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Thema: [Fanfiction] - Die Schatten der Dämmerung

Hybrid-Darstellung

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  1. #1
    Kapitel 4 - Wiedergeburt

    Es hatte eine gefühlte Ewigkeit gedauert, bis das Brennen in seiner Kehle und seinem Bauch nachließ, doch nachdem er den Schmerz tapfer überwunden hatte und Xaglosh endlich wieder ansprechbar gewesen war, lauschte Thavir mit überraschend feinem Gehör den tollkühnen und humorvollen Geschichten des greisen Zwerges. Die meisten dieser Erzählungen handelten von seinen Reisen, zu einer Zeit, als sein Bart noch nussbraun und sein Gesicht ohne Falten war. Thavir erfuhr, dass Xaglosh bereits über Dreihundert Sommer alt war und er früher mit den Drachenstiefeln zusammen gereist ist, auch wenn er selbst nie einer von ihnen war. Den Kern seiner Geschichten jedoch, bildeten stinkende Menschen, vornehmlich Drachenstiefel. So wie auch jene, die der graubärtige ihm erzählte, als Thavir ihn fragte, warum das Haus so überaus sauber war. "Ich mag es einfach nicht, wenn Dinge stinken, musst du wissen. Das war so damals: Vor etwa Zweihundert Jahren befand ich mich auf Reisen in den stark umkämpften Trennbergen und eine Gruppe thelonischer Soldaten hatte mich in die Enge getrieben und mir jeden Fluchtweg abgeschnitten. Dann tauchte plötzlich ein Drachenstiefel auf, der erste den ich je sah und richtete diese feigen ••••nsöhne einen nach dem anderen hin, nachdem er sie im Kampf besiegt hatte. Er rettete mir das Leben ohne eine Gegenleistung zu verlangen und eskortierte mich sicher zurück nach Krildje. Auf unserer gemeinsamen Reise hat er mich in seine Philosophie eingeweiht und mich vieles gelehrt, doch hatte diese Reise auch ihre Schattenseiten. Der Kerl hat gestunken, schlimmer als Elfenpisse und Orkscheiße zusammen! So manche Nacht mussten wir uns eng zusammengepfercht in irgendwelchen verdammten Löchern oder Büschen verstecken und stundenlang ausharren. Es war grauenvoll. Als wir es endlich geschafft hatten, habe ich sofort all meine Kräfte mobilisiert und dieses Badehaus hier erbaut, damit jeder dieser tapferen, mutigen und stinkenden Männer das heiße Bad bekommt, dass er nach Erfüllung seiner Pflicht verdient! Seitdem heiße ich die Drachenstiefel in meinem Haus willkommen und unterstütze sie so gut ich kann." Thavir konnte spüren wie seine Augen vor Bewunderung leuchteten. "Das war und ist sehr ehrenhaft von dir, Xaglosh. Die Götter sind bestimmt sehr stolz auf dich." Der Zwerg nickte leicht und hob erneut zu sprechen an. "Die Heldentat des Drachenstiefels war noch sehr viel ehrenhafter, Bursche. Er hat sein Leben für einen fremden riskiert und hielt es für selbstverständlich. Deshalb musste auch ich keine Sekunde zögern, als ich beschlossen habe, für den Rest meines Lebens den Drachenstiefeln zu helfen." Der kleine Thavir ließ diese Worte einige Zeit durch seinen Kopf kreisen, doch er wurde aus seinen Gedankengängen herausgerissen, als sich plötzlich die Tür zum Badezimmer öffnete. Xaglosh stand auf und befahl Thavir mit Zwei unauffälligen Handbewegungen, das Selbe zu tun sowie zu schweigen. Zuerst betrat Aaron den Raum. Dank seines, durch den Genuss des Alcandorblutes geschärften Geistes, fiel Thavir sofort auf, dass das eigendlich gar nicht sein konnte, denn während seines Bades hatte er keine weitere Tür im Badezimmer gesehen, durch die der Drachenstiefel ins Haus gekommen sein könnte. Einen Wimpernschlag später kamen noch Zwei Männer zur Tür hinein. Anhand seiner Kleidung konnte Thavir erkennen, dass einer der beiden Männer ein Geweihter des Alcandor war, denn er trug die gleichen langen, blauen Gewänder, die alle Diener des Kriegsgottes trugen. Der andere Mann trug ähnliche Kleidung, doch war die blaue Robe dieses Geistlichen mit kunstvollen, in weiß, schwarz und rot gehaltenen Mustern verziert. Es herrschte absolute Stille im Raum, als der Mann in der verzierten Robe erst Thavir und danach Xaglosh eine Zeit lang anblickte und mit klarer Stimme zu sprechen begann. "Sieht er bereits durch die Augen Alcandors?" Der greise Zwerg verbeugte sich tief und deutete mit dem Kopf auf die bauchige Flasche, die sich noch immer auf dem Tisch befand. "Ja, ehrwürdiger Drachenmeister!" "Gut. Dann wollen keine weitere Minute verschwenden, denn der Pfad des Alcandor ist lang und Aion sieht es nicht gern, wenn die wertvolle Zeit, welche die Zweigötter uns geschenkt haben ungenutzt vergeudet wird! Also, wo wohnst du, Knabe?"

    Thavir verstand gar nichts mehr. Ehe er den nächsten klaren Gedanken fassen konnte, befand er sich zusammen mit Aaron auf dem Rücken einer kräftigen Stute und ritt mit dem Drachenstiefel, Xaglosh und den beiden geistlichen in Richtung seines Elternhauses. Hatten die Drachenstiefel ihn bereits aufgenommen? Warum waren sie auf dem Weg nach Hause? Wie würde es nun weitergehen? Thavir's Gedanken überschlugen sich, bis er plötzlich Aarons Hand auf seiner Schulter spürte und nach hinten blickte. "Fürchte dich nicht, Thavir. Schon bald wird all dies einen Sinn für dich ergeben. Bis es soweit ist, ordne deine Gedanken und vertraue dem großen Drachen." Der verwirrte Junge versuchte sich zu entspannen und konzentrierte sich auf seine Atmung, doch wie sehr er sich auch bemühte, ein ungutes Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit. Turinnias Finger berührten bereits seine Haut und Thavir befürchtete, dass sein Vater wahrscheinlich schon früher Zuhause eintreffen würde als der kleine Trupp mit dem er unterwegs war. Selbst auf dem Rücken eines Pferdes schien sich der Weg vom nördlichen Stadtkern bis zu seinem Elterhaus in der Nähe des südlichen Tores ewig hinzuziehen, denn sie benutzen oft Umwege durch kleinere Straßen. Es schien als würde der Drachenmeister versuchen, so wenig aufzufallen wie möglich. An der Tür von Thavir's Elternhaus machten sie halt, ließen die Pferde stehen ohne sie anzubinden und warteten, bis der Drachenmeister das Wort ergriff. "Klopfe an die Tür, Knabe." Zitternd streckte Thavir seine Hand aus und klopfte Drei mal fest an die Tür. Als sie sich öffnete, erbleichte Thavir. Vor ihm stand sein Vater. Zitternd, mit wutverzerrtem Gesicht und Tränen in den Augen. "Du götterverdammter Scheißhaufen! Wo im Namen aller Götter hast du dich rumgetrieben!? Deine Mutter hatte einen ihrer schrecklichen Anfälle, während du dich schön da draußen vergnügt und deine Pflichten vernachlässigst hast! Wäre ich auch nur eine Minute später hier angekommen, wäre sie jetzt tot, verdammte Orkscheiße!" Der vor Zorn brodelnde Mann holte weit aus, um den Jungen ins Gesicht zu schlagen, doch noch bevor die Hand des Mannes Thavir's Gesicht erreichen konnte, hallte ein dumpfer Knall durch die Luft und Thavir's Vater ging bewußtlos zu Boden. Aaron wirbelte seinen Speer einmal kunstvoll herum und hielt ihn dann wieder so, als sei überhaupt nichts passiert. "Der Stiefel des Drachen schützt, unter Einsatz seines Lebens, jeden Karadonier, in dem er ein reines Herz erblickt!" Die Worte des Drachenstiefels waren durchzogen mit Stolz und es hörte sich an, als würde er die Leitsätze der Drachenstiefel wahrhaftig leben. Nickend stimmte ihm der Drachenmeister zu. "Gut gesprochen, gut gehandelt, Aaron. Lasst uns nun zum Wesentlichen kommen. Geht es deiner Mutter sehr schlecht, Junge?" "Ja, ehrwürdiger Drachenmeister!" Thavir wußte nicht, wie er den Meister ansprechen sollte, darum nannte er ihn so wie Xaglosh ihn genannt hatte.

    Seine Mutter war weder ansprechbar, noch reagierte sie auf äußere Reize. Mit leerem Blick lag sie da und war völlig geistesabwesend. Thavir zitterte und weinte, während er die Hand seiner kranken Mutter hielt und sie zärtlich streichelte. "Dunkelfieber." Zum ersten und einzigen mal sprach der Alcandorgeweihte, der mit dem Drachenmeister gekommen war ein Wort. Er nannte es beinahe beiläufig, als ob er es jeden Tag benutzen würde. Fragend zog Xaglosh die Augenbrauen hoch. "Dunkelfieber? Unter den Bürgern? Den Dreck fangen sich doch nur Soldaten, Drachenstiefel und Reisende ein. Wie hat sie sich angesteckt?" Thavir zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht. Sie hat es seit ich denken kann und wollte nie mit mir darüber reden, wie es passiert ist." Daraufhin gab der Drachenmeister dem Geweihten ein Handzeichen. Dieser verbeugte sich tief, verließ das Haus und ritt im Gallop davon. "Es ist soweit. Zieh' dich aus, Knabe." Thavir blickte zu Aaron, doch dieser nickte nur und die Stimme des Meisters klang nicht als wollte er einen Scherz machen und so gehorrchte Thavir, ohne den Befehl infrage zu stellen und zog die saubere Kleidung aus, die er von Xaglosh bekommen hatte. So wie die Götter ihn schufen, stand er vor den Drei Männern. Abermals rasten die Gedanken ungeordnet durch seinen Kopf. Er wußte nicht worauf er sich einließ, aber er spürte, dass es nun kein Zurück mehr gab, denn die Gesichter der Männer zeigten keinerlei Regung und alle Drei schienen hochkonzentriert. Die nächsten Worte, die der Drachenmeister sprach beunruhigten ihn ebenso wie sie ihn verwirrten. "Ein Sohn Karadons mag Heute sterben, doch wird ein Sohn Alcandors Morgen Nacht erwachen und Sieben Jahre wandern auf dem Pfad des großen Drachen!" Thavir hatte keine Zeit über die unendlich vielen Fragen nachzudenken, die in diesem Moment durch seinen Verstand schossen, denn schon kurz nachdem er den kleinen Singsang zuende gesprochen hatte, holte der Drachenmeister eine kleine Phiole aus dem weiten Ärmel seiner Robe hervor und goss eine beachtliche Menge des roten Inhalts unverdünnt über seinen Kopf. Er spürte nur noch ein Gefühl von unbeschreiblicher Wärme, welches ihn an die Liebe seiner Mutter erinnerte, bevor er in einen tiefen und traumlosen Schlaf fiel.

  2. #2
    Kapitel 5 - Der Durchbruch

    Edvin saß am Esstisch seines Hauses und presste beide Hände fest gegen seinen dröhnenden Schädel. Nur mit großer Mühe hatte er es geschafft sich aufzuraffen und vor Schwindel taumelnd, den Weg zu einem Stuhl zu finden, nachdem er von seinem eigenen Sohn niedergeschlagen worden war. Doch war es wirklich sein Sohn? Nein! Niemals wäre sein weinerlicher und schwächlicher Spross dazu imstande gewesen. Es musste einer der Männer gewesen sein, die ihn begleitet hatten. Aber wer waren sie und wohin waren sein Sohn und seine Frau verschwunden? Als die Vier ihm unbekannten Männer hinter Thavir an der Tür standen, hatte er sie kaum beachtet und seine gesamte Aufmerksamkeit seinem verhassten Sohn gewidmet. Edvin hatte seinen Jungen nicht immer gehasst, doch die Erinnerung an fröhlichere Zeiten war längst aus seinem Gedächtnis gewichen. Während er dasaß und erfolglos versuchte, sich die jüngsten Ereignisse zu erklären, wanderte sein Blick durch das menschenleere Haus. Der Tisch sowie der alte, teilweise aufgequollene Holzboden der Wohnstube waren übersäht mit leeren Bier- und Metkrügen. Vereinzelt zogen sich Risse durch das schlecht verputze Mauerwerk und die hölzerne Dachkonstruktion des Hauses und in der Schmiede, dessen Zugangstür weit offen stand, brannte keine Esse und weder Hammerschlag noch Besenstrich fanden einen Weg in sein Gehör. Im Geiste verfluchte Edvin die Götter. Vier Jahre nachdem sein Sohn das Licht der Welt erblickt hatte, fingen sie an auf ihn zu spucken. Sie ließen seine Frau erkranken und segneten seinen schmächtigen Sohn mit handwerklichen Fähigkeiten, die seine eigenen bereits nach ein paar Hammerschlägen bei weitem übertrafen. Um nicht ständig an diese Schmach erinnert zu werden, hatte er Thavir verboten seine Esse zu benutzen und ihn stattdessen putzen, kochen und Erz schleppen lassen. Er wußte, dass sie weit mehr hätten verdienen können, hätte er seinen Sohn schmieden lassen, doch die Scham hatte ihn immer davon abgehalten und anstatt von seinem Sohn zu lernen, ertrank er seine Unfähigkeit und seine Selbstzweifel lieber regelmäßig in Bier und Met. Nachdem Edvin es geschafft hatte, die kreisenen Gedanken in seinem Kopf grob zu ordenen, erhob er sich von seinem Platz und ging zielstrebig, aber immer noch trokelnd auf seinen besten Bekannten zu, einem Bierfass. Ohne auch nur daran zu denken ihn vorher auszuspülen, griff der Mann nach einem der vielen Krüge auf dem Tisch und befüllte ihn zitternd mit seinem goldenen Allheilmittel.

    "Das Tor ist durchbrochen! Wir werden angegriffen!" Vor Schreck zuckend erwachte Edvin und warf dabei seinen Bierkrug quer durch den Raum. Die Stimmen waren laut zu hören und nicht weit entfernt. Kurz darauf vernahm er ein Hornsignal, bei dessen Klang sich sein Magen zusammenzog. Ein langer dröhnender Ton, gefolgt von einer Reihe dicht aufeinander folgender Stöße. In Panik eilte er ans Fenster. Kampflärm und unverständliche Schreie hallten durch die Nacht. Als er auf die Straße blickte, bot sich ihm ein Bild des Grauens. Die Bürger rannten um ihr Leben, verfolgt von einer ganzen Horde brüllender und blutrünstiger Orks. Dutzende Leichen lagen auf der Straße und das karadonische Blut auf den Pflastersteinen schimmerte im Licht der Laternen. Edvin hatte Menschen, die in den oberen Stockwerken der endlos hohen Bauten Krildjes wohnten immer belächelt, weil sie schon beim Aufstieg zu ihrem Heim ins Schwitzen gerieten. Nun wünschte er sich nichts sehnlicher, als dort oben zu sein. Mitten in seinem Blickfeld trieb eine der grünhäutigen und in schwarze Tierfelle gekleideten Bestien ihre Axt tief in die Schulter eines Mannes. Der Bäcker, dem Edvin jeden Tag mehrmals begegnet war, stieß einen entsetzlichen Schrei aus und wurde kurz darauf von der Axt eines weiteren Orks enthauptet und zum schweigen gebracht. Um nicht vor Schreck laut aufzuschreien, presste er beide Hände vor den Mund. Jeden Tag hatte Edvin seine Familie mit Gewalt kontrolliert und gefügig gemacht, doch der Anblick von so viel Blut und Tod ließ ihn würgen und vor Angst zittern. Noch nie hatte er einen Durchbruch miterlebt und er kannte auch sonst niemanden, der das von sich behaupten konnte. Plötzlich dachte er an Frau und Kind. Zum ersten mal, seit er sich zurückerinnern konnte, fühlte er beim Gedanken an seine Familie keinen Anflug von Zorn. Sein Herz raste wild , wie bei einem seiner Wutausbrüche, doch fühlte er keine Wut. Es war etwas anderes. Tränen flossen über sein Gesicht, er schwitzte stark und war eingehüllt in ein kaltes Tuch der Hilflosigkeit. Ehe er ein Wort für dieses eigenartige Gefühl finden konnte, wurde seine Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen draußen gelenkt, als er ein junges Mädchen schreien hörte. "Nein, bitte nicht! Ich flehe dich an, bitte verschone meine Mami!" Fast an der selben Stelle, an der auch der kopflose Leichnam des Bäckers lag, hatte einer der Schwarzpelze eine verletzte Frau und ihr Kind in die Ecke getrieben. Die stark blutende Frau gab bloß noch ein Röcheln von sich, bevor sie vor den Augen ihrer kleinen Tochter in Zwei Teile gespalten wurde. Edvin schnürte es die Kehle zu, als der Ork sich böse grollend vor das Kind stellte und seine blutverschmierte Axt in die Höhe wuchtete, um das wehrlose Mädchen zu schlachten. Edvin fehlte die Zeit zum nachdenken. Rasendschnell packte er sich eines seiner verbogenen und schlecht geschliffenen Schwerter und stürmte, genauso wild brüllend wie die Orks, in die Nacht hinaus.

    Geändert von Gisulf91 (24.06.2018 um 21:11 Uhr)

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