The Witcher III
The Witcher III – Hearts of Stone
The Witcher III – Blood and Wine




Es gibt so Spiele, bei denen es sich irgendwie falsch anfühlt, eine allzu klare Meinung zu haben, selbst wenn man sie 180 Stunden lang gespielt hat ...? Bei Witcher III liegt es einfach daran, dass dieses Spiel und seine Metaebene so verdammt vielseitig und komplex sind, und dass selbst diese Komplexität noch diverse Ebenen hat ...?
Ich will sagen: Es ist ja allgemein bekannt, dass es ein gottverdammt gutes Spiel ist, und gerade in diesem Licht fühlt es sich nach Verschwendung an, ein paar Jahre nach der Veröffentlichung allzu viel Meinung darüber zu schreiben. Am ehesten in die Nähe eines treffenden Reviews kommt für mich vielleicht wieder Super Bunnyhops Video – und selbst bei ihm merkt man, dass er nicht versucht, eine "gestreamlinete" Gesamtaussage zusammenzukriegen, sondern eher seine Gedanken sammelt. ^^
Ich will mich daher auf ein paar Fragen konzentrieren, die ich persönlich interessant finde.


Für wen ist dieses Spiel?

Es ist ziemlich wild, wie groß das Franchise inzwischen geworden ist, aber ehrlich gesagt fand ich die Frage schon spannend, als ich den ersten Teil in der winzigen Fachbesucherkabine der Games Convention in Leipzig angespielt habe. xD
Die Witcher-Reihe ist auf der einen Seite EINDEUTIG ein klassisches West-RPG, mit ganz viel Bioware-Einfluss und ganz viel Fantasy. Aber andererseits hat es nicht nur den europäischen (oder genauer: Ostblock-)Märchen-Twist und die "kleinformatige" Monsterjäger-Core-Story, sondern hatte auch von Anfang an so seeeeltsame Erzählstrukturen und Dramaregeln, manchmal ziemlich weit weg von Hollywood, Heldenreise & Co. – wodurch es oft angenehm überraschen kann. Gerade die Finalszenen der ersten beiden Teile haben das für mich ganz hervorragend verdeutlicht, und Teil 3 geht zum Glück wieder genau denselben Weg. Ich will sagen: Wer mal was inhaltlich und erzählerisch anderes will, das dennoch tief im West-RPG-Bereich verankert ist, der kommt um den Witcher nicht herum.
Ein Teilaspekt davon ist auch, dass hier nicht immer alles erklärt wird, oder nur sehr langsam. Das gilt für das Setting, aber es gilt sogar für die Story, wodurch man seit Teil 1 immer so ein angenehm exotisches Gefühl hat, in eine wirklich fremde Welt und in die komplexe Geschichte wirklich faszinierender Personen einzutauchen. "Sense of Wonder" ist hier mal wieder das Schlüsselwort, und daran scheitern andere RPGs ja wirklich regelmäßig.
Der Witz ist, dass dieser Sense of Wonder der Reihe inzwischen auf eine andere Art und Weise hilft, die sicherlich nicht geplant war: Egal, wie viel Witcher man schon kennt, man fühlt sich selten wirklich verloren, zumindest im negativen Sinne. Ich dachte beim Spielen erst, dass der dritte Teil ohne die ersten beiden ziemlich überwältigend sein muss, aber inzwischen glaube ich, dass es gar nicht so wild sein dürfte. Schließlich habe ich die Bücher nicht gelesen, die Serie nur angefangen, und tatsächlich trägt all dieser Kontext, der mir offensichtlich fehlt, eher noch dazu bei, mich in dieses Spiel hineinzuziehen. Man braucht keine Bücher, keine Serie, eigentlich nicht mal Teil 1+2. In einem gewissen Sinne trägt die Komplexität des Franchises also dazu bei, es zugänglicher zu machen. Man muss sich nur ins tiefe Wasser trauen. ^^
Oh, aber man braucht Ausdauer zum Schwimmen. Selbst The Witcher III, das absolute Vorzeigekind des Open-World-Genres, ist in meinen Augen immer noch 1/3 zu lang. ^_~ Und natürlich, abermals, wonk as fuck, aber das kennen wir ja seit Teil 1.


Was ist das für ein Spiel?

Viele RPGs legen ihren Fokus auf die Handlung und/oder die Charaktere, und manche eher auf die Welt, das Eintauchen und das Erobern. Und ich muss sagen: Gerade letzteres funktioniert für mich nur sehr selten, und ganz oft sabotieren sich die beiden Seiten auch gegenseitig. Die Elder Scrolls bspw. hatten für mich nie irgendeinen Sense of Wonder, die ersten Fallout-Teile u.ä. konnte ich auch nicht lange spielen. Bei Bioware hat mich meistens genervt, dass die typischen drei Planeten/Regionen etc. von der Hauptstory abgelenkt haben. Es gibt Positivbeispiele, aber das sind Ausnahmen, und selbst die sind selten konsistent.
Der Witcher allerdings pendelt auf eine interessante Art und Weise zwischen diesen Reizen umher: Der zweite Teil etwa ist ganz eindeutig ein Story-Spiel – scheinbar auch aus Geldgründen –, der erste eine eher klassische Mischung. Der dritte Teil wiederum hat sich, so meine Vermutung, ERNSTHAFTE Gedanken über die Frage gemacht, wie man diese zwei Reize verbinden kann, ohne dass sie sich gegenseitig in die Beine grätschen. Die ersten 2/3 des Spiels bspw. sind eigentlich eine einzige Schnitzeljagd quer durch die Welt, die an der Oberfläche nur peinlich wenig mit der Story zu tun hat. Wenn man drüber nachdenkt, wird es aber erst durch diese lose Verbindung möglich, die Welt ohne allzu viele "Störgeräusche" zu erkunden und auch komplexe Nebenhandlungen zu erfahren, u.a. weil die Hauptstory noch überhaupt nicht interessant geworden ist – was natürlich nur funktioniert, weil der Neben-Content selbst verdammt interessant ist. Diese Struktur ist nicht immer logisch (Willst du nicht mal langsam deine Ziehtochter suchen statt Karten zu spielen ...?), aber wenn nach, äh, 70 Stunden oder so der storyintensive Part beginnt, kennt man die Welt bereits so richtig gut, und hat auch Bock auf mehr Story IN DIESER WELT, ohne sich aber zu ärgern, dass man Erkundungskram verpasst. In anderen Spielen hört das Spiel meistens schon fast wieder auf, oder man backtrackt nur noch, aber hier baut die Story wirklich ein bisschen auf der Erkundung auf, und läuft dann angenehm unterbrechungsfrei. Es wirkt einfach durchdacht.
That being said, The Witcher ist auch eindeutig die Geschichte eines bestimmten Mannes. Kein generischer Avatar, nicht mal ein blasses "Chosen One"-Bioware-Ding, sondern eben Geralt, der Witcher, und wenn man hier Entscheidungen trifft, geht es um die Frage, welche Entscheidungen Geralt in den Augen des Spielers treffen sollte. Und das erfordert natürlich auch, dass diese Entscheidungen über "rechtschaffen guter Geralt" und "Vollidiot Geralt" hinausgehen ...
Und ja, die Witcher-Reihe macht Dark Fantasy wirklich fucking gut, aus zwei Gründen: Sie versteht, dass "Dark" ein spezifisches Geschmäckle ist, nicht der gesamte Brei. Die depressive Spielwelt und die schweren Entscheidungen können nur funktionieren, wenn all das auch positive Seiten, schöne Momente und sogar potenziell angenehme Ergebnisse haben kann. Ich meine ... man kann in Witcher III ein HARDCORE-Happy-End erreichen, das sich ernsthaft verdient anfühlt! In diesem Sinne versteht die Reihe auch, dass nicht alle Entscheidungen auf Teufel komm raus bitterböse Dilemmas sein müssen, sondern dass böse Dilemmas aus sich selbst, aus echten Konstellationen erwachsen, und auch nicht aller 5 Minuten. Und dass es manchmal einen vernünftigen Kompromiss geben kann, oder einen ruhigen Moment, oder echte positive Emotionen. Und umso härter hauen dann die echten Dilemmas rein.
The Witcher ist für all seine Sex-Cards, seine alten Klischees, seine FUCKING pubertären Gewaltanimationen und seine blöden Witze eben doch ein angenehm erwachsenes Spiel, zumindest in den Momenten, in denen es wirklich zählt.


Wie passen die DLCs mit rein?

Kurzform: Alle sagen, man soll die DLCs mitnehmen, und obwohl Witcher III perfekt (!) abgeschlossen ist, würde ich das uneingeschränkt unterstreichen. Was für ein Grundspiel mit 100+ Stunden eine echte Ansage ist, gerade für meine Verhältnisse ...? yet here we are
Hearts of Stone ist praktisch wieder eine recht geradlinige Story à la Witcher II, aber eine VERDAMMT gute. Und ehrlich gesagt? Das war nach dem Hauptspiel genau das richtige. Ich hatte noch nicht wieder Bock, irgendwelche Umgebungen abzugrasen, aber bei so einer netten kleine Nebenhandlung mit wirklich faszinierenden Charakteren und Szenen war ich sofort dabei. Ich mag das Ende von Witcher II extrem gern, aber ich glaube, im Großen und Ganzen ist dieser DLC mein Höhepunkt der Trilogie.
Blood and Wine wiederum ist dann wieder mehr von Teil 3, und das ist – ebenfalls – genau richtig, zumindest als letzter DLC nach Hearts of Stone. Wenn ALLES an Teil III ein bisschen kürzer gewesen wäre, hätte ich den radikalen Wechsel in Umgebung und Tonfall wahrscheinlich sogar richtig großartig gefunden, aber so war die Luft ein bisschen raus; was ehrlich nicht am DLC selbst lag. Der hat coole Höhepunkte und vor allem coole Charaktere, auch wenn er nicht so ganz an die besten Momente der restlichen Reihe heranreicht. In einem gewissen Sinne also ein ruhiges Ausklingen, was auch noch mal von den grooooooooßartigen letzten beiden Szenen unterstrichen wird ... Und ja. Ja, doch, das passt. =3
Bloß nicht drüber nachdenken, was Yennefer zu der ganzen potenziellen Vögelei in den DLCs sagen würde.

Damit verkünde ich, dass nun offiziell ALLE Fragen zu Witcher III beantwortet wurden.


Neues Achievement!
nothing left to witch