Einleitung
Ich weiß, ich bin etwas spät dran. Das Spiel hatte ich doch tatsächlich noch vor Weihnachten durchgespielt, daher zählt Little Town Hero für die Nintendo Switch auf jeden Fall noch als abgeschlossen. Da ich im Herbst letzten Jahres aufgrund extremer Ticketpreise bei der Deutschen Bahn recht häufig auf den Flixbus umgestiegen bin, der die Fahrt zwischen Dortmund und Nürnberg in neun(!) Stunden nimmt, hatte ich dieses Spiel in drei bis vier Flixbus-Touren durchgespielt.

Little Town Hero ist ein Spiel von Game Freak. Ja, dem Pokémon-Game Freak. Also quasi von Nintendo...

Könnte man meinen. Es scheint aber so, dass Game Freak bei Little Town Hero sein ganz eigenes Süppchen gekocht hat. Zu erkennen auch daran, dass es, obwohl es sich um ein textlastiges Rollenspiel handelt, nur englische (und japanische) Bildschirmtexte besitzt. Sprachausgabe gibt's gar nicht, wobei das bei Nintendo bis heute so ist...

Nintendo hat es übrigens vor zwei Jahren mal in einer Direct-Präsentation mit einem hübschen kurzen Trailer erwähnt. Es sah also so aus, als wäre es ähnlich wie bei dem für Portierungen alter N64-Klassiker zuständigen Studio Grezzo. Sie haben mit Ever Oasis eine neue IP und ihr ganz eigenes Rollenspiel geschaffen, das Nintendos Unterstützung erfahren sollte...

Ganz anders bei Little Town Hero: Es wurde komplett von Gamefreak gepublisht und erschien daher nur als Randnotiz für 25 Euro im Nintendo E-Shop, ohne groß beworben zu werden: mehr oder weniger wie ein Indie-Spiel.

Meine persönliche Neugierde wurde aber dennoch durch die Berichterstattung geweckt. Ähnlich wie in Ever Oasis wurde geschrieben, dass Little Town Hero ein Spiel sei, dass die Entwickler als Herzensprojekt ansehen. Teilweise war in den Medien sogar die Rede, dass bei Gamefreak intern dieses Spiel größere Priorität habe als das AAA-Pokémon. Diese Annahme ist aber grundsätzlich falsch und mittlerweile widerlegt. Herausgekommen ist bei Little Town Hero nämlich verständlicherweise kein AAA-Spiel. Das Spiel wirkt in gewisser Weise sogar stiefmütterlich behandelt. Man mag über Pokémon schimpfen, was man will, aber der Produktionsaufwand von Little Town Hero kann nur einen Bruchteil betragen haben.

Insofern eine ganz andere Geschichte als bei Grezzos Ever Oasis, das meiner Meinung nach zu den narrativ schlechteren Spielen zählt, obwohl es einen ungleich höheren Stellenwert als das im folgenden rezensierte "Nebenprojekt" von Gamefreak hat. Dennoch hat sich NIS America (ja, die Cold Steel/ Y's/ Atelier-Publisher für Europa) ein Herz gefasst und bringt nächsten Monat das Spiel sogar als physische Version für Playstation 4 und Nintendo Switch heraus. Jaaaaaaaa, auch für Playstation 4... Damit ist wohl klar, dass das Spiel irgendwie unabhängig von Nintendo vertrieben wird...

Damit bekommt Little Town Hero, das sich aufgrund seines stiefmütterlichen Marketings bestimmt richtig mies verkauft hat, noch einmal eine richtige Chance. Ob es sich das Spiel meiner Meinung nach verdient hat, lest Ihr im folgenden Review:

Ähnlich wie bei Ever Oasis treibt nun auch Pokémon-Entwickler Gamefreak eigene Ideen zur Spielumsetzung. Das süße kleine Rollenspiel Little Town Hero war wohl rund zwei Jahre in Entwicklung. Der spannendste Ansatz an dem Spiel ist definitiv sein Gameplay. Es erinnert mehr an ein Brettspiel und hat auch eine ähnliche Atmosphäre und Spieltiefe.
Im Laufe des Spiels erkundet man sehr viele Geheimnisse. Auch dieses alte Buch hält einige Enthüllungen parat. Mattock, der Masochist möchte ständig verprügelt werden.



Während Nico eigentlich ganz entspannt ist, will Mattock sich ständig mit ihm messen und fordert ihn zu Kämpfen heraus. "Okay, dir zeig ich's!" Rumor has it, dass die beiden wohl als Kinder die besten Freunde gewesen sein könnten.
Nico: "Okay, will do..." Nico: "Here you go!" - Mattock: "Das ist nur 'ne Fleischwunde! Einigen wir uns auf unentschieden!"



Nelz, der Erfinder, könnte wirklich noch Windeln tragen... Um hier eine Bestellung aufzugeben, äfft man die Dame mit der Zahnspange nach. Ich find's zum Schießen!
Zusammen mit seinen Freunden, fasst man die verschiedensten Pläne ins Auge... ...ob's passt oder nicht!




Der normale Kampfmodus. Die Ideen sind in einer Art Ringmenü um die Figuren angeordnet. In diesem Fall hat der Gegner nur noch eine einzige Idee und ist kurz vorm Verlieren. Nach einem erfolgreichen Zug kann man hier das Spielfeld wechseln. Zum Beispiel auf dieses Feld mit "Margo". Sie kann eine beliebige Idee in einen zufälligen Angriff mit den Werten 1 bis 5 in Verteidigung und Attacke verwandeln, wenn man das möchte.
Egal, ob Nebenaufgaben oder Haupthandlung. Ein praktisches Fotoalbum hilft bei der Bewältigung und archiviert das Erlebte. Leider kein Golden Retriever: Der bissige Hund in den Kohlenminen hält die Bergleute ganz schön auf Trab.





Das ist die gesamte Spielwelt. Und nein, man kann sie leider nicht selber erweitern. Die bleibt so leer. Natürlich möchte der Held auch die Stadt verlassen. Daher schleicht er sich am Anfang des Spiels ins Schloss, wird aber geschnappt.

Die aus drei Bildschirmen bestehende Kohlenmine hat nicht wirklich viel zu bieten. Nebenaufgaben sind aber meistens spaßig. Die Ausnahme: Die entlaufenen Hühner suchen!



Auf dem Weg von der Stadt ins Schloss. Das wird gar kein so seltener Anblick sein.





Warum ich das Spiel nur auf der Nintendo Switch empfehlen kann und nicht auf der PS4:
Auf eine Sache müsst Ihr Euch noch einstellen, wenn Ihr Little Town Hero spielt: Das Spiel ist unter den rundenbasierten RPGs eines der schwierigsten Spiele, das in dem Genre rumläuft. Auf langen Reisen ist es nicht so schlimm einen 90-Minuten-Kampf, den man gerade so knapp verloren hat, noch zweimal zu machen, bis man es geschafft hat. Vorm heimischen Fernseher fällt mir da dann doch besseres ein, auch weil die Kämpfe Eure volle Aufmerksamkeit fordern. Außerdem hat die Nintendo Switch einen dankbaren Standby-Modus. Da kann man auch mal in einem stundenlangen Kampf die Konsole weglegen. So lange Ihr auf der Switch kein neues Spiel startet, bleibt der Fortschritt erhalten. Denn Zwischenspeichern ist nicht. Auch nicht nach einem verlorenen Kampf. Das heißt, man kann die Eureka-Punkte nur behalten, wenn man den Kampf irgendwann auch schafft. Versucht das mal bei der PS4. Die schaltet sich nach ner Stunde Leerlauf von alleine aus und der Spielfortschritt ist weg. Auf der Playstation 4 hätte ich dieses Spiel NIEMALS durchgespielt. Es ist quasi nicht nur unpraktisch, sondern auch unmöglich. Holt Euch die Switch-Version wenn dann. Da macht es absolut Sinn, da man die Konsole auch mal einige Tage im Standby-Modus weglegen kann.

WERTUNG:

Handlung, Charaktere und Dialoge: ➊➋➌➍➎➏➐➑➈➉- sehr gut, Tendenz gut: Ich war angenehm überrascht. Das Spiel ist richtig sympathisch und diese Punkte haben exakt den richtigen Umfang.
Gameplay und Kampfsystem: ➊➋➌➍➎➏➐➇➈➉ gut: Mal was ganz was anderes. Trotz des geringen Umfangs und einer generischen Nebenqueste ein absolut spaßiges und taktisches Erlebnis.
Spielwelt und Atmosphäre: ➊➋➌➍➎➅➆➇➈➉ durchwachsen: Generische und viel zu unspektakuläre Spielwelt verhindert die Identität für dieses Spiel.
Technik und Präsentation: ➊➋➌➍➎➏➆➇➈➉ okay: Im Großen und Ganzen flüssig, aber eben alles nur Durchschnitt plus fehlender Feinschliff und komplett ohne Sprachausgabe.
Musik: ➊➋➌➍➎➏➆➇➈➉ okay: Keine Offenbarung, untermalt das Spektakel aber absolut angemessen.


Gesamtwertung: ➊➋➌➍➎➏➐➇➈➉- Gut mit Tendenz zu okay! Noch gutes und interessantes Spiel, das deutlich mehr Potenzial aufweist, als man auf den ersten Blick vermuten würde!