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  1. #33

    System: PC
    Genre: Metroidvania
    Entwickler: Team Cherry
    Releasejahr: 2025

    Spielzeit: 61
    Schwierigkeit: -
    Beendet: 26.09.2025


    Wie oft kommt es schon vor, dass man ein Spiel erlebt, bei dem man denkt "wow, das ist wie für mich gemacht!"? Das beschreibt meine Gefühle zu Silksong gut. Viele Mainstream-Kritikpunkte halte ich für positiv oder irrelevant. Meine eigenen sind gering und eher genrebedingt.

    Eine lange Story-Einleitung braucht es hier nicht. Viel wichtiger ist: Team Cherry hatte mit Hollow Knight so viel Kohle gemacht, dass sie sich alle Zeit der Welt nehmen konnten, um Silksong zu machen, wie *sie* es gerne haben wollten. Ohne sich von Spielern beeinflussen zu lassen, die jede kontroverse Designentscheidung sofort verdammen. Denn bei einem Spielerkomittee wären sicherlich Karte und Kompass, die sich im Prinzip wie bei Hollow Knight verhalten und dort schon unbeliebt waren, direkt rausgeflogen.



    Silksong merkt man die Entwicklungszeit und das Auge fürs Detail an

    Sei es nun das wunderschöne Umgebungsdesign, die vielen Gegnertypen, die sich zumindest leicht anders verhalten, aber vor allem perfekt in ihr jeweiliges Biom passen oder die großartige Soundkulisse (besonders das Läuten der Glocken klingt einfach großartig und ist ein wesentlicher Teil der Spielwelt). Der OST ist natürlich auch wieder großartig, was in einem Spiel, was auf Instrumenten basiert (Glocken, Orgeln, Violinen) sehr relevant ist. Einige meiner Favoriten sind das anspannende Lace, das tragische Lost Verdania, das instant an Hollow Knight erinnernde Moss Forest oder das frenetisch-epische Skarrsinger Karmelita (ein paar andere verlinke ich später noch noch ).

    Dass Silksong, wie Hollow Knight auch schon, ein riesiges Spiel ist, muss man glaube ich nicht erwähnen. Es ist sogar noch größer und gleichzeitig noch vielfältiger. Gebiete haben unterschiedliches Ambiente und anderes Traversal. Während in den Blated Steps überall am Boden Sandwürmer sind und man sich durch einen Sandsturm kämpfen muss, so ist Bellhart ein verwinkeltes Labyrinth aus Glocken in dem man von Gegnern überfallen wird, die sich im Müll vergraben. Die Choral Chambers sind weitläufig und einladend und verbinden viele Elemente der Citadel, während der Cogwork Core aus Sprungeinlagen auf Sägeblättern besteht und die High Halls Türme haben, die in den Himmel ragen, die es zu erklimmen gilt.

    Diese Vielfalt zieht sich nicht nur durch das Leveldesign, sondern auch durch die Animationen, die jeder Figur Leben einhauchen. Darunter beispielsweise die ikonischen Gesangsbewegungen von Sherma oder wie die Flammen hochschießen und es zischt wenn etwas in Lava fällt. Aber es gibt auch kleinere Details, wie z.B., dass Hornet auf den Bänken nie wegnickt wie der Knight, sondern immer wachsam ist. Außer aber, man legt sich in ihrer Wohnung auf das Bett - dort schläft sie dann tatsächlich ein. Das gibt sowohl Einblicke in Hornet, als auch was sie von dem Zustand in Pharloom hält.

    Das Gameplay ist genauso geschliffen wie die Präsentation. Hornet fühlt sich responsiv an und ihre Fähigkeit sich in der Luft zu heilen eröffnet deutlich einfachere Heilfenster als in Hollow Knight. Um dies auszubalancieren machen Gegner aber auch öfter mehr Schaden, weil es sonst zu overpowered wäre (und nein, es macht nicht *jeder* Gegner 2 Schaden, zu Anfang noch nicht mal ein Großteil). Das sorgt für ein super rasantes und spannendes Spielgefühl, bei dem man zwar schnell kurz vorm Tod sein, aber sich auch genauso schnell wieder komplett erholt haben kann. Generell ist Silksong deutlich schneller als Hollow Knight. Hornet kann nicht nur dashen, sie kann sogar sprinten (und das kann man mit einem optionalen Upgrade noch beschleunigen!). Sie kann sich an Gegner ranziehen und natürlich gibt’s den obligatorischen Doppelsprung (den man für das normale Ende nicht mal gefunden haben muss!). Wenn ich hieran etwas kritisieren müsste, dann, dass die Bewegungsmöglichkeiten alle recht konventionell für ein Metroidvania sind, aber alle sind mit sehr viel Bedacht implementiert worden um den Spielfluss zu verbessern. Alle Bewegungstools sind auch in Kämpfen nützlich.

    Dazu kommen noch verschiedene Crests (quasi Gameplay-Styles) und Tools, die die Vielfalt von Hornets Aktionen noch mal steigern. Und diese sollte man definitiv verwenden, um welche der härteren Encounter zu meistern. Diese bestehen einerseits aus anspruchsvollen Bossen, aber auch aus Gauntlets, die teilweise bis zu 10 Phase haben können und durchaus testen, wie man das Spiel und dessen Tools beherrscht. Manchmal sogar ne Mischung aus beidem. Bei den Crests muss ich aber zugeben, größtenteils nur die Hunter benutzt zu haben. Bei einem weiteren Durchgang werde ich da sicher noch mal andere austesten. Fand aber, dass das Leveldesign schon ziemlich gut auf Hunter abgestimmt war, auch für den diagonalen Pogo, den ja viele zu hassen scheinen. Silksong hat definitiv einen hohen Grad an Skill Expression, habe schon einige sehr coole Bosskill-Videos gesehen.

    Die Gegner selber haben ein deutlich größeres Moveset als man normalerweise in Metroidvanias sieht. Es gibt normale Gegner, die 3-4 verschiedene Angriffe haben und oft sind Flieger so platziert, dass sie das Moveset von anderen Gegnern ergänzen - quasi Blindspots abdecken. Man merkt dem Spiel sogar bei den normalen Gegnern ein sehr durchdachtes Design an. Besonderes Highlight waren für mich in den Petrified Ducts die sehr nervigen Moskitos, die man aber in Fliegenfallen locken kann, die diese dann auffressen. Von dem starken Bossdesign will ich gar nicht anfangen, was einem schon durchaus gute Reflexe abverlangt, aber sich auch sehr belohnend anfühlt, wenn man es dann schafft. Insbesondere den Endboss fand ich hier großartig - es ist ein anspruchsvoller Kampf, der aber erstaunlich kontrolliert verläuft, so lange man selber die Ruhe bewahrt. Bis man dann in die letzte Phase kommt, wo das Tempo rasanter wird, aber man durch die anderen Phasen schon das Moveset sehr gut kennengelernt hat.

    Das Spiel ist zwar kompromisslos im Design, aber durch diese Gestaltungsmöglichkeiten reicht es einem die Hand, wenn man nur bereit ist, sich damit auseinanderzusetzen. Wobei ich es bei den Tools schon witzig fand, wie viele verschiedene Variationen von Wurfmessern man findet. Eventuell wäre hier ein wenig Trimming schon angemessen gewesen, aber dann hätten sich die Spieler noch mehr über die fehlenden Belohnungen aufgeregt *g*


    Silksongs hat Charakteridentität
    Wie die Welt selbst, ist auch Hornets Charakter gut durchdacht. Sie ist hilfsbereit, aber mit einem Fokus auf ihre selbstauferlegte Mission - das heißt, bei aufwendigen Aufgaben will sie in der Regel eine Belohnung. Das passt mit ihrer no nonsense Persona zusammen, die man in Hollow Knight erlebt hat. Sie ist sehr pflichtbewusst, aber nicht (mehr) bis zu ihrem eigenen Tod. Gleichzeitig wird sie nicht als unantastbar dargestellt. Gerade am Spielanfang zeigt sie durchaus Schwäche, und auch im späteren Spielverlauf wird man dies noch mal erleben. Besonders unterhaltsam fand ich auch, wenn sie irgendwelche Charaktere bitchslapped, weil diese ihre Grenzen überschritten haben (der Spanner im Bad war schon großartig xD). Hornet ist durchaus sassy.
    Sie passt perfekt in ein Spiel, wo es noch größere Reste an Zivilisation gibt. Das ist auch einer der Kontraste zu Hollow Knight. Dort war das Königreich bereits komplett verfallen. Es gab kaum Zivilisation, sondern es waren eher andere Erkunder und Kreaturen, die schon ewig in diesen Gewölben leben, die man trifft. Daher war es dort in Ordnung, dass der Knight "leer" ist.

    Auch ihren Konflikt mit Lace weiß ich sehr zu schätzen, sowie die Analogie zu dem Knight. Hornet weiß schon um diese leeren "Gefäße", die nur zu einem Zweck erschaffen wurden - und kann damit sympathisieren. Im Prinzip wurde sie ja auch als ein Experiment von Herra und dem Pale King gezeugt, um eine höhere Lebensform zu kreieren. Hier kommt auch ein weiteres zentrales Thema des Spiels rein: Das der Mutterschaft. Sowohl Hornet als auch Lace haben ein komplexes Verhältnis zu ihren Müttern, wobei sich in beiden Fällen herausstellt, dass diese ihnen sogar wohlgesonnen waren. Herra wollte tatsächlich nur das beste für Hornet und dass diese ihren eigenen Weg gehen kann. Während Grand Mother Silk Lace am Ende beschützt.
    Interessanterweise war ein wichtiges Thema von Hollow Knight die Vater-Sohn-Beziehung, also ist das eine starke thematische Parallele zwischen beiden Spielen.

    Es ist schon beeindruckend, dass Lace in diesem Spiel gar nicht so oft auftaucht, aber dennoch durch ihren starken thematischen Bezug zu sowohl Hollow Knight als auch Hornet im speziellen einen starken Eindruck hinterlässt. Viele Spielen schaffen es kaum mit der zehnfachen Menge an Dialogen einen so interessanten Charakter zu erschaffen. Auch die Gespräche zwischen Hornet und Lace in Akt 3 tragen noch einiges bei, welche den beiden Charakteren noch mal einiges an Tiefe verleihen.
    Wo wir von Akt 3 spreche: Hier werden auch die Verbindungen zu Hollow Knight deutlich klarer gemacht, gerade wenn es auf das Finale zugeht. Dieses fühlt sich auch sehr befriedigend und wie ein gelungener Abschluss des Spiels an, auch wenn es immer noch ein wenig offenlässt - entweder für DLC oder einen Nachfolger in 8 Jahren


    Silksong erzeugt Immersion durch indirektes Storytelling

    Hier wurde einfach auf so viele Details im Leveldesign geachtet, die tonal absolut Sinn ergeben. Beispielsweise die Gebetsperlenökonomie: In den unteren Abschnitten findet man kaum welche - sie stammen nur von den gescheiterten Pilgern. In der Citadel dagegen häufen sie sich, weil hier die wohlhabenden Schichten leben. Selbst die Pilgerreise, der Aufstieg zur Citadel, ist ökonomisch kodiert: Pilger müssen an jeder Bank einen Obolus entrichten, um ihren Glauben zu beweisen.
    Noch krasser wird dieses Konzept dann in den Underworks - der Ort der Arbeiterklasse, die die Citadel am Laufen hält. Hier haben die Gegner kaum Perlen bei sich, und diese müssen sie auch noch jede Nacht ausgeben, um sich eine Bank zum Schlafen zu holen. Denn die Bänke sind nur für eine Nutzung aktiv. Das ist brilliantes Design, man erfährt hier so viel über die Struktur der Welt, ohne, dass dies explizit ausgesprochen werden muss. Dabei ist es nicht mal sonderlich subtil, aber man muss schon anfangen ein wenig über die Welt nachzudenken.

    Bei der Arbeiterklasse geht es noch weiter. Und zwar gibt es einen offiziellen Zugang von unten zur Zitadelle über die Blasted Steps. Dies ist der Weg, den die Pilger gehen sollen. Und an dessen Ende steht der Last Judge, der alle davon abhält durch die Tore zu kommen, die unwürdig sind. Hier werden also die Pilger bereits gefiltert, die die lange Reise hinter sich haben. Aber danach? Der Fahrstuhl, zu dem sie geleitet werden, fährt nicht nach oben zu den Coral Chambers, sondern nach unten in die Underworks. Die Pilger, die von der "Unterschicht" kommen, werden also direkt in die Arbeiterschicht gepackt, die wie Arbeitssklaven behandelt werden. Die Citadel will also nur die besten Leute haben, die sie dann aber wie Dreck behandelt. Es gibt keinen Weg sich weiter hochzuarbeiten in dieser Gesellschaft, was man auch bei einem Käfer sieht, der hier sein ganzes Leben auf die "Erlösung" wartet. Witzigerweise kann man im gleichen Raum auch noch ne Runde auf dem Laufband "arbeiten", um zu sehen, wie sinnlos diese "Arbeit" ist xD
    Vielleicht hat es ja einen Grund, dass Hornet so ein knallrotes Kleid trägt?
    Silksong drückt durchaus eine politische Tendenz aus, die man nicht von der Hand weisen kann.

    Und dies ist nur eine Instanz von starkem Weltendesign in Silksong. Eines meiner absoluten Lieblingsgebiete ist Bilewater. Es ist vom Aufbau her sehr oppressiv. Man kommt hier vermutlich über die Sinner's Road hin, was ebenfalls schon ein düsteres Gebiet voller Kreaturen in Käfigen ist - die vermutlich als Wachen dienen sollen, damit Pilger nicht diesen Weg statt der Blasted Steps nehmen. Dass diese Wachhunde absolute Bestien sind und einen schnell zerreissen können trägt nur noch mehr zu dieser Nachricht bei. Man soll hier nicht lang.
    Und wenn man es doch tut, landet man in Bilewater. Einem Gebiet, was düsterer ist als Sinner's Road, mit schmutzigem, madendurchseuchten Wasser. Absolut lebensfeindlich und alle Kreaturen hier sind einfach nur grotesk. Auch hat das Gebiet sehr wenige Bänke und Sicherheit ist hier weit entfernt - man *soll* hier *wirklich* nicht sein. Die Karte findet man auf dem unteren Weg hierhin übrigens auch nicht, so dass man lange im klaustrophobischen Dunkeln tappt.
    In diesem Gebiet landen die Abfälle der Citadel. Hier befindet sich auch das Exhaust Organ, vom Namen her ein Ort, wo die Abgase und Abfälle, die durch die Dampfmaschinen und feinen Zahnradkonstruktionen im Herzen der Citadel entstehen, ausgestoßen werden. Sowie die Abfälle, die aus den Kanälen in den Putrified Ducts oberhalb von hier abgelassen werden. Hier ist btw. ein ganz cooler Callback zu Hollow Knight: Der Wasserfall, den man im Osten von Bilewater vorfindet, wird mit Wasser aus dem See gespeist, der direkt darüber im Osten der Putrified Ducts liegt.

    Bilewater war vermutlich mal eine angenehme Nachbarschaft, aber durch die Citadel wurde es komplett zerstört. Woher ich diese Annahme nehme? Wegen der Musik, die in diesem Gebiet spielt. Bilewater hat einen der eindrucksvollsten Tracks im Spiel, eine Mischung aus Tragik und Melancholie - man kann die Sehnsucht nach besseren Zeiten und die gespenstische Gegenwart förmlich schmecken.
    Witzigerweise muss ich aber auch gestehen, dass mir beim Moment to Moment Gameplay viele Tracks gar nicht aufgefallen sind - daher habe ich den von Bilewater auch erst so richtig zu schätzen gelernt, nachdem ich ihn noch mal alleine gehört habe. Hier ist eine Sache, die ich als einen kleinen Kritikpunkt ansehen würde: Silksong knows no chill. Es gibt eigentlich immer irgendeine intensive Action, die die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Das hat Hollow Knight etwas besser gemacht mit mehr quiet time. Ich frage mich manchmal, ob ich einen Track wie dem aus City of Tears in Silksong so aufgesogen hätte wie in Hollow Knight.

    Nachdem man Bilewater überstanden hat muss man noch The Mist meistern. Ich vermute, das Gebiet kombiniert Halluzinationen (durch die giftigen Gase?) zusammen mit dem Orgelspiel von Phantom aus dem Exhaust Organ (was auch der OST verdeutlicht). Dies ist die letzte Barriere um Pilger davon abzuhalten, diesen Weg in die Zitadelle zu finden - und wie sollen sie es auch schaffen, Hornet kann den Weg nur durch mit Hilfe ihrer Needolin finden.

    Am Ende erwartet einen der Endboss Phantom. Meiner Meinung nach deutlich einfacher als der Endboss von den Blasted Steps. Dies kann man als eine Art Belohnung für Spieler sehen, die diesen Weg hinter sich gebracht haben. Gleichzeitig landet man in der Citadel direkt dort, wo sich der Bellway befindet. Man hat eine Reihe sehr oppressiver Gebiete überstanden, aber hat nun direkt einen Schnellreisepunkt, quasi der komplette Spannungsabbau. Das ist im kompletten Gegensatz zu den Blasted Steps, dessen Zugang zur Citadel auf der komplett gegenüberliegenden Seite des Bellways ist. Hier bleibt man für längere Zeit in der Citadel eingeschlossen, da der letzte Schnellreisepunkt weit zurückliegt und ohne Kenntnisse, wo sich der Bellway der Citadel befinden mag. So erzeugen beide Routen auf ihre eigene Art verschiedene Gefühle beim Spielen, und das ist großartig!


    Silksongs Schwierigkeit ist Storytelling und Immersion
    Bereits früh zieht das Spiel den Schwierigkeitsgrad an - es kommen Gegner, die 2 Masken an Schaden machen, einige Sprungpassagen sind schon ein wenig anspruchsvoller als man es für den Einstieg erwarten würde. Man ist hier auf einer Pilgerreise durch ein gefährliches, verwahrlostes Land. Wie oben illustriert macht die Citadel alles, um Pilger zu filtern. Daher ist der harte Weg ein wichtiger Teil der Story und Immersion in diese Spielwelt. Würde man hier die Schwierigkeit deutlich absenken, so würde dieser Teil vom Storytelling einfach nicht richtig funktionieren. Man soll sich als Hornet zumindest zu einem Teil in die Beschwerden reinversetzen können, die die Pilger hinter sich bringen (und die Punchline ist dann, dass sie als Arbeitssklaven der Citadel enden…). Und hey, Hornet hat zusätzlich noch ihre Weaver Skills, also ist es definitiv nur ein Bruchteil von dem, was die Pilger auf sich nehmen.

    Die obigen Gebiete sind dafür auch sehr symbolisch: Bilewater ist so gefährlich, *weil* es ein lebensunfreundliches Gebiet ist. Das soll man als Spieler merken. Der Last Judge soll einen richten, also ist er eine schwere Prüfung. Als Strafe, wenn er einen für unwürdig erachtet, könnte man hier auch den Runback ansehen. Es gibt aber noch andere Stellen im Spiel, die ungemütlich sein sollen und wo das durch Schwierigkeit erreicht wird. In Hunter's March wollen einen die Ameisen aus ihrem Territorium raushalten. Sie wollen hier keine Eindringlinge, daher ist alles mit Fallen gespickt. Und sie wissen auch, dass Pilger sich Bänke als Raststätten suchen. Daher ist es nur logisch, dass sie eine Fallenbank platzieren. Mount Fay soll einen beschwerlichen Aufstieg auf einen Gipfel in lebenswidriger Witterung abbilden. Und ich könnte noch ewig weitermachen. All diese Orte zeigen, wie eng das Spiel seine erzählerische Intention an eine spielmechanische Erfahrung knüpft.

    Schließlich gibt es noch die Citadel selber. Und bis auf die High Halls würde ich sagen, dass diese von der Schwierigkeit her nicht wesentlich anspruchsvoller ist als die Gebiete davor. Tatsächlich fand ich das Gebiet an sich sogar einfacher (aber gut, ich kam auch von Richtung Bilewater *g*). Hier ist die Schwierigkeit nicht mehr bedeutsam für die Reise - sondern den Widerstand des alten Systems.

    Wenn diese ganzen Situationen weniger bedrohlich wären, dann wären sie erzählerisch auch deutlich weniger effektiv. Ich weiß, dass viele Spieler Story und Gameplay strikt voneinander trennen, aber das halte ich für eine falsche Betrachtung von Videospielen und ihrem künstlerischen Potenzial. Andere Spiele wollen einem dies mit langen Cutscenes und Dialogen vermitteln, während sie gameplaytechnisch dann pisseinfach sind und gar nichts davon widerspiegeln (ja, ich schaue auf 90% aller JRPGs!), baut dieses Spiel es direkt in die Erfahrung ein. Silksong ist hier eine konsequente Verbesserung von dem, was Hollow Knight bereits getan hat - beispielsweise wurden die Mantis Lords und Deepnest auch eingesetzt, um eine spezielle emotionale Reaktion hervorzurufen.

    Sogar in Akt 3 bleibt das Design konsequent, auch wenn sich hier Spielmechanik und Erzählung auf eine subtilere Weise verzahnen. Ich habe hier durchaus Kritik am Spieldesign, denn in Akt 3 ist quasi die gesamte Welt offen - und die Welt von Silksong ist riesig. Das macht es trotz Questmarkern nicht unbedingt einfach, die relevanten Orte zu finden, was zu sehr viel Traversal führen kann - wenn man sich bestimmte Sachen nicht auf der Karte markiert oder diese vorher gar nicht bemerkt hat. Das ist natürlich ein Metroidvania-inhärentes Problem, aber die Dimensionen der Welt machen halt nen Unterschied. Gleichzeitig muss ich aber das Team auch irgendwie loben, dass sie die Wege zu den Markern eben nicht komplett offensichtlich gemacht haben.

    Ich kann auch nicht leugnen, dass die Struktur innerhalb der Erzählung Sinn ergibt und auch Hornets Situation widerspiegelt.
    Und so, wie ich der Struktur des 3. Aktes mit Skepsis gegenüberstehe, kann ich durchaus verstehen, wenn man der Schwierigkeit nicht positiv gegenübersteht, auch wenn ich sie für essenziell halte. Aber so zu tun, als wäre es schlechtes Design (es ist exakt das Gegenteil) oder als hätten die Entwickler sich nicht genug Gedanken gemacht (sie haben sich sehr viele Gedanken gemacht), ist einfach nur absurd.



    Fazit:
    Wenn ich die größte Stärke von Silksong für mich nennen würde, wäre es "Kohärenz". Das Spiel fühlt sich intentional an, die Entwickler wussten genau, mit welchem Gameplay sie welche Konsequenzen verbinden wollen und haben dies kompromisslos umgesetzt. Dabei ist nicht nur ein sehr gutes, anspruchsvolles Spiel herausgekommen, sondern ein sehr immersives Erlebnis. Da für mich Immersion und eine konsistente Spielwelt enorm wichtig sind, trifft das Spiel bei mir genau richtig.

    Silksong ist für mich ein Erfolg auf ganzer Linie. Es gibt kleinere Nitpicks, aber diese verschwinden darin, wie stark der Rest dagegen wirkt. Würde ich noch Wertungen vergeben, so wäre das hier eine 10/10. Und dabei bin ich im Review auf so viele Sachen nicht im Detail eingegangen, die großartig sind: Das allgemein starke Gegner- und Bossdesign, einige der anspruchsvolleren Plattforming Passagen (wobei da mit DLC sicher noch deutlich mehr kommen wird) und sogar relevante Elemente für die Lore, wie Cogworker Dancers und Lost Verdania. Ich habe auch das Gefühl, nur die Oberfläche der Themen vom Spiel überhaupt durchschaut zu haben.

    Es ist auch eine Seltenheit, dass man ein so gut durchdachtes Spiel erleben darf. Besonders im Metroidvania-Genre, wo gerne einfach alles an die Wand geworfen wird ohne zu bedenken, was wirklich relevant ist. Letztendlich ist es aber einfach schön, dass so ein Spiel heutzutage so erfolgreich sein darf.

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