Ich habe heute nach einer sehr langen Session Voice of Cards doch tatsächlich beendet.

Zwar hat es mir dann offensichtlich mehr Spaß als am Anfang gemacht. Das lag aber hauptsächlich am simplen Gameplay-Loop selbst und nicht daran, dass die Systeme besonders gut sind.

Am meisten mochte ich letztlich den teils absurden Humor des Spiels, der mich an ein paar Stellen tatsächlich zum Lachen gebracht hat – das schaffen nicht viele Spiele.

Darüber hinaus fand ich die Story inkl. Enthüllungen am Ende nicht besonders mitreißend. Die Charaktere sind zwar nicht ganz so nebensächlich, wie man anfangs vermuten mag, aber eine Bindung konnte ich zu niemandem aufbauen. Zumindest da Pacing war angenehm – etwa eine Stunde pro Kapitel und es passiert immer mal wieder ein bisschen was.

Der größte Reiz des Spiels ist imo wirklich die Tabletop-Aufmachung. Man spaziert über die simple, aber imo schön gestaltete Karte und triggert Events – das macht die Erkundung ganz ansprechend. Dem wird durch die hohe Zufallskampfrate aber ein Dämpfer versetzt.



Kämpfe dauern einfach zu lange. Bei so einer simplen Grafik sollte es nicht 7-10 Sekunden pro Angriffsanimation dauern. Selbst wenn man nur fliehen will, braucht man von Kampfbeginn bis zur Flucht ca. 25-30 Sekunden. Das Kampfsystem bietet durch das Balancing auch sehr wenig Tiefe – dabei ist ein interessantes Konzept da: Statt MP kosten Angriffs „Gems“, von denen man pro Zug eins bekommt. Entsprechend kann man starke Angriffe nur einsetzen, wenn man vorher „spart“. Das ist ein simples, aber effektives System, aus dem man viel hätte machen können, wenn das Spiel es erlaubt hätte.

Die Menüführung ist oft echt umständlich und die Übergangseffekte teils echt lahmarschig. Habe echt wirklich noch nie so ein beschissenes Optionsmenü gesehen und noch nerviger war eigentlich das Ausrüstungsmenü. Die Idee, alles optisch durch Karten darzustellen, ist ja schön und gut. Aber darunter sollte der Spielkomfort nicht leiden. Tut er hier aber.

Leider. Denn wären die Kämpfe flotter und die Menüführung besser, wäre das Spiel zumindest ein kurzweiliger Time Waster gewesen. Das „kurzweilig“ leidet aber stark durch diese Mängel. Es wird nie unerträglich – außerhalb von langen Dungeons eigentlich sogar ganz tolerierbar –, aber gerade im späteren Verlauf nerven die Zufallskämpfe doch arg. Ich bin froh, dass das Spiel nicht noch länger und die Dungeons noch größer waren.

Aus dem Grund werde ich wohl auch den Nachfolger nicht spielen. Mal abgesehen von der Vertonung etc. könnte man so ein Spiel übrigens auch selbst sehr einfach erstellen. Wenn man die Ressourcen hat, wäre so ein Spiel mit einer Art RPG Maker mit relativ wenig Aufwand umsetzbar. Kein Wunder, dass sie kurz darauf direkt ein Sequel raushauen – das Event-, Welt- und Dungeondesign wird mit existierenden Ressourcen denkbar schnell gehen.

Habe übrigens am Ende den Bruder zurückgeholt. Da mir eine der mysteriösen Karten gefehlt hat, weiß ich nicht, was sonst noch hätte passieren können. Die Wahl am Ende fiel mir aber tatsächlich moderat schwierig.

Die englische Lokalisierung ist übrigens klasse – ich denke, die Texte haben hier noch deutlich mehr Biss als im Original.

Fazit: Als sehr reduziertes JRPG mit Tabletop-Flar und humorvollem Erzähler hat Voice of Cards einen gewissen Charme. Dadurch, dass es so simpel gehalten ist, ist auch ein gewisser Suchtfaktor da. Leider fehlt dem Spiel jegliche Tiefe und es ist schlichtweg zu langsam, als dass die Kämpfe lange Spaß machen würden.

Spielzeit: ca. 9h
Wertung: 5/10

Im Vergleich mit Dungeon Encounters würde ich sagen: Dungeon Encounters ist mechanisch deutlich interessanter und vom Spieltempo angenehmer, verliert aber nach kurzer Zeit jeglichen Reiz, da es sich nur noch wiederholt. Voice of Cards hingegen hält zumindest durch die Kombination von Erkundung, Kämpfen und Story bei der Stange. Beides sind aber leider Spiele, die weit hinter ihrem Potenzial zurückbleiben. Viele Probleme wären mit wenig Aufwand vermeidbar gewesen. Schade.

Zumindest kann ich behaupten, dieses Jahr schon ein JRPG durchgespielt zu haben. Und auch wenn es nicht sonderlich gut war, hat es zumindest Alleinstellungsmerkmale gehabt, die das Erlebnis für mich interessanter machen als ein 08/15-Anime-RPG.

Im Bingo könnte ich damit eins der folgenden Felder füllen:
A3, A4
B5
C2, C3
E3 (1/2), E5