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  1. #11

    System: PC (Steam)
    Genre: J-"RPG"
    Entwickler: Square Enix
    Releasejahr: 2023

    Spielzeit: 14 Stunden
    Schwierigkeit: Visual Novel
    Beendet: 06.03.2025


    Paranormasight hab ich einerseits wegen der äußerst positiven Meinungen von Lynx und MeTa angeschaut, aber auch, weil es durchaus wie mein Ding aussah. So ne spooky Visual Novel, gepaart mit einem Touch von Death Game. Im Prinzip bekommt man das auch, aber gleichzeitig wurde hier auch recht viel Potenzial auf der Strecke gelassen.

    Paranormasight fühlt sich authentisch an
    Das ist ein sehr großer Punkt, wieso das Spiel auch so immersiv ist. Und äußert sich in mehreren Punkten: Einerseits wurde das 80er Setting wunderbar eingefangen. Von den Frisuren über die Technik (Telefonzelle, ein Faxgerät ist der neueste Schrei - als wäre man heutzutage in ner deutschen Behörde!) zu dem grainy Filter, der über alles gelegt wurde. Es ist einfach sehr hart auf 80s getrimmt. Sogar der Erzähler sieht aus wie irgendeiner aus ner spooky TV Show aus der Ära xD

    Gleichzeitig sind die fiktiven Sagen um die 7 Mysterien von Honjo alle so gut angelehnt an tatsächliche japanische Geistergeschichten, dass ich zuerst angenommen habe, sie wären das auch. Vor allem haben diese Ebenen, so dass man sich wirklich vorstellen kann, dass es diese gegeben haben könnte. Einerseits die übertragene Legende, die es in die (spielerische) Gegenwart geschafft hat und dann noch die tatsächlichen, oft brutal tragischen, Ereignisse, auf denen die Legende aufbaut. Dass diese Ereignisse selber wiederum zusammengesetzt eine eigene Geschichte erzählen ist hier das Sahnehäubchen und lässt es lebendig werden - und nicht nur eine Ansammlung von Spukgeschichten. Und diese Geschichten sind dann wiederum auch super verknüpft mit den Fähigkeiten, die die einzelnen Curstestones haben, was alles eine hohe Kohärenz erzeugt.


    Paranormasight kann tolle Charaktere

    So ziemlich alle Charaktere im Spiel haben Charakter. Tatsächlich fällt mir keiner ein, den ich nicht zumindest interessant fand. Vor allem ist es spannend, aus wie vielen Blickwinkeln die Charaktere an die Cursestones, das Rite of Resurrection und die Konsequenzen gehen. Das geht von "kann ich total nachvollziehen" bis zu "uhhh?". Dass eine trauernde Mutter sich in den Kopf setzt, zu morden, um ihr Kind wieder in die Arme schließen zu können? Wird man nicht so sehr hinterfragen (Harue hat mir auch sonst sehr gefallen - sie hat so etwas kühles aber nicht emotionsloses, so dass man es ihr einerseits zutraut und gleichzeitig auch merkt, wie sehr sie immer noch trauert). Dass jemand eine verstorbene Freundin wiederbringen möchte? Ok, ja, irgendwie. Dass jemand tötet, um die Ische, die er erst kürzlich kennengelernt hat, wiederzubringen? Uhhh...
    Etwas uncool finde ich, dass man so einige Charakterinformationen in einem Glossar nachlesen muss und diese nicht in den Dialogen präsentiert werden.

    Prinzipiell sind die spielbaren Charaktere in Zweierteams eingeteilt. Das ist leicht zweischneidig. Der Nachteil ist, dass es das Horrorfeeling etwas reduziert (auch wenn von den beiden in der Regel nur einer ein Cursebearer ist und man gegen aktivierte Flüche ohnehin nichts mehr ausrichten kann). Der (IMO) größere Vorteil ist aber, dass es immer Banter gibt und dadurch die Untersuchungen spritziger werden - kennt man auch z.B. aus Phoenix Wright mit den Assistenten. Z.B. ist es klasse, wie Jun Tetsuo immer wieder spüren lässt, was fürn alter Knochen er doch ist. Und Tetsuos Geschichte selber mit seiner Tochter hat mir auch sehr gefallen. Tatsächlich war einer der absoluten Höhepunkt das Aufeinandertreffen von ihm mit Ayame gegen Ende. Es war etwas cheesy inszeniert, hat mich aber trotzdem total getroffen. Es ist auch super strukturiert: Man lernt ihn als Spielercharakter kennen und merkt, dass er eigentlich n ganz cooler Dude ist. Aber wenn man Ayame über ihn sprechen hört, dann ist er der Rabenvater schlechthin. Beides kann wahr sein, auch wenn es von ihm vielleicht nicht beabsichtigt war. Und es macht auch ihr Motiv, dass sie einen Künstler wiederbeleben will, was erst lächerlich klingt, viel greifbarer. Denn dieser war einer ihrer wenigen Lichtblicke in ihrem Leben. Generell schafft es Paranormasight die Motivationen der Charaktere sehr gut rüberzubringen.

    Und das Spiel hat auch manchmal einfach Spaß. Yakko ist z.B. ein kleiner Airhead, hat aber immer was einzuwerfen. Tetsuo und Jun hab ich oben schon erwähnt. Ein wenig dieser Lockerheit ist definitiv wichtig, damit sich das Spiel nicht zu eintönig anfühlt (und die krasseren Momente wirken können) - wobei ich sagen würde, dass es manchmal schon ein wenig zu sehr ins Lockere übergeht.


    Paranormasight kann Suspense (und ist n bisschen trashy)

    Als Horror würde ich es nicht direkt bezeichnen. Gerade der oben erwähnt letzte Punkt kann auch so gedeutet werden, dass es stellenweise bewusst auch ein wenig trashy sein möchte. Anders kann ich mir die Duckfaces oder die massiv übertriebenen Outrage Shots z.B. nicht erklären (oder, dass Richter einfach mal ein Cowboy ist xD). Dabei ist der Trick, dass man die Kamera dreht und auf einmal ein Charakter in your face ist (fucking Yoko, ey xD) durchaus ein guter Jumpscare. Sehr clever fand ich auch eine der späteren Szenen mit Richter und Harue, bei der man die Kamera dreht und da auf einmal Ayame sitzt. Das sorgt direkt für einen verstörenden Start dieses Abschnitts, was einen dann auch direkt in das anspannende Gespräch bringt. Das Spiel hat einige Szenen, wo in den Dialogen eine ziemliche Anspannung entsteht und ich würde es dahingehend auch als gut geschrieben bezeichnen - denn wenn sich Cursebearer gegenüberstehen, dann ist gar nicht so klar, auf was man achten muss. Denn jeder Fluch hat eine andere Aktivierungsart (z.B. wenn man sich abwendet oder ein Feuerzeug / brennbares Material dabei hat).



    Paranormasight macht aus dem Gimmick nicht viel

    Hier komme ich aber gleichzeitig zu einem der Punkte, bei dem ich denke, dass das Spiel wirklich Potenzial hat liegenlassen. Für VN Enthusiasten mag das vielleicht eher irrelevant klingen, aber die Cursestones sind in gewisser Weise eine Mogelpackung. Es wird einem gezeigt, dass man diese selber einsetzen kann, was ein total spannendes Gameplayelement wäre - aber das ist alles nur Fassade. Bis auf eine Stelle, wo man damit ein alternatives Ende bekommt (wenn man mit Harue Ayame abckafelt ), fällt mir keine ein, wo man durch eigene Aktivierung den Ausgang beeinflusst (bzw. kann man die Steine eh nur in wenigen ausgewählten Szenen aktivieren). Sogar im "Killing Spree" Storyarc wird der Cursestone einfach vom Charakter selber aktiviert, wenn man es nicht tut. Hier hätte man IMO so viel mehr Anspannung, gerade in den Cursebearer Gesprächen, rausholen können.
    Dabei ist der Killing Spree sogar auf ne gewisse Art ganz clever. Man merkt recht schnell, dass das nicht der "wahre" Pfad sein kann. Aber irgendwie ists schon ne coole Charaktereinführung, dass man vielen einfach begegnet und sie direkt umbringt, ohne, dass man den Namen erfährt oder irgendwas über sie weiß.
    Tatsächlich sind die Cursestones aber eher ein Storyelement, was halt mit oberflächlichem Gameplay verknüpft ist. Und je weiter man voranschreitet, umso weniger relevant hat man sogar selber mit den Cursestones zu tun (weil man einmal die Steine eh alle an Tetsuo abgibt, der sie nicht benutzt und andererseits es halt einfach die meiste Zeit Tag ist, wo sie nicht verwendbar sind und somit narrativ eher in den Hintergrund rücken). Auch gibt es nur recht wenige Dead Ends, wenn man selber nem Fluch zum Opfer fällt, und diese sind dann auch nie richtige Pfade, sondern halt einfach nur ein Ende. Wirklich sehr schade, was hier liegengelassen wurde, gerade, wenn man die coolen Fähigkeiten der Geister und die tiefe Lore bedenkt.


    Das restliche Gameplay ist mehr, als ich erwartet hätte

    Dass man im Menu Sachen einstellen muss um Probleme zu lösen, fand ich zunächst etwas uncool. Als mir dann aber klar wurde, was für nen Meta-Twist das Spiel hier verwendet (bei dem Gespräch mit dem Storyteller, bevor man die Pfade auswählen kann), fand ichs schon in Ordnung. Ich meine, wenn man schon dran glaubt, dass in der Spielwelt Geister existieren, dann kann man auch selber einen spielen... ob Geister zeitreisen können, das ist dann die wahre Frage *g*. Ich würde sagen, wenn es um Meta-Twists geht, hat Paranormasight noch welche, die ich nicht so immersionsbrechend finde. Dann gibts noch später einen kleinen Adventure-Anteil und natürlich hat man immer wieder die Wimmelbildspiele, bei der man solche Comicvögel auffinden kann, wenn man möchte. Die Stellen, wo man Informationen sammeln muss um sie in einem anderen Pfad zu benutzen waren auch nett. Ist nicht so ausgiebig wie in 999, z.B., aber ich hatte sogar weniger erwartet. Das Puzzle mit der Reihenfolge der Geschichten fand ich ganz cool und dass man dann fürs wahre Ende selber drauf kommen muss, wo man hingeht, das hat mir besonders gefallen. Man bekommt vom Storyteller ja gesagt, dass man "schon wisse, was zu sein sei", womit naheliegend war, dass man wie schon einmal wieder zum Anfang zurück muss, wo Shogo und Yoko sind.


    Paranormasight erzählt eine spannende Geschichte mit (zu) vielen Verknüpfungen - und dann kommt das Ende

    Das Spiel leidet an dem "kleine Welt Phänomen". Die relevanten Charaktere haben (eventuell über Umwege) viele Verknüpfungen untereinander und eine Historie miteinander oder den Geschehnissen in der Vergangenheit. Das sorgt einerseits natürlich für eine dichte Story, wirkt andererseits aber auch konstruiert: schon ein Zufall, dass der Mörder von Michiyo ein Cursbearer war, dessen Beifahrerin war Ayame, die den Talisman aufgesammelt hat (ohne zu wissen wieso), ebenfalls ein Cursebearer geworden ist, welche wiederum die Tochter von Nejima ist, die aber von Tsutsumi großgezogen wurde, beides ebenfalls Cursebearer (wobei es bei Nejima geplant ist) und Nejima ist der Erzfeind von Tsutsumi, etc. *g*. Auf der anderen anderen Seite kann man aber sicher auch mit einer Fügung / Schicksal argumentieren, was nicht mal so unpassend wäre. Ansonsten fand ich die Geschichte über dunkle Rituale, das Aufklären von Morden, Auffinden der Cursebearer und stellenweise einfach das Überleben durchaus spannend. Die Stakes fühlen sich auch recht hoch an, gerade weil es ja einfach gestimmt hat, dass Nejima problemlos hunderte von Menschen hätte töten können, in einem echt krassen Ende. Denn es war clever, dass er ein Hausmeister an der Schule war, wo er die Liste an Studenten mit Adresse bekommen konnte und so in einem Gemetzel alle umgebracht hat, in einem schlechten Ende.

    Leider hat mir das Ende nicht wirklich gefallen. Erstmal mag ich Enden, bei denen ein Großteil der Ereignisse vom Spiel irrelevant werden, schon fundamental nicht. Sowas nimmt für mich dann rückwirkend die komplette Spannung raus, ist aber leider ein zu oft genutzter Twist von VN mit Zeitreisekomponente. Hier kommt noch hinzu, dass es einfach viel zu cheesy ist.
    Ich fand den Twist mit dem Dratzieher auch nicht wirklich gut und hätte einige andere Charaktere hier besser gefunden. Insbesondere, weil Yoko mit fast allem (außer Nejima und der Initiierung des Rituals) nichts zu tun hatte, sie auch nach dem Anfang keine Bildschirmzeit mehr hatte. Es ist einfach sehr wenig Bindung an sie vorhanden, wenn alle anderen Charaktere so verflochten sind. Auch war es in einem Spiel voller sinnvoller (und komplexer) Motivationen für mich ein wenig flach, dass sie halt einfach ne Nachfahrin von ner Frau war, die nen Groll gegen Seiman hatte. Ja, es ist thematisch nicht unpassend und ergibt Sinn, fand es aber äußerst unbefriedigend. Es hat sich von dem Standpunkt auch irgendwie gerushed angefühlt - als würde hier noch etwas mehr Aufbau fehlen. Denn der Unterschied von dem "normalen" Ende zum "wahren" ist schon echt groß, obwohl der Weg zum wahren Ende so kurz ist.




    Fazit:
    Das Spiel lässt mich mit einem lachenenden und einem feuchten Auge zurück (vielleicht sollte ich damit mal zum Arzt gehen? ). Die Charaktere haben mir wirklich Spaß gemacht. Die Atmosphäre ist sehr stark, vor allem das 80er Flair und die Lore zu den Flüchen. Das Spiel kann bei den Gesprächen zwischen Cursebearern wirklich Anspannung aufbauen und ist insgesamt eine packende Murder-Mystery Story, die sehr gut das übernatürliche Element einwebt. Sogar die Meta-Elemente vom Spiel fand ich hier nicht so immersionsbrechend, was ich nicht von jeder VN, die so ein Konzept verwendet, behaupten kann. Auch den gewissen Trashfaktor, den es hat, fand ich durchaus passend für das, was es sein will.
    Gleichzeitig wurde aber auch bei dem Konzept einfach so viel liegengelassen, weil man effektiv mit den interessanten Flüchen nichts machen kann und sie eher nur ein Storytellinge Device sind. Das wahre Ende war für mich ein Reinfallund hat sich auch gerushed angefühlt.

    Es ist schon schade, dass SE jetzt eher den Kurs geht, weniger von solchen kleinen Games zu machen. Denn hier hätte man sicher in einem weiteren Spiel von dem Team noch mehr rausholen können.
    Geändert von Sylverthas (10.03.2025 um 22:21 Uhr)

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