Ich glaube bei einem Gang zu einem Psychologen geht es nicht nur um eine Diagnose - tatsächlich gibt es Studien, dass es Leuten nach einer Diagnose schwerer fällt sich auf eine Therapie überhaupt einzulassen, da das Stigma nicht unbedingt allen weiter hilft. Ich glaube bei einer Therapie bei einem Psychologen, Psychiater oder einem Psychotherapeuten geht es hauptsächlich darum Hilfestellung zu bieten, alles aus einer anderen Perspektive zu sehen. Du gehst ja nicht nur zum Arzt, weil du wissen willst, was du hast, du willst ja auch therapiert werden.
Jedenfalls ist es denke ich wichtig selbst auch bereit zu sein eine Therapie einzugehen. Natürlich ist es bei psychischen Erkrankungen absolut wichtig einen (Fach-)Arzt aufzusuchen, da will ich auch niemanden rein reden. Allerdings - und das habe ich schon häufig erlebt - sollte man sich nicht zu einer Therapie drängen lassen und auch niemanden in eine Therapie rein drängen, da dies der absolut falsche Weg ist.

Wie gesagt, klar ist es wichtig sich bei sowas Hilfe zu suchen, aber auch bei psychischen Erkrankungen gilt: Es gibt keine Patentlösung nach Schema A. Für den einen funktioniert eine Therapie super, für den anderen klappt es gar nicht. Eine Therapie ist ein schwieriger Schritt, man entdeckt eigene Abgründe und Grenzen, bei denen man nie wusste, dass es sie gibt. Und wenn man merkt "Ey, irgendwie ist mir das zu heavy, ich kann das aktuell nicht", dann sollte man da über eine Pause nach denken oder vielleicht eine andere Art der Therapie in Erwägung ziehen, wie zum Beispiel ein ambulanter Aufenthalt in einer Klinik oder ein betreutes Wohnen oder auch eine Selbsthilfegruppe. Ich habe viel von Leuten gehört, die ihre psychischen Probleme komplett nur mit Selbsthilfe in den Griff bekommen haben. Und wenn es für einen funktioniert, ist das toll. Ein erster Gang zum Arzt sollte trotzdem auf der Agenda stehen. Auch wenn das super schwer ist - es gibt ja einige Leute, die haben kaum Kraft morgens aufzustehen, wie sollen die dann ein Gang zum Psychologen schaffen, vor allem wenn man oft sowieso wie ein Hypochonder behandelt wird - ist es dennoch wichtig. Wenn man da was bei Angehörigen mit bekommt, halte ich es auch wichtig diese bei einem ersten Gang zum Arzt zu unterstützen, vielleicht sogar zu begleiten. Eine Begleitperson beim Arzt dabei zu haben, kann so viele Wunder bewirken, einfach nur, weil noch jemand dabei ist, der für einen einsteht.

Das wichtigste bei einer Therapie ist jedenfalls selbst dafür bereit und offen zu sein. Du kannst so lange zur Therapie gehen, wie du willst, wenn du da nicht offen für bist, fruchtet das kaum bis gar nicht. Und es ist ja auch keine Schande, noch nicht bereit zu sein, das ist normaler Selbstschutz, da hat jeder sein eigenes Tempo. Einige Leute schaffen es erst mit Ü30 schlimme Traumata aus ihrer Kindheit zu behandeln.

Und ja, eine Diagnose in dem Bereich Psychologie/Psychiatrie ist unglaublich schwierig, selbst für Experten. Deshalb dauert das auch eine ganze Zeit, bis eine erste Diagnose steht. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das sich oft auf ein Jahr Therapie beläuft, einfach weil eine Depression auch nicht gleich Depression ist. Das äußert sich bei jedem etwas anders, auch wenn es gemeinsame Symptome gibt. Bei ganz schwierigen psychischen Problemen, die über eine "einfache" Depression hinaus gehen, werden oft auch andere Ärzte mit in die Diagnose hinein bezogen. Außerdem sollte man sich bei einer Diagnose aus dem psychischen Bereich auch niemals dran aufhängen. Man sollte niemals in den Gedankengang kommen "Oh, okay, ich habe eine Depression, das erklärt jetzt ALLE meine Verhaltensweisen." oder noch schlimmer, das Gefühl zu bekommen, man müsse sich jetzt so verhalten (Ja, das habe ich bei Bekannten schon erlebt.). Eine Diagnose soll auch lediglich eine Hilfestellung sein und dir zeigen "Okay, die und die Therapien gibt es, das kann ich ausprobieren" und dir vielleicht auch helfen Gewissheit und Klarheit zu haben und sich selbst mehr zu akzeptieren.

Noch eine wichtige Sache ist, den richtigen Therapeuten zu finden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich nicht mit jedem Therapeuten auf einer Wellenlänge bin und mich dementsprechend nicht auf jeden einlassen kann. Und da ist es auch keine Schande, den Therapeuten zu wechseln, dass kann man beim aktuellen Therapeuten immer ansprechen. Ja, Wartezeiten bei solchen Fachärzten sind sehr, sehr lang. Und das kann sehr frustrierend sein. Aber davon sollte man sich nicht unterkriegen lassen. Mir hat das im Gegenteil sogar geholfen, weil ich dachte "Okay, der Termin ist eh erst in einem halben Jahr, da brauche ich keine Angst vor haben." und da war ich dann auch offener und entspannter dem gegenüber.
Wenn man dennoch das Gefühl hat, man kann nicht mehr, es geht alleine nicht mehr, man braucht JETZT Hilfe, kann man sich immer bei jeder Praxis melden wegen einem akuten Zustand und dann bekommt man in den allermeisten Fällen einen Notfall Termin. Und wenn das nicht angeboten wird, erkennt man meist, dass das keine so gute Praxis ist.

Sooo, viel geschrieben, vieles was auch nicht unmittelbar zur Fragestellung passt, aber ich hoffe es hilft und regt zum Denken an.