Die brüderliche Beziehung und vor allem Daniels Erziehung finde ich tatsächlich sehr gut umgesetzt und auch ziemlich passend zu allen möglichen Themen des Spiels! Deshalb bin ich auch nicht groß drauf eingegangen außer in #1 oben.
Ich hatte hier das Ending, in dem Sean in Mexiko landet und Daniel zuhause. Ich fand die Endings aber alle okay, die gehen halt klar, solang man sie nicht im Gesamtbild der Themen betrachtet. Sie stellen für mich halt nur keinen so wahnsinnig klaren i-Punkt auf dem gesamten Spiel dar wie in LiS1. Ich habe das Gefühl, über die LiS2-Endings könnte man sich deutlich weniger streiten, und das ist schade.Die Endings in LiS1 unterstreichen eben noch mal, dass man sich beim Erwachsenwerden zwischen diesen zwei Extremen, zwischen unrealistischen Träumen und trister Realität einfinden muss. Mehr dazu unten.
Die Antithese zur Akzeptanz ist ja schon Before the Storm.Zitat
Okay, im nehmen wir mal an, die Aussage von LiS2 wäre "Gerade marginalisierte Gruppen können nicht viel an unserer Gesellschaft ändern." Dann würden die Inhalte, die DIESES Spiel zeigt, aber ziemlich genau bedeuten: "Wenn es dir hier nicht gefällt, musst du halt gehen!" Beispielsweise nach Mexiko, oder in eine Hippie-Kommune, oder eben wie Brody als kleiner Online-Revoluzzer in nem Auto leben. Oder du musst eben irgendwie mit den ganzen Rassisten, der diskriminierenden Polizei, der allgegenwärtigen Religion und dem ganzen anderen Shit klarkommen. *schulterzuck*
Und damit habe ich zwei Probleme:
1. Es ist mir deutlich zu zynisch. Wir als Gesellschaft, aber auch gerade marginalisierte Gruppen haben so viel erreicht in den letzten Jahrhunderten, da will ich doch niemandem sagen, dass er mal bitte klarkommen oder verschwinden soll.Und vor allem keinen PoCs.
2. Es ist aber auch seeeltsam colourblind: Wer mal in einer Hippie-Kommune – Link zur Bildersuche! – war, wer mal Leute getroffen hat, die in nem Auto quer durch das Land fahren? Das sind üblicherweise keine PoCs, sondern Weiße aus privilegierten Hintergründen, wie eben die Mutter von Sean & David. (Es hat Gründe, warum das nicht ihr Vater war! Und die Zusammensetzung der LiS2-Kommune ist, äh, definitiv eine statistische Anomalie, um es freundlich auszudrücken.) Es gibt natürlich richtige urbane Obdachlosen-Camps, wo die Verteilung gerade in den Staaten wieder anders aussieht, aber oh Wunder, die hat uns das Spiel jetzt nicht unbedingt als gleichberechtigt "alternativen Lebensstil" gezeigt. Zum Glück, muss ich an dieser Stelle sagen ...? Es ist eben doch kein David-Cage-Niveau. ^__~
Das meinte ich auch im Nachbarthread, wenn ich sage, dass man aus der Grundidee, als marginalisierte Person wenig verändern zu können, etwas hätte machen KÖNNEN. Dann muss das Spiel aber klarmachen, wo die Zusammenhänge liegen, und zwar im Gameplay: Sean kann sich der Polizei nicht "einfach so stellen" (wie David vorschlägt), WEIL er Latino ist. Und wenn es der Spieler am Ende doch tut, dann sollten die Polizisten Sean eigentlich direkt erschießen. Nicht mal vorrangig, weil es in der Realität ziemlich wahrscheinlich wäre, sondern eher, weil es dieses Thema unterstreichen würde, die Unterschiede eben. Dass er durch den Knast traumatisiert wird, verbindet das Spiel ebensowenig mit seiner Ethnie, obwohl es bekanntlich ein riesiges PoC-Problem in den Staaten ist. Wirkt auf mich eher wie "der schlimme Knast eben"!
Das ist wahrscheinlich auch das, was ich mit "schwammig" meine, und du hast das im anderen Thread vielleicht auch ganz gut getroffen: Das Spiel will viel zu viel thematisieren und verheddert (und widerspricht) sich dabei in seinen Intentionen. Soll das Knast-Ende jetzt zeigen, dass Latinos oft im Knast landen, für Dinge, die sie gar nicht getan haben? Wird höchstens in Kapitel 1 thematisiert. Ist das amerikanische Justizsystem insgesamt broken? Wird nicht deutlich, und wir haben sogar auffällig viele "good guys", sodass das definitiv nicht als Aussage zu halten ist. Ist dieses Ending einfach die Konsequenz aus all den Entscheidungen, die Sean getroffen hat? Dann übergehen wir den Rassismus wieder und sagen den Latinos, dass sie sich mal bitte zusammenreißen sollen.
Vielleicht unterstreichen die vier, fünf Endings das Ganze doch ganz gut, nämlich insofern, dass LiS2 halt nicht so genau weiß, was es sagen will.
Man KANN jetzt sehr freundlich herangehen und sagen, LiS2 würde einfach ein "Gesamtbild" der USA zeichnen, ohne eine klare Message oder sowas. Aber dafür – und das haben wir ja alle schon unabhängig voneinander festgestellt – ist das Spiel deutlich zu politisch motiviert. Wenn du dich mit Politik beschäftigst, musst du auch bewusst und entschieden eine Position einnehmen oder zumindest klare Positionen unterscheiden (keine Strohmänner wie die "bösen Rechten"!), sonst rutschst du automatisch in den gesellschaftlichen Standard ab – und dieser "Standard", der Status Quo, ist nun mal ein grundlegend konservatives Ding.
Deshalb ist das Spiel für mich auch nicht halb so links wie es gerne wäre. Dafür reicht es nicht, ein paar böse Rassisten und ein paar freundliche Schwarze zu zeigen. In den USA landest du damit höchstens in der Mitte der "Liberals" oder "Democrats", bist aber noch weeeeeit von den "Leftists" oder "Progressives" entfernt.
Eher andersrum: Dass stehlen potenziell richtig sein kann (gerade in der Rassisten-Tankstelle!), finde ich sogar gut, ich finde nur blöd, dass dich das Spiel dann dafür bestraft, weil dein Bruder plötzlich denkt, stehlen sei IMMER richtig, selbst bei dem netten Auto-Hippie. Man kann das natürlich darauf reduzieren, dass Kinder oft ein bisschen simpel sind und dumme Dinge tun, aber wenn das im Spiel die emotionale Konsequenz aus deinen Entscheidungen ist, trifft das Spiel damit natürlich auch eine Aussage, und zwar: Stehlen ist eine Handlung gegen den gesellschaftlichen Zusammenhalt, und wenn du das tust, endet dein Bruder am Ende als Gangbanger in Mexiko.Zitat
Und das, obwohl du nur die Zelte von dem Holzbär-Rassisten geklaut hast, um nicht in der Nacht zu erfrieren.
EDIT!
Ich muss noch einmal einen ganz wichtigen Punkt wiederholen: Ich kann wie gesagt nicht so 100% meinen Finger auf die Probleme legen, die ich mit dem Spiel hatte. Es hat sich für mich nur irgendwie falsch angefühlt, fast schon wirkungslos im Vergleich mit den anderen Teilen. Und jetzt versuche ich, zu verstehen, woran das lag. ^_~ Wenn sich die Argumente widersprechen oder ich hier und dort meine Meinung ändere ... nicht wundern! Diese Posts sind ein Prozess.![]()