Ich würde dem im Wesentlichen zustimmen. Dennoch hat mir das Spiel sehr gut gefallen.
Zunächst einmal muss ich die sagen, dass ich das Setting, die Welt und das Design der Charaktere und Maschinen wirklich großartig finde. Es trifft total meinen Geschmack als Fan von Science Fiction und dystopischen, postapokalyptischen Szenarien, und es hat mir sehr viel Spaß gemacht in diese Welt einzutauchen. So eine Faszination hatte ich tatsächlich schon länger nicht mehr bei einem Videospiel, und es hat mich derart reingesogen, dass ich die A/B Route an einem Wochenende durchgespielt habe. Die Idee von zwei verfeindeten Parteien von Maschinen, die sich quasi gegenseitig versuchen darin zu übertreffen, wer "menschlicher" ist, ist herrlich abstrus.
Auch die Gebiete und Szenarien haben echte Highlights, wie die zerstörte, überwucherte Stadt, den Freizeitpark und einen Roboterkult in der Fabrik. Mit den stylischen Perspektivenwechseln und dem wirklich sehr gelungenen, atmosphärischen Soundtrack ist die Präsentation in der Spitze wirklich top. Der beste Moment war für mich, zum ersten Mal den Freizeitpark zu betreten, mit den fröhlich feiernden Maschinen und der leicht mysteriösen Musik dazu. Allerdings gibt es auch 1-2 langweiligere Gebiete wie die Wüste oder den Wald.
Vom Gameplay her hat das Spiel eigentlich auch gute Ansätze. Die Shooter / Bullet Hell - Abschnitte sind kurzweilig und das eigentliche Kampfsystem spielt sich flott und geschmeidig. Es wirkt für mich im Wesentlichen wie ein Bayonetta Lite - es gibt auch quasi so etwas wie die Witch Time, welches einem nach dem Ausweichen starke Konterangriffe erlaubt. Die verschiedenen Waffen und Pod-Skills bieten ein bisschen Varianz, wenn es auch meistens auf schwach und schnell vs. stark und langsam hinausläuft. Ansonsten gibt es eine Open Schlauch Welt in sehr angenehmer Größe zum Erkunden und Questen. Die Sidequests sind jetzt kein Witcher 3, sondern eher Standardkost, aber prinzipiell unterhaltsam. Einige haben auch wirklich nette Twists am Ende.
Das große Problem des Spiels ist wirklich das Balancing. Auf dem normalen Schwierigkeitsgrad, auf dem ich das Spiel gespielt habe, ist es viel zu einfach - Gegner machen kaum Schaden, und gerade wenn man ein paar Heilchips ausgerüstet hat, ist man quasi unbesiegbar. Der nächsthöhere Schwierigkeitsgrad ist dann aber im Gegensatz dazu übertrieben fordernd. Hier machen die Gegner nicht nur extrem hohen Schaden, sondern darüber hinaus kann man sie auch nicht mehr anvisieren, weswegen cheesen im Fernkampf auch schwieriger wird. An sich sinnvolle Änderungen, denn um jetzt gegen die Bossgegner zu gewinnen muss man tatsächlich Patterns lernen und Skill beweisen. Nur macht dies leider keinen Spaß, da gleichzeitig Tode in dem Spiel hart bestraft werden.
Wer stirbt, verliert nämlich alle seine Chips, die man potentiell viele Stunden lang mühsam zusammengestellt hat. Ähnlich wie bei Dark Souls kann man zwar zu seiner Leiche zurückgehen und diese einsammeln, wenn man allerdings auf dem Weg stirbt oder zu lange braucht, sind sie futsch. Da es hier um deutlich mehr geht als ein paar Seelen zum Level Up, tut dies richtig weh. Immerhin gibt es kein autosave, und so kann man zwar einfach neu laden - aber wirklich motivierend ist so eine Spielweise ja nun nicht, zumindest für mich nicht. Eine andere Möglichkeit wäre sich mit zig Heilitems einzudecken und so durch die Kämpfe zu retten - ebenfalls ziemlich frustrierend. Daher habe ich lieber auf normal gespielt, wo die Kämpfe zwar nur Knöpfchen drücken sind, aber immerhin sehr cool aussehen.
Insgesamt ist die erste Route für mich das klare Highlight des Spiels, und würde es auf diesem Niveau bleiben, wäre es sicher eine klare 9er-Wertung für mich gewesen. Auch die zweite Route finde ich noch stark, da Anfang und Ende jeweils neue Facetten bieten und das Hacking-Feature hinzukommt. Außerdem kann man den sich wiederholenden Teil sehr schnell fertigstellen, wenn man weiß wo es lang geht und erhält noch die Gelegenheit, die Quests abzuschließen die man in Route A verpasst hat. Ebenso gibt es eine tolle Story-Enthüllung. Vielleicht hätte besser an dieser Stelle Schluss sein sollen.
Auf die Route C war ich sehr gespannt, da sie ja anscheinend komplett neuen Content bieten sollte. Letztendlich ist hier aber das Recycling wohl am Schlimmsten - man läuft weiter durch die altbekannten Gebiete, und die Route besteht im Prinzip fast nur aus langen Scharmützeln und Hacking-Challenges - wieder und wieder und wieder. Als Belohnung gibt es gegen Anfang und Ende nochmal 2-3 Storyfetzen, die aber für mich auch nicht zu den Highlights zählten.
Wertung: 8 / 10
Damit bin ich mit meiner 2020er Challenge durch! Aber da noch etwas Zeit übrig ist, kommt vielleicht noch ein Bonusspiel.