Gestartet

Beendet

System
Spielzeit

Erwartung

Wertung
24.02.2018 06.03.2018 3DS 26:30h

Ich habe gestern Radiant Historia beendet.

Warum gerade dieses Spiel?
Da Radiant Historia als eines der besten NDS-RPGs gefeiert wird und zudem einen interessanten Artstyle besitzt, von Atlus ist und Shimomura-Musik hat, stand es schon lange auf meiner Liste. Ich hatte zwar die DS-Version, aber das Remake hat mir die perfekte Ausrede verschafft, das Spiel endlich mal in Angriff zu nehmen.

Wie gespielt?
Normales Ende, ca. 200 von 287 Knoten und eine Handvoll in der Possible History. Eine Handvoll Sidequests, vielleicht so 30-40 Prozent. Schwierigkeitsgrad Normal.

Eindrücke
Puh, das ist nicht ganz einfach, da mir das Spiel einerseits recht gut gefallen hat, aber mich in mancherlei Hinsicht auch enttäuscht fand. Besonders schade fand ich aber, dass es mich auf persönlicher Ebene viel weniger angesprochen hat als erhofft.

Vorweg einmal: Ich bin kein Fan von Zeitreise-Geschichte, weil die fast immer größere Plotholes haben, Paradoxa unbeachtet lassen oder massiv viel auf Deus ex machina setzen, wenn die Regeln nicht sehr stark eingeschränkt sind.

Was ich sehr mag, sind Zeitreise-Geschichte, wo nur einmal gereist wird, also in der Regel entweder in die Zukunft (die nahe oder die ferne) oder die Vergangenheit. Sobald aber die Zeit willentlich kontrolliert werden kann, wird es problematisch.

Nicht nur aus logischer, sondern auch aus dramatischer Hinsicht. Entsprechend hatte ich bei Radiant Historia leider stets das Gefühl, dass dramatische Momente in der Geschichte dadurch an Intensität verlieren, da sie eh revidiert werden können. Gerade weil das Spiel auch stark auf recht schmucklos präsentierte Bad Ends setzt, bekommt man das Gefühl, alles was irgendwie schief läuft, umkehren und beim nächsten Mal besser machen zu können.

Damit verbunden sind noch ein paar andere Probleme: Die Zeitreise-Mechanik wird relativ willkürlich in Spiel eingeführt, teilweise eher wenig glaubwürdig aufs Gameplay zugeschnitten (Parallele Zeitlinien beeinflussen sich gegenseitig? Öhm, bitte was?) und spätestens im letzten Teil des Hauptspiels gibt es zahlreiche Momente, wo ich mir gedacht habe, dass es für den Antagonisten, der ebenfalls durch die Zeit reisen kann doch viel einfachere Lösungen gegeben hätte. Auch andere Elemente wirken leider nur unbeholfen in die Geschichte integriert. Zu Beginn erhält Locke beispielsweise von den beiden Hütern der Zeit die Fähigkeit, Kisten zu verschieben, was für ein so ernstes und sonst bodenständiges RPG wie Radiant Historia schon ein bisschen lächerlich wirkt, zumal ein durch Kisten versperrter Weg auch ein schwaches dramaturgisches Element ist, um eine Situation als aussichtlos darzustellen.

Es gibt durchaus Situationen, in denen das System gut genutzt wird und vor allen Dingen gibt es der Handlung auch eine interessante und unverbrauchte Struktur. Ich finde es sehr schön, wie zwölf Sidequests, die man erledigen kann, alle zu zusätzlichen Szenen im Ending führen – quasi ein stufenweises Happy End, wenn man so will. Aber abgesehen von diesen Momenten ist das Spiel doch erstaunlich linear. Es gibt genau zwei Zeitlinien und alle Abzweigungen davon führen sofort zu Bad Ends oder sind Sidequests, die leichten Einfluss haben. Ich hätte es spannender gefunden, wenn man die Konsequenzen einer getroffene Entscheidung nicht sofort sieht, denn so wie das Spiel es gelöst hat, gibt es eigentlich immer nur eine richtige Lösung. Zwar war ich bei Life Is Strange letztlich auch enttäuscht, wie wenig Einfluss die getroffenen Entscheidungen letztlich hatten, aber das Spiel hat es sehr gut hinbekommen, dem Spieler das Gefühl zu vermitteln, dass es wichtig ist, gut nachzudenken, weil man nicht sofort abschätzen kann, ob eine zunächst klug wirkende Entscheidung nicht später doch noch unangenehme oder gar katastrophale Folgen hat.

Abgesehen davon hat mir die Geschichte aber gut gefallen. Der Cast wirkt erfrischend erwachsen, die Charaktere sind alle einzigartig, ohne zu sehr überzeichnet zu sein, wie es häufig in modernen Spielen mit Anime-Einflüssen der Fall ist und alle haben eine glaubwürdige Rolle in der Geschichte und sind nicht bloß Anhang. Stocke ist ein Protagonist, der sehr bodenständig wirkt und weder Held noch Antiheld ist, wobei seine tatsächlichen Überzeugungen leider bis zum Schluss ein bisschen von seiner Rolle als Protagonist, der die Welt rettet will, überschattet werden. Auch schön ist, dass die Beziehungen zwischen manchen Charakteren nur subtil angedeutet werden, ohne komplett ausgesprochen oder in Szene gesetzt zu werden. Das gibt es in modernen Spielen leider auch immer weniger, wo es bei SNES- und PS1-Spielen noch genug Beispiele dafür gab.

Ein starkes emotionales Band konnte ich zu den Figuren allerdings nicht aufbauen. Es herrscht kein übermäßiges Gruppengefühl und entsprechend sind die Charakterinteraktionen abseits von Momenten, die direkt zur Hauptstory gehören, eher spärlich gesät und das Spiel hat einen durchgehend ernsten Ton, weshalb es nur wenige Momente gibt, die auf Charme setzen, was mir persönlich aber eigentlich sehr wichtig ist.

Das Kampfsystem mochte ich. Zwar ist das System mit dem Push/Pull teils etwas mühselig, da man die Positionen der Gegner im Hauptspiel lange nur sehr eingeschränkt manipulieren kann, aber zusammen mit dem Zugtausch und dem Combo-Counter kommt doch ein bisschen Tiefe hinzu, die zwar relativ früh im Spiel schon ausgereizt ist (sprich: es kommen keine neuen Dimensionen hinzu), aber durch fordernde Bosse und mögliche EXP- und Geld-Boni auch durchaus motivierend zu nutzen ist.

Das Mikromanagement ist leider sehr reduziert. Man kann zwar durch Level Ups und teils durch Sidequests neue Skills lernen und es gibt klassische Ausrüstungen, darunter einen recht großen Pool an Accessoires, aber es gibt beispielsweise kein Skill-System, durch das man etwas mehr Freiheit in der Charaktergestaltung hätte. Das ist nicht schlimm, denn das System funktioniert auch so, aber ich glaube, so ein System hätte mich noch etwas mehr motiviert.

Abgesehen von den Kämpfen ist das Gameplay leider sehr reduziert. Zwar kann man hin und wieder in alte Gebiete zurück, um mit neuen Fähigkeiten den Weg zu neuen Schätzen zu bahnen und es gibt auch ein paar interessante Nebenaufgaben, aber leider hat Radiant Historia absolut keine interessanten Felder oder Dungeons. Man rennt durch die meisten Gebiete einfach nur durch, bestreitet ggf. ein paar Kämpfe oder weicht ihnen aus, aber die meisten Orte sind winzig und nur minimal interaktiv und man abgesehen vielleicht von den letzten zwei Dungeons nie das Gefühl, längere Zeit am Stück vom Spiel gefordert zu werden. Man rennt im Grunde genommen nur von Szene zu Szene und kämpft zwischendurch mal, wobei die optionalen Zeitreisen zumindest etwas Abwechslung reinbringen.

Die Grafik ist okay. Die Sprites sind teils gut animiert, aber leider im Verhältnis zum Gesamtbild wirklich sehr winzig, was schade ist. Die 3D-Hintergründe sehen okay, aber nicht allzu hübsch aus – da die dritte Dimension eh nicht genutzt wird, hätte ich deutlich schöne Pixelgrafik oder handgezeichnete Hintergründe bevorzugt. Die Charakterportraits können sich in beiden Versionen sehen lassen, haben aber in der alten Version gar keine Variationen und in der neuen nur eine kleine Palette von Gefühlsausdrücken. Es ist außerdem verdammt dreist von Atlus, bei einem Remake, wo abgesehen von der Possible History der neue Content ohnehin schon sehr spärlich ist, die alten Portraits einerseits kostenpflichtig als DLC anzubieten und den dann nicht mal richtig zu integrieren: Die zwei, drei neuen Charaktere sind dann plötzlich auch mit aktiviertem DLC im neuen Stil und in den Menüs wurde auch nichts geändert.

Zur Musik kann ich nur sagen, dass sie angenehm war und in emotionalen Momenten auch manchmal durchaus stimmig, aber definitiv nicht zu Shimomuras besseren Soundtracks gehört. Das mag Kritik auf hohem Niveau sein, denn der Soundtrack ist durchaus gut, aber für mich keinesfalls ein Höhenflug. Die Vertonung ist gelungen (Yuno hatte dazu schon was geschrieben), allerdings habe ich sie trotzdem irgendwann deaktiviert, da ich 2D-Spiele lieber ohne Vertonung spiele und leider bei solchen Spielen auch selten ein Dialogfluss aufkommt, da die Zeilen immer Reihe für Reihe eingespielt werden und deshalb nie ein lebeniges Miteinander ergeben.

Fazit:

Unterm Strich mochte ich Radiant Historia, bin aber insbesondere von den Problemen mit der Zeitreise-Mechanik und einigen No-Gos in puncto Story-Präsentation (ständiges Einspielen ablenkender Jingles in emotionalen Szenen, um den Spielfortschritt zu markieren) oder Plausibilität auch ein bisschen enttäuscht. Es ist ein gutes Spiel und hätte es mich auf persönlicher Ebene stärker angesprochen, würde ich es auch sicher zu meinen Lieblings-RPGs des Systems zählen.

Zu den spielerischen Neuerungen: Der Bonusdungeon ist leider sehr uninspiriert, aber macht trotzdem Spaß und er ist eine gute Möglichkeit, dem permanenten Geldmangel im Spiel entgegenzuwirken. Das Support-System bringt leider nur dann wirklich viel, wenn man die Partycharakter außerhalb des Kämpferteams auch etwas mitlevelt, ist aber dennoch eine nette Ergänzung. Die neue Storyline „Possible History“ ist erstaunlich umfangreich, aber ich beklage sehr, dass das alte Ende komplett schmucklos ohne Credits (!) beiseitegekehrt wurde, um auf diesen alternativen Pfad aufmerksam zu werden. Ich verstehe, dass man den Fokus auf das neue True End legen wollte, aber es ist doch ein wenig respektlos gegenüber dem Original, das durchaus gelungene alte Ende wie keines wirken zu lassen, sondern dem Spieler direkt unter die Nase zu reiben, dass es doch noch weitergeht. Kann man meinetwegen nach den Credits machen, aber so hatte ich leider kein wirkliches Gefühl des Abschlusses.