Kapitel 20
Das Fire Emblem wurde gestohlen. Soren schlägt Ike nicht mal Nasir als Verdachtsperson vor, obwohl Soren es verdächtigt fand, dass Nasir nach seinen Job als Reiseführer (von Gallia angeheuert) Crew und Schiff hinter sich lässt, um Ike beim Krieg gegen Daein zu begleiten. Nasir begründete das mit einer für den skeptischen Soren unglaubwürdig noblen Absicht. Vielleicht fehlt auch die Zeit dazu...
Mich stört das nicht zu sehr. Soren hat nichts konkretes in der Hand und Nasir kann sein Glück ruhig ein wenig testen und das Medaillon erst jetzt klauen, wo er sowieso mitten in Daein ist. Sein Fluchtweg ist dann kürzer. Was mich dabei irritiert ist aber, dass er nach seiner Flucht wieder zu Ike zurückkehrt. Kann Nasir tatsächlich die Armee verlassen, zur Hauptstadt gehen, das Medaillon aushändigen und dann wieder zu Ike zustoßen? Und denen fällt seine Abwesenheit nicht auf? Wozu ist er überhaupt zurückgekommen? Ging er davon aus, dass Ike Daein einnehmen wird und plante er, dabei Ena zu retten? Das wäre dann wahrscheinlich improvisiert, da er sonst von Ashnards Handeln Bescheid wissen müsste und Ena schien doch überrascht zu sein, dass sie und die Hauptstadt aufgegeben werden. Ging Nasir davon aus, dass Ike verlieren wird und Nasir mit Ena dann weitehrin daraufhin arbeitet, Ashnard und Rajajon näher zu kommen und letzteren zu kurieren? War er unvorbereitet und musste improvisieren? Zugegeben, Nasirs Rolle als Spion (ein recht offensichtlicher Twist), der dann nur bedingt für Daein arbeitet und vielerlei Hinsicht Ike hilft (ein etwas besserer Twist), gibt der Handlung Komplexität. Aber damit kann oft schnell einher gehen, dass nicht alles genau abgestimmt und verständlich ist.
Aber zurück zum Kapitel. Abermals muss Ike einen Teil des Heer Daeins bekämpfen. Zum ersten Mal wird dabei Daein vermenschlicht. Ein Teil der Soldaten sind weiterhin selbstzerstörerisch, so fordert Petrine auf, dass Land zu zerstören, um Ikes Armee aufzuhalten. Das Leid der Zivilisten wird in diesen und den nächsten Kapiteln dabei mehrfach thematisiert. Und die Soldaten, die Ike bekämpft, zeigen erstmals berechtigte Skrupel. Ein wenig wird aber wieder vermieden, dass man den bisherigen Soldaten Daeins Menschlichkeit gibt, denn hier wird hervorgehoben, dass es Migranten sind. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Petrine den Ausländern aus Verachtung wegen eins auswischen will oder ob ihr Verfahren Standard ist und Shiharam und Co. diejenigen sind, die mit ihren Skrupeln aus der Rolle fallen. Zwar zeigen im Spielverlauf noch andere Einwohner Daein verschiedene Ansichten, aber die Soldaten sind einhellig fanatisch loyal. Hier aber ist klar, dass der Feind von einer gewissen moralischen Integrität ist und der Krieg in kaum eine Wahl lässt. Dies ist umso geschickter gemacht, dass er uns durch Jill auch persönlich bekannt ist. Einige Camus-Archetypen wie z.B. Mustafar aus Awakening schenkte man ein bisschen Aufmerksamkeit, aber nahe konnte uns diese Person schwerlich gebracht werden. Hier muss eine Einheimische gegen ihre eigenen Leute, Bekannte und den eigenen Vater in den Kampf gebracht werden. Ob Jill das tatsächlich schafft ist so zweifelhaft, dass das Spiel sogar Alternativen anbietet: Mehrfach zieht Ike in Betracht, sie nicht aufzustellen und aussitzen zu lassen. Zudem kann Jill rerekrutiert werden. Das ganze ist ziemlich geschickt, weil es so Kritikern den Wind aus den Segeln nimmt, die anzweifeln, ob ein Teen so leichtfertig in ihrer Heimat rummetzelt. Jill muss keine kaltherzige wahnsinnige Psychopatin sein, sie kann sich durchaus auf die Seite ihres Vaters schlagen und Ike kann einsehen, dass es handlungstechnisch grausam wäre, sie einzusetzen. Und selbst wenn sie aufgestellt wird, können zufällig erscheinende Kampfkonservationen darauf verweisen, dass ihr das Kämpfen quält.
Generell bietet das Kapitel eine passende depressive Stimmung. Der Einführungstext weist Shiharams auf Skrupel hin, zu Beginn des Kapitels befragt Ike Jill, inmitten des Kapitels stellt einer von Shiharams Soldaten ihn in Frage, woraufhin Haar sich einmischt. Die Dorfbewohner beklagen das Fehlen der jungen Männer (zwangsrekrutiert bzw. gestorben), am Kapitel Ende hadern Haar und die Überlebenden, auch Ike und Elincia beklagen die sinnlose Zerstörung der Umgebung. Eine passende Einführung über die Sichtweise der Bewohner Daeins, an denen der Krieg gegen Crimea vorbeigegangen ist und ihn jetzt selbst erleben. Nicht nur fürs nächste Kapitel relevant, auch für FE10 wichtig, wo der Wiederaufbau Daeins zu Beginn im Vordergrund ist.
Calill
Die Rekrutierung ist reichlich willkürlich. Warum Calill so tief nach Daein vordringt, um sich als Söldner zu behaupten, lohnt einer genaueren Betrachtung nicht. In erster Linie wollte man meiner Einschätzung nach einen prepromoten Weisen im Stile Pents einschleusen und hat weniger darauf geachtet, passend zum Ton des Kapitels einen besorgten, tranigen Daein-Bewohner o.Ä. zu rekrutieren, was stimmiger wäre. So ist Calill auch eher einer der heiteren Charaktere, die eher auf Abenteuern denn Kriegen zu finden sind. Ihr baldiger Mann Largo ist da von selben Format und auch ihre Supports verweisen auf ihre eitle Art. Im Support mit Nephenee versucht sie diese zu striegeln, wie es schon einige feinere Damen wie Clarine und Louise taten, wobei Calill vielleicht ein paar Sympathiepunkte dabei gewinnt, dass sie sich am Ende als Landmädchen zu erkennen gibt. Mit den Hitzkopf Tormod gibt sie ein gutes Mentor-Schüler Duo ab. Der mit Geoffrey beginnt katastrophal mit einer Romanze, überraschenderweise zeigen sich die beiden sehr umsichtsvoll im A-Support. Sie dringt zu den steifen Ritter sogar durch und dieser flirtet freundschaftlich-höflich sogar zurück. Als gestrichener Support soll einer mit ihr und Shinon vorhanden sein, der sicherlich einen der beiden eingebildeten Dickköpfe zum Explodieren bringen würde. Ob sie so eitel und eingebildet ist, wie sie sich gibt, zweifle ich im Übrigen an. Da all ihre Gesprächspartner aufgrund ihres Alters und ihrer Lebenserfahrung aussticht (Ike, Nephenee, Tormod und Geoffrey sind jünger als sie, Largo ist nicht gerade reif) , könnte da sehr viel Selbstironie mitschwingen, mit der sie ihr Leben etwas aufhellen will.
Zusatz: Ashnards Ignoranz über Shiharams Existenz verwundert mich. Seine Truppe wird von vielen gepriesen, hätte Ashnard es nicht gutgeheißen, seine Armee um eine starke Einheit zu ergänzen? Er brüstet sich doch mit seiner Bevorzugung von Talent über Status, weshalb die Ausländerfeindichkeit nicht entscheidend sein sollte. Möglicherweise halten sich Shiharam und seine Leute zu sehr zurück, da sie keinen Ruhm suchen.
Kapitel 21
Ike und Elincia haben sich zur imperialen Hauptstadt durchgeschlagen und besetzen das Schloss. In bisherigen FE-Teilen hockte an solchen Orten in solchen Situationen zu diesen Zeitpunkten der König oder Imperator, der sich mehr oder weniger grimmig auf den Showdown und das letzte Gefecht vorbereitet. Aber für FE9 wäre das noch ein wenig verfrüht und es hat noch einige Plotfäden, weshalb Ashnard dreist abwesend ist. In Verbindung mit der Kaltblütigkeit gegen die eigenen Bewohner und Soldaten im letzten Kapitel wird verdeutlicht, dass Ashnard über den Idealen des gutmütigen Herrscher erhaben ist. Dabei wirkt er keineswegs feige oder inkompetent, sondern seinen Gegnern gegenüber einen Schritt vorraus.
Wie auch in Kapitel 20 werden die Schäden des Krieges auf beiden Seiten verdeutlicht. Es gibt keine Gewinner, wer nicht gehorsam in den Tod schreitet, wird zum Verräter. Die Befreier Crimeas sind in den Augen Daens Eindringlinge. Der Kreis der Gewalt wird fortgeführt. Das einfache Volk sympathisiert mit seinen Herrschern nicht und dient und zahlt durch Steuern und Abgaben nur des Schutzes wegen, was schon in Kapitel 11 thematisiert wurde. Wie so oft nutzt FE9 seine verschiedenen Mittel, um dies zu erzählen. Ob der neutrale Erzähler zu Beginn, die Gespräche zwischen Ike und seinen Verbündeten, eine Lagerkonservation mit einen Zivilisten.
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Bevor wir Ike kontrollieren, wechselt die Szene zu den Feinden. Ena offenbart Ashnards wahre Absichten von einen länderübergreifenden Krieg. Die zurückgebliebenen Soldaten Daeins sind verschmerzbare Opfer. Meine heutige Zitierfreudigkeit fußt auf die Qualität des Spiels, die politischen und soziologischen Sichtweisen seiner Charaktere so authentisch zu vermitteln.
Ena sperrt Ikes vorstoßende Truppe mit ihrer Einheit ins Schloss ein, was wohl erklärt, warum so wenige Soldaten um das Schicksal eines ganzes Landes kämpfen. Sie enthüllt sich als Drache, was die rassischten Daeins angesichts der Notsituation aber motiviert. Überzeugt mich.Zitat
Nach den Kampf folgt eine unsinnige Szene. Ena ist nicht getötet worden, weigert sich aber, sich gefangen nehmen zu lassen. So kalkulierend wie sie ist, könnte sie auf ein Bündnis mit Ike spekulieren, in welchen sie Ashnard und Rajajon dann verfolgt und erneut begegnen kann. Nasir kann ihr beim Vermitteln auch helfen. Alles ist besser, nur nicht Aufgeben.
Nasir erscheint aus den Nichts (ist die Verstärkung genau jetzt eingetrudelt?) und greift Ike an. Dadurch kann die geschwächte Ena fliehen (der Rest steht wohl nur dumm da) und Nasir lässt sich widerstandslos gefangen nehmen, statt ebenfalls zu fliehen. Er klärt Ike auch nicht über seine und Enas Mission und Motive auf, sondern schweigt und gibt nur einen kryptischen Hinweis auf das Medaillon. Ja was denn jetzt?! Die Umstände um Enas Flucht sind unplausibel und Nasirs Schweigen unnötig hinderlich. Schade.
Wie es mit Ike und Co. weitergeht, erfahren wir erst im nächsten Kapitel. Stattdessen endet das Kapitel mit Ashnard und Petrine. Vom eindimensionalen, leicht inkompetenten Kommandanten über einen fanatischen grausamen General, der nicht vor der Zerstörung des eigenen Landes zurückgreift, vermittelte sie uns oft ein Bild über Daein. Hier ist sie verschreckt und unterwürfig, was die Kompetenz von Ashnard und den Schwarzen Ritter hervorhebt. Ashnard offenbart Petrine die Eigenheiten des Medaillons und diskutiert das Vorhaben des Schwarzen Ritters, Leanne in Phoenixien zu entführen.
Tauroneo
Die alternen, ihres Leben überdrüßigen Generäle der feindlichen Seite, die voller Gewissensbisse und Loyalitätskonflikten die Seiten wechseln, haben in der Fire Emblem Reihe einen Stammplatz, da sie die Handlung sehr einfach und effektiv ergänzen können. Manchen wird mehr oder weniger Aufmerksamkeit geschenkt, aber je mehr desto besser. Duennel aus FE8 ist ein gutes Beispiel. Zwar hat Tauroneo in FE10 mehr Screentime, aber in diesen Teil kommt er nicht gut weg. Seine Zweifel werden erst bei seiner Rekrutierung angesprochen, davor in der Szene, wo Ena und Kasatai debattieren, ist er still. Dabei wäre es eine gute Gelegenheit gewesen, ihn dort vorzustellen und seine zweifelnde Loyalität anzudeuten. Stattdessen übernimmt Kasatei seinen Job und dieser kann schwerlich einen bleibenden Eindruck hinterlassen, da er schnell abtritt. Ihn ganz mit Kasatai zu ersetzen würde nur funktionieren, wenn man die Szene umschreiben würde. Ansonsten wäre Tauroneo Ena gegenüber zu unloyal. Auch sein Potential wird überhaupt nicht genutzt. Er war einer der vorherigen Vier Reiter, aber jetzt kriegt er keine Aufgabe und Bedeutung in der Handlung und im Krieg. Wäre er ein Boss oder Sub-Boss wie Shiharam oder Haar, wäre seine Rekrutierung dramatischer und persönlicher. Auch kannte er Greil persönlich, aber er unterhält sich mit Ike nach der Rekrutierung nie wieder darüber. Da nahezu alle Bosse mit ihn eine Konversation hegen, sollte sein Eintritt in Ikes Armee bedeutsam sein, aber er ist nur einer von vielen. Er hat nur zwei Supports. Der mit Largo ist einseitig und bezieht sich fast nur auf Largo. Der mit Rolf vermittelt Tauroneos persönlichen Hintergrund seine Familie, aber seine derzeitige politische, militärische und moralische Rolle für Daein bleibt unbeleuchtet. Gleich drei Supports wurden gestrichen und sie alle umfassen Vertreter verschiedener Nationen, mit den Tauroneo über allerhand diskutieren und streiten könnte: Elincia, Ranulf und Stefan. Auch das betont, wie ungeheuer wichtig er für die Handlung hätte werden können, aber man hat fast gar nichts von seinen Potential genutzt. Er wirkt auf mich deshalb sehr nach einen Charakter, den man am Ende gekürzt bzw. nicht weiter ausgebaut hat, weil man keine Zeit oder Lust mehr hatte.