Shadow Hearts (PS2)
Shadow Hearts habe ich vor ewigen Zeiten gekauft (war irgendwie schwer zu kriegen; bei mir war es eine gebrauchte Version für 50 Tacken – und das nicht lange, nachdem das Teil auf den Markt gekommen war), gemocht und dann das gemacht, was ich früher öfter gemacht habe: Vor dem Endgegner abgebrochen. So generell meinte ich, dass es etwas schwächer war als der Nachfolger Covenant und hatte die letzten Kämpfe und Neameeto, das letzte Dungeon, in nicht so guter Erinnerung. Beim Vorhaben, es endlich mal durchzuspielen hatte ich den Nachfolger immer mehr auf dem Schirm.
Jetzt hatte ich mich allerdings doch dafür entschieden, die Spiele der Reihe nach zu spielen und habe bei einigem wieder gemerkt, wieso ich SH als ziemlich gutes Spiel in Erinnerung habe, war an manchen Stellen aber auch überrascht. Vor allem im direkten Vergleich mit SH2 ist mir einiges aufgefallen, aber dazu schreibe ich mehr, wenn ich meinen Text zu SH2 schreibe.
Erstmal war ich überrascht, dass SH ziemlich kurz ist. Ich wusste, dass es keins der richtig langen RPGs ist, aber dass man nach 16 Stunden Neameeto erreichen kann, hatte ich dann doch nicht gedacht. Ein alter Spielstand, in dem ich mit 23,5 Std. vorm Endgegner stand, bestätigte mir dann aber, dass das wohl normal ist. Witzigerweise habe ich diesmal deutlich mehr gemacht und trotzdem noch knapp weniger Zeit gebraucht.
Shadow Hearts überzeugt vor allem durch seine tolle Atmosphäre und relativ erwachsene Darstellung. Hin und wieder bekommt man auch ein wenig Quatsch zu sehen, davon ab wirkt das Spiel aber sehr erwachsen, düster und greift einige Themen rund um Flüche, Gewalt, Tod usw. auf. es ist nicht so düster wie Koudelka, kommt seinem Vorgänger aber noch am nächsten; die weiteren Spiele in der Reihe sind leider deutlich seichter, was Horror angeht. Die genrell düstere Stimmung im Spiel mochte ich sehr und auch, dass man dem Spieler hier zutraut, nicht ständig irgendwelche seichten oder affigen Szenen zu sehen. Anfangs wird das noch gemacht, indem mal wieder sexuelle Belästigung heruntergespielt wird (Yuris erster, gradioser Auftritt … seufz), aber im späteren Verlauf des Spiels gibt sich das glücklicherweise. Darüber hinaus sind die Charaktere überwiegend echt unoffensiv, haben dabei alle ihre jeweilige Rolle, die sie gut ausfüllen. Alice z.B. ist die Tochter eines Pfarrers und als solche im Kampf erst später besser zu gebrauchen (sie bekommt recht gute, selbstverständlich heilige, Magie), sie kommt aber nie als Balast rüber, sondern ist ein vollwertiges Mitglied des Teams und macht eine gute Entwicklung durch, was ich in manchen anderen Spielen vermisse, in denen weibliche Charaktere halt einfach mal so gerettet werden müssen (mehr dazu im Text zu Shadow Hearts 2). Es kommt ein wenig darauf an, welche Charaktere man im Team hat, ob man mehr davon sieht, aber das fand ich völlig ok.
Shadow Hearts ist ja das erste Spiel aus der Reihe mit diesem Schicksalsrad im Kampfsystem, d.h. man muss, bevor ein Angriff ausgeführt wird, bestimmte Trefferflächen erwischen, was je nach Angriff leicht ist oder auch schwerer sein kann. Man hat allerdings gute Möglichkeiten, sich das etwas zu erleichtern, wenn es zu viel wird (ich fand z.B. die Angriffe der Seraphic-Radiance-Fusion sehr nützlich, habe die ohne entsprechende Items aber gern mal verhauen). Das Kampfsystem ist anfangs gewöhnungsbedürftig, macht aber hinterher Laune, weil man icht zu passiv ist. Etwas störend ist, dass das KS recht langsam abläuft und man z.B. Animationen immer in voller Länge ansehen muss. Außerdem braucht es eine Weile, um richtig anzulaufen – in den ersten Stunden zogen sich Endgegnerkämpfe bei mir durchaus mal hin, weil ich zu wenige SP hatte (die Leiste neben HP und MP, die, wenn sie leer ist, dafür sorgt, dass ein Charakter nicht mehr kontrolliert werden kann) und Angriffe, die nicht wahnsinnig stark waren. Mit der Zeit wurde es aber irgendwie immer leichter, weil man bessere Angriffe/Fusionen erhält und generell besser mit dem KS klarkommt. Ich mag die Kämpfe hier ganz gern und muss an dieser Stelle auch mal das Gegnerdesign erwähnen, das echt ätzend ist. Also positiv ätzend. Monster sehen auch wirklich wie welche aus und haben teilweise ein absurdes, horrormäßiges Aussehen, das noch sehr an Koudelka erinnert. Schön ist auch, dass die Charaktere eben ihre jeweiligen Stärken und Schwächen und komplett unterschiedliche Fähigkeiten haben. Na ja, gegen Ende hauen Yuri und Alice trotzdem alle Gegner quasi allein wenig.
Die Dungeons sind klein und übersichtlich und gerade dadurch durchweg interessant. Sie sind ein wenig wie in FFIX, also Klasse statt Masse. Hier sieht man, was man mit ein paar Bildschirmen schon machen kann.
Shadow Hearts hat auch ein paar Nebenmissionen, die sich lohnen, da sie ein paar nette Nebenhandlungen aufmachen. Diese Missionen lohnen sich nicht nur, weil es sehr nützlich ist, sie vor dem letzten Dungeon erledigt zu haben, sondern weil sie schlichtweg nicht von der Stange, sondern interessant sind. Danach ist man allerding so stark, dass der letzte Gegner keine große Herausforderung mehr ist.
Zum generellen Aussehen des Spiels hatte ich ja schon was geschrieben – man merkt SH einerseits an, dass es älter ist, andererseits sind die vorgerenderten Hintergründe total schön anzusehen und richtig stimmig. Lediglich die Charaktermodelle sehen nicht zu 100% toll aus (ein wenig wie in FFVII). Die Musik ist wohl auch Geschmackssache – außerhalb des Spiels anhören würde ich sie mir nicht, im Kontext der komplette Atmosphäre des Spiels ist sie aber stimmig und passend.
Was soll man sagen … das ganze Spiel mitsamt seiner Präsentation ist sehr erwachsenengerecht, was ich generell gut finde und was heutzutage leider nicht selbstverständlich ist. Für die relativ kurze Zeit ist es ein tolles, sehr atmosphärisches RPG, das man quasi uneingeschränkt weiterempfehlen kann. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht und es nach zig Jahren mal durchzuspielen, fand ich auch nicht schlecht.
Spielzeit: 23,5 Std.
Insgesamt: 9/10