Gestern beendet: Ni no Kuni II - Revenant Kingdom.
Worum geht's?
Ni no Kuni II versucht, die Geschichte des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Nicht-Amerika, Roland Crane, zu erzählen, der hautnah miterlebt, wie Nicht-New York durch einen Atomschlag dem Erdboden gleich gemacht wird, daraufhin in eine andere Welt geportet wird und - mal eben 20 bis 30 Jahre verjüngt - sich im Schloss von Ding Dong Dell wiederfindet. Leider wird diese Geschichte laufend von irgendeinem Katzenbengel unterbrochen, der wohl mal König von Ding Dong Dell war, aber vom königlichen Berater seines Vaters gestürzt wurde und sich jetzt zum Ziel gesetzt hat, alle Königreiche unter einem Banner zu vereinen, um auf diese Weise alle Kriege zu beenden und ein Reich zu erschaffen, in dem alle glücklich bis an ihr Lebensende leben können und in dem alle gleichgestellt sind. Mit ihm an der Spitze. Tatsächlich ist diese Nebengeschichte so präsent, dass wir bis zum Ende rein gar nichts von Roland, dem Helden von Ni no Kuni II, erfahren. Ständig rückt sich der komische Katzenbengel ins Rampenlicht, weil er laufend versichert bekommen möchte, dass er wirklich ein König ist und wie unglaublich königlich es doch ist, "sein Bestes zu geben" und "es zumindest zu versuchen". Dass Roland den Quälgeist nicht laufend gebitchslapped hat, zeugt nur noch mehr von seinem Heldenstatus. Jedenfalls schließen sich die beiden in diesem Vorhaben zusammen. Roland hat scheinbar kein Problem damit, seine Welt und seine Familie im Stich zu lassen, denn die Geschwindigkeit, mit der er sich dazu entschließt, in dieser fremden Welt zu bleiben, ohne Garantie, dass der absurde Plan vom Katzenwicht aufgeht, ist nahezu atemberaubend. Ich kann ihn aber verstehen - wer will schon in eine Welt zurück, die gerade einen Atomkrieg gestartet hat? Noch dazu will der leichtgläubige Bengel ein Königreich aufbauen. Lass den machen - sobald alles steht, stürze ich ihn und reiße mir alles unter den Nagel. Er wird es verstehen, ist ja schließlich nicht sein erster Putsch.
Klingt total bescheuert.
Die Geschichte hat mich jetzt echt nicht vom Hocker gehauen, das stimmt. Was mich wirklich am meisten gestört hat, war, dass sich echt niemand für Rolands Geschichte interessiert hat. Er sagt sogar, dass er auch mal so eine Art König war, und alle so: "Cool". Junge! Der Typ hat sich gerade im Schlafzimmer Eures zukünftigen Anführers materialisiert, kommt aus einer fremden Welt, in der er auch noch ein König war, und Ihr habt nichts besseres zu tun, als zu beteuern, wie sinnlos Eure kleinen Piratenluftschiffe sind? "Da können wir nicht fliegen, das ist zu heiß", "da können wir nicht fliegen, das ist zu hoch", "da können wir nicht fliegen, das ist zu weit". Ernsthaft, Ihr seid die schlechtesten Luftpiraten aller Zeiten (und trotzdem habt Ihr den Flohsack erwischt - gute Arbeit!). Und Batu hat übrigens keinen Platz in der Party verdient! Die anderen Charaktere waren ... okay, denke ich? Batu war zwar so sinnlos wie nur was, und auch Tani schien nur zur Anpassung des allgemeinen Altersdurchschnitts an den Katzenpimpf zu existieren, aber ich mochte Leander und Bracken, die neben Roland den Hauptbestandteil meiner Party ausgemacht haben. Kleine Randnotiz: Ni no Kuni II ist für mich das erste RPG, bei dem der angebliche Hauptcharakter nicht nur nicht der Charakter war, den ich gesteuert habe, sondern auch der, der die ganze Zeit auf der Ersatzbank sitzen musste.
War der Rest wenigstens gut?
Yes. Hat mir sogar sehr gut gefallen. Ni no Kuni II bietet ein (zumindest in Dungeons) nahtloses Echtzeit-Kampfsystem, in dem fleißig auf die eckigen Tasten des Controllers gehämmert wird, um die opponierende Fraktion in Stücke zu hauen. Garniert wird das mit Skills, Zaubersprüchen und allerlei Mechaniken, die nach und nach vorgestellt werden. Zu vielen Mechaniken, wenn man bedenkt, dass das Spiel so unfassbar einfach ist, dass man zumindest die Tasten für Blocken und Ausweichen eigentlich gar nicht braucht. Was haben wir denn da alles? Jeder Charakter kann drei Nahkampf- und eine Fernkampfwaffe ausrüsten. Da haben wir schon die erste unsinnige Mechanik. Warum kann jeder Charakter drei Waffen ausrüsten? Die einzige Erklärung, die mir dazu einfällt, ist, dass Gegner extrem viel Loot fallenlassen und die Menge an Ausrüstung sonst nur ungenutzt im Inventar vergammeln würde. Spielerisch ist das ziemlich hinfällig, da sich die Waffen im Kampf so schnell aufladen, dass man fast immer die Möglichkeit hat, einen 'Super-Skill' zu aktivieren, ohne sich überhaupt die Mühe machen zu müssen, sich an den Knopf fürs Waffenwechseln zu erinnern. Dann gibt es die Higgledies, die ... ich hab echt keine Ahnung, was die eigentlich genau gemacht haben. Durch irgendwas laden sich die kleinen Viecher im Kampf auf und können dann Support-Skills wirken, wie Heilung oder erhöhte Resistenzen gegen bestimmte Elemente. Dann hat jeder der 100 (!) Higgledies noch verschiedene Charakterzüge und Fähigkeiten und kann eigene Gefolgsleute bekommen und später sogar unter Berücksichtigung eines Punktelimits aufgelevelt werden, sodass ich mir am Ende nur gedacht hab "wat?" und einfach bei denen mit den lustigsten Namen geblieben bin. Noch dazu hat jeder Charakter die Möglichkeit, eine Mahlzeit zu sich zu nehmen, welche ihm oder ihr im Kampf verschiedene Statusboni verleihen kann. Ganz ehrlich? Das habe ich einmal gemacht und dann bis gerade eben vergessen, dass dieses System auch noch existiert. Dann gibt es noch den Tactics Tweaker, mit dem man bestimmte Parameter in den Kämpfen beeinflussen kann. So kann man einstellen, dass man schleimigen Gegnern mehr Schaden zufügt, oder durch Feuer weniger Schaden bekommt, schneller aus Kämpfen fliehen kann oder bessere Ausrüstung bekommt. Das ist ziemlich viel Aufwand für Kämpfe, die in den meisten Fällen durch den einmaligen Einsatz von Rolands Drehangriff in kürzester Zeit beendet werden können.
Außerhalb der Dungeons und Städte haben wir eine Weltkarte. Ja, eine echte Weltkarte, mit Rumlaufen und Schätzefinden und so! War voll gut - im Laufe des Spiels bekommt man sogar noch ein Schiff, was ein paar Kapitel später aber komplett durch einen Zeppelin abgelöst wird, mit dem man überall hinfliegen und noch mehr Schätze sammeln kann. Auch stolpert man auf der Weltkarte gelegentlich über Standarten, bei denen man sogenannte Skirmishes spielen kann. Hier steuert man den von bis zu vier Einheiten umringten Katzenlümmel, dessen Aufgabe es ist, die Truppen im Kampf gegen eine gegnerische Armee zu koordinieren. Ist eine nette Abwechslung zu den normalen Kämpfen, also hier ein Pluspunkt. Am besten sind allerdings die herablassenden Dialogzeilen von Roland, wenn der Bengel wieder mal mehr Verstärkungen anfordern will als möglich ist: "Ist gut jetzt, sind alle da".
Wer keinen Bock auf ständige Schlachten hat, kann sich stundenlang mit diversen Sidequests vergnügen. Das Spiel bietet über 170 (?) verschiedene davon, die man wirklich an jeder Ecke aufgehalst bekommt. Diese bieten erwartungsgemäß zwar nur Standardkost wie "bring mir zehn Stück davon", "rede mit dem Typen da drüben" und "Du bist doch König, oder? Liefer mir die Nudeln hier an meine Kunden, aber beeil Dich, sonst wird das Essen kalt" (und der Bengel macht das auch noch, hahaha!), aber die Belohnungen kommen oftmals in nützlicher Form von neuen Bewohnern für Rolands baldiges Königreich. Genau - der Knirps ist so frei und legt den Grundstein für des wahren Helden vorzeitigen Ruhestand und lässt ein Schloss samt Stadt bauen. In dieser Stadt arbeiten die den anderen Königreichen abgeworbenen Personen (nicht vergessen: alle sind gleich, aber andere sind gleicher!), die dem Spieler Finanzmittel für den Bau weiterer Einrichtungen bescheren, in denen wiederum andere Leute arbeiten können. Jede Person hat spezielle Fähigkeiten, die in bestimmten Bereichen besser zur Geltung kommen als in anderen. So können beispielsweise neue Zaubersprüche erforscht, neue Möglichkeiten zur weiteren Erleichterung des Kampfsystems konzipiert, neue Waffen und Rüstungen hergestellt, und viele verschiedene Materialien zur industriellen Produktion von Higgledies gesammelt werden. Dieses Kingdom-Management ist extrem umfangreich und kann sich dank unzähliger Upgrades auch weit über den anderen Spielcontent erstrecken.
Und insgesamt?
Ich fands echt super. Einige Makel sind nicht von der Hand zu weisen, aber im Großen und Ganzen war das Spiel eine echte Wonne. Die Grafik war gut, die Musik war gut (die Kampfmusik hat es mir wirklich angetan), und so leicht die Kämpfe auch waren, es hatte einfach was, in die Menge zu stürmen und dynastywarriorsmäßig alles gnadenlos zu zersäbeln, was nicht gerade zwanzig Level über der eigenen Party oder eins der besonders starken Monster war, die man gelegentlich auf der Weltkarte oder in Höhlen findet. Die Skirmishes dauern gerade so lang, dass sie nicht lästig werden, Sidequests machen Spaß, überall gibt es was zu finden, und obwohl aus der Wüste und der Eisgegend so gar nichts gemacht wurde (DLC?) bin ich zumindest gerne darüber hinweggeflogen. Das Writing war stellenweise fragwürdig bis cringeworthy (diese "inspirierenden Reden" vom Katzenbengel waren - nicht zuletzt der Reaktionen der anderen Charaktere darüber wegen - mein persönliches Lowlight), aber solange der Rest passt, kann ich auch darüber hinwegsehen. Mir hat es wirklich gut gefallen, und ich habe lange überlegt, ob ich jetzt vier oder viereinhalb Sterne geben soll, habe mich am Schluss aber für eine Wertung von 4 von 5 Sternen entschieden, da es einfach zu viele kleine Sachen sind, die mir nicht ins Gesamtbild gepasst haben. Dennoch macht Ni no Kuni II einiges richtig, denn es kommt nicht oft vor, dass ich an einem Tag über zehn Stunden lang an einem Spiel sitzen kann.
"Fuck you, I'm Roland."