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Thema: [Fanfiction] - Die Schatten der Dämmerung

Hybrid-Darstellung

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  1. #1
    Kapitel 5 - Der Durchbruch

    Edvin saß am Esstisch seines Hauses und presste beide Hände fest gegen seinen dröhnenden Schädel. Nur mit großer Mühe hatte er es geschafft sich aufzuraffen und vor Schwindel taumelnd, den Weg zu einem Stuhl zu finden, nachdem er von seinem eigenen Sohn niedergeschlagen worden war. Doch war es wirklich sein Sohn? Nein! Niemals wäre sein weinerlicher und schwächlicher Spross dazu imstande gewesen. Es musste einer der Männer gewesen sein, die ihn begleitet hatten. Aber wer waren sie und wohin waren sein Sohn und seine Frau verschwunden? Als die Vier ihm unbekannten Männer hinter Thavir an der Tür standen, hatte er sie kaum beachtet und seine gesamte Aufmerksamkeit seinem verhassten Sohn gewidmet. Edvin hatte seinen Jungen nicht immer gehasst, doch die Erinnerung an fröhlichere Zeiten war längst aus seinem Gedächtnis gewichen. Während er dasaß und erfolglos versuchte, sich die jüngsten Ereignisse zu erklären, wanderte sein Blick durch das menschenleere Haus. Der Tisch sowie der alte, teilweise aufgequollene Holzboden der Wohnstube waren übersäht mit leeren Bier- und Metkrügen. Vereinzelt zogen sich Risse durch das schlecht verputze Mauerwerk und die hölzerne Dachkonstruktion des Hauses und in der Schmiede, dessen Zugangstür weit offen stand, brannte keine Esse und weder Hammerschlag noch Besenstrich fanden einen Weg in sein Gehör. Im Geiste verfluchte Edvin die Götter. Vier Jahre nachdem sein Sohn das Licht der Welt erblickt hatte, fingen sie an auf ihn zu spucken. Sie ließen seine Frau erkranken und segneten seinen schmächtigen Sohn mit handwerklichen Fähigkeiten, die seine eigenen bereits nach ein paar Hammerschlägen bei weitem übertrafen. Um nicht ständig an diese Schmach erinnert zu werden, hatte er Thavir verboten seine Esse zu benutzen und ihn stattdessen putzen, kochen und Erz schleppen lassen. Er wußte, dass sie weit mehr hätten verdienen können, hätte er seinen Sohn schmieden lassen, doch die Scham hatte ihn immer davon abgehalten und anstatt von seinem Sohn zu lernen, ertrank er seine Unfähigkeit und seine Selbstzweifel lieber regelmäßig in Bier und Met. Nachdem Edvin es geschafft hatte, die kreisenen Gedanken in seinem Kopf grob zu ordenen, erhob er sich von seinem Platz und ging zielstrebig, aber immer noch trokelnd auf seinen besten Bekannten zu, einem Bierfass. Ohne auch nur daran zu denken ihn vorher auszuspülen, griff der Mann nach einem der vielen Krüge auf dem Tisch und befüllte ihn zitternd mit seinem goldenen Allheilmittel.

    "Das Tor ist durchbrochen! Wir werden angegriffen!" Vor Schreck zuckend erwachte Edvin und warf dabei seinen Bierkrug quer durch den Raum. Die Stimmen waren laut zu hören und nicht weit entfernt. Kurz darauf vernahm er ein Hornsignal, bei dessen Klang sich sein Magen zusammenzog. Ein langer dröhnender Ton, gefolgt von einer Reihe dicht aufeinander folgender Stöße. In Panik eilte er ans Fenster. Kampflärm und unverständliche Schreie hallten durch die Nacht. Als er auf die Straße blickte, bot sich ihm ein Bild des Grauens. Die Bürger rannten um ihr Leben, verfolgt von einer ganzen Horde brüllender und blutrünstiger Orks. Dutzende Leichen lagen auf der Straße und das karadonische Blut auf den Pflastersteinen schimmerte im Licht der Laternen. Edvin hatte Menschen, die in den oberen Stockwerken der endlos hohen Bauten Krildjes wohnten immer belächelt, weil sie schon beim Aufstieg zu ihrem Heim ins Schwitzen gerieten. Nun wünschte er sich nichts sehnlicher, als dort oben zu sein. Mitten in seinem Blickfeld trieb eine der grünhäutigen und in schwarze Tierfelle gekleideten Bestien ihre Axt tief in die Schulter eines Mannes. Der Bäcker, dem Edvin jeden Tag mehrmals begegnet war, stieß einen entsetzlichen Schrei aus und wurde kurz darauf von der Axt eines weiteren Orks enthauptet und zum schweigen gebracht. Um nicht vor Schreck laut aufzuschreien, presste er beide Hände vor den Mund. Jeden Tag hatte Edvin seine Familie mit Gewalt kontrolliert und gefügig gemacht, doch der Anblick von so viel Blut und Tod ließ ihn würgen und vor Angst zittern. Noch nie hatte er einen Durchbruch miterlebt und er kannte auch sonst niemanden, der das von sich behaupten konnte. Plötzlich dachte er an Frau und Kind. Zum ersten mal, seit er sich zurückerinnern konnte, fühlte er beim Gedanken an seine Familie keinen Anflug von Zorn. Sein Herz raste wild , wie bei einem seiner Wutausbrüche, doch fühlte er keine Wut. Es war etwas anderes. Tränen flossen über sein Gesicht, er schwitzte stark und war eingehüllt in ein kaltes Tuch der Hilflosigkeit. Ehe er ein Wort für dieses eigenartige Gefühl finden konnte, wurde seine Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen draußen gelenkt, als er ein junges Mädchen schreien hörte. "Nein, bitte nicht! Ich flehe dich an, bitte verschone meine Mami!" Fast an der selben Stelle, an der auch der kopflose Leichnam des Bäckers lag, hatte einer der Schwarzpelze eine verletzte Frau und ihr Kind in die Ecke getrieben. Die stark blutende Frau gab bloß noch ein Röcheln von sich, bevor sie vor den Augen ihrer kleinen Tochter in Zwei Teile gespalten wurde. Edvin schnürte es die Kehle zu, als der Ork sich böse grollend vor das Kind stellte und seine blutverschmierte Axt in die Höhe wuchtete, um das wehrlose Mädchen zu schlachten. Edvin fehlte die Zeit zum nachdenken. Rasendschnell packte er sich eines seiner verbogenen und schlecht geschliffenen Schwerter und stürmte, genauso wild brüllend wie die Orks, in die Nacht hinaus.

    Geändert von Gisulf91 (24.06.2018 um 22:11 Uhr)

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