System: PC
Genre: Visual Novel
Entwickler: ZerocreationGame
Releasejahr: 2024
Spielzeit: 12 Stunden
Schwierigkeit: -
Beendet: 23.03.2025
Wieder etwas, was mir beim Steam VN Fest ins Auge gefallen ist. Da mich das historische Setting interessiert hat und das, was man hierüber lesen konnte, durchaus gut klang, ists im Warenkorb gelandet. Es handelt sich hierbei um eine chinesische Visual Novel - wer wäre auch besser, ein chinesisches Setting umzusetzen? *g*
Die Ming Dynastie befindet sich in ihren letzten Zügen (circa 1640). Es geht um die beiden Gesetzlosen Liang und Tongue, welche eine Gruppe von vier jungen Mädchen ("Lämmer") zur Stadt Luoyang befördern sollen, wo diese dann weiterverkauft werden. Aus der Gruppe sticht besonders Man Sui heraus, deren Vergangenheit im Gegensatz zu den anderen unbekannt ist. So beginnt die Reise durch das von Katastrophen geplagte Zentralchina.
The Hungry Lamb ist eine düstere, bodenständige Geschichte mit nicht so netten Charakteren - von denen aber ein paar wachsen![]()
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Wenn ich die Geschichte knapp zusammenfassen müsste, dann wäre es "Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten finden."
In diesem Epochenstück werden die Charaktere mit vielen Elend konfrontiert, was aber absolut bodenständig ist und sich real anfühlt. Wenn man eher auf Geschichten steht, die voller liebenswürdiger Charaktere sind, dann ist das hier nichts für einen. Gerade am Anfang sind Liang und Tongue ziemliche Bastarde, die sich um nichts außer ihrem eigenen Wohl scheren und auch die Mädchen schlecht behandeln. Durch verschiedenste Umstände ändert sich aber das Verhalten der beiden auf dem Weg und das Spiel hat auch einige Szenen, die ich als wholesome beschreiben würde. Gerade, wenn Liang durch Man Sui eine Faszination fürs Schattentheater entdeckt und sie später sogar performen, das sind teilweise echt schöne Szenen, auf dieser tristen Reise. Letzteres ist generell ein Bindeglied zwischen mehreren Elementen der Geschichte - genauso wie es einem auch historisch nahegebracht wird, dass es eigentlich ein Handwerk armer Leute war. Was die Dynamik zwischen Liang und Man Sui auch interessant macht: Er ist kein besonders starker Denker, während sie durchaus gerissen ist - und man sich stellenweise fragt, wieso sie ihm eigentlich aushilft. Die beiden machen auch ein ziemlich starkes Charakterwachstum durch.The Hungry Lamb vermittelt einem ein von Katastrophen geplagtes Land![]()
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Die Erzählung schafft es wirklich gut, einen in die Zeitepoche von China zu versetzen. Es gab von 1637-1643 eine langanhaltende Dürre, die das Land und die Menschen verändert hat. Dazu kamen noch Überflutungen, Heuschrecken und Krankheiten. In dem Sinne ist die Darstellung davon, wie scheiße es den Leuten geht, sicherlich nicht übertrieben. Aber ja, das Leben muss weitergehen. Und natürlich gibt es inmitten des Elends auch immer noch die Aristokraten, denen es weiterhin sehr gut geht.
Gerade in den Flashbacks von Man Sui wird einem die Hungersnot sehr nahegebracht. Diese sind düster, schmerzhaft und haben meiner Meinung nach gut und emotional vermittelt, wie es ist, wenn eine Familie in diesen Zeiten überleben will. Zeiten, in denen Baumrinde und Graswurzeln zu Delikatessen werden. Wenn es hier einen herausragenden Charakter gibt, dann ist es definitiv sie, mit der man auch mitfiebert. Sie ist auch ziemlich tough. Daher ist dieser Perspektivenwechsel zwischen Liang und ihr durchaus effektiv. Die Twists vom Spiel sind größtenteils relativ offensichtlich, aber das finde ich überhaupt nicht problematisch - weil sie für die Charaktere dafür umso mehr sitzen.
The Hungry Lamb ist eine Reise durch das alte Zentralchina![]()
Die Reise durchs Land selber fand ich interessant. Vor allem hatte es was, wenn die Truppe in eine neue Stadt kommt, dort in ein Gasthaus eincheckt und die Lämmer mal wieder in einem ordentlichen Bett schlafen können. Da merkt man auch umso mehr, wie der Kontrast vom Anfang zu späteren Teilen der Geschichte ist, wo sie mehr auftauen. Bis auf Man Sui sind die anderen drei nicht hochkomplex ausgebaut, aber gut genug, dass man für sie fühlt und auch weiß, was für Persönlichkeiten sie sind. Und den Abschied von ihnen fand ich dann schon traurig, auch wenn es im Prinzip das beste Ende für sie war, dass sie eine Bleibe und Arbeit gefunden haben - wobei man ihr letztendliches Schicksal nicht erfährt.
Auf dem Weg gibt’s natürlich allerlei Gefahren, aber besonders actionlastig ists nicht. Da hat Seedsow Lullaby z.B. mehr.
Ich hatte mir auch gelegentlich auf ner Karte angeschaut, wo die Orte eigentlich sind, um die Dimensionen der Reise vorstellen zu können. Hänge das mal an, fand das schon ziemlich interessant:The Hungry Lamb hat einen Flowchart - aber nutzt den nicht besonders gut![]()
Die Struktur vom Spiel ist recht simpel: Es gibt zwar ein Pfaddiagramm, aber dieses ist fast gänzlich linear. Abzweigungen sind eigentlich nur Todesszenen bei falschen Entscheidungen. Gegen Ende kommt dann noch ein Split, abhängig davon, wie gut sich Liang und Man Sui verstehen. In einer recht merkwürdigen Entscheidung muss man, bevor man zum richtigen Ende kommt, erstmal zwei andere sehen. Das bedeutet, wenn man ein Ende erreicht hat, muss man noch mal Kapitel zurückgehen, dort eine andere Entscheidung treffen, um ein anderes Ende zu erreichen - und danach dann noch mal zurückgehen, die bestmögliche Entscheidung treffen und dann kommt man zum wahren Ende. Sehe hier keinen Sinn hinter, weil es auch keine Story ist, bei der die Charaktere die Erinnerungen von anderen Pfaden behalten.
Hab ich "wahres Ende" gesagt? Es gibt nämlich zwei wahre Enden, was auch eine sehr seltsame Entscheidung ist. Grob kann man sich aussuchen, ob es letztendlich eine Tragödie ist oder nicht. Beide haben hier auch Sinn ergeben. Ich fand das Ende in jedem Fall auch emotional und dort kommt doch einiges zusammen, was sich über die Reise aufgestaut hat. Bei einem der Enden war es auch schön, dass sich Liang und Man Sui nach vielen Jahren wiedersehen - sie hat richtig was aus sich gemacht, während er ein Soldat in der Truppe von Li Zicheng, welcher historisch zum Sturz der Ming Dynastie beigetragen hat, war. Bei dem anderen Ende, hingegen sterben beide bei ihrem Last Stand gegen die Soldaten, was aber auch etwas poetisches hat - hier wird auch das Schattentheater noch mal wichtiger. Was ich an den Enden besonders mag, ist, dass mir nicht klar ist, welches die Entwickler eher bevorzugen (verglichen mit z.B. den beiden Enden von Life is Strange, wo sehr klar ist, welches das wahre sein soll, weils einfach mal viel länger ist).
Fazit:
The Hungry Lamb ist ein kleiner Ausschnitt einer persönlichen Geschichte, die in dem historischen Kontext des Endes der Ming Dynastie eingebettet ist. Besonders mochte ich, wie die Geschichte in zwei Teile - einen von Liang, einen von Man Sui - aufgespalten war.
Es ist eine düstere, bodenständige Geschichte mit Charakteren, die nicht unbedingt einen Beliebtheitswettbewerb gewinnen würden. Das Mädchen Man Sui ist klar der herausragende Charakter hier. Besonders ihre Interaktionen mit Liang, wenn es um Schattenspiele geht, sind schön. Das Leid der Menschen im Land wird auf eine Art präsentiert, dass es einem nahegeht. Man kann etwas mehr verstehen, wie es ist, in so einer katastrophengeplagten Zeit zu leben - was auch heute immer noch viel Relevanz hat.
Habe es übrigens auf Chinesisch gespielt und die Synchro empfand ich als sehr gelungen. Aber auch die japanische scheint hochkarätig besetzt zu sein, z.B. wird Man Sui von Rie Kugimiya gesprochen. Ich sehe nur nicht den Sinn, die Originalsynchro durch eine Dub zu ersetzen, von der ich ja auch nicht alles verstehe *g*
Die Entwickler sind auch bereits an nem weiteren Spiel dran, The Weeping Swan, wo ich nun gespannt drauf bin.