Sakura Wars




Das ist ein Spiel | für mich ♫

Sakura Wars war ja schon immer so eine faszinierende Mischung aus Dating Sim und Taktikspiel, vor dem Hintergrund eines alternativhistorischen Japans in den 1930ern. Dazu kommt die Prämisse, eine Truppe von unerfahrenen Schauspielerinnen zusammenzubringen und sie in ihren rundlichen Steampunk-Mechas gegen religiös-mechanische Dämonen ins Feld zu führen ... JAP, ich war voll dabei, und das bin ich immer noch! *___* Im nächsten Abschnitt schaue ich mir die Philosophie dieses Soft Reboots noch ein bisschen genauer an, aber eigentlich weiß ich fast alle Änderungen zu schätzen.

Die Story hat wie gehabt das Feeling einer klassischen Anime-Serie ohne allzu große Überraschungen. Das funktioniert, weil der Fokus auf den Charakteren und ihren Beziehungen liegt, und weil mir diese deutlich besser gefallen als im letzten Teil. Fast alle im Hauptcast sind cool und/oder interessant, und auch der Nebencast ist zumindest unterhaltsam. Auch gibt es mit den Kampftruppen der anderen Länder und einem nahenden Wettkampf ein paar neue Ideen, aber wie gesagt, generell sollte man storytechnisch bloß nicht zu viel erwarten. Das ist alles nur der Backdrop.
Spielerisch sieht es schon spannender aus! Statt einem Taktiksystem haben wir diesmal handfeste Button-Smasher-Action mit jeweils zwei rundlichen Mechas inmitten feindlicher Dämonen. Diese Action kommt nicht mal ansatzweise an wirklich gute Genre-Spiele ran, und die Genre-Liebhaber würden wohl über die rudimentären Mechanismen lachen, aber ich hatte gerade mit dieser Simplizität eine Menge Spaß – in einem Genre-Mix will ich mich nicht länger als nötig mit Frust oder dem Einüben irgendwelcher Strategien beschäftigen. Ein paarmal habe ich die Level aber auch wiederholt, um bessere Ratings zu bekommen, weil es mit der Zeit einfach ordentlich flutscht (ein paar pervers schlechte Teile wie den Luftkampf mal ausgenommen). Und obwohl ich erst skeptisch war, ob ein "Team-Genre" nicht besser zur Narrative passt, muss ich sagen: Eigentlich geht es in Sakura Wars mehr um die persönlichen Beziehungen als um das Team. Passt!
Das Herzstück der Reihe bleibt also die Dating Sim, und hier merkt man einfach, dass jahrelange Erfahrung eine Menge wert ist. Die flutscht nämlich so richtig. Den ganzen Cringe, der damit einhergeht, hebe ich mir mal für den dritten Abschnitt auf, aber am Ende des Tages wissen diese Leute einfach, wie sie Charaktere sympathisch machen, wie sie auf dieser seeeltsamen Linie zwischen Wish Fulfillment, Dumm-Dreistigkeit, Subtilität und ernsthafter Psychologie herumtänzeln, wie sie die Arcs der Frauen timen und wie sie all das in die Hauptstory einbinden. Macht Spaß und hat sogar ein paar emotionale Momente!
Und ganz groß: Obwohl das Charakterdesign von Kousuke Fujishima natürlich unangefochten altehrwürdig ist, ist es inzwischen auch einfach irgendwo ... alt. Und genau für dieses Design nun den Bleach-Zeichner Tite Kubo ins Boot zu holen, war eine hervorragende Entscheidung. Der hat nämlich nicht nur einen sehr ikonischen Stil (genau wie sein Vorgänger), er ist auch extrem gut darin, hübsche Menschen in stylischen Klamotten zu zeichnen. Und machen wir uns nichts vor, das zählt hier eine MENGE.

Was ich letztlich noch positiv hervorheben möchte, sind die Prioritäten des Spiels. Man merkt zwar, dass das Ganze wahrscheinlich nur eine mittelgünstige AA-Produktion war, aber dafür haben sie eine Menge aus ihrem Geld geholt. Es gibt genau das notwendige Minimum an Gegner-Varianz, die Anime-Sequenzen setzen genau dann ein, wenn sie die Handlung am effektivsten unterstreichen, die Gesichter sind großartig animiert und generell hat man eine Menge Energie in lebhafte Romantik-Szenen gesetzt. Kleine Details wie die wechselnden Theater-Poster im Flur sorgen für Atmosphäre, Tokyo als Setting ist toll und mit Koi-Koi sowie den Bromides gibt es genau EIN gut ausgebautes Minispiel und genau EIN Set an Collectibles, mit denen man ein bisschen mehr Zeit in dieser Welt verbringen kann. Selbst die Spielzeit, wahrscheinlich irgendwo zwischen 20 und 25 Stunden, ist praktisch perfekt. Meine Güte, ich verstehe jetzt, was es mit Hanafuda-Karten auf sich hat!





How to reboot the Kirschblütenkriege

Sakura Wars ist eine Reihe, deren Originaltitel "Sakura Taisen" schon immer um ein Vielfaches schöner war – die "Kirschblütenkriege" haben was, zumal Kriege ja oft so unangemessen blumige Namen bekommen. Dass auch der Name der Protagonistin dazu passt, ist da nur ein netter Bonus ... was ohne Japanischkenntnisse und mit der Übersetzung "Sakura Wars" natürlich gänzlich verloren geht. Ich meine, was zur Hölle soll dieser Titel bitte aussagen? Es gibt einen Krieg, in dem ein Mädchen namens Sakura eine wichtige Rolle spielt? Toll. Faszinierend! Und ganz besonders toll natürlich in den Teilen, in denen Sakura nicht mal vorkommt.
Das Reboot allerdings ergänzt den Titel um zwei neue Ebenen, die ihn plötzlich sehr viel verdaubarer machen, und die tatsächlich auch darauf hinweisen, dass man sich ernsthafte Gedanken über die Frage gemacht hat, wie sich eine solche Reihe rebooten lässt. Erklären muss ich ich das leider in einem Kasten, aber zwei Dinge vorweg ...
1.) Es ist in meinen Augen gut gelungen!
2.) Wenn wir mal ganz ehrlich sind, spielt kein Mensch auf dieser Welt diese Spiele für ihre Mysterien oder Twists, also können alle außer den militantesten Spoiler-Puristen beruhigt auf den Kasten klicken.


Ein Zyniker könnte an dieser Stelle vermuten, dass ich zu viel in eine blöde Anime-Handlung voller Badehausszenen interpretiere, und das mag stimmen. Aber es wird halt wirklich klar, dass dieses Reboot nicht ausschließlich ein Cash Grab ist, sondern auch eine ernsthafte Liebe für das Franchise und seine Vergangenheit in sich trägt, ohne sich aber vor mutigen Änderungen zu verschließen. Und das weiß ich sehr zu schätzen!


Cringe

Es gibt leider zu viele Seltsamkeiten in ALLEN Bereichen des Spiels, um einen gut strukturierten Text daraus zu machen, aber es ist auch zu viel und vor allem ZU FUCKING CRINGE, um es zu ignorieren. Also gibt es hier eine Liste, die leider nicht mal ansatzweise einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann.

– die Anime-Klischees der 90er Jahre, völlig unverblümt und schamlos
– aktuelle Anime-Klischees, bis hin zu Shonen-esquen Kochszenen und einem Idol-Konzert mit Leuchtstäben
– eine Menge "motivierendes Geschrei"
– eine Spielmechanik für Geschrei, in der man den Regler nur in Ausnahmefällen nicht bis zum Anschlag aufdrehen sollte
– Eskalation! Eskalation! Eskalation!
– Deus Ex Mechas
– 2/3 des Humors funktionieren besser als sie funktionieren sollten (oder dürften)
– 1/3 des Humors fällt spektakulär flach
– seltsame (aber Gott sei Dank inkonsistente) Anklänge von japanischem Nationalismus und Exceptionalism
– Handlung in den 1940ern und ein Berliner Mecha-Team mit seichter Nazi-Optik, aber ein bequemes Aussparen internationaler Konflikte
– allgemein wird so einiges ausgespart, was irgendwie unbequem oder unpassend für die Zeit sein könnte
– alles Böse ist dämonisch
– ein Hauptantagonist ohne irgendwelche Anzeichen von Charakter (aber mit einem coolen Design!)
– der 20-jährige Hauptcharakter ist ein riesiger Creep, hat aber leider immer noch mehr "Charakter" als die letzten beiden
– von fünf Romance-Optionen sind alle jünger als er; eine ist 13, eine ist 19, die anderen sind 16 oder 17
– die 19-jährige wird benutzt, als wäre sie 40
– eine. ist. 13 ... natürlich; FUCK Japan (GOTT SEI DANK sind die schlimmsten Romance-Szenen optional)
– die 13-jährige ist auch abseits dieser Fragwürdigkeit ein schrecklicher Charakter mit einem schrecklichen Arc
– die beste Romance-Option ist offensichtlich die, in der der Hauptcharakter am häufigsten ins Gesicht geschlagen wird
– nicht mal ein Ansatz von Eifersucht, egal wie hart man sich durch die Gegend romanced
– jede der fünf hat eine im Brustbereich individuell geschnittene Uniform (nennt man das dann eigentlich noch "Uniform"?!)
– meine Lebensgefährtin hat jedes Mal genervte Geräusche gemacht, wenn Anastasias Brüste im Bild waren
– ich habe wohl auch Geräusche gemacht
– hier heißen die Collectibles "Bromides", beim Witcher wären es "Sex Cards"
– von jeweils drei Optionen in den Romance-Dialogen gibt es IMMER eine peinliche oder übergriffige Option
– manchmal gibt es auch drei auf einmal :<
– es wird keine EINZIGE Gelegenheit ausgelassen, für Klischees, für Fan Service, für NICHTS
– Das hat nichts mit dem Spiel an sich zu tun, aber ich habe soeben herausgefunden, dass der 51-jährige Kousuke Fujishima eine 20-jährige Cosplayerin geheiratet und geschwängert hat, was in meinen Augen auch schon ziemlich harter Cringe ist.

Also ja, das neue Sakura Wars ist harte emotionale Arbeit. Man muss praktisch alle Ansprüche von Niveau und Anstand hinter sich lassen, die man in den Jahren seines Lebens mühsam angesammelt hat. Embrace the cringe ... OR PERISH!


Fazit

Ob es das wert ist? Ich bereue nichts, aber ich liebe auch den absolut spaßigen und gut gemachten Genre-Mix, weiß das behutsame Reboot zu schätzen und habe eine MENGE Nostalgie für die Serie. Die Charaktere und ihr Miteinander haben mir diesmal sehr gut gefallen, das neue Kampfsystem macht einfach Spaß – auch wenn man hieran ruhig noch etwas feilen darf – und das Drumherum stimmt auch. Den harten Anime-Bullshit und die Fragwürdigkeiten en masse kann ich aber definitiv nur unter diesen Vorzeichen tolerieren. Alles andere muss man dann mit sich selbst ausmachen.

Die Tage folgt dann sicher noch ein kurzes Review des Tie-In-Animes ...


Neues Achievement!
Nach zwanzig Stunden klingt selbst der Theme Song nach einem Guilty Pleasure







Ach ja: War dieses Spiel erfolgreich ...? Ich glaube, die Zahlen auf den Inseln sehen ziemlich gut aus, und bei dem minimalistischen Marketing im Westen würde ich einfach mal davon ausgehen, dass man nicht unbedingt mit gewaltigem West-Erfolg gerechnet hat. Ich hoffe also ganz optimistisch auf einen zweiten Teil?