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Thema: Eine Unterscheidung treffen

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  1. #1
    @Cuzco: Arbeitslosigkeit fühlt sich sehr oft per se schon wie eine verordnete Depression an. Und nein, du solltest dir keine Sorgen machen, weil diese Symptome vielleicht auf eine Depression hindeuten. Ob's eine ist oder nicht, ist im Prinzip völlig irrelevant, man braucht das Wort nur, um die Diagnose eine Krankheitsphänomens zu kommunizieren. Sorgen solltest du dir hingegen machen, wenn du all diese Symptome (a) für längere Zeit (zwei-Wochen-Rahmen) und (b) in einer Schwere erlebst, die sich negativ auf deine Lebensqualität und deinen Alltag auswirken. Dann ist es egal, welchen Namen man dem Ganzen gibt: Bitte lass dich fachärztlich beraten und lass dir helfen, diese Phase glimpflich zu überstehen.

    Von einer depressiven Störung würde man vermutlich erst sprechen, wenn sich das Leiden verselbstständigt; es also überhaupt nicht von deiner derzeitigen Situation abhängt, dass es dir eher schlecht geht. Wie gesagt: Arbeitslosigkeit fühlt sich sehr oft per se schon wie eine verordnete Depression an. Das bedeutet einerseits, dass du solche Symptome nicht überbewerten solltest -- siehe meine Vorredner -- und sie unter Umständen sogar verpuffen, sobald sich deine Situation verbessert hat; andererseits heißt das nicht, dass das irgendwie ein weniger ernstzunehmendes Leiden sei.


    Und noch ein letztes klarstellendes Wort zu deinem letzten Absatz: Depressive wissen in der Regel schon sehr gut, dass mit ihnen (sorry für die Ausdrucksweise) "etwas nicht stimmt". Sie nehmen die Beeinträchtigung ihres Alltags und ihrer Lebensqualität aber oftmals und sehr schnell als selbstverursacht und als persönlichen Makel wahr, den man vor der Außenwelt verbergen muss, um nicht als unfähiges Wrack oder zerbrechliche Mimose entlarvt zu werden. Das Krankhafte an Depressionen sind nicht die Gemütszustände per se und auch nicht die gesundheitsschädlichen Auswirkungen per se, sondern die Verselbstständigung des Leidens. Viele undiagnostizierte Depressive würden zwar nicht sagen "Ich habe Depressionen"; aber sie würden sich einreden, dass sie zu schwach/dumm/unfähig seine, ihr Leben auf die Reihe zu kriegen, mit dem Alltag umzugehen etc. Weil sie ein verselbstständigtes Leid als ihren Makel wahrnehmen.

    Ob irgendwas davon auf dich zutrifft oder nicht, das will ich auch nochmal bekräftigen, kann dir am besten eine Ärztin oder ein Arzt sagen. Ein/e PsychologIn kann dir auch dann weiterhelfen und Wege aufzeigen, wenn es dir halt "bloß" mit deiner momentanen Situation -- verständlicherweise -- nicht sonderlich gut geht.

  2. #2
    Mordechaj sagt es eigentlich ganz gut. Sogar für Fachärzte sind Diagnosen von psychischen Krankheiten nicht einfach, egal wie viel Berufserfahrung die haben. Da kann man nur erahnen, wie falsch man manchmal selber liegen kann.
    Sich bei einem Facharzt Hilfe zu suchen ist der erste große Schritt, er ist schwierig und vielleicht klappt es nicht beim ersten Anlauf, aber es ist wirklich der erste Schritt um zu schauen, was für Möglichkeiten man hat.

  3. #3
    Danke, das ist lieb von Euch. Ich wollte evtl. zu einem Psychotherapeuten schauen - wobei ich doch sehr hoffe, dass es mir wieder besser geht, wenn es bergauf gehen sollte. Hausarzt kann zu meinem Zustand gar nix sagen - alle anderen Ärzte haben Wartezeiten von vier bis sechs Monaten. An meiner Situation bin ich jedoch wohl selbst schuld. Ich meine, was mach ich auch so etwas exotisches... Das Problem: Vor 15-20 Jahren waren solche Leute wie ich tatsächlich händeringend gesucht. Aber ich hab den Anschluss verpasst, weil ich einfach - wie bei allem - zu spät komme. Ich hatte vor Jahren auch die herbe Enttäuschung als ich mich umschulen wollte und dann nach zwei Jahren Ausbildung rausgeworfen wurde mit dem Tenor "Du passt hier nicht rein!". Genau so etwas ähnliches mach ich jetzt auch wieder durch, wobei ich in meinem neuen Leben in NRW sehr viel Wertschätzung für mein Tun erfahren durfte. Umso härter erwischt mich nun die Realität des mittlerweile menschenverachtenden Arbeitsmarktes.

    Eine Bekannte ist Personalerin: Sie hat mir das so erklärt. Heutzutage bewerben sich die Leute auf viel zu viele Stellen. Viele Menschen, auch wenn sie keine Qualifikation haben, dafür aber super Lebensläufe, bewerben sich als Quereinsteiger und machen sich interessanter. Mir hingegen ist noch nie etwas wirklich zugeflogen - alles was ich erreicht habe, ging immer nur durch harte Arbeit und hohen finanziellen Einsatz meinerseits. Auf jeden Fall sind es immer die, denen alles zufliegt, die auch hier glänzen. Auch wenn diese Menschen weder ein Mischpult bedienen, noch Noten lesen können - bei mir wird immer schon der extravagante Lebenslauf ein Hindernis darstellen. Ich kann zwar fachlich sehr viel, aber wenn man sich bewirbt, dann sind das eh nur 10% der Stellen in dem kreativen Bereich, die überhaupt ausgeschrieben werden. Ergo: 2000+ Bewerbungen auf eine solche Stelle (davon 9 von 10 von Quereinsteigern). Daher werden erst einmal Bewerbungen sortiert und dabei landet meine Bewerbung immer im Papierkorb wenn - O-Ton meine Bekannte - der Personaler nicht vollkommen bekloppt sei. Und dass obwohl ich eine tolle extravagante Aufmachung und auf die Stellenanzeige geschneiderte Anschreiben ausfertige.

    In NRW wurde mir das wenigstens ehrlich kommuniziert. In Bayern kriegt man hingegen so etwas bestenfalls hintenrum mit böswilligen Unterstellungen mit, da die dortige Bevölkerung alles in Schubladen steckt. Zum Beispiel "Musiker OHNE absolutes Gehör - geht doch gar nicht!" oder "Du bist seltsam, weil Du selbst kreative Dinge machst". Auch die Sache mit den Videospielen ist so. In Nürnberg wird man schief angeschaut wenn man mit der Switch rumläuft. Man wird gleich als sonderbarer Nerd abgehandelt. Super Mario, Zelda - oh meine Güte was für ein Kind. Das kriegt man von Leuten zu hören, die Pokemon Go gespielt haben als es noch cool war. Das habe ich nie angerührt, weil ich das sogar richtig peinlich finde.
    In Regensburg wurde ich mal wegen meines angeblich leicht südländischen Aussehens nicht in eine Diskothek hineingelassen. Außerdem laufen in Bayern alle Leute sehr gestylt rum - Undercut und teuere Klamotten sind in Regensburg Pflicht - nicht nur bei BWL-Studenten. In Würzburg ist man hingegen sehr hipster - Leute tragen Jutebeutel und Hornbrillen, auch wenn sie gar keine brauchen. Jedes zweite Lokal ist komplett vegan.
    In NRW ist es mir bisher noch nie so ergangen. Hier sehen die Leute recht "normal" aus - mit Ausnahme natürlich Düsseldorf. Man kann sogar seine Switch offen in der S-Bahn oder im RE mitnehmen - mit dem Ergebnis, dass man in zwei von drei Fällen sogar jemanden findet, dem man den anderen Joycon in die Hand drücken kann.

    Jetzt weiß ich zumindest woran es hakt: Ich soll den "verdeckten" Stellenmarkt verstärkt ins Visier nehmen. "Verdeckter" Stellenmarkt ist ein Euphemismus für "Vitamin B" sowie "informeller Rechtsweg" für "Erpressung". Leider ist genau das das Problem. Ich habe zwar ziemlich viele coole Leute kennengelernt, aber kaum jemand, der mir etwas "bringt" - vielleicht frühestens in 10 Jahren. Und die Hochschule ist eher ein hermetisch abgeriegelter Bereich für Spinner, die zwar allesamt richtig was drauf haben, aber es außerhalb wohl nicht zeigen können.

    EDIT: Ach ja. Ich merke zusehends: Ich werde reizbarer und fühle mich bei Kleinigkeiten schon gestört. Wenn jemand schmatzt, wenn ich angerempelt werde reagiere ich mittlerweile aggressiver und fluche jetzt beim Autofahren wie ein schottischer Werftarbeiter. Das habe ich alles vorher nicht gemacht.

    Geändert von Cuzco (08.11.2018 um 10:23 Uhr)

  4. #4
    @ Cuzco: Ich wünsche dir alles Gute und hoffe, dass du deinen Weg machst. Jedoch tanzt dein Beitrag sehr aus der Reihe. Wir sollten dringend beim Thema bleiben und uns nicht in Tendenzen zum Smalltalk verlieren. Stylingaccessoires wie Jutebeutel und Hornbrillen, vegane Restaurants, Arbeitsmarktsituationen in diversen Bundesländern, Bewerbungsmöglichkeiten, Diskobesuche... all das soll hier nicht Thema sein, da ich nicht möchte, dass das Topic zu weit vom eigentlichen Thema abschweift und wir uns am Ende in einer Situation vorfinden, in der dieser Thread von Personen genutzt wird, die hier über das erstbeste reden, was ihnen so in den Sinn kommt. Das wird dem Thema nicht gerecht! Ich danke dir für dein Verständnis.

  5. #5
    Scheiße! Das war keine Absicht! Ich mach einfach immer alles falsch!

  6. #6
    @Cuzco: Ken meinte das ganz sicher nicht tadelnd. Wir haben die Unterhaltung ja unter anderem aufgrund deiner Bezugnahme zu deiner eigenen Situation weitergeführt, ganz fern lag es da nicht, dass du dich dazu nochmal äußerst. Wenn du meinst, dir könnten Input und Ratschläge zu dem oben Geschilderten helfen, dann könntest du deinen Beitrag zum Beispiel in den Kummerkasten kopieren oder einen eigenen Thread hier in der Lounge eröffnen (das haben andere vor dir auch schon gemacht), wo du dein Problem nochmal ähnlich umfassend schilderst und vielleicht kurz angibst, in welcher Form du dir Hilfe/Ratschläge wünschst bzw. was dich besonders beschäftigt etc. Ken hat Recht, dass das diesen Thread etwas aus der Bahn wirft, wenn er für persönliche Angelegenheiten genutzt wird. Das sollte dich aber nicht davon abhalten, das Gespräch mit den Forennutzern zu suchen -- nur ist das an anderer Stelle besser aufgehoben, auch weil man sich deiner Situation dort eingehender und unabhängig von den eher allgemeinen Fragen dieses Threads widmen kann. Sieh das bitte als Ermunterung an, ich bin mir sehr sicher, dass dir viele hier mit Rat und Denkanstößen zur Seite können und wollen; oder auch "nur" mit Ermutigungen und Anteilnahme (was manchmal viel zählt). Die Gesprächsverläufe in unserem Kummerkasten sind dafür immer noch ein guter Beweis.

  7. #7
    Zitat Zitat von Cuzco Beitrag anzeigen
    Scheiße! Das war keine Absicht! Ich mach einfach immer alles falsch!
    Zitat Zitat von Mordechaj Beitrag anzeigen
    @Cuzco: Ken meinte das ganz sicher nicht tadelnd.
    Ich möchte Mordechais Antwort hier noch einmal hervorheben, denn es ist genau so wie er sagt. Hinzuzufügen ist folgendes: Du solltest dich wegen meines Kommentares hier jetzt auf gar keinen Fall aus dem Thread vertrieben fühlen. Der eigentlich interessante Aspekt deiner Kommentare hier ist nämlich die Frage inwieweit deine Lebenssituation an deiner momentanen Stimmung schuld ist. Vielleicht geht es dir ja besser, sobald sich die Situation bessert. Bei einer tatsächlichen Depression wäre dies ja wahrscheinlich nicht mehr so ohne weiteres möglich. Vermutlich wird eine Depression ja durch eine schlechte Lebenssituation (zb Tod eines nahen Angehörigen) hervorgerufen und über längere Zeit während des schlechten Lebensabschnittes entwickelt, aber geht von allein nicht mehr weg, wenn die Sonne wieder scheint. Oder doch?

  8. #8
    Etwas komplexer ist es schon. Depressionen können durch traumatische Ereignisse o.ä. hervorgerufen werden - und klar, natürlich auch durch widrige Lebensumstände - können aber auch eine biologische Ursache haben. Vor allem aber können sich auch depressive Verstimmungen auch zu Depressionen auswachsen.

    Grundsätzlich halte ich persönlich es für eine gute Idee, dass man, wenn man weiß, dass die eigene Lebensweise gerade sehr suboptimal ist, da ansetzt (sofern möglich) und schaut, ob es besser wird. Manche Leute raten auch dazu, im Kalender täglich zu vermerken, wie es einem geht, um so zu schauen, ob sich da Trends ergeben, aber ich bin da skeptisch, da man dafür ja doch selbst auch einschätzen können muss, wie denn so der Gemütszustand ist. Unruheattacken bekommt man manchmal mit Achtsamkeitstraining in den Griff (ist aber vllt. auch nicht für jeden was und erfordert vor allem auch eine gewisse Disziplin, da das am Anfang erstaunlich schwierig ist).

    Wie gesagt, im Zweifel schadet es bestimmt nicht, mal zum Arzt zu gehen, gerade, wenn man den Eindruck hat, sich selbst nicht helfen zu können oder wenn man die Ursache wo vermutet, wo man selbst keine oder nur schwer Handhabe hat. Ich kenne leider auch Fälle, die über sowas dann psychosomatische Probleme bekommen haben und in die Arbeitsunfähigkeit abgerutscht sind, und da wieder rauszukommen stelle ich mir noch einmal schwieriger vor. Ich will damit nicht den Teufel an die Wand malen, bloß sagen, dass man bei Verdacht, dass da was im Argen liegen könnte, das ruhig abklären kann bzw. sollte. Wenn ich glaube, dass ich mir was gebrochen habe oder mich mit was fiesem angesteckt habe, gehe ich ja auch zum Arzt, wenn ich merke, dass die Hausapotheke da überfordert sein könnte. Bei psychischen Erkrankungen sollte man da imho die Messlatte nicht plötzlich höher legen - klar hat nicht jeder sofort eine Depression, und klar gibt es Leute, die mit dem Begriff um sich werfen, wenn es definitiv nicht angebracht ist, aber das heißt ja nicht, dass man's nicht abklären lassen kann, wenn man sich tatsächlich Sorgen macht.

  9. #9
    Like Minds auf BBC ist übrigens ein sehr potenter Einblick in die Gefühls- und Denkwelten von Menschen, die mit (teilweise schwersten) psychischen Problemen zu kämpfen haben. Die erste Episode beschäftigt sich damit, wie man Menschen mit einer psychischen Erkrankung begegnet und wie man es besser nicht tun sollte. Durchaus ne Triggerwarnung: Ab Episode 2 können Betroffene durch die teilweise sehr zutreffenden Beschreibungen von schlimmen Gefühlszuständen zurückgeworfen oder getriggert werden. Das folgende Video dürfte aber unbelastend sein.


  10. #10
    Sorry nochmal. Momentan läuft es alles andere als glatt. Daher habe ich auch etwas überreagiert.

    Ich scheine aber doch nicht depressiv zu sein. Ich neige wohl immer zum Melancholismus und momentan läuft halt alles wirklich nicht so gut. Ich hoffe halt mal, dass es demnächst besser wird - es kann ja nicht immer so bleiben. Auf alle Fälle muss ich in meinen Bereich Beziehungen und Kontakte knüpfen. Normal bewerben ist tatsächlich der falsche Weg. Viele Unternehmen haben eben so Firmen die IQ-Tests machen oder eben Software, die Bewerbungen automatisch aussortiert. Das wurde mir jetzt auch von einer anderen Firma noch mal bestätigt. Es bewerben sich einfach zu viele - zwar die meisten überhaupt nicht qualifiziert, aber mein Lebenslauf würde eben auch gefiltert, da "freiberuflich" einer der Parameter ist, die sofort aussortiert werden. Jobcenter werde ich auch erst einmal meiden - zur Not gehe ich containern. Wird eh viel zu viel weggeworfen.
    Wegen meiner Gefühlslage - ich fühle mich tatsächlich wieder besser. Obwohl es nicht so gut läuft. Könnte aber schlimmer sein. Viel schlimmer. Sorry nochmal, dass ich damals nicht mehr darauf geantwortet habe. Habe den Thread aus den Augen verloren und vergessen wie er heißt "Eine Unterscheidung treffen". Is mir gar nicht so im Kopf geblieben.

  11. #11
    Zitat Zitat
    Ich scheine aber doch nicht depressiv zu sein.
    Ich hoffe, du warst beim Arzt?

  12. #12
    Zitat Zitat von La Cipolla
    Ich hoffe, du warst beim Arzt?
    Ne, leider noch nicht. Das geht erst im Februar. Der erste mögliche Termin.

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