Warum gerade dieses Spiel
Oninaki war ein Sales-Kauf ohne viel Hintergrundwissen; das Kampfsystem hatte ich mir kurz angeschaut (und für etwas träge aber nicht unmöglich empfunden) und allgemein wusste ich nur, dass die Story relativ düster sein sollte mit seiner Prämisse, eine Art Geleiter der Toten zu sein. Da ich ohnehin mal ein Spiel von Tokyo RPG Factory spielen wollte, kam das alles ein wenig zusammen.
Über das Spiel
Als Kind verliert Kagachi seine Eltern durch eine Krankheit. Während der Abschiedszeremonie wird ihm erklärt, dass er nicht trauern darf, denn dies würde die Seelen der Toten mit Bedauern erfüllen, was dazu führt, dass sie nicht ins Jenseits gelangen und wiedergeboren werden können - stattdessen würden sie dann zu Gefallenen - seelen- und gedächtnislose Monster - werden. Unfähig diesen Worten Folge zu leisten, verlässt der emotional aufgewühlte Junge das Haus und begegnet draußen einem etwa gleichaltrigen, fremden Mädchen welches ihn zu kennen scheint und sagt er wäre 'nicht ganz'.
Bevor Kagachi erfragen kann, was das Mädchen meint, holt ihn seine Freundin Mayura ein um ihn zu trösten. Die Fremde ist mittlerweile verschwunden und Kagachi begibt sich mit Mayura zurück ins Haus und nimmt Abschied von seinen Eltern.
Zwanzig Jahre später ist Kagachi Teil der Schleierwache: Menschen, die zwischen dem Diesseits und dem Jenseits wandeln können. Ihre Aufgabe ist es, Verstorbenen zu helfen deren Seelen sich aus irgendwelchen Gründen an ihr altes Leben klammern und etwas bereuen. Auch seine Kindheitsfreundin Mayura ist Teil dieser Wache, während ihr Vater Kuchi den beiden übergestellt ist. Zusammen helfen Kagachi und Mayura der Seele eines kleinen Jungen, indem sie ihn zu seinem Haus bringen da er seine Eltern noch einmal sehen möchte. Als diese hören, dass ihr Kind Angst hat allein zu sein, wollen sie sich ihm auf dem Weg ins Jenseits anschließen und Kagachi erfüllt diese Bitte - als Schleierwächter hat er die Befugnis dazu (auch Selbstmord darf nur mit Erlaubnis der Wächter bzw. der Regierung begangen werden).
Wieder in der Stadt angekommen, steht die Schleierwache vor der Aufgabe, den Massenselbstmord innerhalb einer Sekte zu untersuchen, die ihren Jüngern verspricht, nach dem Ableben einander im nächsten Leben wiederzufinden.
Zwischen diesem und weiteren erschreckenden Vorkommnissen begegnet Kagachi erneut der Seele des kleinen Mädchens aus seiner Kindheit. Es besitzt keinerlei Erinnerungen, scheint aber eine Verbindung zu Kagachi zu haben. Während des Gesprächs wird sie von einem maskierten Mann angegriffen, den Kagachi mit knapper Not abwehren kann bevor er ebenso schnell verschwindet wie er gekommen war. Das Mädchen erklärt Kagachi, dass es sich dabei um den Nachtteufel handelt, der bereits vor vielen Jahren einmal die Stadt in Angst und Schrecken versetzte und viele Menschen tötete bevor er eines Tages verschwand.
Kagachi macht es sich zur Aufgabe, mehr über den Nachtteufel herauszufinden um ihn zu stoppen und wird von dem Mädchen - er gibt ihr den Namen Linne, abgeleitet von ihrem Blumenanhänger - fortan begleitet.
Allerdings ist das nicht das einzige Problem, mit dem er konfrontiert wird: In der Bevölkerung kommt es zu wachsenden Zweifeln an der Wiedergeburt und den strengen Gesetzen. Unruhen bahnen sich an, weitere Vorkommnisse fordern der Schleierwache viel ab und enden nicht ohne Verluste und auch innerhalb der eigenen Ränge gibt es Konfrontationen.
Gameplay
In der Welt von Oninaki bildet die Hauptstadt Szaka den zentralen und im Grunde genommen auch einzigen Ort im Reich, in dem die Herrscherin Lady Lobelia mit strenger Hand regiert. Von Szaka aus reist man via Landkarte zu den verschiedenen, von Gegnern bevölkerten Gebieten, die im Laufe der Story freigeschaltet werden. Viele davon sind Ruinen vergangener Zivilisationen, deren große technische und magische Errungenschaften mit ihrem Untergang verloren gingen.
Kakachi kann überall stets zwischen dem Diesseits und dem Jenseits wechseln, wobei er zunächst in jedem neuen Gebiet 'schleierblind' ist und das Jenseits damit nur ein finsterer Ort ohne die Möglichkeit sich zu verteidigen. Um das zu ändern muss man einen Sichtdieb - ein besonders starkes Monster - finden und besiegen um anschließend einen Teil der Jenseits-Map sichtbar werden zu lassen.
Der Aufbau des Gebietes ändert sich in dieser Version nicht, im Jenseits lassen sich jedoch ein paar Truhen finden, außerdem herrscht hier stets eine bestimmte Vorgabe für Kagachi und die Gegner (z.B. alle Treffer sind kritisch, in bestimmten Zeitabständen wird HP prozentual geheilt usw.). Grenzsteine dienen als Heil- und Speicherpunkt und sind nach dem Entdecken für das Schnellreisesystem verfügbar.
Die Maps sind leider extrem schlauchartig und die Umgebung meist sehr karg mit blassen Farben, im düsteren Jenseits hat man dafür zumindest biolumineszente Pflanzen und ähnliche Lichtquellen als kleine Hingucker.
Dazu kommt noch, dass die Musik äußerst spärlich eingesetzt wird und zwischen den Stücken relativ lange Stille herrscht - echt schade, denn der Soundtrack von Oninaki ist stets passend mit seinen oft melancholischen, aber wirklich hübschen Stücken und sehr hörenswert!
Sowohl in der Hauptstadt als auch in den anderen Gebieten lassen sich im Laufe der Story verlorene, namenlose Seelen mit einer letzten Bitte finden, die den Sidequest-Part abdecken. Leider sind dies sehr viele und auch sehr eintönige Aufgaben: Jede Seele will entweder einen Ort/eine Person noch einmal sehen oder eine bestimmte Waffe gezeigt bekommen, die man im Inventar haben muss. Hier hätte man die Anzahl gerne um einiges reduzieren, aber die Geschichte der Seelen dafür ausbauen können, um ihnen Tiefe zu verleihen.
Kampfsystem
Kagachi kämpft nie allein, sondern hat immer einen Daemon an seiner Seite: Eine gefallene Seele ohne Gedächtnis welche nicht wiedergeboren werden, aber mit einem Mitglied der Schleierwache resonieren kann.
Anfangs steht Kagachi nur die schwertschwingende Aisha zur Verfügung, im Laufe des Spiels kann man noch zehn weitere Daemonen finden und bis zu vier auf einmal mit sich führen und während des Kampfes auswechseln.
Jeder Daemon nutzt eine bestimmte Waffenart samt Skills und hat einen eigenen Skilltree. Dort können neue Attacken sowie passive Boni freigeschaltet werden wenn man genug Seelensteine von Gegnern gesammelt hat. Dabei droppen stets nur die spezifischen Seelensteine des Daemons welcher gerade aktiv kämpf. Mit Aisha erhält man immer Schwertsteine, Wil der Axtträger erhält immer Axtsteine usw., nur die selten gefundenen Universalsteine können für alle Daemonen genutzt werden.
Es gibt auch zahlreiche Waffen für jeden Daemon, die bei der Alchemistin in der Stadt (dem einzigen Laden im Spiel) aufgewertet und mit bis zu vier Schattensteinen (zusätzliche Boni) ausgestattet werden können.
Maximal vier erlernte Attacken können neben dem Standardangriff auf die Angriffstasten verteilt werden und unterscheiden sich unter anderem in der Reichweite und Durchschlagskraft und sind nach einem kurzen Cooldown erneut verfügbar. Nach mehrfacher Anwendung können für jede Attacke auch zusätzliche Boni erwachen (z.B. erhöhte kritische Trefferrate oder das Auslösen von Zustandsveränderungen).
Es gibt außerdem noch die Besessenheitsleiste, die mit jedem Treffer steigt und von 0% bis 200% reichen kann. Ab 100% steigt die Angriffskraft, ab 150% sinkt dazu aber auch die Verteidigung. Ab 100% kann man auch Besessenheit für eine gewisse Zeitspanne aktivieren und erhöht die Angriffskraft und Reichweite massiv.
Heilen kann man sich via gedroppten Räucherstäbchen, die nur äußerst limitiert mitgeführt werden können, aber dafür auch oft genug von Gegnern fallen gelassen werden.
Trotz dieser Spielereien verlangt das KS nie taktisches Feingefühl. Zwar bietet es sich durchaus an, für damage sponges erst einmal eine Attacke zu wählen die zum Taumeln führt (damit einem selbst nicht genau das widerfährt und der Angriff unterbrochen wird) und dann die etwas langsamere, aber eben mächtigere Attacke zu nutzten, aber letztlich reicht es auch, alles verfügbare zu spamen bis nichts mehr steht.
Leider ist das KS durch die doch recht geringe Geschwindigkeit vieler Daemonen äußerst träge und fühlt sich nie ganz rund an und auch die schnell recycelten Gegnertypen tragen dazu bei, dass sich die Kämpfe nie wirklich abwechslungsreich anfühlen.
Im Skilltree sind außerdem auch vier Erinnerungen der Daemonen in fester Reihenfolge freischaltbar. An den Speicherpunkten kann man sich eine solche Erinnerung 'anschauen' (da die Daemonen dabei nur in einem weißen Nichts stehen, gibt es leider nicht viel zu sehen) und erfährt Stück für Stück deren tragische/düstere und manchmal auch recht kryptische Geschichte. Manche davon KÖNNTEN zusammenhängen, aber dafür sind die Details zu vage. Schade ist auch, dass das Freischalten aller Erinnerungen keinen Einfluss auf die Beziehung zum jeweiligen Daemon hat oder in irgendeiner Form erwähnt wird.
Es gibt auch noch einen Post-Game-Dungeon, der aber nur aus wiederverwendeten Maps besteht, keinerlei Ergänzungen zur Story bietet und mir mit 100 Ebenen zu viel Aufwand für die geringe Entlohnung (stärkere Waffen) ist.
Erlebnisse beim Spielen
Oninaki gelingen sehr viele Aspekte einfach nicht gut - der Gedanke kam mir wieder und wieder beim Spielen. Die Sidequests sind uninteressant, das Kampfsystem ist sicherlich keine runde Sache und die Zwischensequenzen/Dialoge sind oft frustrierend, weil sie meist abgehackt und holprig wirken und gerade so dazu dienen, den roten Faden zu bilden.
Kagachi bekommmt wenig Gelegenheit, die Geschehnisse tatsächlich zu reflektieren sondern nimmt Enthüllungen eher stoisch hin, so dass ich ihm seine Motivation und seine Entscheidungen gerade gegen Ende des Spiels nicht so recht abkaufen wollte.
Apropos Ende: Mindestens zweimal dachte ich, dass ich gleich den Abspann sehen werde, aber Oninaki hat immer noch einmal eine Wendung (plus unnötig lange Dungeons) draufgepackt um erst ganz am Schluss mit der Wahrheit rauszurücken. Es blieb tatsächlich auch durchgehend spannend, aber so einige Punkte wirken durch diese Entwicklung auch sehr unlogisch und/oder überflüssig.
Und doch erzählt Oninaki eine sehr intensive Geschichte. Das erste Drittel beschäftigt sich stark mit der Gesellschaft und deren Einstellungen gegenüber der Wiedergeburt, der Hinterfragung und auch Zweifel an eben dieser. Auch die Wertschätzung des Lebens mit all den guten und auch schlechten Ereignissen kommt zur Sprache und wie unterschiedlich damit umgegangen wird und wie selbst die größten Anhänger der Gesetze im Angesicht von Verlust oder auch dem eigenen Tod reagieren.
Der Nachtteufel wird im zweiten Teil intensiver beleuchtet und bleibt zum Glück kein Antagonist ohne Motive oder Hintergrundgeschichte, seine Daseinsberechtigung wirkt aber durch den letzten Teil der Story doch etwas bemüht.
Die Herrscherin Lady Lobelia hinterlässt mit ihrer grausamen und durchweg antagonistischen Rolle einen bitteren Nachgeschmack bei mir.
Dafür wiederum hat mich eine Szene besonders berührt (hier hat der OST auch ganze Arbeit geleistet um richtig hart zu treffen), so dass ich dann doch mal die Konsole zur Seite legen und zum Taschentuch greifen musste. Definitiv mein Anwärter für den traurigsten Moment der JRPG-CHALLENGE 2022.
Es gibt auch drei verschiedene Endings, die ich mir alle gegeben habe, wobei eines das Bad Ending darstellt und die anderen beiden "Good" Endings (die Anführungszeichen daher weil…so richtig gut im Sinne von positiv ist eigentlich keines).
Letztlich ist Oninaki kein verschmähter Geheimtipp, den ich empfehlen würde, dafür überwiegen die negativen Punkte einfach. Ein wenig mehr Tempo im Kampfgeschehen und mehr Sorgfalt bei den Zwischensequenzen um der Story Raum zu geben hätten hier viel bewirkt. Wirklich schade, denn grundsätzlich bietet das Spiel eine sehr starke Geschichte mit interessanten Twists und auch der ernste Grundton wird gut vermittelt. Besonders den OST muss ich auch einfach noch einmal loben - sehr stimmungsvoll und absolut hörenswert!
Ob Tokyo RPG Factory noch einmal von sich hören lassen darf bleibt abzuwarten, eine weitere Chance würden sie von mir auf jeden Fall bekommen.
Wie durchgespielt
Meine Spielzeit beträgt knapp 42 Stunden, alle Sidequests habe ich nicht gemacht und den Post-Game-Dungeon nur ein wenig angespielt. Die meisten Erinnerungen der Daemonen habe ich freigeschaltet, ob ich die noch alle mache weiß ich nicht. Gespielt habe ich auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad, der bis auf die ersten Bosse nicht stark ins Gewicht gefallen ist.