Das Spiel
Der ehemalige Premierminister Schuenzeit führt im Lande Lanzheim einen Putsch durch und ermordet Königin Ibrin. Nur Prinzessin Zephie kann den Wirren entkommen und flüchtet sich in den Süden, wo sie zusammen mit Lord Alex und einer Vereinigung von Adeligen die Südarmee gründet, um ihren rechtmäßigen Thron zurückzuerobern.
Seit dem sind drei Jahre vergangen. Obwohl die Südarmee anfänglich viele Siege für sich verbuchen konnte, befindet sie sich in letzter Zeit in der Defensive. Die Nordarmee setzt nämlich Sentinels ein, schier unbesiegbare Kampfmaschinen die nach dem Vorbild der Hüter erbaut wurden, eintausend Jahre alte, magische Kampfmaschinen aus dem Carta-Krieg, vom verstorbenen Helden Strass persönlich konstruiert. Ein solcher Hüter wird auf der abgelegenen Sturminsel entdeckt, auf der der Junge Juto ein sorgloses Leben unter den Fittichen seiner Adoptivschwester Melissa führt. Von ihr erhielt er auch seinen Namen, als er vor einigen Jahren ohne jegliche Erinnerungen an der Küste angespült wurde.
Als die Südarmee unter dem Kommando von Prinzessin Zephie eintrifft um das Relikt zu bergen, nähert sich das beschauliche Inselleben einem jähen Ende. Denn auf deren Fersen befindet sich bereits die Nordarmee, die eine großangelegte Invasion startet. Bei der Verteidigung der Insel kommt Melissa durch die Hand eines Generals der Nordarmee, Elgar, ums Leben. Juto schwört Rache an ihm und schließt sich, nach etwas Überredungskunst seitens Zephie, widerwillig der Counter-Sentinel-Spezialeinheit der Südarmee an, die unter dem direkten Kommando der Prinzessin steht.
Das kommt nicht von ungefähr, denn trotz seiner Unerfahrenheit im Krieg besitzt er eine außerordentliche Gabe. Als er Zephie und ihre Gefährten kurz vor der Invasion zum Hüter führte, geriet dieser außer Kontrolle und griff Melissa an. Dabei manifestierte sich in ihm eine mysteriöse Macht, ähnlich der des Helden Strass und er besiegte den Hüter, lediglich mit einem Holzschwert bewaffnet.
Im Gegensatz zum Vorgänger, Tears of Blood, ist die Geschichte im zweiten Teil gut geschrieben und ergibt Sinn. Die Charaktere werden nicht absichtlich verdummt sondern sprechen eigentlich in allen Dialogen die Dinge an, die ich als Spieler thematisiert haben möchte, auch wenn die Antagonisten auf die Argumente der Protagonisten meist nicht mehr als ein "nanana ich kann euch nicht hööören, lasst uns kämpfen" zu erwidern haben. Juto ist anfangs noch etwas naiv und leicht selbstsüchtig unterwegs, doch die Party weiß ihn immer wieder zurechtzustutzen anstatt seine Launen über sich ergehen zu lassen oder gar noch zu unterstützen.
Leider bleibt die Hälfte der Antagonisten recht blass und sie dienen nicht zu mehr als hin und wieder finster dreinzublicken und sich als Bosse in den Weg der Party zu stellen. Sowieso finde ich, dass die Antagonisten dafür, dass sie in ihren Augen ein hehres Ziel verfolgen, viel zu sehr als klischeehafte Bösewichte - sowohl was deren Optik als auch Verhalten angeht - gezeichnet werden. Etwas Mäßigung wäre hier meiner Meinung nach angebrachter gewesen.
Die Geschichte selbst ist also wie erwähnt im Großen und Ganzen recht gut geworden. Problematischer sehe ich hier allerdings deren Präsentation an. Wie im Vorgänger wird diese wieder durch einen Mix an animierten- und "Textbox"-Sequenzen vorangetrieben. Letztere wurden technisch etwas überholt und finden nun mit zwei animierten 3D-Charaktermodellen zur linken und rechten Seite vor einem Bildschirmfoto der aktuellen Szene statt. Während sich beide Sequenzarten in Tears of Blood aber noch in etwa die Waage hielten, wird die Geschichte hier fast nur noch durch die "Textbox"-Sequenzen erzählt. Dadurch wirkt alles recht statisch und antiklimatisch, ja eher wie ein leicht glorifiziertes Bilderbuch. Die Bildschirmfotos im Hintergrund werden auch nicht dynamisch erstellt sondern zeigen die Charaktere mit ihrer Standardausrüstung. Ja sogar geöffnete Truhen sind dort noch verschlossen. In seltenen Fällen wird auch auf bildschirmfüllende Standbilder, über die ein Sprecher redet, zurückgegriffen.
Animierte Sequenzen kommen lediglich noch in Schlüsselszenen zum Einsatz und sind darüber hinaus vorgerenderte In-Engine-Videos, wodurch sie oft etwas zu kurz sind oder zu hektisch wirken, um möglichst viel Inhalt in möglichst wenig Laufzeit zu quetschen. Das ist übrigens auch der einzige Grund weswegen das Spiel zwei Discs benötigt, denn ansonsten bietet es inhaltlich nicht sooo viel.
Die Spielwelt ist nämlich recht überschaubar gehalten und erinnert eher an ein Proto-Star Ocean 5. Das bedeutet, dass die Orte recht häufig erneut besucht werden. Allerdings fällt dies nicht so sehr ins Gewicht wie noch in Tears of Blood, da dieser Teil zum einen nicht einmal halb so lange dauert und zum anderen viele der nervigen und spielzeitstreckenden Elemente des Vorgängers nicht mehr vorhanden sind.
Die kleine Spielwelt schlägt sich auch in den Siedlungen nieder. Es gibt praktisch nur eine richtige Stadt. Dazu gesellen sich drei kleinere Dörfer, wovon eines nur zweimal im Spiel betreten werden kann und das andere erst ganz spät zugänglich wird und es außer einer einzigen Nebenquest darin nichts zu tun gibt. Die zweite Stadt kann man nicht wirklich als solche bezeichnen. Sie ist mehr ein Dungeon mit einem kleinen Abschnitt in dem sich Menschen aufhalten.
Auch richtige Dungeons gibt es eher wenige. Da Krieg herrscht fokussiert sich das Spiel auf die Schlachtfelder, die das Land von der Rebellenstadt im Süden bis hin zur Hauptstadt im Norden säumen. Dort gilt es dann aber immerhin Zusatzziele zu erfüllen, wie z.B. verbündete Soldaten zu beschützen, gegnerische Waffenstellungen zu zerstören, Außenposten einzunehmen oder Landminen zu entschärfen.
Während sich die erste Disc noch streng linear gestaltet, man nicht vom vorgegebenen Weg abkommen darf und in einem neuen Gebiet auch durchaus mal "gefangen" sein kann, öffnet sich das Spiel auf der zweiten Disc und man kann größtenteils beliebig zwischen den bereits besuchten Orten reisen. Anfangs noch zu Fuß, später auch per Teleporter. Die über 100 Nebenquests sind meistens nur für den Storyabschnitt, in dem man sich gerade befindet, aktiv und sollten daher sofort angegangen werden, ansonsten verfallen sie. Nett ist aber, dass das Spiel über offene Quests warnt, die ansonsten beim Fortschritt der Story abgebrochen würden. Trotzdem habe ich irgendwo zwei Quests verpasst. Naja, Schwamm drüber...
Das Kampfsystem wurde im Vergleich zu Tears of Blood komplett geändert. Es ähnelt nun eher dem der Tales- oder Star Ocean-Serie, allerdings finden Kämpfe nicht in einer Arena statt, sondern man wechselt jederzeit per Knopfdruck frei vom Lauf- in den Kampfmodus, in etwas so wie in Final Fantasy 12. Im Kampfmodus hat man dann seine normalen Angriffskombos, bei denen man mit steigenden Leveln zusätzliche Schläge erhält und kann Techniken einsetzen. Man bewegt sich hier äußerst langsam, kann aber per Knopfdruck zum gerade anvisierten Gegner sprinten. In den meisten Situationen habe ich es aber als praktischer empfunden, einfach kurz wieder in den Laufmodus zu schalten und mich neu zu positionieren. Denn nicht nur der Sprint- sondern auch normale Angriffe und Techniken füllen eine Ausdauerleiste. Ist diese voll, kann man allerdings noch solange weiter angreifen, wie man Schläge in der Kombo zur Verfügung hat. Der Clou dabei ist, dass die Angriffsstärke in diesem Overdrive-Modus um 50% erhöht wird. Der Nachteil ist aber, dass man danach in den Overheat-Modus verfällt, sich für eine gewisse Zeit nicht bewegen kann und abwarten muss, bis sich die Leiste regeneriert hat, ehe man erneut angreifen kann. Um das zu verhindern kann man die aktuelle Kombo im Overdrive mit einem Skill abschließen und anschließend auf einen der beiden anderen am Kampf beteiligten Charaktere wechseln, um dadurch eine Angriffskette zu starten. Dadurch bekommt der nun ausgewählte Charakter den Angriffsbonus seines Vorgängers übertragen. Attackiert dieser nun selbst so lange, bis er in den Overdrive gerät und schließt ebenfalls mit einer Technik ab, kommt es zum Chain-Break und beide Charaktere erhalten ihre komplette Ausdauer zurück.
Für Techniken wird Kan benötigt. Das entspricht dem Chi des Vorgängers. Hier gibt es aber zwei grundlegende Arten von Kan. Physische Kämpfer erhalten es, indem sie Gegner mit normalen Angriffen beharken und speichern dieses dauerhaft. Magier hingegen ziehen elementares Kan aus der Umgebung. Dieses stellt die Grundmenge dar die niemals unterschritten wird. Befinden sich in der Umgebung z.B. zwei Kan-Punkte, so können Zauber, die zwei Punkte benötigen, immer wieder eingesetzt werden, ohne dass es verbraucht wird. Für bessere Zauber müssen sie hingegen durch normale Angriffe zuerst selbst zusätzliche Kan-Sphären erzeugen. Verlassen sie den Bereich in dem sie diese Sphären generiert haben, so fällt es wieder auf die natürliche Menge der Umgebung ab. Diese Kan-Sphären können aber auch künstlich erzeugt werden, z.B. indem man Barrikaden in der Umgebung anzündet um Feuersphären zu generieren oder Fässer zertrümmert um Wasserspähren zu erzeugen. Je nach Grundvorrat eines Elements in der Umgebung ergibt es Sinn, den Magier mit dem jeweils entsprechenden Element in die Kampfparty aufzunehmen. Während physische Kämpfer auf 10 Kan-Einheiten beschränkt sind, können Magier beliebig viel generieren und dadurch öfter hintereinander ihre besten Zauber einsetzen.
Jeder Charakter hat zwei Waffen zur Verfügung, was seinen Kampfstil beeinflusst. So hat Juto z.B. die Wahl zwischen einem Einhandschwert inklusive Schild, was seine Defensive stärkt oder einem Zweihänder, bei dem er rein auf die Offensive setzt. Außerdem können durch unterschiedliche Waffen unterschiedliche Individualtechniken eingesetzt werden. Diese stehen im Kampf zufällig zur Verfügung und sobald das zugehörige Symbol erscheint, muss man die entsprechende Taste schnell genug drücken, um sie auszulösen. Mit einem Zweihandschwert führt Juto dann z.B. einen Rundumfeger aus, der alle Gegner wegschleudert. Ein anderer Charakter wie z.B. Celestine, erzeugt mit ihrem Bogen einen Schild, der sie für eine gewisse Zeit unverwundbar macht oder Argo, der mit seiner Axt die Verteidigung des Gegners brechen kann, so dass die folgenden Angriffe enormen Schaden verursachen. Die Individualtechniken verbrauchen dabei keine Ausdauer.
Später lernen bestimmte Charakterpaarungen, entweder durch die Handlung, öfter aber durch Nebenquests, ein oder sogar mehrere Co-op-Techniken. Dazu müssen beide beteiligten Charaktere mit den notwendigen Waffen ausgerüstet sein und einer von beiden muss, wie gehabt, im Overdrive-Modus eine Technik einsetzen. Wechselt man nun zum Co-op-Partner und hat dieser mindestens 5 Kan-Punkte, kann er die Co-op-Technik aktivieren, bei der beide zusammen, in einer ausladenden Animation, dem Gegner enormen Schaden zufügen.
Hin und wieder gesellen sich auch Gastcharaktere als vierter Kämpfer der Party hinzu. Diese können aber nicht vom Spieler übernommen werden.
Im Gegensatz zum Vorgänger, in dem sich Bosskämpfe nicht von normalen Kämpfen unterschieden haben, sind diese nun wesentlich abwechslungsreicher. Bosse haben nun verschiedene Verhaltensmuster und Schwachstellen, die man zuerst angreifen sollte um sie zu schwächen. Man muss sich auch manchmal bestimmter Kniffe bedienen um ihnen Schaden zuzufügen, z.B. indem man Bomben auf sie zurückschleudert oder das Gebiet meidet in dem gleich ein Einschlag zu erwarten ist. Dämlich ist hingegen, dass die Spezialattacken der Bosse die eigenen Komboketten unterbrechen. Wenn man also nicht vorsichtig ist, stehen die eigenen Charaktere wehrlos im Overheat-Modus direkt vor ihrem Kontrahenten und werden widerstandslos dahingemetzelt.
Leider verkommen die Bosskämpfe gegen Ende hin zu einem reinen Gespamme von Heilgegenständen und Heilzaubern, da diese viel zu viel Schaden verursachen und man sich kaum davor schützen kann. Zwar gibt es Zauber die die Verteidigung erhöhen, diese zeigen aber nur wenig Wirkung und müssen ständig aufgefrischt werden, da sie nur kurz anhalten. In der ersten Form des Endbosses habe ich z.B. nur noch die Heilerin gespielt und die Taste für den Heilzauber gehämmert. Erst wenn die von der CPU gesteuerten Charaktere genügend Kan gesammelt hatten, habe ich auf diese gewechselt um ihre jeweiligen Spezialtechniken zu aktivieren, nur um gleich darauf wieder auf die Heilerin zu wechseln. Der Kampf hat mich irgendwie an diesen einen Bosskampf aus Star Ocean 5 erinnert, bei dem man in der Wüstenstadt gegen den Banditenchef kämpft und den ich auf ähnliche Weiste bestritten habe.
Jede Waffengattung hat ihren eigenen Fähigkeitenbaum, in dem neue Techniken erlernt oder verbessert- und Bonusse auf die Statuswerte freigeschaltet werden. Am Ende eines solchen Baums wartet eine besonders starke Technik, die im Kampf mit einer ausladenden Animation zelebriert wird, dafür aber auch viel Kan benötigt. In einem normalen Spieldurchgang erhält man lange nicht genügend Skillpunkte, um alle Fähigkeiten zu lernen. Daher muss man sich entscheiden, ob man sich auf eine Waffengattung konzentriert und deren Techniken verbessert, oder lieber zweigleisig fährt und die Techniken in ihrem schwächeren Grundzustand belässt.
Zudem hat jede Waffe eine bestimmte Anzahl an Slots, in die Kamonds derselben Farbe oder Farbmischung eingesetzt werden können. Das sind Kristalle, ähnlich der Materia, die Statuswerte erhöhen oder zusätzliche Effekte verleihen, wie z.B. den Kan-Verbrauch zu senken. Je höher das Waffenlevel desto mehr Slots sind verfügbar.
Während die englische Synchronisation für JRPG-Standards durchaus als hochwertig angesehen werden kann und viele aus der Szene bekannte Synchronsprecher wie etwa unser aller lieblings-Power-Ranger am Werk sind, wurde bei der deutschen Lokalisation ziemlich geschludert. Das Beispiel mit "show you the ropes" habe ich im Ersteindruck ja schon gebracht. Dazu gesellen sich andere Brüller wie [eng: "meet again in this fashion" / deu: "in diesem Aufzug wiedersehen"], während Charaktere im Englischen zustimmen lehnen sie im Deutschen ab, im Englischen wird vom Anfang gesprochen während es im Deutschen zum Ende wird, "dozens" wird zu "tausenden" oder das Geschlecht von Charakteren ändert sich plötzlich. Darüber hinaus strotzt das Skript nur so vor recht offensichtlichen Rechtschreibfehlern, Leerzeichen zwischen Worten wurden vergessen und Textumbrüche sind wild in den Sätzen verteilt. Eines ist sicher, dieses Skript wurde weder Korrektur gelesen noch im Spiel auf Plausibilität geprüft.
Durch die Erweiterung, "Bonus Pack" genannt, erhält man zwölf ultimative Waffen, die sofort von Spielbeginn an zur Verfügung stehen. Da diese noch einmal ein ganzes Stück besser sind als die besten Waffen die man regulär im Spiel bekommt, sollte man sie sich bis ganz zum Schluss aufheben, wenn man es nicht vollkommen trivialisieren will.
Außerdem befinden sich darin noch drei Sequenzen bzw. "Live-Dialoge", die man sich eigenständig über das Startmenü ansehen kann. Diese fünf- bis zehnminütigen Sequenzen reichen von kurzen Sketches bis hin zum Aufrollen der Vergangenheit bestimmter Charaktere. Sie sind ganz nett, aber nichts wofür man Geld ausgeben müsste und sollten eigentlich im regulären Spiel als Nebenquests enthalten sein. Meine Empfehlung; spart euch das Geld und schaut sie euch lieber auf Youtube an.
Fazit
Magna Carta 2 macht die Schmach des Vorgängers vergessen, indem es mit einer gut geschriebenen, wenn auch nicht überragenden, Geschichte und sich plausibel verhaltenden Charakteren punktet. Die Antagonisten hätten aber durchaus etwas mehr Tiefe und dafür etwas weniger Klischee-Boshaftigkeit vertragen können. Negativ fällt da eher die biedere, bilderbuchartige Präsentation der Szenen ins Gewicht. Auch in Sachen deutscher Lokalisation wurde großflächig geschlampt. Die Welt ist sehr kompakt und überschaubar gehalten und man besucht dieselben Orte recht häufig, da auf spielzeitstreckende Elemente verzichtet wurde und das Spiel nicht so lange dauert, ist das aber nicht weiter tragisch. Das Kampfsystem ist traditioneller als im Vorgänger, spielt sich meistens rund und benötigt nicht mehr eine so hohe Konzentration.