Zitat Zitat von Cuzco Beitrag anzeigen
Cosmo Canyon - eine eigene Episode in der Handlung wo man sich bei Bugenhagen nur um die Belange von Red XIII, bzw. Nanaki gekümmert hat und eine eigene kleine Welt in der Welt entdeckt hat. Man war während dieser Episode ganz im Cosmo Canyon - der Kampf gegen Shinra hatte in diesem Moment wenig Priorität - es war wie Urlaub im Spiel - gleichzeitig hat er die Entwicklung einiger Hauptfiguren näher gebracht. Oder die Aufenthalte mit der Tantalus in Treno in FF IX - Gargantula Tunnel - Zinnengebirge. Oder als man sich eine Zeit lang den Timber Eulen, den Rebellen in der Stadt Timber anschloss. So etwas gibt einen unglaublichen Atmospärenzuwachs, entstrafft die Handlung, da man in diesen Momenten keinen Peil hat, was weiterhin geschehen wird, man aber kleinere Ziele hat. Handlungen moderner JRPGs setzen das Endziel die ganze Zeit in den Fokus. Frühere Exemplare boten kleine Etappenziele, damit eine grundlegende Spannung immer gewahrt bleibt. (...)

Aber richtig geheilt von meiner JRPG-Affinität wurde ich eigentlich erst durch Final Fantasy XIII. Das hat mich richtig kuriert. Ein ellenlanger linearer Handlungsschlauch mit furchtbaren Charakteren und wenig Inhalt. Und eigentlich immer nur einen Weg vor Augen. Klar - eine Auflösung wurde nicht vorweggenommen, aber das Spiel hatte keinen einzigen der kleinen Verschnaufer mehr, die die PSOne-FFs so immanent gemacht haben. Das vermisste ich bereits bei den beiden PS2-Ablegern sehr stark. FF X fühlte sich von Anfang an wie ein langer Weg und bot plottechnisch wenig Abwechslung. FF XII hatte wiederum einen - meiner Meinung nach - sehr starken Plot, der sich aber durch die viel zu wenigen Cutscenes und Dialoge überhaupt nicht entfalten konnte. FF XV ist hingegen einfach hoffnungslos zu kurz, obwohl das Spiel das Potenzial für einen der besten Plots gabt hätte.
This. Das habe ich auch schon oft so in der Art geschrieben. Diese episodenhaften und oft clever lose mit der Haupterzählung verwobenen Nebengeschichten, die es ja beileibe nicht nur in Final Fantasy gab, ließen die Handlung atmen, vertieften die Charaktere, erklärten detailliert die Orte, stärkten die Immersion und ließen das Abenteuer am Ende viel größer und intensiver wirken. Man hatte das Gefühl, die Truppe wirklich zu kennen und etwas Bedeutendes mit ihnen erlebt zu haben. In gewisser Weise mehr wie eine durchgeplante Fernsehserie mit konstanter Storyentwicklung. Neuere japanische RPGs, das fing in der PS2-Ära an und wurde dann immer schlimmer, haben mehr etwas von Popcorn-Kinofilmen: Die Rahmenhandlung steht im Vordergrund und alles ist darauf ausgerichtet. Es gibt wenig Raum für Erforschungen und narrative Abstecher abseits des Weges, dafür aber jede Menge oberflächliches Spektakel. Das macht diese Spiele für mich letztenendes unnötig klein. Bombast ist ja an sich nichts schlechtes, aber die Wirkung verpufft eben, wenn das emotionale Investment und der World Building Unterbau fehlt, um die sich viele neuere Spiele kaum mehr bewusst kümmern.

Doch um das nochmal direkt auf dein Final Fantasy Beispiel zu beziehen: Ich sehe das mit FFX und XII genauso, das waren aber beides noch Spiele, an denen ich trotz der erwähnten Mängel Gefallen finden konnte. Manchmal glaube ich, dass XIII und XV gewissermaßen das ins Extreme verschobene, negative Zerrbild dieser beiden Pole sind. FFX war sehr linear, XIII der Inbegriff der Linearität gone wrong, praktisch ein interaktiver Film. FFXII hatte eine große und detaillierte Welt, aber zu wenig Cutscenes und Charakterentwicklung, während XV eine ausufernd gigantische aber oft ziemlich leere Spielwelt hat, die später trotzdem wieder zur Linearität degeneriert, während die Story im Vergleich geradezu winzig ist. Das Gleichgewicht, der gute Mittelweg, der bis zum Beginn der PS2-Ära wie ein selbstverständlicher Standard schien, ist irgendwie völlig flöten gegangen. Unnötig geopfert auf dem Altar des vermeintlichen Fortschritts und unverständlicherweise nie zurück gebracht. Die Lösung wäre so simpel und offensichtlich, dass es fast schon weh tut. Weg von den konzeptuellen Superlativen, Absoluten und Experimenten, stattdessen alles konstant und in Maßen, dafür aber in diesen Dimensionen jeweils so gut und liebevoll-detailliert wie nur möglich.

Früher gab es eine Art Genre-Standard, eine Genre-Mitte. Natürlich immer diverse Abweichler dabei, aber die meisten RPGs folgten dem selben Grundschema. Das fand ich gut, gab Vertrautheit, man fand sich sofort zurecht und konnte Dinge besser zuordnen. Das sehe ich heute nicht mehr. Ich will damit nicht sagen, dass alles gleich sein soll. Aber ich verabscheue es, wenn Innovationswut blinden Aktionismus hervorruft, ohne dass die Verantwortlichen mal hinterfragen, ob diese Entscheidungen überhaupt zu etwas Besserem führen als das, was vorher da war. Oder dass sie nicht zu alten, erprobten Konventionen zurückkehren, wenn etwas Neues einmal nicht gut ankam, sondern stattdessen einfach eine andere heftige Neuerung und Richtung ausprobieren, in der Hoffnung, dass das besser läuft.

Jedes Rollenspiel braucht heute sein eigenes, ausgefallenes Gimmick oder Alleinstellungsmerkmal. Damals reichte es noch, wenn es die eigene Geschichte besonders gekonnt erzählt, das Design angenehm speziell war und der Soundtrack eine besondere Stimmung erzeugte. Inzwischen scheint kaum mehr ein großes, japanisches RPG zu erscheinen, das in allen wesentlichen Belangen als "normal" in Bezug auf Aufbau der Spielwelt, Gameplay und Storykonventionen bezeichnet werden könnte; und ich vermisse das wirklich. Klassisch in dem oben genannten Sinne, ja, aber damit meine ich gewiss kein simples "rundenbasierte versus Action-Kämpfe" und erst recht kein "vorgerenderte Hintergründe versus polygonale Welten". Es geht weit darüber hinaus. Bei diesem ständigen Gerangel um die neuesten revolutionären Errungenschaften ist leider viel Subtiles verloren gegangen und auf der Strecke geblieben, dessen zentrale Bedeutung für das Genre damals niemand mit Einfluss begriff.