben wie die unterbrochene Hochzeit oder das Aufhalten der Verflossenen am Flughafen gezündet, und hier sehe ich die Symptomatik für Saving Face: Der Film hätte mit zehn Minuten weniger und deutlich mehr Fokus auf den Humor und das Pärchen statt unzeitgemäßen Familien-Erwartungen und klapprigen Klischees ein wirklich unterhaltsames Filmchen sein können, aber Regisseurin Alice Wu wollte das vermutlich gar nicht. Sie wollte eine Story über chinesische Familien und den Generationenkampf, nicht über zwei sich küssende Frauen. Und wenn euch das interessiert und ihr gerade nichts wirklich Gutes zu sehen habt, reicht euch das ja vielleicht.
Von mir bekommt Saving Face 4 von 10 Pingpong-Bälle. Stärken sind im guten Humor und den beiden Hauptakteurinnen zu finden, Schwächen in… allem anderen.
6/10
Bei diesen Schlagwörtern sollte es sich vielleicht schon andeuten, aber lasst es mich hier nochmal in aller Deutlichkeit etablieren: Ammonite ist ein extrem langsames, ruhiges und zuweilen anstrengendes Drama, das sich mit einer weiblichen Liebschaft paart. Der Film funktioniert fast ausschließlich in den Farben Grau und Blau, es dauert 10 Minuten bis zum ersten Mal etwas gesagt wird und auch sonst gibt es verhältnismäßig wenig Text und Musik. Mit seinen knapp 2 Stunden ist Ammonite zusätzlich eine kleine Ecke zu lang, ich muss jedoch auch gleich etablieren, ich würde keinesfalls sagen, dass der Film zäh, langweilig oder verkopft ist. So gar nicht. Aber er ist nicht lockerleicht und angenehm.
Die englische Südküste in den 1840er Jahren: Die berühmte und vieldekorierte Fossilienforscherin Mary Anning lebt ein relativ isoliertes und karges Leben mit ihrer Mutter, indem sie sich vor allem mit der Suche und dem Verkauf von Fossilien beschäftigt. Schließlich sucht sie ein wohlhabender Fanboy auf, der gegen ein großzügiges Honorar gern von ihr lernen würde. Widerwillig, doch von Geldnot gepresst, erklärt Mary sich dazu bereit, doch nur nach ein paar Wochen geht es dem Edelmann nicht mehr um sich selbst, er bittet Mary, sich seiner melancholischen, depressiven Ehefrau Charlotte anzunehmen, und diese 6 Wochen zu begleiten, damit sie ihre frühere Lebensfreude wiederfindet. Er selbst setzt sich so lange ab, als hätte er Charlotte im Spielbereich eines Ikea abgegeben, und Mary und Charlotte bleiben zu zweit.
Audiovisuell gibt es bei Ammonite nicht viel zu holen: Die trostlose Farbpalette spiegelt das Innenleben der beiden Protagonistinnen wieder, die Musik ist so gut wie nonexistent, die kargen, dunklen Räumlichkeiten von Marys Haus locken keinen Ästheten hinterm Fels hervor.
Auch die Handlung gibt es eigentlich nicht, da wir die ganze Zeit vollständig nur auf Mary, Charlotte und ihren Umgang miteinander fokusiert sind. Also reden wir doch mal darüber.
Kate Winslet war vor 4 Jahren 45 Jahre alt, und in ihren Vierzigern soll auch Mary sein. Saoirse Ronan war 26. Damit ist ein Aspekt dieser Romanze ein Generationenunterschied. Der andere ist etwas weniger offensichtlich: Die Klasse. Jedoch muss man in meinen Augen keinen von beiden wirklich zur Kenntnis nehmen, weil sie über den Großteil des Filmes keine Rolle spielen. Es dauert eine volle Stunde, ehe die Romanze konkret wird, und dann färbt sich das Bild nicht rosarot sondern bleibt blaugrau, ob in den geerdeten Liebesszenen oder gemeinsamen Ausflügen. Aber das ist gar nicht kritisch, denn die beiden Schauspielerinnen tragen alles auf ihren Schultern:
Saoirse Ronan ist in pre-modernen Rollen eigentlich immer am besten aufgehoben, weil sie als melancholische, blasse Dame in schwarzen, viktorianischen Kleidern einfach überwältigend aussieht und spielt. Sie bringt diese zurückgezogene Kälte, aber auch weltfremde Naivität perfekt herüber und verleiht Charlotte so leben. Kate Winslet hingegen kann minutenlang nicht sprechen, und vermag es dennoch mit ihrer Mimik so viel zu sagen. Die beiden funktionieren zusammen, irgendwie.
Und so könnte das ein sehr unorthodoxer, fordernder, aber auch künstlerischer und hoffnungsvoller Film über eine einsame, desillusionierte und eine depressive, verlassene Frau sein, die zuienander finden und trotz ihrer Unterschiede einander Trost spenden. Aber es ist leider immer noch eine lesbische Romanze, und das bedingt mitunter, dass man ein unbefriedigendes Ende zu erwarten hat. Hier komme ich nicht um ein gewisses Maß an Spoilern herum, aber ihr wisst an dieser Stelle ohnehin genug über Ammonite, falls ihr an einer solchen Erzählung Interesse habt.
Filme sind grundsätzlich ein Zeitinvest. Oft auch Geld, Erwartung, Geduld und andere Werte. Und wenn ich einen so mit Vorsatz entschleunigten, schmutzigen FastStummfilm 2 Stunden verfolge, erwarte ich dafür eine gewisse Kantenlosigkeit am Ende, oder wenigstens einen konsequenten Abschluss.
Ammonite hingegen hielt es für wichtiger, das Lesbian Bad Ending mittels Drama out of Nowhere zu bedienen. Dass zwischen Charlotte und Mary am Ende des Tages doch eine tiefe Kluft existiert – sei es wegen einem Commentary zum Generationsunterschied oder doch dem Klassenunterschied – hat sich nur in den allerwenigsten Momenten des Filmes angedeutet und wenn überhaupt nur in einer Szene einigermaßen ausgewirkt. Dass daraus Probleme entstehen könnten, wurde nicht aufgebaut. Die beiden haben in den zwei Stunden kaum Konflikte. Dann jedoch, 5 Minuten vor Schluss, kracht es, und die Motivation dafür nimmt man Mary und Kate Winslet nur schwerlich ab.
Doch auch das wird nicht konequent zu Ende geführt, stattdessen bekommt man ein Bilderbuch Open to Interpretation-Ende, mit einer letzten Kameraeinstellung, die zwar sehr hübsch ist, die Intention des Darstellens des Klassenunterschiedes jedoch übertreibt, denn – wie gesagt, das spielte vorher im Film nie eine Rolle. Warum erst jetzt?
Dieser letzte Akt hintrlässt einen sauren Beigeschmack im Mund, und man fühlt sich seinr zwei Stunden doch irgendwie betrogen. Dann auch wieder bedeutet ein offenes Ende aber auch immer Hoffnung, und die eigene Wunschvorstellung, dass die beiden Frauen sich doch nicht von kleinlichen Unterschieden in den Lebensentwürfen zertrennen lassen werden.
Nichtsdestoweniger, entweder hätte der Regisseur etwas mehr Mut zu einer klaren Aussage oder aber mehr Konsequenz respektive Nachvollziehbarkeit im Script gebruchen können. So ist Ammonite ein nischiger Genrefilm, der vor allem etwas für Fans der beiden Schauspielerinnen oder von weiblichen Romanzen der anspruchsvolleren Art ist, bei dem man jedoch keinen befriedigenden Abschluss erwarten darf.
Von mir gibt es für Ammonite immer noch 6 von 10 kleine Schätzchen.
4/10
Wenn man mal mit guten, lesbischen Romanzen anfängt, kann man sich möglicherweise des Eindrucks nicht erwehren, dass es sehr wenige Filme des Genres gibt. Je länger man aber gräbt, desto mehr kleine und nicht so kleine Vertreter findet man dann aber doch, die zumindest Spurlemente einer exklusiv-weiblichen Romanze beinhalten. Princess Cyd nimmt vor allem 3 Hauptcharaktere in den Fokus, von denen 2 eine solche Romanze eingehen. Ist es deswegen das definierende Thema des Films? Nein. Würde ich Princess Cyd vorrangig als Romanze titulieren? Nein. Ist das mal wieder so ein Film, der die lesbische Romanze eigentlich gar nicht gebraucht hätte? Ja.
Cyd, die als Kind auf tragische Weise ihre Mutter verloren hat, ist dennoch eine lebensfrohe, fußallspielende Teenagerin, wie sie im Buche steht. Über den Sommer fährt sie zu ihrer Tante in Chicago, welche eine bekannte Schriftstellerin ist. Die Wertvorstellungen, Ideen von Freude und Romsntik der beiden werden aufeinanderprallen. Oh, und Cyd verliebt sich nebenbei noch in die Starsucks-Kassiererin Katie, welche ihr Styling unter die Direktive der modernen Klischeelesbe gestellt hat.
Eigentlich sollte Princess Cyd ein Familien respektive Frauendrama sein, bei dem es darum geht, wie die komplett unterschiedliche Teenagerin Cyd und ihre etwas aus der Gesellschaft gefallene Autorentante langsam füreinander auftauen und einander besser verstehen. Das hätte vermutlich funktioniert und gereicht. Warum genau man also noch die lesbische Romanze und Kati hineinbringen musste, erschließt sich mir jetzt nach einmaligem Sehen nicht so recht, denn beide Segmente wirken wie aus zwei verschiedenen Filmen.
Außerdem muss man konstatieren, dass der Filmtitel meines Erachtens nach so interpretiert werden sollte, dass es sich bei Cyd um eine kaltschnäuzige, mitunter selbstgerechte und insgesamt sehr unangenehme Prinzessin handelt. Viele Rezensenten betrachten ihr Verhalten vor allem in der ersten Hälfte des Films als typisch Teenager. Da stimme ich nicht zu – Teenager sind nicht alle ätzend und respektlos. Wie Cyd hingegen mit ihrer Tante spricht, auf ihre Interessen eingeht und einen abfälligen Kommentar nach dem anderen fallen lässt ist in den verschiedenen Szenen wirklich unangenehm mit anzusehen. Zwar gibt es in der zweiten Hälfte eine längere Szene – für mich die beste im Film – in der Cyds Verhalten aufgegriffen und adressiert wird, doch wegen dem Katie-Plot hat auch diese Szene kaum Luft zum Atmen. Es fällt schwer, so mit Cyd als Protagonistin mitzufühlen.
Ihre Tante Miranda ist der deutlich überzeugendere Charakter, der Rest vom Cast füllt einfache Rollen aus, die teilweise aber gut ins Slice of Life Geflecht passen.
Problematisch vor allem für diesen gespaltenen Film ist die inhaltliche Irrelevanz. Mit 96 Minuten ist Princess Cyd nicht unanständig lang, doch er fühlt sich wie 2 Stunden an. Aufregendes oder Tiefgehendes passiert nicht viel im Film, Cyd ist von ihrer traumatischen Vergangenheit kaum betroffen und diese spielt auch keine größere Rolle, so dass man sich auch hier fragen muss, warum sie die eigentlich überhaupt haben musste. Der Film sieht außerdem nicht sonderlich schön aus, ich würde die Audiovisualität eher mit Langweilig und verwaschen beschreiben.
Verwaschen ist auch das Ende, denn Princess Cyd ist eine dieser Geschichten, die irgendwie einfach aufhören, ohne, dass die Handlung auch irgendetwas hinausgelaufen wäre. So ist es auch mit der eigentlich charmanten Romanze zwischen Tante Miranda und ihrem Autorenfreund Anthony, der Romanze zwischen Katie und Cyd, der Frage des problematischen Haushalts von Katie inklusive eines Vorfalls, und und und. Diese Dinge werden alle stehen gelassen und der Fantasie des Zuschauers überlassen, aber der Film bietet insgesamt leider zu wenig an, um diese überhaupt anzuregen. Eher fragt man sich nach den Credits, was und warum man sich das gerade angeschaut hat.
Der Film ist nicht ohne Charme, kann stellenweise schmunzelwürdig lustig sein oder ein warmes Gefühl in der Brust erzeugen, wenn Cyd in einem offensichtlich overdressten Blazer inklusive Fliege die Gartenparty ihrer Tante besucht oder mit Katie für ein Indiefilmteam auf einem Dach tanzt, aber über die erwähnte Lauflänge von metaphorischen 2 Stunden ohne roten Faden ist das zu wenig.
Mir ist insgesamt nicht ganz klar, was genau der Film aussagen wollte, auch wenn ich mir natürlich die Gedanken anderer Zuschauer und Kritiker dazu durchgelesen habe, bin ich inhaltlich vom Gezeigten nicht überzeugt.
Und so ist Princess Cyd in meinem ganz subjektiven Fazit ein kleiner, bescheidener Film, der zu viele Genres und dramaturgische Versatzteile in sich vereinen wollte ohne diese aber organisch miteinander zu verkleben oder auf etwas Aussagekräftiges hinauszulaufen. Wenn ihr wirklich genug Zeit habt, auch solche Filme zu schauen, und alles mitnehmen wollt, indem sich zwei Menschen mit XX-Chromosomen küssen, guckt Princess Cyd. Ansonsten nehmt einen der anderen der – ja, ganz recht – zahlreichen Filme des Genres.
Von mir gibt es für Princess Cyd 4 von 10 hübsche Füße.
Aktuell ist für mich nach wie vor Porträt einer jungen Frau in Flammen die unangefochtene Königin und der beste Film des gesamten Genres, gefoglt von My first summer , dann Respire . Blue is the warmest colour muss ich nochmal sehen, ist zu lange her.
Ich melde mich wieder, irgendwann, wenn ich gesammelt habe.