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Thema: Eine Unterscheidung treffen

  1. #1

    Eine Unterscheidung treffen

    Keine Ahnung, wo man dieses Thema am elegantesten platzieren könnte. Daher versuch ich es mal hier. Sollte es hier jedoch nicht passen, bitte moderativ dorthin verschieben, wo es eurer Meinung nach besser hinpasst. Dieser Beitrag sollte zuerst komplett zu Ende gelesen werden, bevor der eifrige Griff zur Tastatur erfolgt, sodass sich die Antworten nicht "irgendwie" auf irgendwelche Einzelfragen beziehen, sondern eine gesamtreflektierte, umfassende Antwort darstellen. Wer bis hierher gelesen hat ist schon einmal zu loben, denn an dieser Stelle sei gesagt, dass ich hier nur Personen lesen will, die sich mit dem Thema auskennen, de facto also selbst betroffen sind oder nahestehende Personen kennen, die betroffen sind. Dementsprechend also Personen, die sich mit dem Thema auskennen, etwas beizutragen haben und deshalb aus Erfahrung sprechen können, anstatt irgendwelche Wikipedia-Artikel oder ähnliche Internetquellen zu verlinken. Falls es entgegen meiner Erwartungen niemanden gibt, auf den diese Kriterien zutreffen, so sei gesagt, dass ich es gerne in Kauf nehme, dass dieses Topic abgesehen von meinem Beitrag hier vollständig leer bleibt. Das nur am Rande, fangen wir also an. Worum geht es heute? Ja, heute geht es um das Thema Depression und wie man es erkennt. Es gibt hier in diesem Forenverband augenscheinlich sehr viele User, daher ist die Chance doch hoch, dass einige darunter sind, die bereits eine Depression haben oder hatten und oder diese wie auch immer verarbeitet haben. Nun wäre die Frage, wie äußert sich das? Und wie unterscheidet man es von einer depressiven Verstimmung? Gibt es da einen Unterschied und wie charakterisiert sich das Ganze? Woher weiß man überhaupt, dass man eine Depression hat und man sich stattdessen vielleicht lieber nicht so anstellen und den Arsch hochkriegen sollte? Es kann ja auch sein, dass man sich selbst eine Depression diagnostiziert, aber in Wahrheit gar keine hat, und mit ein bisschen Eigenaufwand zurück ins Leben finden könnte, aber woher weiß man, dass man das möglicherweise könnte, wenn man eben selbst nicht daran glaubt, weil man sich selbst bereits eine Depression diagnostiziert hat? Gibt es da eindeutige Richtlinien, an denen man diese Erkrankung von dem Gefühl abgrenzen kann, das sich einstellt, wenn man sich selbst einfach nur aufgegeben hat und theoretisch "nur" auf irgendeine Art neu anfangen müsste, um sich wieder besser zu fühlen? Thema Diagnose: Wer diagnostiziert einem das letztendlich, sodass es "in Stein gemeißelt ist", dass man krank ist? Ein anderer Mensch, der nicht im Kopf der betroffenen Person sitzt, ihre Gedankengänge nicht kennt und infolgedessen nur eingeschränkt einschätzen kann, was sich dort im Oberstübchen möglicherweise abspielt? Gibt es einen Weg für betroffene Personen,ein Abdriften in eine Depression selbst frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls eigenmächtig gegenzusteuern, bevor es auch abgesehen von der subjektiven, eigenen Empfindung auch faktisch "kein Zurück mehr gibt"?

    Hochachtungsvoll,
    Ken der Kot

    Geändert von Ken der Kot (04.11.2018 um 04:27 Uhr)

  2. #2
    Ich glaube, da bist du hier ziemlich richtig gelandet. Da dürfte es einige Nutzer geben, die Auskunft aus eigenen Erfahrungen geben können.

    Diagnose: man nehme einen Psychologen und spreche mit ihm. Online-Doktor-Sites sind nur ein Hinweis, keine endgültige Diagnose. Deswegen auch von Freeware-Beruhigungsmitteln aus der Apotheke erstmal die Finger lassen - es sei denn, der Termin beim Psychologen ist noch 3 Quartale entfernt und man findet jetzt schon nachts keine Ruhe mehr.

    Abdriften erkennen: wohl am ehesten Tagebuch führen oder seine Gedanken wem mitteilen.

    Empfindung "es gibt kein zurück": wenn das jemand von sich aus dir mitteilt, das falscheste was du tun kannst: "Ach das machst du schon nicht!" sagen und das Thema dabei belassen. Das ist nicht nur scheiße unsensibel, sondern kann auch noch "Ansporn" sein. Ansonsten, wenn du dich damit überfordert fühlst, Nummer gegen Kummer oder ne Anti-Suizid-Hotline weiter geben. Denn das Gefühl "es geht mir besser wenn ich nicht mehr bin" kann sich ziemlich flink ausbreiten und dann vor den sterblichen Überresten einer sehr gemochten Person zu stehen - das will keiner. Weder der Polizist der das aufnehmen muss, noch der LKW-Fahrer, der versehentlich noch drüber gefahren ist, noch der Angehörige, der den Leichnahm nun identifizieren soll und sagen muss "Ja, das ist mein Bruder/meine Schwester/mein wasauchimmer".

    PS: über 10.000 Suizide alleine in 2015, von denen ich annehme, ein Großteil wäre vermeidbar gewesen. Es gibt kein Alter, in dem es nicht passiert. Ab Beginn der Pubertät bis über 90 nehmen sich Leute ihr eigenes Leben.

  3. #3
    Das wichtigste hat Auratus eigentlich schon gesagt: Eine Krankheit (wie Depression) diagnostiziert ein Facharzt, jede andere Herangehensweise kann problematisch sein. Und wenn wir von einer psychischen Erkrankung reden (wie Depression), kann es nochmal doppelt problematisch sein, weil sich als Symptom die Wahrnehmung in verschiedene Richtungen verschieben kann, von "Es geht nicht mehr weiter!" oder "Ich bin nicht depressiv, so geht es doch jedem mal, ich muss mich nur zusammenreißen (und krieg es nicht hin, ich lebensunfähiger Versager)!" o.ä.
    Wenn man also befürchtet, vor oder in einer Depression zu stehen, gerade über einen längeren Zeitraum hinweg und nicht nur zwei Wochen ... Arzt!


    Zitat Zitat
    frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls eigenmächtig gegenzusteuern
    Was man glaub ich noch mal extra betonen kann: Psychische Erkrankungen definieren sich am Ende des Tages ja praktisch dadurch, dass "erkennen" oder/und "eigenmächtig steuern" in diversen Ausprägungen schwierig(er) werden können.
    ist sicher selten unmöglich, je nachdem wo man psychisch gerade steht, aber manchmal schon, und manchmal sehr schwer, und dann kann die Sichtweise eines psychisch gesunderen Menschens sehr problematisch sein, weil sie von ganz anderen (evtl. nicht mehr zutreffenden) Grundlagen ausgeht.

  4. #4
    Ohne mich großartig verbreiten zu wollen, hier erstmal schnell die tick-off boxes, um einen Verdacht zu prüfen. Wenn so ein Verdacht sich anhand der Kriterien erhärtet, ist es klug, eine Fachärztin aufzusuchen oder -- im richtigen Moment! -- einer betroffenen Person eine fachärztliche Beratung vorsichtig anzuempfehlen.

    Man spricht gemeinhin von einer Depression, wenn mehrere typische Symptome mindestens zwei Wochen lang anhalten. Der Zustand unterhalb dieses Zeitrahmens wird für gewöhnlich als depressive Episode gefasst. In beiden Fällen lassen sich mehrere Formen von Depression unterscheiden; darauf gehe ich jetzt noch nicht weiter ein.

    Typische Symptome sind v.a. die folgenden:
    • Andauernde Traurigkeit, Unruhe, oder ein Gefühl der "Leere"
    • Gefühle der Hoffnungs- und Ausweglosigkeit, starke pessimistische Tendenzen
    • deutlich erhöhte Reizbarkeit
    • Gefühle von Schuld und Hilflosigkeit, Überzeugung der eigenen Wertlosigkeit
    • abrupter Verlust der Freude an Hobbys bzw. abruptes Desinteresse für z.B. aktive Freizeitbeschäftigung
    • deutlich schnellere Erschöpfung, übermäßige Müdigkeit
    • Verlangsamung von Bewegung und Sprache
    • Gefühl der Ruhelosigkeit, Probleme Entspannung zu finden oder gar still zu sitzen
    • Konzentrations-, Erinnerungs- und Entscheidungsschwierigkeiten
    • Schlafprobleme, Verlust des Schlafrhythmus
    • deutliche Veränderungen im Essverhalten, Appetitlosigkeit / gesteigerter Appetit, deutliche Gewichtsschwankungen
    • Selbstmordgedanken, Selbstmordversuche
    • Verspannungen, Schmerzen, Kopfweh, Krämpfe, Verdauungsprobleme o.ä., die keine erkennbare physische Ursache haben und/oder nicht auf konventionelle Behandlung ansprechen


    Für eine Textbuchdiagnose von "Depression" bedarf es neben dem Symptom "depressive Verstimmtheit" (Andauernde Traurigkeit, Unruhe, oder ein Gefühl der "Leere") für mindestens zwei Wochen drei bis fünf weitere Symptome aus z.B. dieser Liste. Da einige sich aber gegenseitig bedingen, andere verschiedenartige Ursachen haben können und die meisten davon nicht zwangsläufig mit einer u.a. hirnphysiologischen Störung (Fall der u.a. klinischen Depression) einhergehen müssen, obliegt die Diagnose richtigerweise dem Gesamtermessen einer Ärztin. Die kann z.B. auch eine subsymptomatische Depression diagnostizieren, also einen Zustand, der wie eine Depression zu behandeln ist und/oder dieselbe Beeinträchtigung zur Folge hat.

    Unabhängig davon erleben unterschiedliche Menschen ihre depressive Verstimmtheit, ihre Jahreszeitendepression, ihre depressive Störung etc.pp. ausgesprochen unterschiedlich. Der weitläufige Glaube etwa, das Depression eine starke Form der Trauer/Traurigkeit ist (was sie u.a. sein kann), blendet aus, dass Depressionen am häufigsten mit emotionaler Leere und Hoffnungslosigkeit einhergehen. Viele Depressive sind nicht permanent traurig, sondern nur eingeschränkt zu bestimmten Empfindungen fähig -- das kann, vor allem in Verbindung mit Selbstverleugnung, Drogenmissbrauch und sozialen Störungen, sogar zu einer "sad clown"-Persönlichkeit führen: Die Person wirkt fröhlicher und aufgeweckter als alle anderen, weil sie eine Clownsmaske aufsetzt.

    Schwierig an der Idee einer Selbstdiagnose und eines eigenen präventiven Entgegenwirkens ist deshalb vor allem auch der Erfahrungshorizont bzw. der Horizont der Selbsterfahrungen einer Person. Je nach Stärke, Art, Dauer, Auslöser etc. der Depression stellt sie einen massiven Schnitt in der individuellen Biographie dar. Das heißt einerseits, dass eine Depression ein traumatisches Erlebnis sein kann, das ein "Vorher" von einem "Nachher" dissoziiert. Krass ausgedrückt geht ein "frühes Ich" an der Depression zugrunde, und ein "neues Ich" geht aus der Depressionserfahrung hervor. Andererseits führen die verschiedenen negativen und auf sich selbst gerichteten Gefühlsqualitäten, die mit Depressionen einhergehen, schnell zu einem Verkennen des Zustands. Die eingeschränkte Leistungsfähigkeit, Gefühlskälte und die scheinbare Hilflosigkeit führen -- beispielsweise -- bei vielen Depressiven zu starken Schuldgefühlen -- sodass sie meinen, sie wären grundlegend defekt, irgendwie falsch, soziale Hochstapler. Sich in so einem Zustand eine Depression einzugestehen -- die dann selbst wie ein Scheitern wirkt --, fühlt sich dann schnell wie eine unglaubwürdige Ausrede an, à la "Alle anderen kommen doch auch prima klar, ich müsste mich nur mehr anstrengen, statt mich einer Diagnose zu ergeben, nur mehr anstrengen, dann wird es nach und nach besser."

    Ob der eigene Zustand eine waschechte Depression ist, können Betroffene deshalb eigentlich erst im Nachhinein feststellen oder aufgrund vorhergehender Erfahrungen mit Depressionen. Und während Menschen, die schon einmal depressive Zustände überstanden haben, leider sogar weitaus anfälliger für neuerliche depressive Zustände sind, haben sie sich in der Regel Techniken und Verhaltensweisen erworben, der Verstimmtheit oder anderen Symptomen entgegen zu wirken. Diese sind aber leider genauso individuell und spezifisch wie die Art und Weise, wie sich Depressionen pro Person ausdrücken, und ebenso individuell und spezifisch wie die Auslöser und Begleitursachen.


    In jedem Fall gilt: Wer selbst das Gefühl gewinnt, mit ihm/ihr stimmt etwas nicht, da treffen mehrere der oben gelisteten Symptome erkennbar zu, sollte sich nicht scheuen, fachärztliche Beratung zu suchen. Dafür muss und sollte man nicht zwei Wochen warten, und man sollte sich nicht davor fürchten, irgendwie als mimosenhaft wahrgenommen zu werden; man sollte sich auch nicht vor dem Label "Depression" fürchten, in den meisten Fällen wird das nämlich sogar vermieden, die Diagnose ist zur Anzeige eines Behandlungsbedarfs vorgesehen. Unabhängig davon, ob die eigene Verstimmtheit (plus Begleitsymptome) eine depressive Störung darstellt, gibt es Therapieoptionen und auch die Option, verschiedene Einzelsymptome zu behandeln. Nur ein Beispiel, ohne irgendwas runterspielen zu wollen: In manchen Fällen von depressiver Verstimmtheit gepaart mit Schlafproblemen und deutlicher Erschöpftheit kann eine Wiederherstellung des Schlafrhythmus' (z.B. auch durch Medikamente, die den Nordrenalin-Haushalt regulieren) bereits genug sein. Das gilt wiederum nur für manche Fälle und selbstverständlich nicht im Falle einer klinischen und/oder Langzeitdepression.

    Wer hingegen das Gefühl gewinnt, dass mit einer Person in ihrem/seinem Umfeld etwas nicht stimmt und da mehrere der oben gelisteten Symptome erkennbar zutreffen, der halte sich bitte zurück mit Empfehlungen professioneller Beratung oder gar dem Wortfeld 'Psychiatrie'. Das ist eine Form der Stigmatisierung, die u.a. aus vorher erwähnten Gründen die Situation der Person verschlimmern kann. Und so apodiktisch das klingen mag, bei vielen ernsthaft Betroffenen ist bereits die Frage "Wie geht es dir?" oder "Kann ich was für dich tun?" zu viel. Wer vermutet, eine andere Person könnte an einer Form der Depression leiden, tut zuallererst am besten daran,
    (a) sich zu hüten, Diagnosen/Urteile/Einschätzungen anzustellen oder diese gar auszuformulieren -- niemand weiß, wie sich eine andere Person fühlt, Depressionen sind neben z.B. akuten Traumata die unmitteilbarsten Erfahrungen;
    (b) maximale Toleranz und Geduld zu zeigen -- natürlich ist es blöd bis unangenehm, wenn die andere Person scheinbar indifferent ist, oder unhöflich, oder reizbar, oder überkandidelt, aber die andere Person wird im Falle einer Depression ohnehin entweder nicht mit sozialem Widerstand umgehen können oder ohnehin noch mindestens drei Tage mit dieser einen kleinen unsensiblen Bemerkung oder Handlung beschäftigt sein;
    (c) die Frage "Geht es dir gut?" im richtigen Moment zu stellen -- auch Langzeitdepressionen sich episodisch aufgebaut, in den meisten Fällen wechseln Betroffene zwischen einer Fassade, die nicht gebrochen werden darf, und starker Auseinandersetzung und Verletzbarkeit; ihnen ist die Fassade unbedingt zu belassen und im Zuge der Auseinandersetzung unbedingt beizustehen, wenn sie es zulassen.

    Ich will auch noch darauf hinweisen, dass es verschiedene Zustände gibt, die wie eine Depression wirken können, aber nicht als eine Depression behandelt werden dürfen. Akute Erschöpfung kann sich beispielsweise wie eine Depression oder wie Burnout anfühlen und durchaus mehrere Tage dauern. In diesem Fall ist (wie bei Burnout) nicht am Seelischen oder Neurologischen anzusetzen, sondern zuvorderst an den Umständen, die Erschöpfung verursachen. Depressionen sind demgegenüber sozusagen "anlasslose" Gefühlserleben -- sie können einen spezifischen Auslöser haben, in seiner Folge löst sich die traumatische Beeinträchtigung des Erlebens aber vom Auslöser ab und verselbstständigt sich. Das Symptom "Hilflosigkeit" rührt also in der Regel daher, dass man scheinbar nichts an den Zuständen ändern kann, um sich voraussichtlich besser zu fühlen. Drückt man diese Bürde der Hilflosigkeit nun jemandem auf, die/der sich chronisch überarbeitet, pathologisiert man einen Zustand, der nicht pathologisch ist.


    Und ganz wichtig: Es gibt in dem Sinne kein "kein Zurück mehr". Es gibt Ausmaße von psychotischen Depressionen, die so gut wie keinen Behandlungserfolg versprechen, diese sind aber vergleichsweise selten; es gibt Formen von Langzeitdepressionen, die in eine Spirale der Kraft-, Emotions- und Erfahrungslosigkeit führen, aus der sie niemand befreien kann, auch dies ist ausgesprochen selten. Beide Fälle gehen so gut wie immer mit schlimmsten Traumata und/oder mit sehr langer Hospitalisierung und/oder mit enormer Isolation einher. Die große Masse der Betroffenen -- auch derer, die keinen anderen Ausweg finden als den Freitod -- ist therapierbar oder sogar in der Lage, eine Depression ohne fremde Hilfe zu überwinden. Betroffenen kann diese "Verlernbarkeit" von Depressionen aber per se erst richtig einleuchten, wenn sie die Depression überwunden haben. Und das macht die Sache so schwierig. Aber in der großen Masse der Fälle ist die Sache prinzipiell lösbar.

    Geändert von Mordechaj (04.11.2018 um 16:15 Uhr)

  5. #5
    Ich habe diese Diagnose mit knapp 16 Jahren bekommen und im Laufe meines Lebens mehrere Klinikaufenthalte deswegen (und anderer Dinge) gehabt. Wenn du irgendwas dazu wissen oder darüber reden möchtest, kannst du mir auch gerne eine PN schreiben, Ken.

    Ich will hier jetzt nur kein großes Comingout / Seelen Striptease betreiben. Danke fürs Verständnis.

    Ansonsten will ich hier nur sagen, dass ich es super finde, dass und wie du dieses sensible Thema ansprichst. Danke.

  6. #6
    Erstmal danke ich allen sehr dafür, dass ihr, die ihr hier bisher geschrieben habt, das Topic durch eure Kommentare so hochwertig macht wie es sein sollte. Auch danke an Mordechaj nochmal für das Auflisten und Ausführen der Symptomatik. Ich verstehe die Argumentation, dass man in einem solchen Fall den Gang zum Psychologen durchaus präferieren sollte. Aktuell frage ich mich nur, wie ein Psychologe das bei einem Menschen diagnostizieren kann, wenn der Mensch es selbst nicht weiß? Klar, die Wahrnehmung des Betroffenen könnte betrübt sein, sodass es nicht sicher ist, ob er seine eigene Situation zweifelsfrei korrekt beurteilen kann. Aber kann das denn ein Mensch, der zwar von der Thematik selbst viel Ahnung hat, von dir und deinem Seelenleben aber nichts weiß, weil er dich ja nicht schon seit Jahren kennt? Es gibt ja ein Sender-Empfänger-Model und das, was ein Mensch sagt, kann bei einem anderen Menschen, unabhängig davon, wie lange er studiert hat, komplett anders ankommen und interpretiert werden. Ich frage mich auch, wo genau die Grenze ist. Eine Depression kommt ja nicht von heute auf Morgen und ist dann urplötzlich "voll da". Ich zumindest stelle es mir als einen schleichenden Prozess vor, den man vielleicht bis zu einem gewissen Grad noch selbst regulieren kann, wenn man ihn früh genug erkennt, um nicht tiefer reinzurutschen. Oder ist das falsch und ein Betroffener wäre vielleicht gar nicht imstande, eine beginnende Depression im Frühstadium als eine solche zu erkennen? Es kommt hinzu, dass man vielleicht als Betroffener auch selbst gar nicht weiß, ob es in einem solchen individuellen Fall "noch" ein Frühstadium ist oder ob man bereits voll drin ist und es ohne Hilfe vielleicht gar keine Chance mehr gibt. Woher wüsste man in diesem Fall, dass die eigenen Bemühungen vielleicht gar keine Chance haben, zu fruchten? Wenn das zuträfe, dann wäre es ja unter Umständen wichtig, sich da auf eigene Faust gar nicht so sehr reinzuknien, um weiteres Frustpotential zu vermeiden, das die Sache verschlimmern könnte? Aber ist man nicht trotzdem unglaublich allein, weil Psychologen die Einordnung in eine Depression auch nur anhand verschiedener Stichpunkte vornehmen und Menschen sowieso viel zu verschieden sind, als dass eine Berufsgruppe sie alle bis ins letzte Detail verstehen und kategorisieren könnte?

  7. #7
    Ich glaube bei einem Gang zu einem Psychologen geht es nicht nur um eine Diagnose - tatsächlich gibt es Studien, dass es Leuten nach einer Diagnose schwerer fällt sich auf eine Therapie überhaupt einzulassen, da das Stigma nicht unbedingt allen weiter hilft. Ich glaube bei einer Therapie bei einem Psychologen, Psychiater oder einem Psychotherapeuten geht es hauptsächlich darum Hilfestellung zu bieten, alles aus einer anderen Perspektive zu sehen. Du gehst ja nicht nur zum Arzt, weil du wissen willst, was du hast, du willst ja auch therapiert werden.
    Jedenfalls ist es denke ich wichtig selbst auch bereit zu sein eine Therapie einzugehen. Natürlich ist es bei psychischen Erkrankungen absolut wichtig einen (Fach-)Arzt aufzusuchen, da will ich auch niemanden rein reden. Allerdings - und das habe ich schon häufig erlebt - sollte man sich nicht zu einer Therapie drängen lassen und auch niemanden in eine Therapie rein drängen, da dies der absolut falsche Weg ist.

    Wie gesagt, klar ist es wichtig sich bei sowas Hilfe zu suchen, aber auch bei psychischen Erkrankungen gilt: Es gibt keine Patentlösung nach Schema A. Für den einen funktioniert eine Therapie super, für den anderen klappt es gar nicht. Eine Therapie ist ein schwieriger Schritt, man entdeckt eigene Abgründe und Grenzen, bei denen man nie wusste, dass es sie gibt. Und wenn man merkt "Ey, irgendwie ist mir das zu heavy, ich kann das aktuell nicht", dann sollte man da über eine Pause nach denken oder vielleicht eine andere Art der Therapie in Erwägung ziehen, wie zum Beispiel ein ambulanter Aufenthalt in einer Klinik oder ein betreutes Wohnen oder auch eine Selbsthilfegruppe. Ich habe viel von Leuten gehört, die ihre psychischen Probleme komplett nur mit Selbsthilfe in den Griff bekommen haben. Und wenn es für einen funktioniert, ist das toll. Ein erster Gang zum Arzt sollte trotzdem auf der Agenda stehen. Auch wenn das super schwer ist - es gibt ja einige Leute, die haben kaum Kraft morgens aufzustehen, wie sollen die dann ein Gang zum Psychologen schaffen, vor allem wenn man oft sowieso wie ein Hypochonder behandelt wird - ist es dennoch wichtig. Wenn man da was bei Angehörigen mit bekommt, halte ich es auch wichtig diese bei einem ersten Gang zum Arzt zu unterstützen, vielleicht sogar zu begleiten. Eine Begleitperson beim Arzt dabei zu haben, kann so viele Wunder bewirken, einfach nur, weil noch jemand dabei ist, der für einen einsteht.

    Das wichtigste bei einer Therapie ist jedenfalls selbst dafür bereit und offen zu sein. Du kannst so lange zur Therapie gehen, wie du willst, wenn du da nicht offen für bist, fruchtet das kaum bis gar nicht. Und es ist ja auch keine Schande, noch nicht bereit zu sein, das ist normaler Selbstschutz, da hat jeder sein eigenes Tempo. Einige Leute schaffen es erst mit Ü30 schlimme Traumata aus ihrer Kindheit zu behandeln.

    Und ja, eine Diagnose in dem Bereich Psychologie/Psychiatrie ist unglaublich schwierig, selbst für Experten. Deshalb dauert das auch eine ganze Zeit, bis eine erste Diagnose steht. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das sich oft auf ein Jahr Therapie beläuft, einfach weil eine Depression auch nicht gleich Depression ist. Das äußert sich bei jedem etwas anders, auch wenn es gemeinsame Symptome gibt. Bei ganz schwierigen psychischen Problemen, die über eine "einfache" Depression hinaus gehen, werden oft auch andere Ärzte mit in die Diagnose hinein bezogen. Außerdem sollte man sich bei einer Diagnose aus dem psychischen Bereich auch niemals dran aufhängen. Man sollte niemals in den Gedankengang kommen "Oh, okay, ich habe eine Depression, das erklärt jetzt ALLE meine Verhaltensweisen." oder noch schlimmer, das Gefühl zu bekommen, man müsse sich jetzt so verhalten (Ja, das habe ich bei Bekannten schon erlebt.). Eine Diagnose soll auch lediglich eine Hilfestellung sein und dir zeigen "Okay, die und die Therapien gibt es, das kann ich ausprobieren" und dir vielleicht auch helfen Gewissheit und Klarheit zu haben und sich selbst mehr zu akzeptieren.

    Noch eine wichtige Sache ist, den richtigen Therapeuten zu finden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich nicht mit jedem Therapeuten auf einer Wellenlänge bin und mich dementsprechend nicht auf jeden einlassen kann. Und da ist es auch keine Schande, den Therapeuten zu wechseln, dass kann man beim aktuellen Therapeuten immer ansprechen. Ja, Wartezeiten bei solchen Fachärzten sind sehr, sehr lang. Und das kann sehr frustrierend sein. Aber davon sollte man sich nicht unterkriegen lassen. Mir hat das im Gegenteil sogar geholfen, weil ich dachte "Okay, der Termin ist eh erst in einem halben Jahr, da brauche ich keine Angst vor haben." und da war ich dann auch offener und entspannter dem gegenüber.
    Wenn man dennoch das Gefühl hat, man kann nicht mehr, es geht alleine nicht mehr, man braucht JETZT Hilfe, kann man sich immer bei jeder Praxis melden wegen einem akuten Zustand und dann bekommt man in den allermeisten Fällen einen Notfall Termin. Und wenn das nicht angeboten wird, erkennt man meist, dass das keine so gute Praxis ist.

    Sooo, viel geschrieben, vieles was auch nicht unmittelbar zur Fragestellung passt, aber ich hoffe es hilft und regt zum Denken an.

  8. #8
    Jetzt mal so ganz kryptisch aus persönlicher Erfahrung gesprochen: FachärztInnen sind in der Tat nicht immer in der Lage, eine Depression richtig zu diagnostizieren. Aber das sind Depressive selbst aufgrund ihrer Verfassung leider oftmals noch weniger. Eine gute Psychologin kann aber in vielen Fällen auch aus der Verbindung von Gesagtem, Beobachtetem und Ungesagtem die richtigen Schlüsse ziehen. Das Diagnosehandwerk ist stets ein deutendes, vor allem aber auch ein fehleranfälliges; während bei physiologischen Leiden eine Bandbreite von Tests und bildgebenden Verfahren zur Verfügung steht, sind ÄrtzInnen bei psychologischen Leiden aber oftmals auf Intuition und Beobachtungsgabe angewiesen, manchmal gar auf die bewusste Inkaufnahme einer womöglichen Scheindiagnose (z.B. weil es Betroffenen manchmal hilft, überhaupt einen Namen für die Sache und eine Behandlung dafür zu erfahren). Der rapide Anstieg an Depressionsdiagnosen die letzten Dutzend Jahre etwa ist ein Anzeichen für eine "laschere" Diagnoseschwelle, aber dadurch durchaus ein gutes, weil die Bereitschaft, eine Depression zu diagnostizieren, durchaus mehr wert ist als eine (ohnehin tendenziell unmögliche) absolut sichere Diagnose. ÄrztInnen sind dabei, auch wenn wir sie gern als Halbgötter imaginieren, immer noch fehlbare Menschen.

    Und oftmals ist selbst die Einschätzung dieser fehlbaren Menschen eine bessere als die Selbsteinschätzung, weil ihre Fehlbarkeit mindestens mit einer fachlichen Qualifikation gepaart ist. Aber selbst fachliche Laien können die persönliche Situation aus der Außenperspektive manchmal besser einschätzen als man selbst: Gerade Depressive sind sehr anfällig für eine Art der Verdrängung und Selbstverleugnung, die Anzeichen nach Außen produziert. Ich will das jetzt nicht zu weit treiben und um Himmels willen keine Fremddiagnosen ermuntern, aber es gibt beispielsweise Menschen, denen ein psychisches Leiden so etwas wie einen "pathologischen Gesichtsausdruck" zufügt, zum Beispiel ein sehr unnatürliches Lächeln, das maximale Beklommenheit übertüncht, oder auffällig Formen eines leeren Gesichtsausdrucks. Ich will damit nicht sagen, dass man psychisches Leiden am Gesicht ablesen kann, aber es gibt verschiedene Indikatoren, die außerhalb der Kontrolle und Wahrnehmung Betroffener liegen -- so ein "pathologischer Gesichtsausdruck" wäre eine besondere und prägnante Form davon. (Das ist KEIN Diagnoseinstrument, sondern eine Veranschaulichung.) So oder so, eine Diagnose bzw. überhaupt das Diagnosegespräch mit einem Facharzt setzt immer einen starken Vertrauensvorschub voraus. Der wird leider manchmal enttäuscht, aber oftmals auch belohnt, besonders dann, wenn ein fachlich qualifizierter Arzt, beispielsweise, aufgrund seiner Qualifikation erkennt, dass die vermutete Depressive ihm gegenüber tatsächlich an manischen Depressionen leidet, was teils völlig andere und wirkungsvollere Behandlungswege ermöglicht als eine bestätigende Diagnose von Langzeitdepression. Etc.

    Was das eigene Erkennen im Frühstadium angeht: Das ist unter Umständen möglich, will ich ohne jegliche Qualifizierung behaupten. Auch das kann aber zu einer Form der Pathologisierung (also der Unterstellung, dass der eigene Zustand eine tiefere Verwurzelung hat und nicht von selbst vorübergehen kann) führen. Das ist vor allem dann schwierig bis gefährlich, wenn man gegen diesen Zustand aktiv etwas tun möchte. Ich will nicht entmutigend klingen oder behaupten, dass Menschen sich nicht an den eigenen Haaren aus Sümpfen zu ziehen verstünden. Das gibt es bestimmt. Aber gerade dieses Selbstpathologisierung und der Wille zur Selbsttherapie kann den Zustand verschlimmern, bis er tatsächlich pathologisch wird, oder sodass ein bereits pathologischer Zustand verschlimmert wird.

    Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Ich habe extreme Schlafprobleme, die mir merklich auf die Stimmung und meinen Energiehaushalt drücken, ich vernachlässige wichtige Dinge, kann mich nicht mal zu Aktivitäten aufraffen, die mir Spaß machen oder meine Lebensqualität verbessern. Das kann bereits eine depressive Verstimmtheit oder gar eine depressive Störung sein, das können einfach Schlafprobleme sein, die eben ihre Konsequenzen für den Alltag haben. Egal, was es ist, sage ich mir, ich werde einfach einen gesunden Schlafrhythmus erzwingen. Also stehe ich am nächsten Tag um sieben auf und nehme mir vor, den Tag über möglichst aktiv zu sein, viel zu schaffen; putzen, einkaufen, ein bisschen Sport, dann abends früher schlafen gehen und spätestens übermorgen sollte es mir besser gehen. Dann bin ich aber so erschöpft, dass es nur noch zum Einkaufen reicht, den Rest der Zeit verbringe ich mit Netflix, dann kann ich abends nicht einschlafen und mache mir Vorwürfe, dass ich gegen die Erschöpfung nicht angekämpft und wenigstens ein klein wenig Sport gemacht habe, schlafe gegen halb vier ein, überhöre am nächsten Tag den Wecker und wache erst kurz nach elf auf. Der neue Tag ist ruiniert, ich mache mir noch mehr Vorwürfe, ich habe versagt. Also neuer Versuch am nächsten Tag. Ähnliches Spiel, ich schaffe eine Aktivität, dann bin ich erschöpft, schlafe am Nachmittag eine Stunde, bin abends zu wach, um ins Bett zu gehen, halb fünf kann ich endlich einschlafen, ich wache am nächsten Tag kurz vor elf auf und fühle mich abgeschlagen, habe Kopfschmerzen; das Telefon klingelt und ich bin so voll mit Scham und Versagertum, dass ich nicht rangehen möchte.

    Nochmal, ich will nicht entmutigend klingen. Aber eine Selbsttherapie hilft bei schlimmen depressiven Zuständen (und ihren äquivalenten -- selbst wenn das Beispiel oben komplett nur durch Schlafprobleme verursacht wäre) meist nicht. Selbst eine depressive Verstimmtheit, die man also nicht länger als zwei Wochen hat, muss ganz oft leider ausgehalten werden, bis sie sich von selbst bessert. Unser Körper, unsere Psyche sind manchmal Arschlöcher like that. Ich will dabei aber nicht verschweigen, dass gerade depressive Verstimmtheit manchmal durchaus durch ein "Aufrappeln" behoben werden kann, dadurch sich vehement Gutes zu tun oder Rat, Freundschaft und/oder Zuneigung anderer Menschen zu suchen und zu finden. Manche persönliche Krisen lösen sich manchmal einfach durch den Schaum auf der Kaffeetasse nach dem Sonntagsschmaus bei den Eltern.

    Ich will aber auch nicht empfehlen, sich mindestens ärztlicher Zurkenntnisnahme zu Verweigern. Nochmal kryptisch: Eine Ärztin, die einem die eigene ostensible Depression als eine Art Übertreibung verkaufen will und nur blöde, nicht hilfreiche Fragen stellt, ist immer noch eine Stimme, die man ignorieren und durch eine andere Stimme ersetzen kann. Vielleicht fällt dieser Ärztin sogar ein Hilfebedürfnis auf, das sie dann schlecht einlöst. Selbst damit lässt sich umgehen. Wer aber so weit ist sich einzustehen, unter Umständen an einer Depression zu leiden, muss sich -- leider, ich fürchte -- auch eingestehen, dass eine Depression mit einem Hilfebedürfnis einhergeht, das man sich selbst nicht leisten kann.

    Ich möchte schlussendlich ein Diagnosetool nennen, das ich persönlich für aussagekräftig halte, ohne dass ich irgendeine Qualifikation in diese Richtung genieße oder mir einbilden darf, dass meine Meinung dahingehend irgendeine Validität besitzt: der Versuch, einen freien Tag selbstverantwortlich und dezidiert mit Aktivitäten zu gestalten; zum Beispiel einen Ausflug oder einen Hobbytag o.ä. Wenn das nicht gelingt -- also bei der Planung an Selbstzweifeln oder Lustlosigkeit o.ä., oder aber bei der Durchführung an ähnlichen Hürden scheitert --, dann möchte ich empfehlen, zumindest in Erwägung zu ziehen, über psychologische Beratung nachzudenken. Wenn all das gelingt und sich danach Gefühle wie Reue, Scham oder Gefühlsleere einstellen, wenn sich eine vorher empfundene depressive Stimmung dadurch nicht löst, bleibt die Empfehlung zu psychologischer Beratung.

    Und so viel möchte ich aus persönlicher Erfahrung (das ist gerade deshalb nicht verallgemeinerbar!) beigeben: Eine gesunde Psyche, ein gesundes Empfinden lassen es zu, schon kleinere Erfolge oder Glücksmomente zu genießen; sie machen es möglich, die freie, aktivitätsreiche Gestaltung eines freien Tages zu genießen und mindestens eine Weile lang ein Gefühl von Zufriedenheit zu verspüren -- selbst wenn nicht alles so schön war, wie man es sich vorgestellt hat. Fehlt das, kann das mehrere Ursachen haben. Fast alle dieser Ursachen verdienen das Eingeständnis, dass man vielleicht Unterstützung benötigt, um ein Mindestmaß an Zufriedenheit zu genießen.


    Ihr wisst mittlerweile, dass mein "schlussendlich" trügerisch ist, deshalb ein letzter Absatz: Ich will niemals derjenige sein, der sagt, etwas ist aussichts- und ausweglos, gerade im Falle einer Depression; es gibt viele Mittel und Wege, mit sich selbst und mit unzufriedenstellenden Gemütszuständen umzugehen. Ich möchte mir auch die Auffassung aufrecht erhalten, dass man selbst bei Rückschlägen in vielen Fällen selbst ganz gut weiß, wie man sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zieht. Ich möchte dabei festhalten, dass ich ein starkes (und sicher irrationales) Misstrauen gegenüber Ärzten aller Couleur habe. Ich möchte dabei aber verstanden wissen, dass fachärztliche Beratung eine der Aussichten, Auswege und Möglichkeiten ist, dass auch das Teil des sich-an-den-eigenen-Haaren-Ziehens ist: einen Arzt aufzusuchen ist kein Scheiternseingeständnis, sondern eine mündige, selbstbestimmte Entscheidung, jemandes Einschätzung und Unterstützung zu suchen, der dafür qualifiziert ist. Ein mündiger, selbstbestimmter Mensch kann diese Ärztin immer noch furchtbar finden und aus der Praxis stürmen, oder sich von diesem fehlbaren Menschen da erzählen lassen, dass man am besten erstmal mit einem selektischen Serotonin-Nordrenalin-Wiederaufnahmehemmer und einer Gesprächstherapie beginnt und dann schaut, ob das was besser macht. Es gibt leider keine Patentrezepte, es gibt manchmal sogar eine gewisse Schicksalsabhängigkeit; aber man muss sich nicht dazu zwingen, früh um sieben aufzuwachen, um mit einer Depression zu verfahren. Man darf auch Hilfe suchen, die einem qualifiziertermaßen sagen kann, dass das Quatsch ist.

    Geändert von Mordechaj (06.11.2018 um 02:24 Uhr)

  9. #9
    Nachdem ich Mordechajs Symptomliste gelesen habe: muss ich mir jetzt eigentlich Sorgen machen?

    Zwar liegt mir nichts ferner als Selbstmordgedanken, aber...

    Zitat Zitat
    Andauernde Traurigkeit, Unruhe, oder ein Gefühl der "Leere"
    Check.
    Zitat Zitat
    Gefühle der Hoffnungs- und Ausweglosigkeit, starke pessimistische Tendenzen
    Check. (Ist aber begründet. Bei 100 Bewerbungen ohne eine einziges Vorstellungsgespräch. Und vom Jobcenter einen wütenden. Sachbearbeiter, der sich wünscht, dass ich für den Rest meines Lebens Fenster putze und Mülltonnen ausleere...)
    Zitat Zitat
    deutlich erhöhte Reizbarkeit
    Check.
    Zitat Zitat
    Gefühle von Schuld und Hilflosigkeit, Überzeugung der eigenen Wertlosigkeit
    Ja, wenn ich ehrlich bin: Check.
    Zitat Zitat
    abrupter Verlust der Freude an Hobbys bzw. abruptes Desinteresse für z.B. aktive Freizeitbeschäftigung
    Teilweise.
    Zitat Zitat
    deutlich schnellere Erschöpfung, übermäßige Müdigkeit
    Teilweise.
    Zitat Zitat
    Verlangsamung von Bewegung und Sprache
    Check.
    Zitat Zitat
    Gefühl der Ruhelosigkeit, Probleme Entspannung zu finden oder gar still zu sitzen
    Nein.
    Zitat Zitat
    Konzentrations-, Erinnerungs- und Entscheidungsschwierigkeiten
    Check.
    Zitat Zitat
    Schlafprobleme, Verlust des Schlafrhythmus
    Check. (Ich schlafe momentan nur noch mit Licht ein.)
    Zitat Zitat
    deutliche Veränderungen im Essverhalten, Appetitlosigkeit / gesteigerter Appetit, deutliche Gewichtsschwankungen
    Check. +/- 15 kg
    Zitat Zitat
    Selbstmordgedanken, Selbstmordversuche
    Nein.
    Zitat Zitat
    Verspannungen, Schmerzen, Kopfweh, Krämpfe, Verdauungsprobleme o.ä., die keine erkennbare physische Ursache haben und/oder nicht auf konventionelle Behandlung ansprechen
    Check.

    Ich frage mich, was mit mir los ist. Ich bin immer noch kommunikativ. Aber anscheinend ist es wohl so, dass derjenige, der eine Depression hat, es selbst nicht merkt. Das macht mir grade ehrlich Angst.

    Geändert von Cuzco (07.11.2018 um 10:10 Uhr)

  10. #10
    Wie gesagt, eine Selbstdiagnose zu treffen, kann ganz schnell ausarten, da dort ein wenig dieses "Horoskop-Feeling" aufkommt: Man kann sich plötzlich mit jeder Aussage identifizieren. Wenn du das aber wirklich extrem bei dir beobachtest und ganz ehrliche Sorgen hast, dann solltest du vielleicht einen Facharzt aufsuchen.

  11. #11
    Zitat Zitat von poetBLUE Beitrag anzeigen
    Wie gesagt, eine Selbstdiagnose zu treffen, kann ganz schnell ausarten, da dort ein wenig dieses "Horoskop-Feeling" aufkommt: Man kann sich plötzlich mit jeder Aussage identifizieren. Wenn du das aber wirklich extrem bei dir beobachtest und ganz ehrliche Sorgen hast, dann solltest du vielleicht einen Facharzt aufsuchen.
    This. Wenn man wirklich Sorgen hat, dass man eine Krankheit hat - ganz gleich welche - hilft letztlich nur der Gang zum Arzt, denn sonst mach man sich nur selbst verrückt mit "Aber was wenn" (jeder, der gerne seine Symptome googlet, kennt das *hust*). Und selbst wenn da eine Depression oder eine depressive Verstimmung diagnostiziert wird, dann ist das nichts schlimmes: Das Kind hat jetzt einfach einen Namen, bei dem man es nennen und mit dem man arbeiten kann.

    Wie diese Arbeit damit dann aussieht - Gruppentherapie, Gesprächstherapie, gar keine Therapie sondern vielleicht auch bloß bestimmte Übungen, Medikation j/n - kommt immer drauf an.

  12. #12
    Man hat mir Jahrelang eingeredet ich hätte Depressionen, selbst mein Hausarzt war davon überzeugt.
    Es war halt die schnelle und einfache Diagnose von den Leuten um mich herum.
    Erst als ich mich traute eine weitere Therapeutin zu Rate zu ziehen kam der eigentlich Grund zum Vorschein.
    Und der hat nichts mit Depressionen zu tun, obwohl die meisten Punkte von der Checkliste auch auf mich zu trafen.

    Ich kann jeden nur raten zu jemanden zu gehe und um Hilfe zu bitten. Manchmal sind es nur kleine Dinge die großes bewirken oder zerstören können.

  13. #13
    @Cuzco: Arbeitslosigkeit fühlt sich sehr oft per se schon wie eine verordnete Depression an. Und nein, du solltest dir keine Sorgen machen, weil diese Symptome vielleicht auf eine Depression hindeuten. Ob's eine ist oder nicht, ist im Prinzip völlig irrelevant, man braucht das Wort nur, um die Diagnose eine Krankheitsphänomens zu kommunizieren. Sorgen solltest du dir hingegen machen, wenn du all diese Symptome (a) für längere Zeit (zwei-Wochen-Rahmen) und (b) in einer Schwere erlebst, die sich negativ auf deine Lebensqualität und deinen Alltag auswirken. Dann ist es egal, welchen Namen man dem Ganzen gibt: Bitte lass dich fachärztlich beraten und lass dir helfen, diese Phase glimpflich zu überstehen.

    Von einer depressiven Störung würde man vermutlich erst sprechen, wenn sich das Leiden verselbstständigt; es also überhaupt nicht von deiner derzeitigen Situation abhängt, dass es dir eher schlecht geht. Wie gesagt: Arbeitslosigkeit fühlt sich sehr oft per se schon wie eine verordnete Depression an. Das bedeutet einerseits, dass du solche Symptome nicht überbewerten solltest -- siehe meine Vorredner -- und sie unter Umständen sogar verpuffen, sobald sich deine Situation verbessert hat; andererseits heißt das nicht, dass das irgendwie ein weniger ernstzunehmendes Leiden sei.


    Und noch ein letztes klarstellendes Wort zu deinem letzten Absatz: Depressive wissen in der Regel schon sehr gut, dass mit ihnen (sorry für die Ausdrucksweise) "etwas nicht stimmt". Sie nehmen die Beeinträchtigung ihres Alltags und ihrer Lebensqualität aber oftmals und sehr schnell als selbstverursacht und als persönlichen Makel wahr, den man vor der Außenwelt verbergen muss, um nicht als unfähiges Wrack oder zerbrechliche Mimose entlarvt zu werden. Das Krankhafte an Depressionen sind nicht die Gemütszustände per se und auch nicht die gesundheitsschädlichen Auswirkungen per se, sondern die Verselbstständigung des Leidens. Viele undiagnostizierte Depressive würden zwar nicht sagen "Ich habe Depressionen"; aber sie würden sich einreden, dass sie zu schwach/dumm/unfähig seine, ihr Leben auf die Reihe zu kriegen, mit dem Alltag umzugehen etc. Weil sie ein verselbstständigtes Leid als ihren Makel wahrnehmen.

    Ob irgendwas davon auf dich zutrifft oder nicht, das will ich auch nochmal bekräftigen, kann dir am besten eine Ärztin oder ein Arzt sagen. Ein/e PsychologIn kann dir auch dann weiterhelfen und Wege aufzeigen, wenn es dir halt "bloß" mit deiner momentanen Situation -- verständlicherweise -- nicht sonderlich gut geht.

  14. #14
    Mordechaj sagt es eigentlich ganz gut. Sogar für Fachärzte sind Diagnosen von psychischen Krankheiten nicht einfach, egal wie viel Berufserfahrung die haben. Da kann man nur erahnen, wie falsch man manchmal selber liegen kann.
    Sich bei einem Facharzt Hilfe zu suchen ist der erste große Schritt, er ist schwierig und vielleicht klappt es nicht beim ersten Anlauf, aber es ist wirklich der erste Schritt um zu schauen, was für Möglichkeiten man hat.

  15. #15
    Danke, das ist lieb von Euch. Ich wollte evtl. zu einem Psychotherapeuten schauen - wobei ich doch sehr hoffe, dass es mir wieder besser geht, wenn es bergauf gehen sollte. Hausarzt kann zu meinem Zustand gar nix sagen - alle anderen Ärzte haben Wartezeiten von vier bis sechs Monaten. An meiner Situation bin ich jedoch wohl selbst schuld. Ich meine, was mach ich auch so etwas exotisches... Das Problem: Vor 15-20 Jahren waren solche Leute wie ich tatsächlich händeringend gesucht. Aber ich hab den Anschluss verpasst, weil ich einfach - wie bei allem - zu spät komme. Ich hatte vor Jahren auch die herbe Enttäuschung als ich mich umschulen wollte und dann nach zwei Jahren Ausbildung rausgeworfen wurde mit dem Tenor "Du passt hier nicht rein!". Genau so etwas ähnliches mach ich jetzt auch wieder durch, wobei ich in meinem neuen Leben in NRW sehr viel Wertschätzung für mein Tun erfahren durfte. Umso härter erwischt mich nun die Realität des mittlerweile menschenverachtenden Arbeitsmarktes.

    Eine Bekannte ist Personalerin: Sie hat mir das so erklärt. Heutzutage bewerben sich die Leute auf viel zu viele Stellen. Viele Menschen, auch wenn sie keine Qualifikation haben, dafür aber super Lebensläufe, bewerben sich als Quereinsteiger und machen sich interessanter. Mir hingegen ist noch nie etwas wirklich zugeflogen - alles was ich erreicht habe, ging immer nur durch harte Arbeit und hohen finanziellen Einsatz meinerseits. Auf jeden Fall sind es immer die, denen alles zufliegt, die auch hier glänzen. Auch wenn diese Menschen weder ein Mischpult bedienen, noch Noten lesen können - bei mir wird immer schon der extravagante Lebenslauf ein Hindernis darstellen. Ich kann zwar fachlich sehr viel, aber wenn man sich bewirbt, dann sind das eh nur 10% der Stellen in dem kreativen Bereich, die überhaupt ausgeschrieben werden. Ergo: 2000+ Bewerbungen auf eine solche Stelle (davon 9 von 10 von Quereinsteigern). Daher werden erst einmal Bewerbungen sortiert und dabei landet meine Bewerbung immer im Papierkorb wenn - O-Ton meine Bekannte - der Personaler nicht vollkommen bekloppt sei. Und dass obwohl ich eine tolle extravagante Aufmachung und auf die Stellenanzeige geschneiderte Anschreiben ausfertige.

    In NRW wurde mir das wenigstens ehrlich kommuniziert. In Bayern kriegt man hingegen so etwas bestenfalls hintenrum mit böswilligen Unterstellungen mit, da die dortige Bevölkerung alles in Schubladen steckt. Zum Beispiel "Musiker OHNE absolutes Gehör - geht doch gar nicht!" oder "Du bist seltsam, weil Du selbst kreative Dinge machst". Auch die Sache mit den Videospielen ist so. In Nürnberg wird man schief angeschaut wenn man mit der Switch rumläuft. Man wird gleich als sonderbarer Nerd abgehandelt. Super Mario, Zelda - oh meine Güte was für ein Kind. Das kriegt man von Leuten zu hören, die Pokemon Go gespielt haben als es noch cool war. Das habe ich nie angerührt, weil ich das sogar richtig peinlich finde.
    In Regensburg wurde ich mal wegen meines angeblich leicht südländischen Aussehens nicht in eine Diskothek hineingelassen. Außerdem laufen in Bayern alle Leute sehr gestylt rum - Undercut und teuere Klamotten sind in Regensburg Pflicht - nicht nur bei BWL-Studenten. In Würzburg ist man hingegen sehr hipster - Leute tragen Jutebeutel und Hornbrillen, auch wenn sie gar keine brauchen. Jedes zweite Lokal ist komplett vegan.
    In NRW ist es mir bisher noch nie so ergangen. Hier sehen die Leute recht "normal" aus - mit Ausnahme natürlich Düsseldorf. Man kann sogar seine Switch offen in der S-Bahn oder im RE mitnehmen - mit dem Ergebnis, dass man in zwei von drei Fällen sogar jemanden findet, dem man den anderen Joycon in die Hand drücken kann.

    Jetzt weiß ich zumindest woran es hakt: Ich soll den "verdeckten" Stellenmarkt verstärkt ins Visier nehmen. "Verdeckter" Stellenmarkt ist ein Euphemismus für "Vitamin B" sowie "informeller Rechtsweg" für "Erpressung". Leider ist genau das das Problem. Ich habe zwar ziemlich viele coole Leute kennengelernt, aber kaum jemand, der mir etwas "bringt" - vielleicht frühestens in 10 Jahren. Und die Hochschule ist eher ein hermetisch abgeriegelter Bereich für Spinner, die zwar allesamt richtig was drauf haben, aber es außerhalb wohl nicht zeigen können.

    EDIT: Ach ja. Ich merke zusehends: Ich werde reizbarer und fühle mich bei Kleinigkeiten schon gestört. Wenn jemand schmatzt, wenn ich angerempelt werde reagiere ich mittlerweile aggressiver und fluche jetzt beim Autofahren wie ein schottischer Werftarbeiter. Das habe ich alles vorher nicht gemacht.

    Geändert von Cuzco (08.11.2018 um 10:23 Uhr)

  16. #16
    @ Cuzco: Ich wünsche dir alles Gute und hoffe, dass du deinen Weg machst. Jedoch tanzt dein Beitrag sehr aus der Reihe. Wir sollten dringend beim Thema bleiben und uns nicht in Tendenzen zum Smalltalk verlieren. Stylingaccessoires wie Jutebeutel und Hornbrillen, vegane Restaurants, Arbeitsmarktsituationen in diversen Bundesländern, Bewerbungsmöglichkeiten, Diskobesuche... all das soll hier nicht Thema sein, da ich nicht möchte, dass das Topic zu weit vom eigentlichen Thema abschweift und wir uns am Ende in einer Situation vorfinden, in der dieser Thread von Personen genutzt wird, die hier über das erstbeste reden, was ihnen so in den Sinn kommt. Das wird dem Thema nicht gerecht! Ich danke dir für dein Verständnis.

  17. #17
    Scheiße! Das war keine Absicht! Ich mach einfach immer alles falsch!

  18. #18
    @Cuzco: Ken meinte das ganz sicher nicht tadelnd. Wir haben die Unterhaltung ja unter anderem aufgrund deiner Bezugnahme zu deiner eigenen Situation weitergeführt, ganz fern lag es da nicht, dass du dich dazu nochmal äußerst. Wenn du meinst, dir könnten Input und Ratschläge zu dem oben Geschilderten helfen, dann könntest du deinen Beitrag zum Beispiel in den Kummerkasten kopieren oder einen eigenen Thread hier in der Lounge eröffnen (das haben andere vor dir auch schon gemacht), wo du dein Problem nochmal ähnlich umfassend schilderst und vielleicht kurz angibst, in welcher Form du dir Hilfe/Ratschläge wünschst bzw. was dich besonders beschäftigt etc. Ken hat Recht, dass das diesen Thread etwas aus der Bahn wirft, wenn er für persönliche Angelegenheiten genutzt wird. Das sollte dich aber nicht davon abhalten, das Gespräch mit den Forennutzern zu suchen -- nur ist das an anderer Stelle besser aufgehoben, auch weil man sich deiner Situation dort eingehender und unabhängig von den eher allgemeinen Fragen dieses Threads widmen kann. Sieh das bitte als Ermunterung an, ich bin mir sehr sicher, dass dir viele hier mit Rat und Denkanstößen zur Seite können und wollen; oder auch "nur" mit Ermutigungen und Anteilnahme (was manchmal viel zählt). Die Gesprächsverläufe in unserem Kummerkasten sind dafür immer noch ein guter Beweis.

  19. #19
    Zitat Zitat von Cuzco Beitrag anzeigen
    Scheiße! Das war keine Absicht! Ich mach einfach immer alles falsch!
    Zitat Zitat von Mordechaj Beitrag anzeigen
    @Cuzco: Ken meinte das ganz sicher nicht tadelnd.
    Ich möchte Mordechais Antwort hier noch einmal hervorheben, denn es ist genau so wie er sagt. Hinzuzufügen ist folgendes: Du solltest dich wegen meines Kommentares hier jetzt auf gar keinen Fall aus dem Thread vertrieben fühlen. Der eigentlich interessante Aspekt deiner Kommentare hier ist nämlich die Frage inwieweit deine Lebenssituation an deiner momentanen Stimmung schuld ist. Vielleicht geht es dir ja besser, sobald sich die Situation bessert. Bei einer tatsächlichen Depression wäre dies ja wahrscheinlich nicht mehr so ohne weiteres möglich. Vermutlich wird eine Depression ja durch eine schlechte Lebenssituation (zb Tod eines nahen Angehörigen) hervorgerufen und über längere Zeit während des schlechten Lebensabschnittes entwickelt, aber geht von allein nicht mehr weg, wenn die Sonne wieder scheint. Oder doch?

  20. #20
    Etwas komplexer ist es schon. Depressionen können durch traumatische Ereignisse o.ä. hervorgerufen werden - und klar, natürlich auch durch widrige Lebensumstände - können aber auch eine biologische Ursache haben. Vor allem aber können sich auch depressive Verstimmungen auch zu Depressionen auswachsen.

    Grundsätzlich halte ich persönlich es für eine gute Idee, dass man, wenn man weiß, dass die eigene Lebensweise gerade sehr suboptimal ist, da ansetzt (sofern möglich) und schaut, ob es besser wird. Manche Leute raten auch dazu, im Kalender täglich zu vermerken, wie es einem geht, um so zu schauen, ob sich da Trends ergeben, aber ich bin da skeptisch, da man dafür ja doch selbst auch einschätzen können muss, wie denn so der Gemütszustand ist. Unruheattacken bekommt man manchmal mit Achtsamkeitstraining in den Griff (ist aber vllt. auch nicht für jeden was und erfordert vor allem auch eine gewisse Disziplin, da das am Anfang erstaunlich schwierig ist).

    Wie gesagt, im Zweifel schadet es bestimmt nicht, mal zum Arzt zu gehen, gerade, wenn man den Eindruck hat, sich selbst nicht helfen zu können oder wenn man die Ursache wo vermutet, wo man selbst keine oder nur schwer Handhabe hat. Ich kenne leider auch Fälle, die über sowas dann psychosomatische Probleme bekommen haben und in die Arbeitsunfähigkeit abgerutscht sind, und da wieder rauszukommen stelle ich mir noch einmal schwieriger vor. Ich will damit nicht den Teufel an die Wand malen, bloß sagen, dass man bei Verdacht, dass da was im Argen liegen könnte, das ruhig abklären kann bzw. sollte. Wenn ich glaube, dass ich mir was gebrochen habe oder mich mit was fiesem angesteckt habe, gehe ich ja auch zum Arzt, wenn ich merke, dass die Hausapotheke da überfordert sein könnte. Bei psychischen Erkrankungen sollte man da imho die Messlatte nicht plötzlich höher legen - klar hat nicht jeder sofort eine Depression, und klar gibt es Leute, die mit dem Begriff um sich werfen, wenn es definitiv nicht angebracht ist, aber das heißt ja nicht, dass man's nicht abklären lassen kann, wenn man sich tatsächlich Sorgen macht.

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