Danke, dass du den Thread gemacht hast, Mivey! Ich hatte nach dem Spielen selbst darüber nachgedacht. Dass hier fremde Spiele vorgestellt werden, ist gar nicht so unüblich; wichtig ist dabei sicher vor allem, dass erkenntlich wird, wer der eigentliche Autor ist (was hier ja der Fall ist).

Ich war fast ein bisschen überrascht, wie kurz das Spiel ist, dann aber wieder von der Tatsache angetan, dass es dafür auch keinen überflüssigen Fillerquatsch gibt. Die Story ist in wenigen Stunden erzählt, auf die kommt es an, also ist es ein kurzes, dichtes Spiel.

Apropos Story, wer die Spiele von Gao kennt und liebt, wird hier wieder voll auf seine Kosten kommen. Der Plot kommt behutsam voran, die Nebenhandlungen sind unterhaltsam und spannend, der Höhepunkt der Handlung hindert selbst Teetrinker mindestens eine Stunde daran auf's Klo zu gehen, und wer am Ende nicht wenigstens ein wenig feuchte Augen kriegt, sollte die Ophthalmologin seines Vertrauens aufsuchen, da ist was mit den Tränendrüsen nicht in Ordnung.

Graphisch ist das Niveau weiterhin hoch bzw. im Vergleich zum Vorgänger sogar noch etwas ausgereizter. Vor allem die Detailarbeit an den Posen und Animationen zahlt sich mit flüssigen und ästhetisch ansprechenden Bewegungsabläufen aus; in einer Qualität, die ich bisher eigentlich nur von Velsabor kannte. Ein wenig unangenehm fiel mir hingegen der re-use einiger Maps und Teile aus A Bird's Story -- was plausibel ist, aber trotzdem den novelty-Effekt etwas geschmälert hat. Aber hey, Anagnorisis and whatnot.

Auch im Bereich des Musikalischen bilde ich mir Weiterentwicklung ein, auch wenn natürlich viel Musikmaterial wiederverwendet wurde -- was in diesem Fall eher positiv zum Tragen kommt. Die neuen Stücke sind gesetzter, reifer, weniger barock und pompös, ohne ihre Signatur zu verlieren. Und natürlich kriegt man trotzdem von Anfang an regelmäßig mit einem Crescendo die Nackenhaare gebürstet, obwohl die Musik sich sonst recht dezent im Hintergrund hält, außer wenn sie in einzelnen klug gesetzten Momenten aus der Cutscene hervorspringt und alles mit Emotion überschwemmt. Ich persönlich würde mir ja wünschen, dass die Synthesizer-Streicher weniger prominent und die Gitarrensaiten weniger synthesizert sind; aber wer auf so hohem Niveau über die Synthesizerkeit von Synthesizer-Klängen jammern kann, dem muss man schon echt ordentlich was geboten haben.

Spielerisch bin ich nach wie vor nicht ganz überzeugt. Anhand der Suche nach den Mementos sind die wenigen ludischen Elemente zwar echt nett ins Prinzip des Handlungsrahmens integriert, auch in Finding Paradise wird aber wieder das Wimmelbild-Spielprinzip mit CandyCrush-artigen Minigames -- deren Schwierigkeitsgrad eher in Richtung kinderleicht tendiert -- kombiniert. Einzige Abwechslung bieten da Kampfsystem-Elemente im Showdown, die aber wiederum sehr offensichtliche und kurzlebige Arcade-Imitationen sind. Ich wünschte, das Spiel würde mich anweisen, mal irgendein Rätsel selber zu lösen, anstatt mir nur zu zeigen, wie es gelöst wird. Die einzigen Entscheidungen, die ich im ganzen Spiel treffen durfte, waren, in welcher Ausführlichkeit dem Sohn des Patienten erklärt wird, wie in etwa die ganze Erinnerungsmanipulation funktioniert, und wer von den beiden Protagonisten zwischendurch nochmal zurück zum Auto geht (letzteres könnte Auswirkungen auf ein späteres Ereignis im Spiel haben). Das macht mir die ganze Sache leider ein wenig zu billig.


Trotzdem steht ganz außer Frage, dass Gao hier mit seiner gewohnten und erprobten und zurecht erfolgreichen Formel wieder ein Kunstwurf gelungen ist, der sich definitiv zu kaufen und zu spielen lohnt. Selbst wen das Gameplay völlig anödet (so wie mich), wird ausgesprochen gut unterhalten und starrt am Ende nachdenklich und bereichert auf die ablaufenden Credits -- denen Laura Shigihara natürlich wieder ihre Stimme verliehen hat --, während das Echo der Bilder und Klänge und des ganzen Bedeutungsumfangs der Handlung noch in einem nachhallt.