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Kämpfer
Prolog - Ein Mädchen der Ebenen
Das Spiel beginnt mit der Erstellung des Taktikers und der Lyn-Route. Und damit hat FE7 es in den ersten Sekunden geschafft, alle Konventionen der Fire Emblem Reihe über den Haufen zu werfen.
Wie bisher die Charaktere gesteuert wurden, ist immer etwas unkonkret gehalten. Gewöhnlich werden Strategen wie Malledus diese Aufgabe zugeteilt, aber auch der Lord kann es sein. Dieses Mal ist es wieder ein Stratege, aber es ist direkt der Spieler bzw. eine vom Spieler erschaffene Figur. Zwar könnte Mark potentiell eine eigene Persönlichkeit sein, die von einem anderen Ort in Elibe auf Reisen in Sacae landete oder gar aus einen anderen Universum der FE Reihe direkt dahin teleportiert wurde, ebenso spricht es auch dafür, dass unser fiktives ich aus 2003 aus unserer Welt ins Videospiel gelandet worden ist. Bedeutender ist, dass die Charaktere nicht mehr mit sich selbst reden bzw. untereinander, sondern auch direkt zu uns, den Zuschauer also wahrnehmen. Das hat jede Menge Einfluss darauf, wie wir im Gegenzug die Charaktere wahrnehmen. Um schon auf das Ende des Kapitels zu kommen, Lyn spricht dort von uns als ihr Stratege und sich selbst als UNSERE Schwertmeisterin. Lyn gehört uns, sie ist unsere Einheit, unser Charakter, unsere, darauf läuft es hinaus, waifu. FE7 setzt vieles daran, dass wir uns um das Wohl des Charakters kümmern und über seine eigene Rolle hinaus einen persönlichen Bezug in unserer Welt verleihen. Dem kann man einiges positives abgewinnen, Charaktere haben mehr Gelegenheiten, sich und andere zu zeigen, aber es läuft auf eben jene Machtfantasien hinaus.
- Im gescripteten Kampf gerät Lyn in Todesgefahr, gewinnt den Kampf aber mit einen unwahrscheinlichen, kritischen Treffer. Hier wird ein dramatischer Kampf simuliert.
- Lyn zeigt den Fremden gegenüber völliges Vertrauen und totale Hingabe, ohne dass der Stratege viel gesagt oder getan hat. Er wird Teil ihrer Lebensplanung.
- Lyns Vergangenheit soll Sympathie erwecken. Sie wurde verlassen, ist alleine, schutz-und hilfsbedürftig und nur der Stratege ist für sie da und an ihrer Seite.
- Lyn nach der Erlaubnis ihrer Eltern zu fragen, hat verstörende Implikationen. Hier sind nicht zwei junge Teenager, die ein bestehendes Verhältnis haben und gemeinsam ausreißen. Der Stratege wirkt wie ein Erwachsener, der alleine mit einem fremden Mädchen auf Reisen geht.
Insgesamt wird der Spieler manipuliert, Lyn zu mögen. Das ist die Saat, die in den späteren Teilen mit Wiedereinführung des Avatars Früchte trägt. Die selbsteingefügte Figur kann von allen Charakteren gemocht und angehimmelt werden, ohne dass sie prägende Charaktereigenschaften hat. An der Stelle widmen wir uns kurz den jüngsten Teil der Serie und ich zeige mit diesem Artikel auf, welche Implikationen das haben könnte. Das Verhalten bei dem Dating in 3 Häuser mit den Verhalten von Sexualtätern zu vergleichen ist besonders markant.
Wie Lyn und auch viele andere Charaktere, insbesondere die zwei anderen Frauen auf der Lyn-Route für den Strategen serviert werden, gibt es ein Minus.
Immerhin sei zu sagen, dass das persönliche Verhältnis zwischen Lyn und Mark schon ab dem nächsten Kapitel in den Hintergrund gerät. Lyn ist dann mit Kent und Sain beschäftigt.
Kommen wir zum Positiven.
Die Lyn-Route hat als Tutorial einen ungeheuren Stellenwert, der aber eher unter Gameplay fällt und daher kaum thematisiert wird. Als Konsequenz auf die Handlung beginnt das Spiel nicht mit vielen Charaktere, sondern nur mit den Strategen und nur einen Charakter, den Lord. Bisher war der Lord in seinen Reich sesshaft und von einen halben Duzend Untergebenen umschwärmt. Lyn ist alleine und hat zwar kurz-und langfristige Ziele, aber weitgehend persönliche, die in der Haupthandlung keine Bedeutung haben. Erneut soll man sich nicht auf die Handlung konzentrieren, sondern den persönlichen Lebensweg von Lyn. Vielleicht dient das dazu, dass die eigentliche Haupthandlung, die landesweite Unterwanderung durch die Black Fang, als langweilig oder erschlagend befürchtet wird und ein junges, willensstarkes Mädchen attraktiver und spannender ist. Ich kann dem nur widersprechen und hätte mir beides gewünscht: Einen sympathischen Charakter mit Zielen, Stärken und Schwächen und eine für ihn und für seine Welt relevante, alles verändernde Reise.
In Vergleich zu bisherigen Teilen ist Lyn alleine, man lernt sie kennen, nach und nach werden Charaktere vorgestellt und wird Zeit und Aufmerksam gegeben, als dass etwa sechs Einheiten auf einmal der Armee hinzugefügt werden. Außerdem haben einige über Startkapitel hinaus Präsenz. Bis FE6 wird angenommen, dass ein Charakter in seinem Startkapitel sterben kann, weshalb er für die restliche Story keine Präsenz mehr hat. In FE7 ziehen sich einige besiegte Charaktere zurück und wirken immer noch im Handlungsverlauf. Die einzelnen Kommentare zum Strategen zu Kapitelbeginn bzw. bei der Auswertung der Rankings geben ihnen minimal mehr Tiefe. Insbesonders durch die Unterstützungsgespräche, die in FE6 für alle Einheiten gefestigt wurden.
Wäre die Reihe stagniert und hätte nicht diese Änderungen erhalten, wären die Charaktere weiterhin so blasse Eintagsfliegen. FE7 hat über den Ansatz von FE6 Unterstützungsgesprächen hinaus gewirkt. Für all das gibt es ein Plus.
Die Bedrohung in diesem Kapitel ist überwiegend ein Vorwand für das Tutorial, deutet aber die größere Bedrohung in FE7 und FE6 voraus. Das Land Biran rüstet sich auf und vernachlässigt sein Volk. Folglich werden nicht nur mehr Menschen aus Not oder Gelegenheit Banditen und schaden den eigenen Reich, auch die Grenzen werden in diesem politischen unsicheren Klima nicht mehr so gut geschützt. Überfälle auf benachbarte Regionen sind häufiger, die Regenten stehen unter Druck. Sammeln sie ihr Militär an den Grenzen, könnte das Biran noch mehr provozieren und eigene Schwächen offenbaren. Die Korruption und Instabilität in Biran wird in FE7 emsig von den Antagonisten genutzt, die es zur Vergrößerung und Verstärkung ihrer eigenen Gruppe nutzt. Und es explodiert in FE6, wenn Biran offiziell in den Krieg zieht.
So hielt es ein Bandit namens Batta die Bestie für passend, in Sacae zu plündern.
Noch ominöser als Batta ist sein einsamer Lakai. Ein Anführer einer Diebesbande scheint Batta nicht so sein, aber irgendein Verhältnis muss er mit diesen gesichtslosen Banditen haben. Auf jeden Fall ist es gänzlich gegensätzlich zu Mark und Lyn. Während Mark, der Spieler, Lyn als Mensch mit Gesicht, Namen, Charaktereigenschaften und Herkunft und Identität anerkennt, beide aneinander völlig vertrauen und gemeinsam siegen oder verlieren, schickt Batta seinen Lakaien in dessen Tod. Hätten sie einander vertraut und zusammengearbeitet, hätten sie die beiden vielleicht überrumpeln können, doch die erste Lektion in FE wird uns vermittelt: Wir reiten gemeinsam. Wenige, schwache Einheiten arbeiten kreativ und intelligent zusammen, um eine größere Anzahl zu bekämpfen, die einzeln und jeder für sich nach einer A.I operiert.
Der Name Batta setzt sich aus harten lauten zusammen, so wie sich das Wort Barbar aus den Lauten zusammensetzt, die die Römer diesem unzivilisierten Volk gaben. Ein Biest bzw. eine Bestie sind nicht minder unzivilisiert, verroht, wild, fern des Gesetzes. Ein Bandit eben. Im Endeffekt heißt der Bandit Batta die Bestie „Bandit der Bandit, der ein Bandit ist“.
Am Ende des Kapitels bricht Lyn mit den Strategen auf. Auch wenn ihr Ziel sehr vage ist und im nächsten Kapitel praktischerweise von einen weitaus konkreteren ersetzt wird, ist es typisch für ihre Kultur: Als wandernder Schwertmeister die Welt zur Selbstfindung zu bereisen ist gerade in Sacae typisch. Karel und Karla tun das, Guy und Rath, ebenso Fir und weitestgehend Rutger in FE6. Ihre Vergangenheit wird geklärt und bekommt zwei klare Ziele für ihre Zukunft: Sich an den Banditen zu rächen und den Stamm wiederaufzubauen. Ersteres wird in der kommenden Nebenhandlung thematisiert, wenn erneut Banditen die Bedrohung sind und wird im Unterstützungsgespräch mit Wallace aufgegriffen, wenn es um die Last und Rolle von Herrscher und seinen Untergebenen geht. Der Wiederaufbau des Stammes ist nicht nur als politischer Wiederaufstieg zu verstehen, sondern ihre Suche nach Verbundenheit und Familie, damit ihre eigene Identität, die sie auf ihrer Reise vielfach hinterfragen muss. Insbesonders in ihren Support wird ihre Zukunft und Identität mehrfach angedeutet: Ist ihre Familie ihr alter Lorca-Stamm? Ist es ein neuer, anderer Stamm mit Rath als Partner? Ist es ihr Großvater und Kent in Caelin? Kann sie eine lycianische Nobeldame werden, wie es die Etikette verlangt, und mit Eliwood oder Hector leben?
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