Geht mir so ähnlich wie Cooper, wenn auch teilweise aus anderen inhaltlichen Gründen (und ich hab auch nichts gegen ein paar Boobs -_^). Mein Geschmack hat sich nicht verändert, die Spiele aber schon, und zwar massiv und oft ohne nachvollziehbaren Grund. Die Entwickler haben irgendwann einfach aufgehört, Genrevertreter zu machen, wie ich sie einst geliebt habe.

Das hat auch mit dem Wandel des Marktes an sich zu tun: Ähnlich wie in der Filmbranche, aber noch viel schlimmer und deutlicher spürbar als dort, bricht total der mittlere Größenbereich weg. Es gibt nur noch entweder AAA-Blockbuster-Supertitel, die möglichst ein weltweites Publikum diverser Altersklassen ansprechen sollen, also auf Mainstream ausgerichtet bzw. alle Ecken und Kanten abgeschliffen sind, die kaum Risiken und kaum ausgefallene stilistische Ideen beinhalten, und die für ungefähr zehn Gazillionen Dollar produziert wurden, oder kleine Nischen-Fanservice-Spiele und Indie-Titel für Liebhaber, die aber alle selten das Geld oder die Manpower haben, um ihre Ideen optimal umsetzen zu können (trotzdem ist letzteres der Ort, wo ich heute ab und zu noch das finde, was ich suche).

Und hier haben wir das Problem: Bis auf wenige Ausnahmen haben sich japanische RPGs nie zu den großen Rennern und Gelddruckmaschinen durchgeschlagen, sondern sind in ihrer Blütezeit eine wohlige "mittelgroße" Nische geblieben. Von den Serien, die wir hier damals geliebt und begeistert gespielt haben, sind mindestens vier Fünftel komplett weggefallen und gestorben. Seiken Densetsu, Breath of Fire, Suikoden, Wild Arms oder SaGa, um nur einige zu nennen. Alle tot. Und nein, wenn alle Jubeljahre mal ein neuer Mobile-Titel optimiert für Smartphones und Tablets veröffentlicht wird, oder ein Remake, das darin versagt, den Charme des Originals einzufangen, dann sehe ich das nicht als legitimes Lebenszeichen oder gar Revival an. Es müsste schon ein Spiel für die gängigen großen Konsolen her, nicht nur digital verkauft, sondern im stationären Einzelhandel. Doch heute ist absolut keine Firma mehr bereit, so etwas zu finanzieren.

Ich meine damit nicht nur Serien, auch Einzeltitel. Dort merkt man nämlich besonders krass, wie sehr sich die Genre-Landschaft verändert hat. Vor 15 Jahren wurden regelmäßig komplett neue Titel angekündigt, die keine Fortsetzung einer Reihe waren, aber eine begründen konnten, wenn es gut lief. Auch von den großen und bekannten Firmen. Entsprechend gab es auch ständig spannende News zum Thema zu verfolgen, mindestens alle drei Tage gab es irgendeine aktuelle Meldung, die mich aufhorchen ließ. Damit war Vorfreude verbunden. Heute dagegen? Ich überfliege einmal im Monat kurz die üblichen Gaming Seiten und stelle gelangweilt fest, dass in der Zwischenzeit nichts geschehen ist, was für meine Präferenzen von Belang wäre. Wann war das letzte Mal, dass ein Square Enix mit angemessenem Aufwand in-house ein großes RPG für Konsolen entwickelt hat, das keine Fortsetzung in irgendeiner Form war? Außer Final Fantasy, Dragon Quest und Kingdom Hearts geht da doch eh nicht mehr viel. Ein Schatten von der stetigen, abwechslungsreichen Ideenschmiede, die die Läden einst waren.

Hinzu kommen dann natürlich auch die Inhaltlichen Veränderungen. Vieles geht nun viel zu sehr in Richtung Open World /MMO-Mentalität, die Balance früherer Ost-RPGs zwischen Spielwelt und Storydichte ist völlig verloren gegangen. Dazu gesellen sich Krankheiten wie DLC-Overkill, wo ein unfertiges Produkt ausgeliefert wird und man für die nur halb funktionierende Fertigstellung per Patches und Updates später nochmal zur Kasse gebeten wird, Lootboxen etc.. Ich vermisse die Zeiten, wo man mit einem Spielekauf das komplette Package erhielt und man sich darauf verlassen konnte. Auch, dass jeder grob die selbe Erfahrung bekam, egal ob man es früher oder später spielte. Heute kann sich ein Spiel in ein paar Jahren stark verändert haben... oder im Falle von Online-Gedöns sogar gar nicht mehr vorhanden sein, weil die Server abgeschaltet wurden! Und natürlich muss fast jedes Spiel inzwischen einen Multiplayermodus dabei haben.

Die Geschichten mögen neue Ausdrucksmöglichkeiten gefunden haben und teils viel filmischer wirken, aber diese Gelegenheiten werden kaum effektiv genutzt, für mich fühlt es sich weitgehend flacher an. Mag sein, dass ich ein Stück weit dort herausgewachsen bin und was anspruchsvolleres wünsche, aber es liegt gewiss nicht nur an mir. Es ist auch nicht bloß Nostalgie für die "gute alte Zeit", denn wenn ich heute alte RPGs reinwerfe, die ich noch gar nicht kannte, habe ich an den Figuren und Abenteuern meist mehr Freude als bei aktuellen Spielen. Heutzutage wirkt vieles so belanglos.

Ich mein, nehmt mal ein Final Fantasy VI mit seiner legendären Zäsur in der Spielmitte, mit mehreren versuchten und teils vollzogenen Selbstmorden, mit Jugendschwangerschaft oder Genozid als angesprochene Themen, oder auch einfach nur das Bordell in Final Fantasy VII, die Blutspur, die ein Kopfloser Alien und Sephi im Shinra HQ hinterlassen, oder die ganzen religiösen Untertöne in beiden und ganz besonders in Xenogears. Die Spiele mögen in vielerlei Hinsicht primitiver gewesen sein, aber gewiss nicht in ihrer konzeptuellen Größe, in ihrem Mut und ihrer Freude an den großen Ideen und an der Schaffung einer fiktiven Welt - letzteres eben nicht nur im Sinne von "Hey, ich kann in einer geraden Linie zehn Minuten durch die Pampa latschen ohne auf eine unsichtbare Wand zu treffen", sondern von clever eingebauten Rückbezügen, Details, Anspielungen, Zusammenhängen, vielseitigeren Charakteren, mehr Freude am Erzählen. Die Leute haben sich ganz einfach mehr dabei gedacht, das ist mein ganz ehrlicher, subjektiver Eindruck.

Inzwischen ist alles voller Anime-Klischees und zu albern, oder aber nimmt sich selbst zu ernst und möchte super-realistisch rüberkommen. Die Spiele gehen kaum noch auf Hintergrundgeschichten ein, während man damals noch spielbare Rückblenden und anderen Luxus spendiert bekam. Die Parties von Spielercharakteren sind im Vergleich zu früher meistens zusammengeschrumpft, werden immer kleiner. Mag sein, dass es aufwändiger ist, Figuren zu gestalten, aber da werden eben die imho falschen Prioritäten gesetzt. Genauso die Welten. Ich habe es damals geliebt, auf der Weltkarte von Dorf/Stadt zu Dorf/Stadt zu laufen - von denen gab es massig und man durfte sogar in die meisten Häuser hineingehen! Sie mögen bezogen auf Proportionen eher unrealistisch gewesen sein, aber wen kümmerts? Es waren schließlich Fantasy-Welten und alles blieb trotzdem nachvollziehbar dank Immersion und schicker Gestaltung. Jetzt gibt es zwar gigantische Flächen und riesige Metropolen, aber manches davon wirkt kalt und eingeschränkt und quantitativ minimalistisch. Ich sehe tausende von Häusern im Hintergrund aber kann in keines davon hineingehen und mit NPCs labern oder Schätze abgreifen.

Ich habe es geliebt, wie damals die meisten Genrevertreter den Anspruch hatten, eine ganze Welt zu präsentieren und erlebbar zu machen. Eine Welt, auf der man alle signifikanten Orte untersuchen und den Globus oft sogar umrunden durfte. Heute ist man auf einen Ausschnitt beschränkt. Das Abstraktionslevel wird nicht länger als wichtiges Werkzeug verstanden. Alles wirkt echter aber am Ende doch kleiner und simpler. Mehr Schein als Sein. An dieser Stelle möchte ich unterstreichen, dass der technische Aufwand absolut keine Entschuldigung oder Ausrede dafür ist. Null. Mit anders verteilten Prioritäten könnten sie heute Unglaubliches, Unvergessliches zaubern. Das optimale RPG für die heutige Zeit, das ich im Kopf habe und welches das Beste aus alt und neu vereint, bzw. etwas, das auch nur entfernt in diese Richtung geht, würde keinesfalls mehr kosten als der übliche derzeitige AAA-Titel, wahrscheinlich sogar nur die Hälfte. Aber es macht keiner, weil die Firmen risiko-avers sind und weil sie felsenfest zu wissen glauben, was die Spieler am liebsten mögen.

Vielleicht fühlte es sich früher auch eher danach an, dass da Leute die Spiele entwickeln, die selbst begeisterte Spieler sind und die wissen, was uns mitreißen und schockieren oder sich wie eine wohlig-warme Decke anfühlen konnte. Und die RPGs ließen sich Zeit, so viel mehr Zeit und Dialog. Die ruhigen Momente, wo effektiv Charakterentwicklung mit langen Gesprächen betrieben wird, muss man heute wie die Nadel im Heuhaufen suchen. Alles ist auf Hektik und Spektakel oder Gameplay-Beschäftigungstherapie ausgerichtet, und das liegt mir überhaupt nicht. Es ist nicht mehr dieses Bild von zwei oder drei Dutzend Leuten, die selbst Fans sind und ihr Herzblut in ein Kunstwerk stecken, sondern es fühlt sich für mich heute oft eher so an wie 500 namen- und gesichtslose Auftragsprogrammierer und Designer, die Zeug für ein Massenprodukt umsetzen, das vorher durch Marketinguntersuchungen getestet und von Aktionärsversammlungen und Firmenbossen abgesegnet wurde. Das Persönliche ist abhanden gekommen.

So hat sich mit der Zeit auch mein Spielerverhalten geändert. Ich spiele kaum noch, weil es kaum noch etwas Neues gutes in diesem Genre gibt, das mein Interesse wecken würde. Das ist auch der Grund, warum ich mich hier relativ rar gemacht habe. Naja, mein Backlog an Klassikern ist immer noch riesig, aber der Zeitaufwand im Moment zu groß. Letzteres ist aber nicht erst seit gestern so. Ich weiß noch, wie ich vor einigen Jahren immer mal wieder anderes oder alte Spiele unterbrochen bzw. schnell abgeschlossen habe, um einen großen neuen Titel zu zocken, der gerade frisch erschienen ist und den ich lange herbeigesehnt hatte. Sowas wie ein neuer Final Fantasy Hauptteil. Dazu habe ich inzwischen leider überhaupt keinen Anlass mehr. Ich erinnere mich nicht, wann das letzte Mal gewesen ist, dass ich einem RPG entgegengefiebert und mich die Welle des Hypes dazu mitgerissen hätte. Es ist traurig aber wirklich fast so, als hätten die Verantwortlichen nach und nach alle möglichen Elemente sowohl aus Gameplay als auch aus der Story oder dem Design entfernt, die ich an dem Genre ursprünglich so zu schätzen wusste und über die ich diese Art von Spiel überhaupt erst lieben gelernt habe.

Japanische Rollenspiele sind meiner persönlichen Ansicht nach in einem miserablen allgemeinen Zustand bzw. haben sich in eine überaus enttäuschende Richtung entwickelt, die ich nicht mehr aufmerksam weiter verfolgen oder unterstützen möchte. Mehr so nach dem Motto "Weckt mich, wenn es mal wieder was gibt, das mir eventuell gefallen könnte". Zu dieser Überzeugung bin ich gelangt als jemand, der das sagenumwobene goldene Zeitalter des Genres von frühesten Super Famicom Tagen an und über die erste und zweite PlayStation hinweg miterlebt hat. Früher war nicht alles besser, aber, ganz ehrlich, das worauf es ankommt schon.

Die Zeit habe ich in den letzten Jahren unter anderem lieber genutzt, um mich noch intensiver als zuvor mit Filmen zu beschäftigen und den Kram nachzuholen, den ich in den letzten 90 Jahren dieses Mediums so verpasst habe und der mich potentiell begeistern könnte. Glaube das war die lohnenswertere Entscheidung. Habe noch immer vor, irgendwann meinen RPG-Backlog aufzuarbeiten, aber neuere (Vollpreis-)Spiele werde ich bis auf wenige Ausnahmen auf unbestimmte Zeit erstmal links liegen lassen. Ich mein... die aktuelle Konsolengeneration begann Ende 2012, seitdem sind für diese Plattformen ganze sechs Rollenspiele erschienen, die ich zumindest gerne ausprobieren würde. Wow. Es sind zwar noch drei oder vier mehr Kandidaten angekündigt, aber bei dem Andrang brauch ich es nicht eilig haben. Ich besitze keine der aktuellen Konsolen und bis jetzt habe ich auch keine davon gebraucht.